Mansfeld, Cornelia: Fremdenfeindlichkeit und Fremdenfreundlichkeit bei Frauen. Eine Studie zur Widersprüchlichkeit weiblicher Biographien, Frankfurt/Main 1998
Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen der Biographie einer Frau, ihrer Fähigkeit zur Verarbeitung eigener Belastungen und Konflikte und ihrem Verhalten gegenüber Fremden steht im Mittelpunkt dieser empirischen Studie der Darmstädter Soziologin Cornelia Mansfeld. Ausgangspunkt der Autorin war die Feststellung, daß Frauen aller Bevölkerungsschichten offenbar dazu neigen, „die eigenen Lebenserfahrungen in patriarchalen Strukturen, die ihre Autonomie einschränken und denen gegenüber sie sich ohnmächtig fühlen“, auf Eingewanderte zu projizieren. In die Beziehungen zu Fremden, seien diese Beziehungen feindlich oder freundlich, fließt also immer die eigene Erfahrung mit Hierarchien, Rollenzuordnungen und Verhaltenserwartungen mit ein. Mansfeld, deren spezifisches Interesse an dieser Fragestellung aus der praktischen Arbeit in der interkulturellen Frauenbildungsarbeit herrührt, befragte für ihre Untersuchung zwölf Frauen zwischen 25 und 45 Jahren in einem Stadtteil einer westdeutschen Großstadt (Näheres erfährt man leider nicht), die von sozialen und ökologischen Problemen in besonderer Weise betroffen ist. Die Arbeit gliedert sich in vier Abschnitte: Im ersten beschreibt die Autorin Aspekte des widersprüchlichen weiblichen Lebenszusammenhanges; im zweiten werden Rassismus, Antisemitismus und Xenophobie als Ausdruck gesellschaftlicher Strukturen und persönlicher Erfahrungen interpretiert; der dritte Abschnitt benennt den Forschungsstand zum Thema, im vierten schließlich wird die qualitative empirische Arbeit präsentiert, in deren Auswertung auch aus der Psychoanalyse entlehnte Verfahren eingeflossen sind. Wenngleich die feministisch geprägte Studie kein eindeutiges Ergebnis aufweisen kann, so sollte der Interpretationsansatz der Autorin doch in zukünftigen Überlegungen zur spezifisch weiblichen Fremdenfeindlichkeit nicht übersehen werden. CTS

Matissek, Holger: Die neuen alten Deutschen. Die Eingliederung der Deutschen aus dem Osten in das System der Bundesrepublik Deutschland. Gesellschaftliche Herausforderung und historische Verpflichtung, Konstanz 1996
Die Zuwanderung von jährlich über 200 000 Aussiedlern in die Bundesrepublik ist eine Herausforderung für alle mit der Eingliederung, Betreuung und Beratung der Aussiedler befaßten Einrichtungen. Das Buch von Holger Matissek gibt einen hilfreichen Überblick über Hintergründe und praktische Probleme der Integration dieser bedeutenden Migrantengruppe. Der Autor informiert zunächst über die Entwicklung der politischen und wirtschaftlichen Situation sowie den Wandel der Lebensbedingungen der deutschstämmigen Bevölkerung in der GUS, Rumänien und Polen. Vor diesem Hintergrund befaßt er sich mit den Ausreisemotiven der Aussiedler. Ausführlich vorgestellt werden in einzelnen Kapiteln die rechtlichen Grundlagen der Anerkennung, Aufnahme und Eingliederung der Aussiedler und die Rahmenbedingungen der wirtschaftlichen sowie der sozialen und kulturellen Eingliederung. Der Autor hebt die – im Vergleich zu anderen Einwanderergruppen größeren – kulturellen Ähnlichkeiten zwischen Aussiedlern und Aufnahmegesellschaft hervor. Problematisch ist allerdings seine vor diesem Hintergrund vorgenommene Gleichsetzung von soziokultureller Integration mit „kultureller Assimilation“ und „Identifikations- und Verhaltensassimilation“ (S. 18). In der Migrations- und Integrationsdiskussion wird, nicht zuletzt in der Auseinandersetzung mit Ursachen von Fremdenfeindlichkeit, gerade darauf hingewiesen, daß erfolgreiche Integration seitens der Aufnahmegesellschaft das Abrücken von derartigen kulturellen Assimilationserwartungen voraussetzt. Ungeachtet dieser Einschränkung eignet sich das Buch als Einführung, Überblick und auch als Hilfestellung für die Praxis.

Mecklenburg, Jens (Hg.): Braune Gefahr. DVU, NPD, REP. Geschichte und Zukunft, Berlin 1999
Rechtsextreme Einstellungen führen nicht zwangsläufig zur Wahl einer entsprechenden Partei: Neuere Untersuchungen gehen von einem rechtsextremen Einstellungspotential von bis zu 18 Prozent aus, das allerdings unter entsprechenden Rahmenbedingungen von rechtsextremistischen Parteien angesprochen werden kann. In dem von Jens Mecklenburg herausgegeben Band informieren Wissenschaftler und Journalisten über Geschichte, Struktur, Programmatik und Chancen der wichtigsten rechtsextremistischen Parteien und fragen nach den gesellschaftlichen Voraussetzungen dafür, daß sich rechtsextreme Einstellungen in einem solchen Maße ausgebreitet haben. J. Mecklenburger untersucht die Deutsche Volksunion (DVU) und deren Führungsfigur Gerhard Frey, F. Virchow dessen Presseimperium. B. Hafeneger analysiert die Nationaldemokratische Partei (NPD), H. Funke die Republikaner (REP) und C. Dammann skizziert Franz Schönhuber, dessen Einfluß in der rechtsextremistischen Parteienszene trotz seines Machtverlustes bei den Republikanern nicht unterschätzt werden sollte. Mehrere Beiträge gelten der Analyse und Bewertung der Bundestagswahlen 1998 mit Blick auf die rechtsextremen Parteien (R. Stöss; B. Hafeneger/T. Niebling) und die Erfahrungen mit Rechtsextremen in Parlamenten (Chr. Butterwegge; B. Hafeneger). Die Resonanzen auf DVU, NPD und REP und die Ausbildung rechtsextremer Milieus in Ostdeutschland (B. Wagner) werden ebenso untersucht wie rassistische Alltagserfahrungen im Osten (F. Jansen). Weitere Beiträge gelten der sozialen Frage als Politikfeld der extremen Rechten (R. Ptak) und dem rechtsextremen Wählerpotential unter Gewerkschaftsmitgliedern (C. Dammann). Blindstellen und Probleme der Extremismusforschung kritisiert W. Wippermann, und H. Funke plädiert für eine Stärkung der liberalen und sozialen politischen Kultur angesichts einer „neofaschistischen Jugendbewegung“ (S. 288). AK

MELZER, Wolfgang (Hg.), Osteuropäische Jugend im Wandel. Ergebnisse vergleichender Jugendforschung in der Sowjetunion, Polen, Ungarn und der ehemaligen DDR. Weinheim/München 1991
Die gesellschaftlichen Umbrüche in den osteuropäischen Ländern führen auch zu weitreichenden strukturellen Veränderungen in den Lebensbedingungen Jugendlicher. Neue Chancen und Risiken müssen in Familie und Schule, in Beruf und Freizeit genutzt und bewältigt werden. Wertorientierungen verschieben sich, das Demokratisierungsverlangen wächst, Ansprüche an ein Stück eigenes Leben nehmen zu. Dies alles muß im Zusammenhang schwerer ökonomischer Krisen verarbeitet werden. Problematische Züge dieser Entwicklung sind an nationalistischen Auswüchsen und Fremdenfeindlichkeit schon deutlich abzulesen. In diesem Band werden die Wandlungsprozesse mit ihren Widersprüchen und Verwerfungen thematisiert. Mit dem Blickwinkel vergleichender Sozialisationsforschung gehen die Beiträge der Frage nach, ob die für westliche Industrienationen typischen Erscheinungen, wie die Ausdehnung der Jugendphase oder die Individualisierung von Lebensentwürfen sich auch dort durchsetzen. (A)

Menschik-Bendele, Jutta/Ottomeyer, Klaus: Sozialpsychologie des Rechtsextremismus. Entstehung und Veränderung eines Syndroms, Opladen 1998
Der Band dokumentiert die Ergebnisse eines Forschungsprojektes, das die Autoren von 1995 bis 1997 im österreichischen Bundesland Kärnten und den angrenzenden Gebieten der südlichen Steiermark durchgeführt haben. Ziel der Studie ist es, exemplarisch die sozialpsychologische Wirkung, Verbreitung und Veränderbarkeit des Rechtsextremismus zu untersuchen und dies bewußt in einem Gebiet, in dem der Anteil der FPÖ-Wähler seit Jahren weit über 30% liegt. Einen Schwerpunkt der Arbeit bildeten 16 themenbezogene Psychodrama-Workshops mit 8 Schulklassen, bei denen die Schülerinnen und Schüler zwischen 12 und 19 Jahre alt waren. Ein weiterer bestand aus drei Gesprächsabenden mit militanten rechtsradikalen Jugendlichen. Vor diesem Hintergrund präsentieren die Autoren in zwei Beiträgen zunächst Theorien, Konzepte und Ergebnisse einer psychoanalytisch orientierten Sozialpsychologie des Rechtsextremismus. Das zweite Kapitel enthält vier Fallstudien aus den durchgeführten Gruppengesprächen. Es folgen Studien zu den Inszenierungen und Bildern von Schülern zum Themenkomplex „Gewalt und Ausländer“. Ihnen folgen Analysen zu den kulturellen, medialen und psychosozialen Rahmenbedingungen des Rechtsextremismus in Österreich. Der abschließende Beitrag des Gesamtteams der Autoren faßt die Ergebnisse zusammen und verweist auf Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten in der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus. Zu dessen Syndrom zählen die Autoren u. a. eine ökonomisch bedingte „Überzähligkeitsangst“, Unsicherheit in bezug auf den männlichen Körper und bestimmte Eigentümlichkeiten der Gewissensfunktion. Auf der anderen Seite betonen sie die große Einfühlungs- und Reflexionsfähigkeit bei der Mehrheit der Jugendlichen. PD

MENZEN, Karl-Heinz, Ursachen und Entstehung von Gewalt in der Jugend. In: Unsere Jugend 10/1991
Es wird versucht, in den familialen, sozialen und politischen Lebensumständen Jugendlicher den Kontext für aggressives Verhalten zu rekonstruieren. Der Zusammenhang wird mit psychoanalytischen Argumenten untermauert. Gewalt wird “zur letzten selbständigen Lebensaussage gesellschaftlich Freigesetzter“. Abschließend werden Erscheinungsweisen und psychosoziale Erklärungsmuster für rechtsradikale Tendenzen unter Jugendlichen aufgezeigt. Als Problemkreise werden familiale Belastungen, schulische Defizite, geringe Berufsperspektiven, Wert- und Sinnverluste und soziale Ausgrenzungen thematisiert.

Mergner, Gottfried: Dominanz, Gewalt und Widerstand. Fragmente und Brüche europäischer Mentalitätsgeschichte, Hamburg 1998
Der Band versammelt verstreut erschienene Aufsätze des Oldenburger Erziehungswissenschaftlers aus den 90er Jahren. In ihnen setzt sich der Autor mit aktuellen Problemen etwa der Fremdenfeindlichkeit, der Situation ausländischer Studierender an deutschen Hochschulen oder dem Golfkrieg, aber auch mit dem Kolonialismus, der Geschichte der Fremdenfeindlichkeit oder der Geschichte der Arbeiterbewegung auseinandersetzt. Teil I.“Voraussetzungen und Ergebnisse äußerer und innerer Kolonisation in Europa“ enthält Beiträge u. a. zur Geschichte der europäischen Fremdenfeindlichkeit, zum deutschen Kolonialismus, zu Rassismus, Rechtsradikalismus und Ausländerfeindlichkeit. Teil II.“Über die Widerspenstigkeit handelnder Subjekte und ihr Beitrag zur europäischen Dominanzkultur am Beispiel der Arbeiterbewegung“ beinhaltet Beiträge zur problematischen Erbschaft der Geschichtsphilosophie, der Notwendigkeit und den Gefahren von Utopien, über eine frühe Kritik von Links am sowjetrussischen Zentralismus, zu den Mythen des Spanischen Bürgerkrieges und den Positionen der deutschen Sozialdemokratie, zu den Widerstandskämpfen in den deutschen Kolonien Afrikas. Teil III.“Einsprüche und Gegenreden: Politische Plädoyers und konkrete Handlungsansätze“ umfaßt Analysen der Situation ausländischer Studenten an den Hochschulen, zum Antirassismus an der Hochschule zwischen Resignation und Dogmatismus und zum Golfkrieg in der Debatte der Linken. Mit biographischen Notizen zum Autor und einem Verzeichnis der Erstpublikation der im Band versammelten Texte. AK

Merseburger, Peter: Mythos Weimar. Zwischen Geist und Macht, Stuttgart 1998
Eine politische Kulturgeschichte der Kulturhauptstadt Europas im Goethe-Jahr 1999 legt der Journalist Peter Merseburger mit diesem flüssig geschriebenen Buch über den „Mythos Weimar“ vor. Den Autor fasziniert der Zwiespalt, der sich auftut zwischen der idealistischen Überhöhung der Weimarer Klassik und der Finsternis des „Dritten Reiches“, für die das Konzentrationslager Buchenwald auf dem nahen Ettersberg steht.“Weimar ist eben nicht nur Geburtsstätte der deutschen Klassik, sondern ein ambivalenter deutscher Schicksalsort, der für deutsche Größe und deutsche Schande steht, für den deutschen Parnaß wie für den Rückfall in die Barbarei.“ (S. 10) Im Anfang der Darstellung steht so nicht der Musenhof Anna Amelias, sondern die Luther’sche Erfindung der deutschen Obrigkeit mit ihrer Einheit von Thron und Altar. Weitere Kapitel beschäftigen sich mit dem Wirken des Hofmusicus Bach in Weimar, mit der „Silbernen Zeit“ Maria Paulownas und Franz Liszts, dem Aufbruch zur Moderne, für den Namen wie Henry van de Velde oder Harry Graf Kessler stehen, oder der kurzen demokratischen Epoche der Weimarer Republik. Ins Zentrum seiner Darstellung aber stellt Merseburger jene beiden historischen Abschnitte, die für ihn den „Mythos Weimar“ zwischen Geist und Macht symbolisieren – das „klassische Weimar“ Goethes und Schillers und die fünfzig Jahre Diktatur von 1939 bis 1989. CTS

Mettbach, Anna/Behringer, Josef: „Wer wird die nächste sein?“ Die Leidensgeschichte einer Sintezza, die Auschwitz überlebte, Frankfurt/Main 1999
Mit der Lebensgeschichte der 1926 im mittelhessischen Ulfa geborenen Sintezza Anna Mettbach will das Buch exemplarisch zeigen, was einst Ralph Giordano mit seinem Vorwurf von der „zweiten Schuld“ gemeint hat. In diesem Sinne schreibt Josef Behringer in seinem Vorwort, das Buch stehe im Kontext der Aufklärung. “Zum einen soll die Annäherung an die Verbrechen und deren Auswirkungen erreicht werden, zum anderen kann erkannt werden, daß der Antiziganismus in seinen unterschiedlichen Ausformungen nicht nur nazistische Vergangenheit, sondern auch Gegenwart ist. Die antiziganistische Ideologie prägte und prägt vielfach den bundesrepublikanischen Alltag und bestimmt den ‘Dialog’ mit der Minderheit der Sinti und Roma“ (S. 17 f.). Nach Behringers Einleitung erzählt Anna Mettbach ihre Erlebnisse während der NS-Diktatur. Wie große Teile ihrer Familie wurde auch sie nach Auschwitz deportiert. Dort wurde sie von Januar 1942 bis August 1944 festgehalten. Im Oktober 1944 wurde Anna Mettbach zur Zwangsarbeit bei Siemens ins sächsische Wolkenburg verschleppt. Es folgte der einmonatige Todesmarsch ins KZ Dachau. Seit der Befreiung durch die Amerikaner lebt die Autorin in Gießen, ohne daß die Geschichte ihrer Leiden damit zu Ende gegangen wäre. Jahrzehntelang kämpft sie um die Durchsetzung ihres Rechtsanspruchs auf Entschädigung. Daß sie dabei kein Einzelfall war, zeigt Josef Behringer im letzten Teil des Buches, in dem er die Strategien aufzeigt, mit denen Sinti und Roma nach 1945 der Rechtsanspruch auf Entschädigung versagt wurde. PD

MOLLENHAUER, Peter, Ein Ministerium kann nur Chancen eröffnen, In: päd extra, 19/1991
In einem päd extra - Gespräch mit Peter MOLLENHAIJER vom Hessischen Ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit zum Thema ‘Gewalt als jugendpolitisches Problem‘ werden zunächst die Begriffe ‘Gewalt‘ und ‘Jugendpolitik‘ geklärt. Des weiteren werden Fragen nach Zunahme und Ursachen der Gewaltbereitschaft von Jugendlichen, der Herkunft dieser Jugendlichen und ihrer Gruppenbezüge diskutiert. Der Beitrag enthält auch Interventionsmöglichkeiten von Ministerien und Landesregierung im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit im Hinblick auf ‘Gewalt unter oder von Jugendlichen‘ sowie ‘Gewalterfahrungen Jugendlicher mit Erwachsenen am Beispiel des sexuellen Mißbrauchs‘.

MÖLLER, Kurt, Gewalt und politischer Extremismus - Herausforderungen für die Jugendarbeit. Jugend, Extremismus und Gewalt - Welche Zusammenhänge gibt es? In: neue praxis 4/1991
Es werden Zusammenhänge zwischen Jugend, Extremismus und Gewalt untersucht und dabei Herausforderungen für die Jugendarbeit abgeleitet. Sowohl politisch motivierter Links- als auch Rechtsextremismus werden in die Analysen einbezogen. Der Autor unterzieht zunächst die Begriffe ‘Gewalt‘ und ‘Extremismus‘ einer kritischen definitorischen Grenzziehung. Insbesondere unter Heranziehung von Beiträgen des Berichtes der Gewaltkommission der Bundesregierung werden empirische Befunde bezüglich der extremistischen Tendenzen bei Jugendlichen in der BRD aufgeführt. Gerade im Blick auf politisch und pädagogisch Tätige wird eine Konzentration auf die Auslösezusammenhänge gewaltbilligender und -bereiter Orientierungen empfohlen. Als Erklärungsansatz für gewaltverursachende soziale Bedingungen wird das Maß an gesellschaftlich und politisch ermöglichter Selbstkontrolle, die sich einmal auf materielle Existenzsicherung und zum anderen auf die Gestaltung von sozialen Beziehungen bezieht, genannt. Als zentrale Aufgabe und Problemstellung für den Jugendlichen wird sein Bemühen am eine soziale Verortung im zwischenmenschlichen Beziehungsgeflecht der individualisierten Gesellschaft gesehen. MÖLLER formuliert abschließend in sechs Punkten zentrale Herausforderungen an die Jugendarbeit
- Ursachenbezogenes Vorgehen statt Symptomkur
- Präventive Arbeit statt Repression
- Allgemeine Jugendarbeit statt Randgruppenarbeit
- Integration von Sozialpolitik, Partizipationspolitik, Maßnahmen der Jugendhilfeplanung, Stiftung neuer Vergemeinschaftungsformen. (Wie schaffe ich funktionale Aquivalente für Gewalt?)
- Einbeziehung sinnlicher Erfahrungen statt ausschließlicher kognitiver Aufklärung
- Problematisierung des Wie der historischen Bildung

MÖLLER, Kurt, Zwei Dutzend Gründe für die aktuelle Hilflosigkeit des politischen und pädagogischen Antifaschismus. In: neue praxis 6/1989
Die zentrale These des Beitrages verweist darauf, daß der politisch-pädagogische Antifaschismus in seiner gegenwärtigen Verfassung sein Ziel deshalb verfehlt, weil es ihm an einer selbstkritischen Analyse und daraus zu ziehenden Schlußfolgerungen mangelt. MÖLLER skizziert eine Reihe von Ansatzpunkten des politisch-pädagogischen Antifaschismus, die ihm zunehmend problematisch erscheinen und zieht als Fazit die Forderung, daß er “sich in die Lebenswelt von (rechtsextremistisch) Anfälligen (begibt), ihre politischen Deutungen als subjektive Bearbeitung ihrer Alltagssituation (versteht), politische Änderungen ihrer Lebensbedingungen (anmahnt und dazu beiträgt) tragfähige Sozialbeziehungen aufzubauen.“

Möller, Kurt/ Siegfried Schiele, Gewalt und Rechtsextremismus. Ideen und Projekte für soziale Arbeit und politische Bildung, Schwalbach/Ts 1. Auflage 1996; Wochenschau Verlag (Didaktische Reihe der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg), 272 Seiten, 28, 00 DM, ISBN 3-87920-383-0
In der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland war es immer eine der herausragenden Aufgaben politischer Bildungsarbeit, die offene Auseinandersetzung mit dem politischen Extremismus von rechts und links zu suchen. Erst in den letzten Jahren hat dagegen die Sozialpädagogik rechtsextreme und militante Jugendcliquen als Adressaten pädagogischer Interventionen entdeckt. Vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, daß der Versuch neu ist, Sozialpädagogik und politische Bildung auf ihre gemeinsamen Interessen und Kooperationsmöglichkeiten hin zu befragen. Denn der Unsicherheit über die Ursachen von Gewalt und Rechtsextremismus entspricht trotz umfangreicher einschlägiger Literatur eine gewisse Ratlosigkeit hinsichtlich pädagogischer und politischer Strategien. Das Buch stellt deshalb Aktions- und Arbeitsfelder der sozialpädagogischen Praxis und der politischen Bildung vor, die – innovativ und experimentierfreudig – ihren Ausgangspunkt „vor Ort“ nehmen. Sie alle setzen an der Lebenswelt von gefährdeten Jugendlichen an. Durch seine Praxisnähe gewinnt das Buch an Relevanz vor allem für jene, die in der schulischen und außerschulischen Jugendbildung tätig sind und mit Problemen von Gewalt und Rechtsextremismus konfrontiert werden.

Müller, Hans (Hg.): Deutsch-Türkischer Brückenschlag. Eine Dokumentation und ein Leitfaden für deutsch-türkische Begegnungen, Aachen u. a. 1996
Hans Müller, Jahrgang 1946, ist Lehrer. Er unterrichtet seit 20 Jahren Erdkunde, Geschichte und Politik an der Hauptschule in Baesweiler in meist multikulturell zusammengesetzten Klassen. Das von ihm herausgegebene, in deutscher und türkischer Sprache verfaßte Buch dokumentiert sein Projekt „Deutsch-türkischer Brückenschlag“. Begonnen hat es mit einer Projektwoche zum Thema „Abbau von Fremdenangst“, während der eine Schülergruppe der Goetheschule in Baesweiler einen konkreten Beitrag gegen Fremdenfeindlichkeit leisten wollte. Aus dem Projektzusammenhang heraus wurde die Idee einer Türkeireise geboren. Das Buch dokumentiert diese Reise der Begegnung nach Istanbul, des ersten Schrittes auf dem Weg zum gegenseitigen Kennenlernen der deutschen und türkischen Schüler, zum Abbau von Fremdenangst und jahrhundertelang gepflegten Vorurteilen. Zugleich enthält das Buch einen Leitfaden für deutsch-türkische Begegnungen, der Genehmigungs- und Finanzierungsfragen beantwortet und eine Auswahl von Kontaktschulen in der Türkei enthält.

Müller-Münch, Ingrid: Biedermänner und Brandstifter. Fremdenfeindlichkeit vor Gericht, Bonn 1998
Ingrid Müller-Münch zählt zu den renommiertesten Gerichtsreporterinnen in Deutschland. Seit Jahren beobachtet sie Prozesse gegen rechtsextreme Gewalttäter und berichtet kritisch darüber. Ihre nun vorgelegten Reportagen fassen einige der wichtigsten Prozesse der letzten Jahre zusammen. Sehr detailgenau wird der Verlauf von acht Prozessen beschrieben. Im Mittelpunkt des Bandes stehen die Verfahren um die Brandanschläge von Hünxe, Solingen, Hattingen und Lübeck. Dabei lenkt die Autorin ihr Augenmerk sowohl auf die justizielle Seite des Umgangs mit fremdenfeindlicher Gewalt als auch auf die Täter selbst. Die geballte Aneinanderreihung prozessualer Details läßt deutlich werden, so die These der Autorin, “wie Justiz und Polizei seit Jahren schon mit Straftaten aus dem rechtsradikalen Milieu umgehen: häufig desinteressiert, die Sache herunterspielend, ohne großes Interesse an einer Aufklärung des politischen Hintergrundes“ (S. 29). Nach Beobachtungen der Autorin neigen Polizei und Justiz dazu, fremdenfeindliche Gewalttäter als unpolitische Einzeltäter hinzustellen. Ihr Versuch einer zusammenfassenden Beschreibung dieser Täter fördert ein Täterprofil zutage, das jenem Bild entspricht, das man von wissenschaftlichen Untersuchungen zur Täterstruktur kennt. Beendet wird das Buch durch einen Beitrag des Strafrechtlers Klaus Riekenbrauk, der die gegenwärtigen Haftbedingungen, mit denen rechtsradikale Straftäter konfrontiert werden, als kontraproduktiv kritisiert. PD

Neckel, Sighard/Schwab-Trapp, Michael (Hg.): Ordnungen der Gewalt. Beiträge zu einer politischen Soziologie der Gewalt des Krieges, Opladen 1999
Ziel der Publikation ist die Fortentwicklung einer politischen Soziologie der Gewalt und des Krieges. Sie geht auf eine Tagung der Sektion „Politische Soziologie“ der Deutschen Gesellschaft für Soziologie zurück. Der thematische Bogen der Beiträge umspannt handlungs- und kulturtheoretische Analysen der Gewalt und des Krieges sowie Vorschläge zur soziologischen Untersuchung des Zusammenhangs von Gewalt, Staat und Moderne. Diese Themenfelder werden konkret anhand empirischer Einzelfallstudien, theoretisch durch eine Konzeptualisierung soziologischer Begriffe für die Analyse von Gewaltprozessen, schließlich theoriegeschichtlich in einer Befragung klassischer soziologischer Theorien auf ihren Beitrag zur Bestimmung von Krieg und Gewalt entfaltet. Abschnitt 1 „Gewalt – Handeln – Kultur“ enthält die Beiträge von R. Hitzler („Gewalt als Tätigkeit. Vorschläge zu einer handlungstypologischen Begriffsklärung“), A. Milanes („Notwehr. Zur strategischen Operationalisierung legalisierter Gewalt“), Chr. Liell („Der Doppelcharakter von Gewalt: Diskursive Konstruktion und soziale Praxis“) und D. Trüller („Gewaltphantasien und Emotionalität in der Musikszene rechter Skins“). Abschnitt 2 gilt der „Soziologie des Krieges“. Hier finden sich Beiträge von T. von Trotha („Formen des Krieges. Zur Typologie kriegerischer Aktionsmacht“), J. Warburg („Maschinen der Vernichtung. Das industrialisierte Schlachtfeld“) und M. SchwabTrapp („Srebrenica – ein konsensbildendes Ereignis? Diskursive Eliten und der Diskurs über den Jugoslawienkrieg). Abschnitt 3 behandelt den Zusammenhang „Gewalt – Staat -Moderne“ mit Beiträgen von G. Armanski („Die Gewaltmaschine. Das Lager als Signum und Stigma des Jahrhunderts“), P. Imbusch („Moderne und postmoderne Perspektiven der Gewalt“) sowie W. Knöbl („Pfadabhängige Entwicklungen und Gewalt. Die Genese staatlicher Herrschaftsstrukturen in Preußen-Deutschland, England und den USA im ‚langen’ 19. Jahrhundert“). AK

NEDHARDT, Friedhelm, Gewalt und Gegengewalt. Steigt die Bereitschaft zu Gewaltaktionen mit zunehmender staatlicher Kontrolle und Repression? In: HEITMEYER, Wilhelm, MOLLER, Kurt und SUNKER, Heinz (Hg.): Jugend - Staat - Gewalt. Politische Sozialisation von Jugendlichen, Jugendpolitik und politische Bildung. Weinheim/ München 1989
Der Beitrag stellt die Frage nach dem Maß an repressiver staatlicher Gewalt, mit dem auf Gewaltaktionen reagiert werden sollte. Modellanalytisch wird versucht zu analysieren, mit welcher Wirkung Bürgergewalt von staatlicher Repressionsgewalt beeinflußt wird. Diskutiert werden das Abschreckungsmodell und das Eskalationsmodell. Als Synthese zwischen beiden werden kurvlineare Modelle besprochen‘ die verdeutlichen, daß Repression sowohl Angst als auch Empörung verursachen kann. Ein weiterer Schritt bedeutet das sogenannte S-Kurven-Modell von ‘Gegengewalt‘. Damit kann gezeigt werden, daß auf Repression immer eine Kombination von Angst und Empörung folgt, daß aber die Wahrnehmung und Beurteilung der Repression entscheidend ist. Schlußfolgernd wird gesagt, daß Problemlösungen weder durch Minimalisierungs- noch durch Maximalisierungsstrategie seitens des Staates erreicht werden können, sondern wir es auf jeden Fall mit komplexen Balancierungsproblemen zu tun haben.

NEUBAUER, Georg, MELZER, Wolfgang und HURRELMANN, Klaus, Jugend im deutsch-deutschen Vergleich: die Lebenslage der jungen Generation im Jahr der Vereinigung. Neuwied/Kriftel/ Berlin 1992
Durch eine langjährige Zusammenarbeit des Zentrums für Kindheits- und Jugendforschung, Universität Bielefeld, mit Jugendforschern aus der ehemaligen DDR konnten im Jahr der Verei­nigung 1990 drei gesamtdeutsche Studien reali­siert werden. Die Studien befassen sich mit den problematischen Lebensbedingungen und den psychosozialen Belastungen von Jugendlichen beim Übergang von der Schule in den Beruf, mit jugendlichen Einstellungen zu Freizeit, Konsum und Politik und mit Lebensplanungen im Hinblick auf Partnerschaft und Sexualität. Hierbei werden vor allem westdeutsche Theorie und Empirietraditionen verwandt, die zum erstenmal auch für die Beschreibung der Lebenslage ostdeutscher Jugendlicher zur Anwendung kommen. Zusätzlich wurde eine Bielefelder Untersuchung über jugendliche Übersiedler aufgenommen, in der danach gefragt wird, wie jugendliche Übersiedler den Wechsel von einem Gesellschaftssystem ins andere subjektiv bewältigen und biographisch verarbeiten. In den zugrunde gelegten Interviews verbalisieren jugendliche Übersiedler eine breite Palette der in den vorangegangenen Beiträgen systematisch entfalteten Verarbeitungs- und Reaktionsformen auf den Umbruch. (A)

Neubauer, Hans-Joachim: Fama. Eine Geschichte des Gerüchts, Berlin 1998
Obwohl die Bedeutung des Gerüchts für politische und gesellschaftliche Ereignisse unzweifelbar ist, liegt bislang weder eine klare Definition des Begriffs noch eine geschlossene Geschichte dieses Phänomens vor. Der Journalist Hans-Joachim Neugebauer ist in seinem Buch „Fama“ dem Phänomen des Gerüchts in verschiedenen Epochen der Geschichte nachgegangen. Er beschreibt die sozialen und medialen Muster, in denen dieses komplizierte Gebilde entsteht, schildert seine Auswirkungen, zu denen vor allem Angst und Furcht gehören, und kommt so zu einem vertieften Verständnis des Gerüchts; dieses Verständnis kann als Grundlage für weitere Forschungen dienen. Der Autor erhebt nicht den Anspruch, eine umfassende Geschichte des Gerüchts vorzulegen, er geht vielmehr exemplarisch vor, seine Auswahl ist subjektiv: So mag der Leser manches ihm vielleicht besonders gut bekannte Ereignis vermissen. Deutlich aber wird, daß „das wilde Erzählen“ auch eine Form der Gegenwehr beinhaltet, vor allem aber ein kaum zu lenkender und kontrollierender Machtfaktor ist. Einige Abbildungen und ein Literaturverzeichnis runden den sprachlich wie inhaltlich intellektuellen Band ab. CS

NIRUMAND, Bahman (Hg.), Angst vor den Deutschen. Terror gegen Ausländer und der Zerfall des Rechtsstaates. BRODERSEN, Inge (Hg.), rororo aktuell. Reinbek: Rowohlt 1992
Der Band sucht mit Appellen, Analysen und den Berichten Betroffener eine Antwort auf die Frage, wie die deutsch-deutsche Form des Fremdenhasses entstanden ist und wie sich ihr gegensteuern läßt. Er macht darüber hinaus deutlich, daß es sich hierbei nicht allein um ein deutsches Problem, daß es sich vielmehr um ein europäisches und letztlich um ein weltweites Problem handelt, welches der sozialen, politischen und ökonomischen Welt(un)ordnung geschuldet ist. (A)

NOELLE-NEUMANN, Elisabeth und RING, Erp, Das Extremismuspotential unter jungen Leuten in der Bundesrepublik Deutschland 1984. Institut für Demoskopie (Allensbach); Bundesministerium des Inneren (1-Ig.), Bonn 1985
Ziel der Studie ist es, extremistische Potentiale unter jungen Menschen zwischen 16 und 25 Jahren in der Bundesrepublik Deutschland zu messen, die Entstehung und Strukturierung dieser Potentiale aufzudecken und Hinweise zu geben, wie sie reduziert werden können. Es werden Links- und Rechtsextremismus untersucht. Dabei werden explizit extremistische Positionen unterschieden von solchen Positionen, die auch von Demokraten der beiden Richtungen vertreten werden. Die Studie stützt sich auf sechs Einzeluntersuchungen, die von 1982 bis 1984 mit verschiedenen Untersuchungsmethoden durchgeführt wurden. Dabei wurden verschiedene politische Potentiale bei jungen Menschen ermittelt. Extremisten beider Spielarten werden gekennzeichnet durch Spannungen im haus über Staat und Gesellschaft und eine pessimistische Einschätzung ihrer Situation und Zukunft. Als Rechtsextremisten wurden überwiegend junge Männer eingestuft, während bei den Linksextremisten das Geschlechterverhältnis relativ ausgewogen ist.

Obszerninks, Britta/Schmidt, Matthias: DVU im Aufwärtstrend – Gefahr für die Demokratie? Fakten, Analysen, Gegenstrategien, Münster 1998
Die „Deutsche Volksunion“ (DVU) verfügt insbesondere in Norddeutschland über einen hohen Bekanntheitsgrad. Mit der Landtagswahl im April 1998 erzielte sie in Sachsen-Anhalt fast 13 Prozent der abgegebenen Stimmen. Die Autoren analysieren in ihrem noch vor der Bundestagswahl 1998 abgeschlossenen Buch die DVU als bundesweiten Akteur, skizzieren die Parteiengeschichte und beleuchten neuere Entwicklungen der Parteiorganisation. Dargestellt wird die Verankerung der DVU in ihren Hochburgen Bremen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Sachsen-Anhalt und ihre Parlamentsarbeit auf kommunaler Ebene sowie auf Landesebene. Die abschließenden Kapitel bewerten die Rolle der DVU im rechtsextremen Lager und fragen nach Strategien gegen die DVU und andere rechtsextreme Parteien. AK

Obszerninks, Britta: Nachbarn am rechten Rand. Republikaner und freiheitliche Partei Österreichs im Vergleich. Eine handlungsorientierte Analyse, Münster 1999
In ihrer Münsteraner Dissertation vergleicht die Autorin zwei politische Parteien am rechten Rand, nämlich die „Republikaner“ in der Bundesrepublik und die „Freiheitliche Partei Österreichs“ (FPÖ) mit dem Ziel, konkrete politische Handlungsempfehlungen für die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus aufzuzeigen. Neben einleitenden methodischen Bemerkungen und einer knappen Skizze des Rechtsextremismus in Westeuropa enthält das Buch die fast unvermeidliche Reflexion über die Begriffe Rechtsextremismus, Rechtsradikalismus, Neonazismus, Neofaschismus, Neue Rechte und Rechtspopulismus ohne im Ergebnis neue Aspekte zu erschließen. Dem folgen die Untersuchungen zu den erwähnten Parteien und zwar im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte, die politische Programmatik, die Organisationsstruktur, die Führungsrollen der Parteivorsitzenden und ihr Verhältnis zu politisch motivierter Gewalt. Relativ knapp ausgefallen sind die vergleichende Analyse und die Einschätzung des rechtsextremen Gefährdungspotentials. Die letzten beiden Kapitel bleiben dem Versuch vorbehalten, eine Strategie für die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus zu entwickeln, deren Eckpfeiler vier Handlungsbausteine bilden. PD

OLTMANNS, Hilke, “Siegen, kämpfen, durchgreifen lassen“. Rechtsextremismus bei Mädchen. In: Widersprüche, 10/1990
OLTMANNS geht auf das jüngste Wahlverhalten Jugendlicher unter einer geschlechtsspezifischen Perspektive ein. Aus dem höheren Organisationsgrad von Männern in rechtsextremistischen Organisationen und ihrem Wahlverhalten darf nicht geschlossen werden, daß rechtsorientierte Frauen nicht auch eine Problemgruppe darstellen. Dabei stellt die empirische Untersuchung spezifisch weiblicher Faszination für rechtsextreme Einstellungen eine Forschungslücke dar. OLTMANNS referiert in diesem Zusammenhang kritisch u.a. die Untersuchungen HEITMEYERS zu Einstellungsmustern Jugendlicher. Es zeigt sich, daß ein rechtsextremes Potential unter Mädchen und Frauen vorhanden ist, daß Ausmaß, Ursachen und Erklärungen aber kaum erforscht sind. Abschließend werden rechtsextreme Programmatiken auf ihre Attraktivität für Mädchen und Frauen analysiert.

ORIANS, Wolfgang (Mitarb.), Jugend in der Zwischenzeit. Vorn Aufbau einer demokratischen Jugendstruktur in der ehemaligen DDR. Deutscher Bundesjugendring: Schriftenreihe, Bonn 1990
Der Band vereinigt Beiträge zur Lage der Jugendlichen in der DDR unter Einschluß der demographischen Entwicklung. MELZER setzt sich mit dem Politikverständnis auseinander, während KOKOSCHKO sich mit jugendlichen Subkulturen befaßt. PAHINKE berichtet von der pädagogischen Arbeit mit rechtsextremistisch orientierten Jugendlichen. Darüber hinaus ist ein Interview mit Bundesministerin Prof. Dr. LEHR über die deutsch-deutsche Zusammenarbeit in der Jugendpolitik enthalten. Ein Streitgespräch zwischen GERSTENBERGER und ZINßLER dreht sich um die Entwicklung einer demokratischen Jugendkultur in der DDR. WITTCHOW formuliert zwölf Thesen zur zukünftigen Jugendarbeit in der DDR. Daran schließt sich eine Dokumentation der verbandsmäßig institutionalisierten Jugendarbeit in der ehemaligen DDR von ORIANS an. WIESNER betrachtet das Kinder- und Jugendhilfegesetz als Rechtsgrundlage für die Jugendhilfe in der DDR. Ein abschließender Dokumentationsteil liefert erste Überlegungen zur Zukunft der Jugendarbeit in der DDR, Erklärungen zur deutsch-deutschen Jugendzusammenarbeit, Aus­züge aus dem Gesetz zur Neuordnung des Kin­der- und Jugendhilferechts sowie die Resolution der Teilnehmerinnen und Teilnehmer an einer Fachtagung Jugendarbeit am 29.09.1990.

Osterkamp, Ute: Rassismus als Selbstentmächtigung, Hamburg 1997
Der Reader präsentiert Aufsätze der Autorin, die schon zuvor in teilweise schwer zugänglichen Publikationsorganen veröffentlicht wurden, sowie bisher unveröffentlichte Papiere aus der Arbeit des Projektes „Rassismus/Diskriminierung“. Die Arbeit des Projektes, in dessen Rahmen die Beziehungen und Konflikte zwischen Flüchtlingen, BetreuerInnen, Verwaltungspersonal und der Leitung in Flüchtlingswohnheimen untersucht worden sind, stellt sowohl den empirischen Erfahrungshintergrund der Texte wie den Praxisbezug dar – die Autorin übernimmt bei der Beschreibung von Problemen, bei der Auseinandersetzung mit rassistischen Grundeinstellungen bewußt die subjektive Sicht der Betroffenen. Im ersten Teil wird die Entstehung des Projektes dargestellt; der zweite Teil enthält Beiträge, die sich unmittelbar auf die empirische Projektarbeit in den Flüchtlingswohnheimen beziehen. Es werden subjektive Konflikte beschrieben, die – so die Autorin – auf objektive, politisch-institutionelle Vorentscheidungen zurückgehen, und den gemeinsamen Kampf gegen inhumane Lebensbedingungen erschweren (Selbstentmächtigung). In den theoretischen Beiträgen des dritten Teils des Buches kennzeichnet die Autorin den „institutionellen Rassismus“ als eine wesentliche Voraussetzung des subjektiven Rassismus. Im vierten Teil wird die veröffentlichte Meinung von Politikern, Verwaltungsleuten und anderen Multiplikatoren analysiert mit Blick auf Abwehr- und Selbstrechtfertigungsfiguren. Im letzten Text werden „rassistische Implikationen der herrschenden ‘Normalität’ und Normalisierungsprozesse“ thematisiert. CTS

Pax Christi (Hg.): Zivilisationsbruch Auschwitz, Idstein 1999
Der „Zivilisationsbruch Auschwitz“, der nicht nur die Gemeinschaft der Opfer des Massenmordes bis heute nicht losläßt, sondern auch die Gesellschaft der Täter und ihrer Nachfahren dauerhaft belastet, läßt sich weder erklären noch theologisch oder pädagogisch „verarbeiten“. Der Band der katholischen Friedensbewegung Pax Christi will sich der Tragödie des Holocaust reflektierend nähern. Neben einer kurzen Einleitung des Fernsehjournalisten Wilfried Köpke zum Thema „‘Nach Auschwitz’ – Keine Sonntagsreden“ finden sich ein Diskussionsbeitrag des Theologen Heinrich Missala zur Rolle der deutschen Katholiken im „Dritten Reich“ sowie Erläuterungen von Jan Philipp Reemtsma zur Auseinandersetzung um die sogenannte Wehrmachts-Ausstellung. Weitere Beiträge des Buches: „Zivilisationsbruch“ von dem Historiker Dan Diner, das Protokoll eines Gesprächs zwischen Jorge Semprún und Elie Wiesel, Überlegungen des Erziehungswissenschaftlers Matthias Heyl über internationale Tendenzen im pädagogischen Umgang mit der Geschichte des Holocaust, zwei theologische Betrachtungen über „Die Shoah im Zeitalter kultureller Amnesie“ von Johann Baptist Metz sowie zur mystischen Dimension einer politischen Theologie nach Auschwitz von Jürgen Manemann sowie ein Essay über den „gutgemeinten Mißbrauch der Erinnerung“ am Beispiel des Berliner Holocaust-Denkmals vom Direktor des Frankfurter Fritz-Bauer-Instituts Hanno Loewy. Keine leichte, aber eine notwendige Lektüre. CTS

Petersen, Jens/Schieder, Wolfgang (Hg.): Faschismus und Gesellschaft in Italien. Staat, Wirtschaft, Kultur, Köln 1998
Die schon vor Ende des Zweiten Weltkrieges einsetzende Faschismusforschung zeigt in Deutschland und Italien trotz ähnlicher Voraussetzungen unterschiedliche Entwicklungen: Die kollektive Erinnerung beider Völker war aufs Äußerste belastet. In Deutschland wurde der NS-Staat unter dem Gesichtspunkt des Totalitarismus gesehen, während in der stark marxistisch geprägten Forschung Italiens die Resistenza-Forschung dominierte. Die italienischen Linken interpretierten in der Folge den Faschismus als Krisenstadium kapitalistischer Systeme und reduzierten die Diktatur Mussolinis auf eine nationale Dimension; gegenüber der eigenen faschistischen Vergangenheit gingen die italienischen Wissenschaftler auf Distanz. So entstand ein Bild, das die italienische Vergangenheit vom deutschen Faschismus und vor allem vom Holocaust trennte. Auch das Ende der 60er Jahre einsetzende Umdenken änderte nichts daran, daß weiterhin der Faschismus in Italien anders interpretiert wurde als die antisemitisch geprägte nationalsozialistische Bewegung. In Deutschland setzte erst vor etwa 15 Jahren ein Aufschwung der Italien-Forschung ein. Dieser Sammelband enthält die überarbeiteten Referate der im Oktober 1994 in Köln durchgeführten Arbeitstagung der Arbeitsgemeinschaft für die neueste Geschichte Italiens und des Deutschen Historischen Instituts in Rom. In drei großen Abschnitten, die betitelt sind „Das Verhältnis von Gesellschaft und Staat im faschistischen Italien“, “Kultur und Faschismus“ und „Die faschistische Wirtschaftsordnung“, wird u. a. auch von renommierten italienischen Zeithistorikern immer wieder das Verhältnis zwischen dem faschistischen Italien und dem nationalsozialistischen Deutschland thematisiert. CS

Pfahl-Traughber, Armin: Konservative Revolution und Neue Rechte – rechtsextremistische Intellektuelle gegen den demokratischen Verfassungsstaat, Opladen 1997
Als Beitrag zur politischen Extremismusforschung werden die Intellektuellengruppe der Konservativen Revolution und die sich auf diese beziehende Intellektuellenformation der Neuen Rechten in der Bundesrepublik verglichen. “Es geht hier primär um die inhaltliche Ausdrucksform und die politischen Wirkungsabsichten eines Denkens, das auf die Ablösung eines demokratischen Verfassungsstaates durch ein autoritäres System hinausläuft.“ (S. 14) Nach einer Einführung und Klärung zentraler Begriffe thematisiert Kapitel 2 zunächst das Verhältnis von Intellektuellen und Politik. Eine bewußte oder unbewußte Nähe zur Konzeption kulturellpolitischer Hegemonie bei Antonio Gramsci kann als grundlegend für das Denken beider untersuchten Strömungen gelten. Kapitel 3 stellt ausführlich die Konservative Revolution in der Weimarer Republik dar. Ausführlich beschrieben werden hier u. a. in einem biographischpolitischen und ideologiekritischen Zugriff die wichtigsten Protagonisten dieser Strömung: Edgar Julius Jung, Arthur Moeller van den Bruck, Carl Schmitt und Oswald Spengler. Die politischen Clubs und die Publikationsorgane werden ebenfalls beschrieben. Kapitel 4 gilt in einem Exkurs den Intellektuellen, die als ideologische Sympathisanten und Wegbereiter des mussolinischen Faschismus gelten können: Vilfredo Pareto, Robert Michels, Julius Evola und Georges Sorel. Nicht nur hatten diese mitunter auch direkten Kontakt zu oder Einfluß auf Vertreter der Weimarer Jungkonservativen, sondern sie sind – neben der Konservativen Revolution – die geistigen Vorbilder der Neuen Rechten. Kapitel 5 behandelt in einem weiteren Exkurs die französische Neue Rechte um Alain de Benoist, deren Rezeption der Konservativen Revolution als deutscher Reimport für die Neue Rechte ebenfalls wichtige Impulse bietet. Kapitel 6 beschäftigt sich mit der Neuen Rechten in der Bundesrepublik. Als deren Hauptprotagonisten werden Armin Mohler, Klaus Kunze, Karlheinz Weißmann und Jürgen Hatzenbichler näher dargestellt. Auch die Publikationsorgane dieser Strömung – Criticon, Junge Freiheit, Etappe und deren „Lesekreise“ geraten in den Blick. Kapitel 7 nimmt eine vergleichende Betrachtung von Konservativer Revolution und Neuer Rechten vor. AK