RAMMSTEDT, Otthein, Wider ein individuum-zentriertes
Gewaltverständnis. In: HEITMEYER, Wilhelm, MOLLER, Kurt und SUNKER, Heinz
(Hg.): Jugend - Staat -Gewalt. Politische Sozialisation von Jugendlichen, Jugendpolitik
und politische Bildung. Weinheim/München 1989
RAMMSTEDT diskutiert den Gewaltbegriff vor dem Hintergrund der spezifischen
Reaktionsweisen, mit denen die Gesellschaft der Bundesrepublik, wie ein Blick
auf ihre Geschichte zeigt, auf Gewalt reagiert (Überreaktionen, fanatisches
Engagement gegen Gewalt; technokratische Aufbereitung). Die Argumentation vollzieht
sich im Spannungsfeld von staatlichem und individuellem Handeln. Dabei wird
die Suche nach den letzten Ursachen von Gewalttätigkeit im Individuum als
unsinnig betrachtet. Dagegen wendet der Autor die Aufmerksamkeit auf das Gewalt-Erleiden,
ein Perspektivenwechsel, der die Auswirkungen sozialer Zwänge ins Blickfeld
rückt.
Rauch, Matthias: Erziehung für Gott und Vaterland.
Konservative Pädagogik und ihre Funktion in der aktuellen Wertedebatte,
Aschaffenburg 1998
Seit Anfang der neunziger Jahre beschäftigt das Thema Werteerziehung
eine an Bildung und Erziehung interessierte Öffentlichkeit. Neu ist die
Diskussion freilich nicht, und der Autor des vorliegenden Buches verortet sie
im Spektrum des pädagogischen und politischen Konservatismus. Rauch sieht
in der Wertedebatte ein Hauptfeld des konservativen Versuches, eine gemeinsame
Ideologie durchzusetzen (S. 9). Um seine These zu belegen, holt er historisch
weit aus. Entlang der Entwicklungsgeschichte des Konservatismus seit seiner
Entstehung als Reaktion auf die Französische Revolution bis hin zu den
heute bestimmenden konservativen Strömungen in der Bundesrepublik werden
die unterschiedlichen Charaktere dieser Strömungen dargestellt. Den verschiedenen
konservativen Grundpositionen, die sich in spezifischen anthropologischen Thesen
und Menschenbildern darstellen, gilt die Aufmerksamkeit des zweiten Kapitels.
Anschließend setzt sich Rauch mit einer der Grundannahmen konservativer
Pädagogik auseinander, nämlich der Erklärung gesellschaftlicher
Krisen als Ergebnis der antiautoritären Pädagogik sowie anderer emanzipatorischer
Bildungsansätze. Das vierte Kapitel kommentiert dann kritisch die aktuelle
Wertedebatte. Auch wenn der Leser dem Autor in seinen Schlußfolgerungen
nicht immer folgen wird und ihn die gelegentlichen polemischen Untertöne
stören mögen, lohnt das Buch dennoch eine gewissenhafte Lektüre.
RAUSCH, Christian, Drogenarbeit und Drogenpolitik in
Europa. HAMBURGER, Franz (Hg.): Studien zur vergleichenden Sozialpädagogik
und internationalen Sozialarbeit. Band 1. Rheinfelden-Berlin 1991
Seit Ende der sechziger Jahre hat sich in allen Staaten Europas ein
Drogenproblem als grundsätzlich neue Form abweichenden Verhaltens entwickelt
Die Verschärfungen der letzten Jahre verdeutlichen die gesundheitlichen
Gefahren, das Kriminalitätspotential sowie wirtschaftliche Folgen und führen
europaweit zu teils heftigen Diskussionen um richtige Strategien und notwendige
Maßnahmen. Vor dem Hintergrund der Grenzöffnung Mitte der neunziger
Jahre und der Schaffung eines einheitlichen Sozialraums Europa gewinnt
dieses Problemfeld nun eine europäische Dimension. Dieser Band vergleicht
die Drogenprobleme in einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft,
analysiert unterschiedliche Strategien des Umgangs mit Drogenproblemen in Europa,
dokumentiert die bisherigen Anstrengungen zur Vereinheitlichung von Drogenpolitik
und Drogenarbeit und zeigt Defizite auf. Dabei trägt die Kenntnis von Konzepten
anderer Staaten dazu bei, die Paradigmen nationaler Drogenpolitik neu zu überdenken,
und kann zu einer Revision bisher gültiger Prinzipien im Rahmen eines gesamteuropäischen
Ansatzes führen. So werden aus dem internationalen Vergleich neue Perspektiven
für die teilweise festgefahrene Diskussion in der Bundesrepublik Deutschland
eröffnet und ein erster Beitrag zu einem europäischen Standpunkt geleistet.
Am Beispiel des Drogenproblems zeigt dieser Band schließlich, wie kompliziert
und langwierig der Prozeß der Europäischen Integration im Detail
sein wird. (A)
Rieker, Peter: Ethnozentrismus bei jungen Männern.
Fremdenfeindlichkeit und Nationalismus und die Bedingungen ihrer Sozialisation,
Weinheim 1997
Mit Ethnozentrismus wird eine Grundhaltung bezeichnet, die sich durch
Fremdenfeindlichkeit einerseits, nationalistische Überheblichkeit andererseits
auszeichnet. Daß solche Einstellungen in der Bundesrepublik Deutschland
auf dem Vormarsch und insbesondere auch bei jungen Männern anzutreffen
sind, ist ein bekanntes und durch die Wahlergebnisse der jüngsten Zeit
nachhaltig bestätigtes Faktum. Die vorliegende Studie, die aus einer Hildesheimer
soziologischen Dissertation hervorgegangen ist, will zunächst die verschiedenen
Aspekte ethnozentrischer Argumentation identifizieren und gewichten und damit
auch Hinweise zum Zusammenspiel diverser EthnozentrismusKomponenten gewinnen.
Darauf aufbauend wird nach der Motivation solcher Einstellungen gefragt und
danach, welche Rolle Beziehungserfahrungen in der Familie, in PeerGroups,
unter Freunden oder mit der Partnerin bei der Ausbildung ethnozentrischer
Haltungen spielen. Grundlage der Untersuchung bilden Befragungen junger Männer
aus der Metallindustrie im Jahre 1973; die Interviewten waren zum Zeitpunkt
der Befragung zwischen 17 und 25 Jahre alt. Bewußt ausgeklammert wurden
bei der Datenerhebung die gemeinhin die Ausbildung fremdenfeindlicher oder rechtsextremer
Ansichten fördernden sozialen und persönlichen Problemlagen wie fehlender
Ausbildungsplatz oder Arbeitslosigkeit. Die Arbeit ist klar gegliedert und wissenschaftlich
sauber und übersichtlich gearbeitet; die ausführliche methodische
Einführung und ein umfangreicher tabellarischer Apparat erleichtern dem
Leser die Orientierung in dieser komplexen Materie. Die Relevanz der vorgelegten
Untersuchungsergebnisse wird allerdings angesichts des kleinen Befragtenkreises
erst mit weiteren detaillierten Studien geklärt werden können. CTS
RISTAU, Malte (Hg.), Antifaschismus - was ist das?
Historische, politische und pädagogische Annäherungen. Sozialdemokratische
Partei Deutschlands. Arbeitsgemeinschaft der Jungsozialisten (Hg.) Bonn: 1985
Der Sammelband will Grundlagen für die Theorie und Praxis antifaschistischen
Engagements bereitstellen. Nach einer Darstellung des Stellenwerts und der Zielrichtung
antifaschistischer Jugendarbeit wird der Nationalsozialismus als Sonderweg faschistischer
Entwicklungen in Europa analysiert und das Verhältnis von Feminismus, Faschismus
und Antifaschismus untersucht. Es werden verschiedene Formen des Widerstandes
gegen den Nationalsozialismus dargestellt und Möglichkeiten antifaschistischer
Bildungsarbeit anhand konkreter Beispiele diskutiert.
Rose, Paul Lawrence: Richard Wagner und der Antisemitismus,
Zürich 1999
Paul Lawrence Rose, Professor für Geschichte und Jüdische
Studien an der Penn State University, stellt sich die Aufgabe, das Paradoxon
Wagner aufzulösen. Richard Wagner wird in der Literatur wahlweise als revolutionär
und freiheitsliebend oder aber als reaktionär und rassistisch dargestellt.
Welcher ist nun der wahre Wagner? Rose stellt heraus, daß dieser Gegensatz
darauf zurückzuführen ist, daß das Adjektiv revolutionär
mit politisch eher linken oder liberalen fortschrittlichen Tendenzen, die Begriffe
reaktionär und erst recht rassistisch aber mit eher rechtsgerichtetem Denken
gleichgesetzt werden. Der Autor löst diese Doppeldeutigkeit der Person
Wagners, indem er vor allem die von Wagner propagierte deutsche Revolution,
die weder rechts noch links anzusiedeln war, analysiert
und in den gesamtgeschichtlichen Kontext stellt. Neben den ideengeschichtlichen
Ansatz, der die zeitgenössischen revolutionären Denkmuster in Deutschland
untersucht, stellt Rose einen biographischen und einen psychologischen Ansatz,
die dazu dienen, die Person des Künstlers zu erschließen. Schließlich
erfolgt noch eine eingehende Betrachtung der schriftlichen und musikalischen
Werke. Die Analyse der schriftlichen Werke Wagners führt zu dem Schluß,
daß der Essay Das Judentum in der Musik bereits aus dem Jahr
1848 stammt und den engen Zusammenhang zwischen seinen revolutionären und
antisemitischen Intentionen deutlich hervortreten läßt. Rose setzt
sich eingehend mit den Opern des Komponisten auseinander und bezieht die aufwühlende
Brutalität der Musik Wagners in seine Interpretationen mit ein. Dabei stellt
der Autor heraus, daß diese Werke im Verborgenen sowohl die revolutionären
als auch die antisemitischen Intentionen Wagners in sich tragen. CS
ROSKI, Günter, DDR-Jugend nach der Wende.
Tendenzen und Probleme. In: deutsche jugend. Zeitschrift für die Jugendarbeit,
38/1990
ROSKI stellt fest, daß die Jugendlichen unter 25 Jahren nicht
an der Spitze der revolutionären Bewegung von 1989 standen, sondern aufgrund
ihrer biographischen Situation unter den gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen
lediglich als Mitläufer fungieren konnten. Von dieser Voraussetzung ausgehend,
wird die Frage nach dem aktuellen gesellschaftspolitischen Standpunkt der Jugendlichen
in den neuen Bundesländern gestellt. Es werden Daten über nationale
Identifikationsmuster, politische Aktivitäten und Präferenzen sowie
rechtsextreme Positionen und Wertorientierungen referiert. Bezüglich rechter
Orientierungen und ausländerfeindlicher Tendenzen wird einerseits auf die
Gefahren, die im turbulenten Integrationsprozeß der beiden deutschen Staaten
liegen, aufmerksam gemacht, andererseits auf den Unterschied zwischen Trägern
rechten Gedankenguts und der handelnden rechtsradikalen Szene hingewiesen.
ROTH, Roland, Demonstrieren, Blockieren: Neue Qualitäten
in der politischen Auseinandersetzung? In: HEITMEYER, Wilhelm, MOLLER, Kurt
und SUNKER, Heinz (Hg.): Jugend - Staat -Gewalt. Politische Sozialisation von
Jugendlichen, Jugendpolitik und politische Bildung. Weinheim/München 1989
ROTH stellt sich die Frage, ob die verbreiteten Aktionsformen wie Demonstrationen
oder Blockaden zu einer neuen Qualität in der politischen Auseinandersetzung
geführt haben. Diese Aktionsformen stellen eine Reaktion auf und Kompensation
von defizitärer Partizipation im politischen Prozeß dar. Den neuen
Bewegungen in der Bundesrepublik Deutschland ist es dabei gelungen, einen relativ
eigenständigen Bewegungssektor für sich zu institutionalisieren. Dabei
wurden in den 80er Jahren mit der Entfaltung und Verbreitung von Formen des
Zivilen Ungehorsams eine neue Qualität in den Handlungsformen des sozialen
Protests entwickelt. Diese Handlungsformen der aktuellen Protestbewegung vollziehen
sich meist gewaltfrei. Allerdings hat diese Situation nicht zu einer Zunahme
von Partizipationsrechten geführt, sondern im Gegenteil zu Kriminalisierungen.
Schad, Ute: Verbale Gewalt bei Jugendlichen, Weinheim
1996
Die Autorin ist davon überzeugt, daß die Existenz einer breit
gefächerten, gewaltbereiten rechten Jugendsubkultur die Jugendarbeit vor
neue Herausforderungen stellt. Das Praxisforschungsprojekt, über das Ute
Schad in ihrem Buch berichtet, läßt sich dem neuen Praxisfeld Arbeit
mit rechten Jugendcliquen zuordnen. Gefördert wurde das Projekt aus
den Mitteln des AgAGProgramms der Bundesregierung, in dem verschiedene Workshops
zum Thema Brandsätze, Gewalt ganz ohne Waffen mit unterschiedlichen
Jugendcliquen in Ost- und Westdeutschland durchgeführt wurden. Zwei Ziele
verfolgten diese Workshops: a) aggressiv ausgrenzende und abwertende Praktiken
Jugendlicher in ihrem Alltag zu analysieren und b) Wege zum Abbau abwertender,
ausgrenzender und aggressiver Haltungen und Verhaltensweisen in der Praxis zu
suchen. Für fortgeschrittene Leser mit Interesse an der pädagogischen
Praxis empfiehlt es sich, die Lektüre mit dem zweiten Teil (S. 65 ff.)
zu beginnen, denn hier analysiert die Autorin den Verlauf von insgesamt fünf
Workshops mit Mitteln der qualitativen Sozialforschung. Dieses Kapitel bildet
den Schwerpunkt des Buches, und die einzelnen Workshops werden hier nach einem
einheitlichen Muster präsentiert. Nach einer kurzen Charakterisierung der
jeweiligen Einrichtung und der Workshopteilnehmer(innen) werden der Verlauf
der Veranstaltung skizziert, ein Überblick über den Ablauf und die
thematische Schwerpunktsetzung der Gruppendiskussion geboten und in einer Zusammenfassung
gebündelt. Im Anschluß daran dokumentiert und analysiert die Autorin
die mit den Jugendlichen durchgeführten Rollenspiele und die Abschlußdiskussion.
Jeder Workshopbericht endet mit einer Zusammenfassung wichtiger Ergebnisse.
Sie fließen dann auch in den abschließenden dritten Teil des Buches
ein. Der erste Teil enthält eine solide verfaßte Bilanz der theoretischen
Erklärungsansätze und empirischen Befunde zur gegenwärtigen Gewaltdiskussion,
die sich allerdings etwas einseitig auf das keineswegs unumstrittene Individualisierungstheorem
kapriziert. Die Palette verbaler Gewalt, die die Jugendlichen während der
Workshops verwendeten, war breit. Sie reichte von der verbalen Herabsetzung
von Blondinen über die Entmenschlichung von Fremden bis hin zu haßerfüllten
Übergriffen auf Minderheiten und politisch Andersdenkende. Nicht überraschend
war dabei, daß weibliche Jugendliche andere Formen und Anknüpfungspunkte
ausgrenzenden Verhaltens zeigten als männliche Jugendliche. PD
Scheffer, Bernd (Hg.): Medien und Fremdenfeindlichkeit.
Alltägliche Paradoxien, Dilemmata, Absurditäten und Zynismen, Opladen
1997
Die Diskurse über Fremdenfreundlichkeit und Fremdenfeindlichkeit,
seien sie nun privat, gesellschaftlich, politisch oder medial, nehmen fortlaufend
den Weg über symbolische Mechanismen und ritualisierte Kommunikationsformen,
in denen die jeweiligen Realitäts- Annahmen überhaupt
erst hergestellt und aufrechterhalten werden. (S. 10) Die hier vorgelegten
Beiträge öffnen nicht nur den Blick auf die Paradoxien von Medien
und Fremdenfeindlichkeit, sondern zeigen zugleich, daß ein von Paradoxien
freies Reden über ein solches Thema kaum möglich ist. Nach einer umfassenden
Einführung des Herausgebers zu Medien und Fremdenfeindlichkeit
behandelt S. Jäger die Mitverantwortung der Journalisten bei fremdenfeindlichen
Straftaten und fordert den Verzicht auf stereotype Negativdarstellungen. Vorgestellt
werden eine systemtheoretische Beschreibung der Fremdenfeindlichkeit in den
Medien (O. Jahraus), soziobiologische Erklärungen (R. Topitsch) und die
paradoxe Praxis einer medialen Political Correctness am Beispiel
der Wahlkampfberichterstattung über die Republikaner in Berlin 1989 und
der Berichterstattung der Bildzeitung 1992 über fremdenfeindliche Straftaten.
R. Möller/U. Sander fragen nach der medialen Konstruktion von Bildern über
die Fremden und deren Funktion. Die weiteren Beiträge gelten einem internationalen
Vergleich: A. Westhofen untersucht das Bild der Deutschen in den Niederlanden;
E. W. B. Hess Lüttich stellt den medialen und institutionellen Migrationsdiskurs
in der deutschsprachigen Schweiz vor und S. Luchtenberg vergleicht die Diskussion
über Migration und Multikulturalität in Deutschland und Australien.
St. Lamb schließlich weist am Beispiel Englands darauf hin, daß
die Darstellung von Fußballern fremdländischer Herkunft über
ein fremdenfreundliches oder -feindliches Klima entscheiden kann. AK
Scheuer, Lisa: Vom Tode, der nicht stattfand, Aachen
1998
Mit der Veröffentlichung ihrer über drei Jahre von 1942 bis
1945 geführten Tagebuchnotizen macht Lisa Scheuer ihre persönlichen
Erfahrungen und Leiden erst im Ghetto Theresienstadt, in Auschwitz, in der Rüstungsfabrik
Freiberg, dann im Lager Mauthausen öffentlich. Die sehr persönlichen
Gedanken, Beobachtungen und Erfahrungen der Prager Jüdin lassen den Leser
die Greueltaten der Nationalsozialisten aus der Perspektive der Opfer wahrnehmen.
Der sachliche Stil der Verfasserin erlaubt es, die bewegende Schilderung nachzuvollziehen:
Lisa Scheuer berichtet von ihrer Tätigkeit in der Kunstblumenabteilung
der Ghettoproduktion in Theresienstadt, und fast unbefangen schildert sie, daß
sie sich freiwillige nach Auschwitz meldete. Sie konnte den Druck der Unwissenheit,
wann sie abtransportiert werden würde, nicht aushalten. Auch hatte sie
die Hoffnung, ihren Mann dort wieder zu finden, nicht ahnend, welchen Weg sie
damit einschlug. Doch Lisa Scheuer gehört zu den wenigen Überlebenden
von Auschwitz. Sie wurde von Auschwitz weiter nach Freiberg deportiert, wo sie
in einem Rüstungsbetrieb arbeiten mußte. Von dort aus wurde sie im
Frühjahr 1945 nach Mauthausen gebracht, wo sie die Befreiung erlebte. Ob
das Überleben des Holocaust für sie allerdings ein Glück bedeutete
daran formuliert Lisa Scheuer offene Zweifel, denn sie hat nicht nur
ihre Mutter in Majdanek verloren, deren Liebe ihr die Kraft zum Überleben
gegeben hatte, sondern auch ihren Ehemann Alfred, wie sie nach ihrer Rückkehr
nach Prag erfahren mußte. Damit war auch der Mensch, der ihr Hoffnung
und Zuversicht auf eine bessere Zukunft bedeutete, für immer verloren.
Die Tagebuchaufzeichnungen sind ein bewegendes Dokument, das dem Leser einen
persönlichen Zugang zu den Greueltaten der Nationalsozialisten eröffnet.
CS
Schley, Jens: Nachbar Buchenwald. Die Sadt Weimar und
ihr Konzentrationslager 1937-1945, Köln 1999
Der Name Weimar steht als Symbol für die lichten und dunklen Seiten
der deutschen Geschichte, eine Geschichte, die die Klassikerstadt immer wieder
einholt. So auch 1999, dem Jahr, in dem Weimar die Kulturstadt Europas ist.
In diesem Jahr wird jedoch auch das Verhältnis Weimars zu seinem Nachbarn,
dem Konzentrationslager Buchenwald, betrachtet. Eindrucksvoll beleuchtet Jens
Schley die gemeinsame Geschichte der Stadt Weimar mit dem Konzentrationslager
Buchenwald in den Jahren 1937 bis 1945. Der Autor eröffnet seine Studie
mit der Erinnerung an den von der amerikanischen Besatzungsmacht angeordneten
Marsch der Weimarer Bevölkerung auf den Ettersberg am 16. April 1945. Anstatt
sich mit eigener Schuld oder Verstrickung auseinanderzusetzen, reagierten die
Weimarer Bürger mit Schweigen, Leugnung und Verdrängung persönlicher
Verantwortung. Dieser Schilderung folgen ein kleiner Abriß zur Geschichte
der Stadt Weimar zwischen 1920 und 1937 sowie die Geschichte der Gründung
des Konzentrationslagers im gleich Jahr. Das zweite Kapitel untersucht dann
auf vier Ebenen die Beziehungen der Stadt zum Konzentrationslager, nämlich
im verwaltungstechnischen Bereich, im wirtschaftlichen, im juristischen und
schließlich im sozialen Bereich. Im anschließenden Kapitel untersucht
der Autor das Verhältnis der Weimarer Bevölkerung zum KL Buchenwald,
um abschließend die Situation von Stadt und Lager nach der Befreiung zu
schildern. Wesentliches Ziel des Buches ist es, am Beispiel Weimar und Buchenwald
die Einbettung der Konzentrationslager in die Infrastruktur ihrer Umwelt und
die Akzeptanz der Lager in der Gesellschaft zu zeigen. PD
Schmid, Bernhard: Die Rechten in Frankreich. Von der
Französischen Revolution zur Front National, Berlin 1998
Die Ursprünge des Erfolgs des Front National und seines Führers
Jean Marie Le Pen liegen nicht alleine in den Ängsten von Modernisierungsverlierern
angesichts tiefreichender sozialer Verwerfungen begründet. Sie sind nicht
zuletzt in dessen ideologisch-integrativem Angebot an ganz unter-schiedliche
rechte Strömungen zu sehen, das sich in dieser Hinsicht erst einer geistesgeschichtlichen
Analyse erschließt. Seit der Gründung des Front National vor dem
Hintergrund der Kolonialkriege Ende der 50er Jahre haben dort intellektuelle
Neue Rechte, Vichy-Anhänger, Monarchisten, katholische Fundamentalisten
und Neonazis ein politisches Sammelbecken gefunden. Die rechtsextreme Partei
stellt heute Bürgermeister und Abgeordnete, verfügt über Dutzende
von Satellitenorganisationen und bestimmt nachhaltig das geistige und politische
Klima in Frankreich. Der in Paris lebende Autor, freier Publizist, analysiert
in einem Rückgriff auf das 18. und 19. Jahrhundert die Entwicklungslinien
der französischen Rechten und behandelt ihre Vordenker und Bewegungen in
ihrem gesellschaftlichen Kontext. Teil 1 der Darstellung gilt zunächst
den progressiven Vorläufern der rechtsextremen Ideologie, der
Geburt des politischen Nationalismus in der Boulanger-Krise (1886- 1889), dem
nationalen Sozialismus des Maurice Barrès, der antisemitischen Bewegung
in der Dreyfus Affäre und den Bezügen der extremen Rechten zur Arbeiterbewegung.
Nach dem Vichy-Regime und der kurzen Blüte des Poujadismus (einer Steuerstreikbewegung
der französischen Kleinbürger in den 50er Jahren) schließt Teil
1 mit dem Beginn der Neuen Rechten und den ersten Auftritten Le Pens auf der
politischen Bühne. In Teil 2 wird der Front als eine moderne faschistische
Partei dargestellt. Nach einem Blick auf Struktur und Funktionsweise (Spinnennetz-Strategie)
werden die ideologischen Familien der extremen Rechten vorgestellt:
katholische Fundamentalisten, Lefebvristen, Neue Rechte, revolutionäre
Nationalisten, Neonazis, Monarchisten und selbst die Moon-Sekte. Le Pen kommt
eine ausgleichende Rolle zu, die zudem von Grundprinzipien abgestützt wird,
die allen diesen ideologischen Familien gemein sind: Der Anti-Liberalismus
und die Artikulation der sozialen Frage werden von allen geteilt. Abschließend
wird ein geschichtlicher Abriß des Front National seit 1981 gegeben. Mit
Auswahlliteratur, Sach- und Personenregister. AK
SCHUBARTH, Wilfried, PSCHIERER, Ronald und SCHMIDT,
Thomas, Verordneter Antifaschismus und die Folgen. Das Dilemma antifaschistischer
Erziehung am Ende der DDR. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur Wochenzeitung
Das Parlament, 1991/B9
Der Mythos von der DDR als Hort des Antifaschismus ist mit
dem gesellschaftlichen Wandel im Herbst 1989 endgültig zusammengebrochen;
die Öffentlichkeit erweist sich als hilflos gegenüber zunehmenden
rechtsextremistischen Aktivitäten vor allem von Jugendlichen. Ursachen
für deren Anfälligkeit für nationalsozialistische Ideologiefragmente
sind unter anderem in dem von Gesellschaft und Schule der ehemaligen DDR praktizierten
Antifaschismus zu suchen. Die gesellschaftliche wie individuelle Auseinandersetzung
mit der Zeit des Nationalsozialismus wurde wesentlich durch den Mythos von den
Siegern der Geschichte bestimmt. Fragen nach den Ursachen für
die Verführbarkeit großer Teile des deutschen Volkes, nach seiner
Schuld und Mitschuld wurden auch im Geschichtsunterricht und in der Jugendarbeit
bewußt in den Hintergrund gedrängt, während der Widerstandskampf
einen immer größeren Platz einnahm. Kritische Wortmeldungen von Schriftstellern
nahm man nicht ernst, rechtsextremistische und neonazistische Erscheinungen
wurden verharmlost, sozialwissenschaftliche Untersuchungen dazu verboten bzw.
verschwiegen. Eine solche Untersuchung war die Studie Zum Geschichtsbewußtsein
Jugendlicher vom Zentralinstitut für Jugendforschung Leipzig aus
dem Jahre 1988. Sie enthält unter anderem detaillierte Aussagen zu Einstellungen
Jugendlicher gegenüber der Zeit des Nationalsozialismus und konstatiert
ein nicht geringes Akzeptanz- bzw. Sympathiepotential für nationalsozialistische
Ideologiefragmente. Mit der Wende 1989 nahm die Verbreitung rechtsextremer
und ausländerfeindlicher Orientierungsmuster unter ostdeutschen Jugendlichen
spürbar zu. Neueste Untersuchungen signalisieren ein größeres
autoritär-nationalistisches Einstellungspotential bei den Jugendlichen
der ehemaligen DDR, als es in Westdeutschland nachweisbar ist. (A)
SCHUBARTH, Wilfried, Rechtsextremistische und ausländerfeindliche
Tendenzen unter ostdeutschen Jugendlichen und ihre Erforschung an der DJI-Außenstelle.
In: DJI-Außenstelle Leipzig: Dialog über die Situation Jugendlicher
in den neuen Bundesländern. Erste Tagung der DJI-Außenstelle in Leipzig
mit Politikern und Praktikern aus dem Bereich von Jugendpolitik und Jugendhilfe
in Leipzig, 06.02.1992. Tagungsdokumentation München/Leipzig 1992
Der Beitrag geht zunächst auf empirische Befunde vor der gesellschaftspolitischen
Wende in der damaligen DDR ein. Trotz staatlich verordnetem Antifaschismus war
seit Ende der 70er! Anfang der 80er Jahre unter Jugendlichen eine Zunahme an
rechtsextremen Orientierungen festzustellen. Wiederholungsbefragungen von Mitte
1990 stellen eine Zunahme nationalistischer und ausländerfeindlicher Orientierungen
unter ostdeutschen Jugendlichen fest. SCHUBARTH berichtet anschließend
von einer Studie des ehemaligen ZIJ Leipzig von Ende 1990 zum Verhältnis
der jungen Ostdeutschen zu Ausländern. Dabei wird auf die Bedeutung der
sozialen Gruppen, des politischen Standortes, des Bildungsgrades der Eltern
und des Geschlechts eingegangen. Neben einer Analyse der Wissensstrukturen über
Ausländer wird die Affinität ostdeutscher Jugendlicher zu rechtsextremistischen
Parteien und Organisationen untersucht. Die komplexen Ursachen werden in den
Sozialisationserfahrungen innerhalb einer autoritären Gesellschaft gesehen,
die, nunmehr in den Kontext des gesellschaftlichen Umbruchs gestellt, gerade
für Jugendliche zu Orientierungs- und Bewältigungskrisen führen.
SCHUBARTH, Wilfried, Vom Hätschelkind zum Problemkind.
Gesellschaftlicher Umbruch und subjektive Verarbeitungsformen bei ostdeutschen
Jugendlichen. In: päd extra, 9/1991
SCHUBARTH problematisiert die Folgen und Auswirkungen des gesellschaftlichen
Umbruchs auf das Alltagsleben ostdeutscher Jugendlicher und die damit einhergehende
Notwendigkeit einer grundlegenden Neu- bzw. Umorientierung im Hinblick auf den
gesamten Prozeß der Lebensplanung und -gestaltung. Er weist auf einschneidende
Veränderungen in sozialen Beziehungen, auf Entsolidarisierungsprozesse
zunehmenden Mobilitäts- und Flexibilisierungsdruck, Konsumdruck sowie auf
die Außer-Kraft-Setzung vieler bisheriger Werte und Normen des politischen
und sozialen Handelns und die Suche nach neuen, tragfähigen Orientierungen
hin. Eine retrospektive Analyse der Situation Jugendlicher in der DDR dient
zum besseren Verständnis gegenwärtiger Verhaltensweisen und Handlungsstrategien.
Als problematischste Form der Realitätsbewältigung in den neuen Bundesländern
wird die Zunahme von Gewaltbereitschaft und Rechtsextremismus gesehen. Abschließend
werden Folgerungen für Jugendarbeit, Jugendpolitik und politische Bildung
skizziert.
SEIDEL-PIELEN, Eberhard und FARN, Klaus, Rechtsruck.
Rassismus im neuen Deutschland. Berlin 1992
Der Band beleuchtet die aktuellen rechtsradikalen Ereignisse im Zuge
des Integrationsprozesses der beiden deutschen Gesellschaften. Dabei geraten
vor allem auch die Situation in den neuen Bundesländern, die Strategien
der Sozialarbeit sowie historische Zusammenhänge und Hintergründe
des rechtsextremistischen Gedankenguts in Deutschland in den Blick. Im Anhang
befinden sich ein kommentiertes Literaturverzeichnis zu den Themen: Rassismus!
Einwanderungsland Deutschland, Rechtsradikalismus! Neonazismus, NS-Vergangenheit
und Jugendstudien sowie ein ausführliches Kontaktadressenverzeichnis von
Vereinen und Initiativen für die Ausländerarbeit in den fünf
neuen Bundesländern.
SIEGLER, Bernd, Auferstanden aus Ruinen. Rechtsextremismus
in der DDR. Critica Diabolis, Berlin 1991
SIEGLER beschreibt den Prozeß der Wiedervereinigung von BRD und
DDR unter dem Gesichtspunkt der sich explosiv entwickelnden rechtsradikalen
Szene in den neuen Bundesländern, die starken neonazistischen Einflüssen
auch aus dem Westen ausgesetzt ist.
SILLER, Gertrud, Junge Frauen und Rechtsextremismus
- Zum Zusammenhang von weiblichen Lebenserfahrungen und rechtsextremistischem
Gedankengut. In: deutsche jugend 1/1991
SILLER stellt sich die Frage, was die Gründe dafür sein könnten,
daß Männer und Frauen auf rechtsextremistische Politikangebote ...
unterschiedlich reagieren. Sie steht dabei den Thesen, Frauen wären politisch
in höherem Maße desinteressiert (ROTH) und Männer seien aufgrund
des Wandels der Geschlechtsrollenmuster vermehrt Statusverunsicherungen ausgesetzt
(HOFMANN-GOTTING), kritisch gegenüber. Statt dessen wird der Frage
nachgegangen, inwieweit Individualisierungserfahrungen und ihre seelische
Verarbeitung bei den Geschlechtern in unterschiedlicher Weise ablaufen. Einerseits
ist gerade bei Frauen die Diskrepanz zwischen eigenen Lebensplänen und
den gesellschaftlichen Verwirklichungschancen oft besonders breit. Als mögliche
Verarbeitungsstrategien werden genannt: Der doppelte Lebensentwurf Beruf und
Familie, der Rückzug in die traditionelle Mutter- und Hausfrauenrolle sowie
der Versuch, sich männlichen Verhaltensmustern anzugleichen. Der Einfluß
der spezifischen Lebenserfahrungen auf politische Einstellungen zu Rechtsextremismus
ist bei Frauen jedoch unterschieden von demjenigen bei Männern: Frauen
erleben Gewalt in erster Linie als Opfer, Geschlechtsrollenstereotype lassen
aggressives Verhalten bei Frauen weniger zu. Gefährdungen sind darin zu
sehen, daß rechtsextremistische Ideologien die traditionelle Frauenrolle
aufwerten, Frauen verstärkt männliche Durchsetzungsstrategien entwickeln
können und, wie sieh empirisch zeigen läßt, keineswegs weniger
Fremdenfeindlichkeit an den Tag legen als Männer.
Sobolewicz, Tadeusz: Aus der Hölle zurück.
Von der Willkür des Überlebens im Konzentrationslager, Frankfurt/
Main 1999
Tadeusz Sobolewicz wurde 1924 in Posen geboren, wo er bis zu seinem
16. Lebensjahr ein ganz normales Schülerleben führte. Mit dem Schuljahr
1939/40 setzen seine autobiographischen Erinnerungen ein. Nach dem deutschen
Angriff auf Polen am 1. September 1939 flieht die Familie über Warschau
nach Lublin und kann so den Bombardements entkommen. Nach der russischen Besetzung
Polens geht Tadeusz in den Untergrund. Der Sohn hilft ihm vor allem durch Botengänge.
Am 1. September 1941 wird Tadeusz von den Nationalsozialisten aufgespürt
und inhaftiert. Es beginnt seine Odyssee durch die Konzentrationslager Auschwitz,
Buchenwald und Flossenbürg sowie durch die Außenlager Leipzig, Mülsen
und Regensburg. Durch eine Vielzahl von Zufällen überlebt er die Lager,
und es gelingt ihm kurz vor Kriegsende von einem der berüchtigten Todesmärsche
durch Bayern noch die Flucht. Von Bauern versteckt, erlebt er bald darauf die
Befreiung durch die USArmy. Tadeusz beschreibt eindringlich die verschiedenen
Lager und gibt vor allem von dem weniger bekannten Flossenbürg eine erschreckende
Beschreibung der Vernichtung durch Arbeit. Tadeusz kehrt 1946 nach Polen zurück.
Durch die Ausbildung und Arbeit als Schauspieler kann er die Vergangenheit verdrängen,
auch wenn die für immer geschädigte Gesundheit und die grausamen Erinnerungen
nicht zu vergessen sind. Um das Vergessen durch die Nachgeborenen zu verhindern,
schreibt er seine Geschichte auf, auch wenn sie für ihn das erneute Durchleben
von Qual und Marter bedeutet. CS
Sowinski, Oliver: Die Deutsche Reichspartei 1950-1965.
Organisation und Ideologie einer rechtsradikalen Partei, Frankfurt/Main 1998
Die Deutsche Reichspartei (DRP) stellte nach dem Verbot
der Sozialistischen Reichspartei (SRP) 1952 bis in die 60er Jahre
die hegemoniale rechtsradikale Partei in der Bundesrepublik dar. Unter Verzicht
auf Gewalt hielt sie sich zwar aus taktischen Gründen im Rahmen der demokratischen
Verfassungsnormen, doch stand sie der verbotenen SRP personell und ideologisch
viel näher, als dies in der bisherigen Fachliteratur berücksichtigt
wurde: Personell und ideologisch rekurrierte die DRP auf NSDAP und Nationalsozialismus
... und wahrte dadurch die Kontinuität nationalsozialistischer Tradition.
Dieser Kontinuitätszusammenhang äußerte sich nicht zuletzt in
der Identität von DRP- und ehemaligen NSDAP-Hochburgen ... . Die Bedeutung
der DRP liegt darin, daß sie als Partei personell und ideologisch die
nationalsozialistische Tradition wahrte und in die Gegenwart der (west-)deutschen
Nachkriegsgeschichte hinein über Zusammenbruch und , Entnazifizierung
hinaus verlängerte. Die DRP war organisatorisch und ideologisch
in den fünfziger und zu Beginn der sechziger Jahre auf parteipolitischer
Ebene das wichtigste Bindeglied zwischen NSDAP und NPD. (S. 10) Der Göttinger
Sozialwissenschaftler rekonstruiert in seiner Dissertation unter Rückgriff
auf die im Niedersächsischen Hauptstaatsarchiv Hannover zugänglichen
Quellen zunächst Organisationsgeschichte, Organisationsstruktur,
Mitgliederprofil und soziale Basis der DRP (Teil 1). Behandelt werden
in diesem Zusammenhang auch Nebenorganisationen in den Bereichen Jugend, Studenten,
Frauenorganisationen, Bauerntage der DRP, Kontakte zu Soldatenverbänden,
der Rat der Heimatvertriebenen und Bezüge zu den Gewerkschaften.
Teil 2 gilt Ideologie, Programmatik und Propaganda der DRP. Eine
Schlußbetrachtung faßt die Ergebnisse zusammen. Im Anhang finden
sich Grafiken, Tabellen und Aufstellungen. AK
STADTJUGENDRING HANNOVER, Stadtjugendring Hannover:
Positionspapier zum Rechtsextremismus. In: deutsche jugend 2/1990
Das Positionspapier steht stellvertretend für Stellungnahmen zahlreicher
Jugendverbände zum Rechtsextremismus insbesondere unter Jugendlichen. Es
sieht die Ursachen für die zunehmende Verbreitung dieser Tendenzen in gesellschaftlichen
Bedingungen, die der Entfaltung der Persönlichkeit entgegenstehen, beziehungsweise
eine Vertrauensbildung in die Politik verhindern. Das Papier schließt
mit einer Reihe von allgemeinen Forderungen der Mitgliedsverbände des Stadtjugendrings
bezüglich des Umgangs mit rechtsextremen Tendenzen bei Jugendlichen.
STEIL, Armin, Gesellschaftliche Krise und Kultur der
Gewalt. Zur Faszination des militanten Neofaschismus auf Jugendliche und ihren
Ursachen. In: Blätter für deutsche und internationale Politik
10/1985
STEIL diskutiert zwei Formen der Faschismusanalyse: Die strukturelle
Faschismusanalyse blendet das Individuum gänzlich aus. Dem steht eine Analyse
gegenüber, die sich auch mit individuellen Motiven, biographischen
Entwicklungen und psychischen Strukturen auseinandersetzt. Der letztere
verstehende Ansatz allerdings läuft Gefahr, zur unfreiwilligen öffentlichen
Rehabilitation von faschistischen Tendenzen beizutragen. Es wird auf
die ideologische Selbstdefinition der Vertreter des aktuellen Neofaschismus
eingegangen, die sich als primär in der Arbeiterklasse verwurzelt
betrachten. Das Feindbild des Ausländers fungiert hierbei als klassenimmanente
Fraktionierung. In den Folgen, die die Krisen des Arbeitsmarktes für den
einzelnen haben, sieht STEIL die Anknüpfungs- und Identifikationsmöglichkeiten
für rechte Orientierungen. Gesellschaftliche Marginalisierungen und Gemeinschaftsverlust
sind hierbei Schlüsselerfahrungen. Über eine in neofaschistischen
Gruppen ausgeformte, von Männlichkeitsidealen abgeleitete Kultur
der Gewalt wird dem einzelnen eine Bandbreite von Erfahrungen eröffnet,
die ihm einerseits Selbstbestätigung geben, andererseits das fragmentierte
Selbstbewußtsein zu stabilisieren vermögen. Probleme einer antifaschistischen
Politik sieht STEIL einmal in einer bestehenden Illusion über die Kommunikationsfähigkeit
des rechtsorientierten Jugendlichen, zum zweiten aber auch in einer Selbstbeschränkung
antifaschistischer Strategie, die sieh damit begnügt, gegen faschistische
Artikulationsformen vorzugehen. STEIL votiert für eine integrierende
Strategie, die geeignet ist, die kulturellen Segregationstendenzen zu überwinden.
STÖSS, Richard, Die extreme Rechte in der Bundesrepublik.
Entwicklung - Ursachen - Gegenmaßnahmen. Opladen 1989
Nach einer Definition des Rechtsextremismus und der Darstellung rechtsextremer
Tendenzen als Bestandteil der politischen Kultur der BRD zeichnet STÖSS
die Entwicklungslinien der organisierten Rechten seit 1945 nach und befaßt
sieh ausführlich mit den Republikanern. Es werden vor allem
die gesellschaftlichen Existenzbedingungen der extremen Rechten, rechtsextreme
Einstellungen der Bevölkerung und Reaktionen der etablierten Parteien behandelt.
Abschließend werden die Ursachen für den Erfolg des Rechtsextremismus
systematisch zusammengefaßt und Gegenmaßnahmen diskutiert.
STURZEBECHER, Klaus und WISCHMEWSKI, Klaus-Dieter,
Vorurteile gegen Gastarbeiter bei 13-l5jährigen Schülern. Eine empirische
Untersuchung. In: Die Deutsche Schule 1/1985
In dieser empirischen Untersuchung an 283 Haupt- und Realschülern
sowie Gymnasiasten zwischen 13 und 15 Jahren einer westfälischen Stadt
wurden mittels Fragebogen die Einstellungen der Jugendlichen gegenüber
Gastarbeitern untersucht. Es zeigte sieh u. a., daß bei spezifischen Sachverhalten
- z.B. bei der Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt - bei einem Großteil der
Befragten erhebliche Voreingenommenheit bestand.
SUNKER, Heinz, Politische Bildung, Sozialisation und
Gewalt, In: HEITMEYER, Wilhelm, MOLLER, Kurt und SUNKER, Heinz (Hg.): Jugend
- Staat -Gewalt. Politische Sozialisation von Jugendlichen, Jugendpolitik und
politische Bildung. Weinheim/München 1989
SUNKER nähert sich der Gewaltfrage durch eine bildungspolitische
Argumentation, ohne dabei das Verhältnis zwischen Subjekt und Gesellschaft
im jeweils anderen aufgehen zu lassen. Anschließend wird versucht, sowohl
GALTUNGS These von der strukturellen Gewalt als auch ELIAS Arbeit Über
den Prozeß der Zivilisation bildungspolitisch fruchtbar zu
machen. In Methodik und Dialogik werden die Grundlagen für herrschaftsfreie
und nicht gewaltförmige Verhältnisse zwischen den Menschen gesehen
und sie bilden die Basis für eine Subjektwerdung, die sich im Handeln,
in gesellschaftlicher Praxis in und an der Welt verwirklicht.
Taler, Conrad: Die Verharmloser. Über den Umgang
mit dem Rechtsradikalismus, Bremen 1996
Auf der Basis jahrelanger Datensammlung und anhand zahlreicher Einzelfälle
u. a. aus der Rechtsprechung verweist der Autor auf einen inneren Zusammenhang
der Verharmlosung des Rechtsradikalismus. Es zeigen sich, so Harry Pross in
seinem Vorwort, Syndrome der verschleppten Krankheit eines ethnisch begründeten
Deutschnationalismus (S. 8). Die im Zusammenspiel der Akteure rekonstruierten
Fälle beziehen Öffentlichkeit und Politik, Wirtschaft und Justiz ein.
Behandelt werden u. a. die Bagatellisierung des Antisemitismus, der Skandal
um das Deckert-Urteil, Fälle aus dem Kontext der Bundeswehr, der Rechtsradikalismus
nach der Wiedervereinigung, Fremdenhaß als politisches Vehikel, intellektuelle
Allianzen mit dem Rechtsradikalismus und der Fortbestand alter Denkmuster. Insgesamt
ergeben die Falldarstellungen ein Bild halbherziger Gegenmaßnahmen gegen
den Rechtsradikalismus und kritisieren die diesen zugrunde liegende Mentalität
und politische Kultur. Die plastischen Fallrekonstruktionen eignen sich als
Diskussionsmaterial in der politischen Bildung. AK
Tiedemann, Markus: In Auschwitz wurde niemand
vergast. 60 rechtsradikale Lügen und wie man sie widerlegt, Mülheim
an der Ruhr 1996
Rechtsradikale Ausschreitungen gegen Asylbewerber haben den Autor dazu
veranlaßt, sich intensiver mit der rechtsradikalen Szene zu beschäftigen.
Als Pädagoge hat er dazu den Weg der direkten Auseinandersetzung gewählt:
das Gespräch mit Rechtsradikalen. Dabei wurde ihm bewußt, daß
er den Behauptungen rechtsradikaler Jugendlicher oft ohnmächtig gegenüberstand,
da zwischen der dem Fachmann bekannten Forschungslage und den Erfordernissen
einer schnellen präzisen Antwort eine Lücke klafft, die der einzelne
zumal in einer emotional aufgeladenen Situation nicht alleine
schließen kann. Hier Argumentationshilfen zu geben ist das Anliegen dieses
Buches. Unter neun Kapitel faßt der Autor gängige Behauptungen aus
der rechtsradikalen Szene zusammen: Zur Person Hitlers, NSDAP und Staat, Wehrmacht,
Kriegsgegner, Euthanasie, Holocaust, Erfundenes Beweismaterial, Professioneller
Revisionismus, deutsche Bevölkerung. Die Antworten sind so präzise
und knapp wie möglich und für jeden eine Hilfe, der sich sei
es in der Schule, im Beruf oder privat nicht mit Schweigen abwenden will.
Vor allem aber scheint das Buch als Argumentationshilfe gegenüber denjenigen
geeignet, die nicht zum harten ideologischen Kern rechter Gruppen gehören,
sondern vor allem unüberlegt übernommene Meinungen und Lügen
verbreiten. CS
Ueberschär, Gerd R.: Hitlers militärische
Elite. Von Kriegsbeginn bis zum Weltkriegsende, Darmstadt 1998
Das positive Bild von der Rolle der Wehrmacht im Dritten Reich,
das nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bewußt aufgebaut und verbreitet
wurde, ist in den letzten Jahren durch wissenschaftliche Arbeiten aufgebrochen
und durch eine mediale wie auch breitere öffentliche Diskussion in Frage
gestellt worden. In diesem Zusammenhang ist auch die Veröffentlichung von
biographischen Porträts der militärischen Elite einzubetten. Eine
Reihe renommierter internationaler Historiker präsentieren in dem auf zwei
Bände angelegten Werk zum Teil bekannte, zum Teil neue historische Forschungsergebnisse
zu hohen Militärs des Dritten Reiches. Angesichts der Gesamtzahl
von etwa 3191 Generalen und Admiralen der Wehrmacht bilden die ausgewählten
rund 80 Biographien nur eine kleine Auswahl. Sowohl die in Band 1 präsentierten
als auch die nun in Band zwei vorgestellten Militärs, die vor allem während
des Zweiten Weltkrieges tätig waren, unterstreichen, wie problematisch
und belastet das Verhältnis zwischen der NS-Führung und der Militärspitze
war. Bei aller Knappheit der einzelnen biographischen Skizzen, die teils auf
die unzureichende Quellenlage, vor allem aber auf den begrenzten zur Verfügung
stehenden Raum zurückzuführen ist, wird das große Ausmaß
der Verwicklung führender Militärs in die verbrecherischen Handlungen
des NS-Regimes deutlich (S. XIII). Die präsentierten Porträts
folgen keinem festen Schema, auch stellen die Autoren die soldatische Laufbahn
und militärische Karriere nicht immer in den Mittelpunkt ihrer Beiträge.
Ziel ist es vielmehr, die Einbindung der Personen in das NS-System, ihre Verwicklung
in Gewalttaten oder ihre Beteiligung daran deutlich werden zu lassen. CS
VOIGTEL, Roland, Fighter, Sprayer, Tagger, Dancer.
In: päd extra 6/1991
Es wird die zunehmende Organisierung ausländischer Jugendlicher
in städtischen Gangs analysiert. Als Gründe werden einmal alters-
und entwicklungsbedingte Prozesse genannt, zum anderen das Bedürfnis nach
Solidarität und Schutz in der Gemeinschaft als sich verstärktem Ausländerhaß
ausgesetzt sehende Randgruppe. Die staatliche Reaktion besteht im weiteren Ausbau
des Polizeiapparates, ohne daß die wahren Ursachen angegangen werden.
Auseinandersetzungen zwischen Polizei und ausländischen Jugendlichen haben
einen vorurteilsfördernden Effekt.
Walter, Dirk: Antisemitische Kriminalität und
Gewalt. Judenfeindschaft in der Weimarer Republik, Bonn 1999
In seiner Freiburger Dissertation untersucht Dirk Walter das Ausmaß
und die Erscheinungsformen des Antisemitismus seit Ende des 19. Jahrhunderts
bis zum Nationalsozialismus vor dem Hintergrund der Frage, ob der Antisemitismus
vor 1933 ein durchgängiger innenpolitischer Faktor war oder ob er auf kleine
rechtsradikale Zirkel begrenzt blieb. Auf dichter Quellengrundlage und sehr
überzeugend beantwortet er die Frage im Sinne der ersten Antwortmöglichkeit.
Nach einem knappen Überblick über die Geschichte des Antisemitismus
im Kaiserreich und dem Wandel antisemitischer Politikentwürfe im Übergang
zur Weimarer Republik rekonstruiert der Autor eine Vielzahl antisemitischer
Gewalttaten. Seine Fallbeispiele stammen schwerpunktmäßig aus Bayern,
gelegentlich zieht er aber auch Fälle aus anderen Ländern der Republik
heran. Sie zeigen auch, daß Juden ihre Beschimpfung und öffentliche
Erniedrigung nicht nur passiv zur Kenntnis nahmen, sondern auch offensiv reagierten.
Es zählt zu den Stärken der Arbeit, daß der Autor seinen Blick
nicht nur auf die Täter richtet, sondern auch die häufig verharmlosenden
Reaktionen der Öffentlichkeit und der Justiz detailliert beschreibt. Im
linken und liberalen Milieu dominierte moralische Empörung nach antisemitischer
Gewalt. Die politische Rechte grenzte sich auf zweideutige Weise gegen diese
Gewalt ab. Hier dominierte eine Art Vernunft-Antisemitismus, der
sich zwar gegen die rohe Gewalt richtete, zugleich aber Szenarien zur radikalen
und juristisch abgesicherten Entfernung der Juden entwickelte. Zusammen
mit den radauantisemitischen Strömungen bildeten sich in der Weimarer Republik
neue Dimensionen der Judenfeindschaft aus, an die der Nationalsozialismus ab
1933 anknüpfen konnte. PD
WARNEKEN, Bernd Jürgen (Hg.), Massenmedium Straße.
Zur Kulturgeschichte der Demonstration. 1991
Der Band liefert eine kulturhistorische Analyse der Demonstration als
Form politischer Willensäußerung und als konstitutiver Bestandteil
von Demokratie. Demonstrationen werden dabei als Symbolsystem aufgefaßt,
das sich zwischen Meinungsäußerung, Aktion, Fest und Protest bewegt.
WASSERMANN, Rudolf, Staatliches Gewaltmonopol Garant
oder Hindernis für die Weiterentwicklung der demokratischen Gesellschaft?
In: HEITMEYER, Wilhelm, MOLLER, Kurt und SUNKER, Heinz (Hg.): Jugend - Staat
-Gewalt. Politische Sozialisation von Jugendlichen, Jugendpolitik und politische
Bildung. Weinheim/München 1989
WASSERMANN geht von der Problemstellung aus, auf welche Weise sich Menschen
vor wechselseitiger Anwendung physischer Gewalt schützen können. In
der politischen Kultur freiheitlich verfaßter Gesellschaften ist das staatliche
Gewaltmonopol an die allgemeinen Menschenrechte und die geltende Rechtsordnung
gebunden. Die Rechtsordnung stellt dabei das verbindliche und historisch gewachsene
Instrument der Gewaltkontrolle das ausgehend vom Begriff der Gewalt und des
staatlichen Gewaltmonopols und seiner Funktion als Garant des inneren Friedens,
wird zunächst auf das Verhältnis von staatlichem Gewaltmonopol und
parlamentarischparteienstaatlichem System eingegangen wie es sich
im Verlauf der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland entwickelt hat. Sodann
setzt sich WASSERMANN mit der Kernfrage seines Beitrages auseinander, inwieweit
Gewalt auch innovative Funktionen beinhalten kann und damit die gesellschaftliche
Entwicklung voranträgt. Das Zentralproblem wird in dem Widerspruch gesehen,
daß die Rechtsordnung einerseits dem Bürger immer weitgehendere Entfaltungsoptionen
gewährt, andererseits aber die Möglichkeiten, am politischen Geschehen
teilhaben zu können, immer stärker beschnitten werden. Die abnehmende
Akzeptanz gegenüber dem staatlichen Gewaltmonopol sollte zu einer überfälligen
institutionellen Innovation Anlaß geben.
WENZKE, Gerhard, Extremismus unter älteren Schülern.
In: GOTSCHLICH, Helga u. a. (Hg.): Kinder und Jugendliche aus der DDR. Jugendhilfe
in den neuen Bundesländern. Berlin 1991
Der Autor skizziert Entwicklungstendenzen extremistischer Denk- und
Verhaltensweisen unter älteren Schülern am Beispiel der Zugehörigkeit
zu Skinheads. Eine übergreifende Ursache für rechtsextremistische
Orientierungen ist in den gesellschaftlichen Verhältnissen der ehemaligen
DDR und in der Entwicklung seit Oktober 1989 zu sehen. Aus der Analyse der komplexen
Ursachen für rechtsextremistische Orientierungen leitet WENZKE als
Konsequenz die Aufforderung an die Sozialisationsinstanz Schule
ab, neue Orientierungsmuster anzubieten und zu vermitteln.
WILLEMS, Helmut, Jugendprotest, die Eskalation der
Gewalt und die Rolle des Staates. In: HEITMEYER, Wilhelm, MOLLER, Kurt und SUNKER,
Heinz (Hg.): Jugend - Staat - Gewalt. Politische Sozialisation von Jugendlichen,
Jugendpolitik und politische Bildung. Weinheim/München 1989
Gewalt wird als ein Interaktionsphänomen zwischen Menschen oder
sozialen Gruppen betrachtet. Untersucht werden infolgedessen konkrete Konfliktsituationen,
Interaktionsprozesse, Legitimitätsmuster sowie Interpretationsprozesse.
Dabei geht es um eine Analyse der Interaktions- und Eskalationssequenzen in
Konflikten zwischen Protestgruppen und sozialen Bewegungen einerseits und staatlichen
Kontrollinstanzen andererseits. Als empirische Grundlage dienen einige Untersuchungen
jüngeren Datums der Universität Trier. Gefragt wird nach den Konfliktgegnern
und -adressaten, nach den jeweiligen Konflikt-, Eskalations- und Gewaltinteressen,
den typischen Aktionsformen und charakteristischen Konfliktverläufen sowie
nach den Eskalationsmechanismen in Konflikten zwischen Protestgruppen und staatlichen
Kontrollinstanzen.
WINKLER, Gunnar (Hg.), Sozialreport DDR 1990. Daten
und Fakten zur sozialen Lage in der DDR. Stuttgart 1990
Die breitgefächerte Studie über soziale Lebensverhältnisse
in der Schlußphase der DDR-Gesellschaft erfolgte im Auftrag des Runden
Tisches im Jahr 1989. Dabei wird auch auf unveröffentlichtes statistisches
Material der Jahre 1985-1989 zurückgegriffen. Durch die Einbeziehung von
Zeitreihen werden bestimmte Entwicklungen, die zum Erosionsprozeß der
DDR-Gesellschaft geführt haben, sichtbar. Die Arbeit stellt den ersten
ausführlichen und grundlegenden Versuch der statistischen Aufbereitung
der sozialen Lebensverhältnisse in der DDR dar.
WINNECKEN, Andreas, Ein Fall von Antisemitismus. Zur
Geschichte und Pathogenese der deutschen Jugendbewegung vor dem Ersten Weltkrieg.
Köln 1991
Der Band versucht einer romantisierenden Betrachtungsweise der Jugendbewegung
und ihrer Ausbeutung für nationalsozialistische Tendenzen entgegenzuwirken.
Wintersteiner, Werner: Pädagogik des anderen.
Bausteine für eine Friedenspädagogik in der Postmoderne, Münster
1999
Die mit einem Vorwort von Johan Galtung versehene Studie steht in der
Tradition der kritischen Friedenserziehung der siebziger Jahre,
die sich durch einen ausgeprägten gesellschaftspolitischen Bezug auszeichnete.
Wintersteiners Buch setzt insofern dagegen einen neuen Akzent, als es das Schwergewicht
weniger auf die politischen Strukturen legt und sich statt dessen verstärkt
auf die ihnen zugrundeliegenden Denkweisen, Gewohnheiten und Traditionen konzentriert.
Eröffnet wird die Untersuchung mit einem Aufriß jener friedenspädagogischen
Probleme, die den Bearbeitungsgegenstand des Buches bilden. Darauf folgt der
Versuch, aus einer Kritik basaler anthropologischer Positionen zu einer Definition
des Menschen als biokulturelles Lebewesen zu kommen, die grundlegend
ist für die Begriffe der kulturellen Gewalt und der Kultur
des Friedens. Vor diesem Hintergrund entwickelt Wintersteiner dann die
Umrisse seiner Friedenspädagogik. Ihr Kerngedanke ist, daß Kultur,
Frieden und Lernen im Umgang mit dem Anderen, der sein Anderssein respektiert,
einen gemeinsamen Bezugspunkt finden. Am Ende stehen fundierte Reflexionen zu
den Grenzen der Friedenserziehung und nicht zufällig ist Sisyphos hier
der Gewährsmann des Autors, dessen bildhafte Sprache die Lektüre zu
keinem Zeitpunkt langatmig werden läßt. PD
Wippermann, Wolfgang: Umstrittene Vergangenheit. Fakten
und Kontroversen zum Nationalsozialismus, Berlin 1998
Wolfgang Wippermann, Professor für Neuere Geschichte an der Freien
Universität Berlin, hat sich mit seinem Buch Umstrittene Vergangenheit
zum Ziel gesetzt, die verschiedenen Interpretationen und Erklärungen, die
für den Nationalsozialismus im Laufe von fast 60 Jahren vorgebracht worden
sind, darzustellen, in den jeweiligen politischen Kontext ihrer Entstehung einzuordnen,
vor dem Hintergrund der bekannten Fakten abzuklopfen und dem Leser damit eine
Orientierungsmöglichkeit zu schaffen. Dabei geht Wippermann nicht chronologisch,
sondern problemorientiert vor. Die Themen, denen er sich widmet, bezeichnet
er mit folgenden Schlagworten: Führerstaat, Klassenstaat oder Rassenstaat,
die Errichtung der terroristischen Diktatur, Außenpolitik und Kriegsführung,
Sozial- und Wirtschaftspolitik, nationalsozialistische Judenpolitik, Frauen
und Nationalismus, die Verfolgung von Juden und anderen Opfern, Kirchenkampf
und Widerstand. Dabei versucht der Autor zu dem jeweiligen Thema eine Zusammenstellung
der Fakten, um dann die Forschungskontroversen zu benennen. Das Buch ist vom
Konzept und von der Sprache her als Orientierungshilfe für Studenten und
Lehrer geeignet. CS
Wöbken-Ekert, Gunda: Vor der Pause habe
ich richtig Angst. Gewalt und Mobbing unter Jugendlichen. Was man dagegen
tun kann, Frankfurt/Main 1998
Das Thema Jugendgewalt beschäftigt seit Beginn der neunziger Jahre
kontinuierlich sowohl die Öffentlichkeit als auch die Experten aus Soziologie,
Pädagogik und Psychologie. Inzwischen liegen zahlreiche empirische Untersuchungen
zu den Ursachen und Auswirkungen schulischer und außerschulischer Gewalt
vor, und die Gewaltprävention ist ein neues Handlungsfeld der Sozialpädagogik
geworden. Das Buch der Journalistin Gunda Wöbken-Ekert verarbeitet diese
Befunde in populärer Art und Weise. Zudem läßt die Autorin viele
Jugendliche, Opfer wie Täter, selbst zu Wort kommen. Sie analysiert nicht
nur die Hintergründe aktueller Fälle, sondern zeigt auch, wie Erwachsene
helfen können, der Gewaltspirale entgegenzuwirken. Ein besonderes Augenmerk
richtet die Autorin auf verschiedene, in der Praxis vielfach erfolgreich erprobte
Präventionsansätze. Der anschaulich geschriebene Band richtet sich
an ein breites Publikum und will vor allem Eltern Mut machen, verstärkt
zu Fürsprechern ihrer Kinder zu werden. Er enthält zahlreiche Hinweise,
wie Eltern reagieren können, wenn ihr Kind zu einem Täter oder Opfer
geworden ist bzw. wie sie verhindern können, daß es in die Gewaltspirale
gerät. PD
Wolf, Andrea (Hg.): Neue Grenzen. Rassismus am Ende
des 20. Jahrhunderts, Wien 1997
In Zusammenarbeit mit dem Wiener Bundesministerium für Unterricht
und kulturelle Angelegenheiten entstand dieser Reader mit zumeist bereits anderweitig
publizierten Texten.Dieses Buch geht von der Kontinuität des Rassismus
aus. Nicht nur, weil auch vor 1945 die Kultur als Argument für die Ausschließung
herangezogen wurde, sondern auch, weil die Denkstrukturen die gleichen geblieben
sind... . In einer modernen Welt, die durch eine konflikthafte Pluralität
gekennzeichnet ist, geht es auch darum, durch symbolische Ausschlüsse die
verloren gegangene imaginierte Einheit der Gesellschaft wiederherzustellen.
(S. 9) R. A. Herrera beschreibt die exotische Darbietung fremder Menschen in
Völkerschauen des kolonialen Europas der Jahrhundertwende; A. Memmi bietet
eine Definition des Rassismus. A. Wolf gibt einen kurzen historischen Überblick
über den modernen Rassismus (Darwin, Intelligenzforschung, Verhaltensforschung);
S. Frank skizziert die Argumente eines rassistischen Mulitkulturalismus.
R. Burger sieht im Kontext der Umbrüche von 1989 eine Renaissance des Orientierung
bietenden Bezugs auf kulturelle Identität und versteht diesen
Begriff als ein funktionales Äquivalent für den deligitimierten Rassebegriff.
Es folgen psychologische (M. Erdheim), soziologische (B. Rommelspacher; A. Nassehi)
und politologische (E. Schalk) Erklärungsmodelle für Rassismus. Abschließend
werden die integrations und einwanderunspolitischen Vorschläge des Europäischen
Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialpolitik vorgestellt und diskutiert
(R. Bauböck). Der Band gibt einen einführenden Überblick über
die neuere Rassismusdiskussion, zeigt aber auch die Probleme der begrifflichen
Ausweitung des Rassismusbegriffs, der damit an Schärfe verliert. AK
Woller, Hans: Rom, 28. Oktober 1922. Die faschistische
Herausforderung, München 1999
Für die Reihe 20 Tage im 20. Jahrhundert hat Hans Woller,
Mitarbeiter des Instituts für Zeitgeschichte in München, den Mythos,
der sich um den 28. Oktober 1922 und den sogenannten Marsch auf Rom
rankt, kritisch hinterfragt. Er schildert jedoch nicht nur, wie die faschistische
Machtergreifung in Italien wirklich von statten ging, sondern befaßt
sich in einem eigenem Kapitel mit der Entstehung und Entwicklung der faschistischen
Bewegung in Italien von 1919 bis 1929. Das zweite Kapitel des Buches ist dem
Faschismus in Skandinavien, in Ost- und Südeuropa und in Mitteleuropa vor
1933 gewidmet, das dritte Kapitel geht auf den Nationalsozialismus als faschistischen
Sonderfall ein. Die Kapitel vier bis sechs behandeln den Zeitraum
nach 1933, auch hier wird der Blick wieder auf Europa gerichtet. Das Ende der
Bewegungen in Norwegen, Belgien und Frankreich, Rumänien, Ungarn und Spanien
wird ebenso berücksichtigt wie die Entwicklungen in Italien und Deutschland.
Im sechsten Kapitel geht es um den Zweiten Weltkrieg. Dem Autor ist es gelungen,
sich auf knappem Raum einerseits konkret mit der Gense des Faschismus in Italien
auseinanderzusetzen, andererseits aber auch verallgemeinernd dem Faschismus
als einem internationalen Phänomen zu nähern. Die Multiperspektivität,
die übersichtliche Konzeption der Darstellung und die klare Sprache des
Autors eröffnen sowohl für den Fachmann als auch für den interessierten
Laien die Möglichkeit, sich anhand dieses Buches schnell über den
aktuellen Forschungsstand zu informieren CS
Zerger, Johannes: Was ist Rassismus? Eine Einführung,
Göttingen 1997
Das Buch des Autors, Referent für Öffentlichkeitsarbeit der
Aktion Sühnezeichen, konzentriert sich in einem begriffs- und ideengeschichtlichen
Zugang auf die Entwicklung eines sinnvollen Rassismusbegriffes und die Analyse
ausgewählter Erklärungsansätze. Neben den Darstellungen der inhaltlichen
Veränderungen und der unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen gilt sein
Interesse vor allem den Kontinuitätslinien und den strukturellen Gemeinsamkeiten
der verschiedenen RassenKonzeptionen. Kapitel 1 skizziert wissenschaftliche
Einwände gegen den Begriff der Rasse und dessen Geschichte
vom rassistischen Antisemitismus bis heute. Kapitel 2 gilt dem Rassismus
als sozialwissenschaftlicher Kategorie und seiner Abgrenzung von dem verwandten
Phänomen des Ethnozentrismus, der Xenophobie und der Ausländerfeindlichkeit.
Kapitel 3 analysiert unterschiedliche Erklärungsansätze für die
Ursachen des Rassismus. Aus der großen Zahl unterschiedlicher Ansätze
historische, sozioökonomische, soziobiologische, kulturtheoretische,
(gruppen)soziologische, sozialpsychologische und ideologietheoretische
konzentriert sich Zerger auf Sozialpsychologie (G. W. Allport; L. van den Broek;W.
Bergmann; Kritische Theorie; A. Memmi) und Ideologietheorie ( R. Miles;T. van
Dijk; St. Hall; P. Essed). Dem liegt die Hypothese zugrunde, daß
Rassismus im wesentlichen ein ideologisches Phänomen ist, dessen Relevanz
in bezug auf gesellschaftliche Ausgrenzungspraktiken auf ideologisch geprägten
Einstellungen beruht (S. 11). In Verbindung mit der sozialpsychologischen
Erklärung könne so der Rassismus am besten analysiert werden. Kapitel
4 bietet eine Zusammenfassung und enthält abschließende Überlegungen
für eine weitergehende Rassismus- Analyse. Eine hilfreiche Einführung,
die sich auch an ein breiteres interessiertes Publikum wendet. AK
Zimmermann, Michael: Rassenutopie und Genozid. Die
nationalsozialistische Lösung der Zigeunerfrage, Hamburg 1997
Die vorliegende, für den Druck gekürzte Habilitationsschrift
Zimmermanns geht aus einem 1985/86 durchgeführten Pilotprojekt der Universität
Heidelberg mit dem Thema NS-Verfolgung der deutschen Sinti und Roma hervor.
Ziel dieser Arbeit ist es, die Strukturen und Entscheidungsprozesse der nationalsozialistischen
Zigeunerpolitik und deren Folgen für die Opfer darzustellen. Dabei konzentriert
sich der Autor bewußt nicht auf Hitler und dessen Vorstellungen, zumal
nur sehr wenige Äußerungen Hitlers zu Sinti und Roma bekannt sind.
Im ersten Kapitel wird die Geschichtsschreibung untersucht, die laut Zimmermann
noch viele Fragen aufwirft, die in den folgenden Kapiteln (Voraussetzungen
Kaiserreich/Weimarer Republik, Verfolgung der Zigeuner im nationalsozialistischen
Deutschland, im großdeutschen Reich und im besetzten Europa, Zigeunerpolitik
in den letzten Kriegsjahren, das Zigeunerlager in Auschwitz -Birkenau)
untersucht werden. Abschließend werden die Bedingungen für die Politik
gegenüber Sinti und Roma zusammengefaßt. Dabei kommt der Autor u.
a. zu dem Ergebnis, daß eine pseudowissenschaftlich fundierte Abwertung
von Sinti und Roma schon vor 1933 Zustimmung fand, aber erst durch die NS-Machthaber
in eine Verfolgungs- und Vernichtungskonzeption eingeflossen ist. CS
ZOLLER, Helga, Faschismus in Deutschland. Ursachen
und Folgen, Verfolgung und Widerstand, Ausländerfeindlichkeit und neonazistische
Gefahren. IG DRUCK UND PAPIER (Hg.) Köln 1985
Die in diesem Sammelband vorgelegten Arbeiten wurden im Rahmen eines
von der IG Druck und Papier ausgeschriebenen Journalistenwettbewerbes eingereicht.
Dabei handelt es sich im ersten Teil des Sammelbandes um Arbeiten zu den Ursachen
und Folgen des Faschismus, der zweite Abschnitt befaßt sich mit der Verfolgung
und dem Widerstand. Schließlich werden Phänomene von Ausländerfeindlichkeit
und Neonazismus heute behandelt.