Mittwoch, 19. März 2003

Zumindest Zweifel gesät

Von Astrid Hölscher

Die NPD bleibt unter Verdacht. Den Rechtsextremen wurde in Karlsruhe kein Freispruch, und sei er dritt- oder viertklassig, beschert. Allerdings haben auch die mutmaßlichen Feinde des demokratischen Rechtsstaats einen Anspruch auf ein rechtsstaatliches Verfahren, genießen überaus anstößige Organisationen den Schutz des Parteienprivilegs bis zum Beweis ihrer Verbotswürdigkeit.

Dieser Nachweis wird für die NPD wohl nicht mehr geführt. Und die Schuld für ihr Scheitern müssen die Antragsteller Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat nirgendwo anders suchen als bei sich selbst. In ihrer Selbstgewissheit, dass sich keiner dem machtvoll geballten Streben dreier Verfassungsorgane entgegenstellen werde, haben sie in einer Weise geschlampt und getrickst, die ihr Anliegen schwer beschädigte und vom allein zuständigen Gericht fast als Missachtung verstanden werden konnte.

Dabei haben die Verfassungsrichter durchaus nicht mit gleicher Münze zurückgezahlt. Sie haben der politischen Mehrheit im Land die Peinlichkeit erspart, nochmals minuziös die Reihe der Spitzel-Affären, der unwilligen Aufklärungen über V-Leute im braunen Gewand aufzulösen. Und nur am Rande die Frage durchschimmern lassen, ob sich auf dem juristischen Prüfstand noch die originäre NPD befand - angesichts der Tatsache, dass jeder siebte Führungskader über staatliche Nebeneinkünfte verfügte und die Spitzeldichte an der Basis eher höher war und ist. Dass indes das hehre Ziel nicht alle nachrichtlichen Mittel rechtfertigt, haben die Richter deutlich gemacht, die drei vom Minderheitenvotum etwas mehr als die anderen vier.

Der juristische Weg ist gescheitert, der NPD das Handwerk zu legen, sie ein für allemal von staatlichen Finanztöpfen fern zu halten, sie als das zu brandmarken, was sie ist: eine Gefahr für Toleranz und Menschenwürde. Der Versuch war aller Ehren wert und trotz manch untauglicher Mittel nicht völlig vergebens. Die Diskussion über ein Parteiverbot hat die rechtsextreme Szene zumindest behindert, hat Zweifel gesät in einem für populistische Parolen anfälligen Umfeld.

Nun gilt es, weiter und verstärkt politisch zu überzeugen und nebenbei dem Bundesrechnungshof klar zu machen, dass Präventivprogramme gegen Hass und Gewalt sich nicht einfach in Euro und Cent messen lassen. Ob man es "Aufstand der Anständigen" nennt oder schlicht Aufklärung, dieses notwendige Bemühen wurde nicht eingestellt in Karlsruhe.

 

 

 

Mittwoch, 19. März 2003

NPD bleibt zugelassene Partei

Karlsruhe stellt Verbotsverfahren wegen V-Männern ein

Das Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme NPD ist aus prozessrechtlichen Gründen gescheitert. Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat wollen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts keinen neuen Anlauf nehmen, die NPD zu verbieten, obwohl sie sie unverändert für verfassungswidrig halten.

Von Ursula Knapp und Pitt von Bebenburg

KARLSRUHE / BERLIN, 18. März. Das Verfahren zum NPD-Verbot ist am Dienstag in Karlsruhe gescheitert, da sich eine Sperrminorität von drei der sieben Richter gegen eine Fortsetzung aussprach. Statt der nötigen sechs hatten nur vier Richter dafür gestimmt, das Verfahren fortzuführen.

Die Bundesregierung wandte sich scharf gegen die Argumente der drei Verfassungsrichter. Deren Meinung sei in einigen Punkten "unrichtig" und "abwegig", sagte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) in Berlin. Sie stellten "unerfüllbare Forderungen" für ein Verbotsverfahren, da nach ihrer Auffassung während eines solchen Verfahrens kein Ausspähen durch V-Leute des Verfassungsschutzes stattfinden dürfe. Daher schloss Schily einen neuen Antrag auf ein NPD-Verbot aus. Ähnlich äußerte sich der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU), der 2000 den Anstoß zu den Verbotsanträgen gegeben hatte.

Die Sperrminorität der drei Richter hatte den Umstand als Verfahrenshindernis beurteilt, dass 15 Prozent der NPD-Vorstandsmitglieder Informanten der Verfassungsschutzämter waren. Noch ein Jahr nach Einreichen der Verbotsanträge habe der V-Mann Udo Holtmann im NPD-Bundesvorstand gesessen. Gleichzeitig habe der bayerische Verfassungsschutz versucht, ein weiteres Vorstandsmitglied als Mitarbeiter zu gewinnen. Solch eine Beobachtung durch V-Leute "unmittelbar vor und während eines Parteiverbotsverfahrens" sei in der Regel unvereinbar mit den Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren, urteilten die drei Richter. Allein die Gefahr, dass die Prozess-Strategie der NPD an den Staat habe verraten werden können, stelle ein unüberwindliches Verfahrenshindernis dar. Zudem seien Äußerungen von V-Leuten zum Beleg der Verfassungswidrigkeit der NPD verwendet worden, ohne dass das in den Anträgen kenntlich gemacht worden sei.

Die Mehrheit von vier Richtern hielt ein Fortsetzen des Verfahrens für "geboten". Ein anhängiges Verbotsverfahren schließe das weitere Beobachten durch den Verfassungsschutz nicht aus. Man müsse die Gefahr berücksichtigen, die von der NPD ausgehe (Az.: 2 BvB 1/01).

 

 

 

Mittwoch, 19. März 2003

Schily sieht Mittel des Parteiverbots in Frage gestellt

Kritik am Einstellen des NPD-Verbotsverfahrens auch von Bayerns Innenminister Beckstein / Mahler verlässt NPD

Politiker aller demokratischen Parteien haben dazu aufgerufen, die rechtsextreme NPD nach dem Scheitern des Verbotsverfahrens politisch zu bekämpfen. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und sein bayerischer Amtskollege Günther Beckstein (CSU) halten nach den strengen Maßgaben des Verfassungsgerichts künftig Parteiverbote kaum noch für möglich.

Von Pitt von Bebenburg (Berlin) und Ursula Knapp (Karlsruhe)

Am Ende stehen SPD-Politiker Schily und sein CSU-Kollege Beckstein wieder Schulter an Schulter. Gemeinsam hatten sie das Verbotsverfahren gegen die NPD angestrengt. Doch seit die Sache vor gut einem Jahr ins Wanken geriet, waren die beiden Innenminister damit beschäftigt, sich gegenseitig die Schuld an der V-Mann-Panne zuzuschieben. Die Geheimdienste von Bund und Ländern hatten die NPD auch während des Verfahrens observiert und sich in den Verbotsanträgen auf Zitate von V-Leuten gestützt, ohne dies kenntlich zu machen. Am gestrigen Dienstag wurde das Verfahren deswegen eingestellt.

Während aus der Unionsfraktion erneut das "dilettantische Vorgehen" Schilys gerügt wurde, befand dieser, es dürfe sich nicht jeder "hinter meinem breiten Rücken verstecken". Dabei kann er sich auf Aussagen der drei entscheidenden Verfassungsrichter berufen. Sie erwähnen, dass der bayerische Verfassungsschutz noch während des anhängigen Verbotsverfahrens einen erfolglosen Anwerbeversuch bei NPD-Bundesvorstandsmitglied Jürgen Distler startete.

Mit Beckstein fand Schily am Dienstag wieder eine gemeinsame Linie. Beide geißelten teils in denselben Worten die Kriterien, die das Minderheitenvotum für Parteiverbote aufstellt. Das Parteiverbot, so sagten sie, sei "das schärfste Schwert der wehrhaften Demokratie". Der SPD- wie der CSU-Mann fürchten, dass dieses Schwert durch die Karlsruher Entscheidung stumpf geworden ist. Schily fügte scharf hinzu, man müsse sich angesichts der Maßgaben der Verfassungsrichter fragen, "ob es gelungen wäre, die NSDAP zu verbieten".

Das Aus für das NPD-Verbotsverfahren war schon vor Wochen durchgesickert. Dennoch bot die Entscheidung Überraschungen. Die drei Verfassungsrichter, die angesichts der Bespitzelung der NPD bis in die Parteispitze hinein ein faires Verfahren für unmöglich halten, stehen sich nämlich in ihren politischen Grundüberzeugungen mindestens so fern wie Schily und Beckstein.

Die Rechtsprofessoren Winfried Hassemer und seine Kollegin Lerke Osterloh lehren an der Uni Frankfurt und wurden auf Vorschlag der SPD in den Senat gewählt; der frühere Bundesrichter Siegfried Broß stammt aus der bayerischen Justiz und war Kandidat der Union.

Gewichtigstes Argument der Drei ist, dass V-Männer im Bundesvorstand der NPD die Verteidigungsstrategie an den Staat verraten konnten. Penibel listen sie auf, dass Udo Holtmann noch ein Jahr nach Eingang der Verbotsanträge im Bundesvorstand der NPD saß. Ob er seinem Auftraggeber, dem Bundesverfassungsschutz, tatsächlich über die Prozess-Strategie berichtete, lassen die drei Mitglieder des Zweiten Senats auf sich beruhen. Die Gefahr des Verrats genügt ihnen.

In ihren Grundüberzeugungen unterschiedliche Richter fanden sich auch bei den vier anderen Senatsmitgliedern zusammen. Sie waren sich einig, dass trotz Observierung der NPD-Vorstände durch den Verfassungsschutz die Fortsetzung des Verfahrens "geboten" sei. Erst nach einer Beweisaufnahme wäre zu entscheiden gewesen, welche Aussagen möglicherweise nicht verwertet werden dürften.

Für eine wirkliche Überraschung sorgte nach der Urteilsverkündung NPD-Prozessvertreter Horst Mahler, der seinen Austritt aus der Partei bekannt gab. Die NPD sei dem Parlamentarismus verhaftet und werde wie dieser selbst untergehen, meinte der Rechtsextremist.

 

 

 

Mittwoch, 19. März 2003

Schily schäumt, Ströbele strahlt, NPD verliert

Der Innenminister greift die Verfassungsrichter an: Ihre Einstellung des Verfahrens sei schlecht begründet und von den Medien beeinflusst. Der Grüne Ströbele hält die Entscheidung für "mutig". Und die CDU fordert einen neuen Anlauf

BERLIN taz Die Betroffenen hätten schon gerne gewusst, wie verfassungsfeindlich sie sind: Die NPD bedauerte gestern jedenfalls die Einstellung ihres Verbotsverfahrens. "Eine Entscheidung in der Sache wäre für unsere Partei wichtig gewesen", sagte der NPD-Vorsitzende Udo Voigt. Seine Partei leide unter den ständigen Angriffen. Der NPD-Prozessbevollmächtigte Horst Mahler trat gar aus der Partei aus - sie sei ihm nun zu langweilig, also: zu sehr "am Parlamentarismus ausgerichtet", wie er sagte.

Wer nun schuld daran war, dass die NPD derartig verunsichert bleibt, darüber waren sich die Antragsteller gestern nicht einig. Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) bekannte, da er für den Verbotsantrag der Bundesregierung zuständig sei, "habe ich das Scheitern des Verfahrens selbstverständlich mitzuverantworten". Allerdings "sollen sich hinter meinem breiten Rücken nicht alle anderen verstecken". Das "Urheberrecht" an der Verbotsidee stehe ja dem bayerischen Innenminister Günther Beckstein (CSU) zu. Beckstein hatte vor zwei Jahren die Bundesregierung vom Sinn eines Verbotsverfahrens überzeugt.

Schily kritisierte die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts scharf: "unrichtig" seien die Gründe, "abwegig" die Forderungen. Dass sich Bundestag, -rat und -regierung der Informationen von V-Leuten bedient hätten, habe nicht dazu gedient, "Einfluss auf die NPD zu nehmen". Die Verbotsanträge hätten nahezu ausschließlich Quellen verwendet, die öffentlich zugänglich waren.

Im Übrigen sei bekannt gewesen, dass der Verfassungsschutz mit V-Leuten arbeite, argumentierte Schily. "Im Rahmen der richterlichen Fragepflicht hätte sich das Gericht erkundigen müssen", wie weit die Zusammenarbeit zwischen Behörden und Spitzeln reicht. Dann hätten die Antragsteller sich erklären können. Wenn die drei Richter, deren Meinung zur Niederschlagung des Verfahrens führte, "fälschlicherweise" von "eingeschleusten Personen" sprächen, so hätten sie sich "offensichtlich von Medien beeinflussen lassen".

Im Ergebnis stelle das Gericht den Staat vor eine "völlig unerträgliche Alternative": Der Staat müsste "entweder auf die Beobachtung oder auf das Verbotsverfahren verzichten", erklärte Schily. Diese "unerfüllbare Forderung" habe für jeden möglichen neuen Anlauf zu einem Verbotsverfahren eine "Sperrwirkung". Das heißt: Einen neuen Verbotsantrag wird es mit der Bundesrgierung nicht geben.

Der Grünen-Rechtsexperte Christian Ströbele, der ein Verbotsverfahren stets abgelehnt hatte, kritisierte Schilys Angriff auf das Gericht. "Es war eine mutige Entscheidung", sagte Ströbele zur taz. "Immerhin haben sich die Richter dazu durchgerungen, auch einer rassistischen und antisemitischen Partei ein rechtsstaatliches Verfahren zu garantieren." Logische Konsequenz sei nun, "den Einsatz von V-Leuten zu überprüfen" und gegebenenfalls "erheblich einzuschränken" - "es kann nicht sein, dass 17 Behörden V-Leute aussenden".

Der Grüne sieht sich bestätigt: Die Geheimdienste müssten dazu gezwungen werden, besser zu kooperieren und Informationen "im Apparat nach oben durchzuleiten". Dann könnte "auch die parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste effektiver werden". Ob überhaupt 16 Landesverfassungsschutzämter so viele Aufgaben haben müssten, sei fraglich. Ströbele bestritt, dass das Gericht den Staat vor eine Alternative "beobachten" oder "Verbot versuchen" stelle: "Das stimmt so nicht", erklärte er der taz. Dass V-Leute vor Verfahrensbeginn abgestellt würden, sei eine "vollkommen logische Forderung".

Auch die FDP meldete sich gestern mit dem Hinweis zu Wort, sie habe es ja gleich gewusst und sei immer gegen ein Verfahren gewesen. FDP-Chef Guido Westerwelle sagte, "Herr Beckstein und Herr Schily haben schwere Schuld auf sich geladen". Die CDU fand dagegen, man solle es noch einmal versuchen: Der innenpolitische Sprecher der CDU, Sven Petke, sprach sich dafür aus, einen "gut vorbereiteten Verbotsantrag" erneut in Karlsruhe einzureichen.

 

 

Mittwoch, 19. März 2003

DAS NPD-VERFAHREN ZEIGT DIE SCHÄDLICHKEIT DES VERFASSUNGSSCHUTZES

Schlapphüte mit Sparpotenzial

Die Dreier-Sperrminorität der Verfassungsrichter im NPD-Verbotsprozess, die gestern angesichts des Spitzelgewimmels bei der NPD ein faires Verfahren für unmöglich erklärte, hat die einzig mögliche Konsequenz gezogen. Denn in Frage stand nicht eine Güterabwägung - hie Rechtsstaatlichkeit, hie Schutz der V-Leute. In Frage stand das Prinzip, bei Prozessen dieser Art "ein Höchstmaß an Rechtssicherheit, Transparenz, Verlässlichkeit und Berechenbarkeit" zu beachten. Gegen diese vier von der Minderheitsmeinung des Gerichts formulierten Grundsätze hat das Verbotsverfahren verstoßen, und zwar von Anfang an. Wenn je ein Rücktritt einen Sinn gehabt hat, dann müsste Otto Schily jetzt sein Mützchen nehmen.

Ironischerweise war es gerade der Innenminister, der zeit seiner anwaltschaftlichen Existenz für die Beachtung rechtsstaatlicher Normen im Strafprozess kämpfte, oft mit dem Rücken zur Wand. Er, der selbst illegalen Abhörpraktiken ausgesetzt war, der das Wirken des Verfassungsschutzes am eigenen Leib erfuhr, hat als Minister alle einschlägigen Erfahrungen beiseite geschoben, hat die Amtsloyalität über die Loyalität zu rechtsstaatlichen Verfahren gestellt.

Fatalerweise folgt aus der Einstellung des Verfahrens, dass die Sensibilisierung für rechtsextreme Propaganda einschließlich der "Propaganda der Tat" in Deutschland weiter nachlassen, dass die NPD ihre Funktion als Schutzschild und Auffangbecken für terroristische Gewalttäter jetzt auch noch mit dem frisch erworbenen Nimbus der Legalität ausüben kann. Denn es war gerade diese Symbiose, die den einzig vernünftigen Verbotsgrund darstellte. Das Gericht hat einen erneuten Verbotsantrag ausdrücklich erlaubt, aber jetzt ist der GAU eingetreten und eine Neuauflage würde sich eher zugunsten der NPD auswirken.

Wenn dieses Verfahren eines erwiesen hat, dann, wie gering der Nutzen, wie groß hingegen der Schaden ist, den die Schlapphüte des Verfassungsschutzes des Bundes wie der Länder bewirken. Hier liegt ein weites Feld für Sparvorschläge.

 

 

Mittwoch, 19. März 2003

Einstellung kein Freifahrtschein

Sie haben es schon immer gewusst. "Wir haben als einzige Partei das Verfahren aus grundsätzlichen Erwägungen abgelehnt", kommentiert der Vorsitzende der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Burkhardt Müller-Sönksen, den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, das NPD-Verbotsverfahren einzustellen. Müller-Sönksen kritisierte Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) und den bayrischen Innenminister Günther Beckstein (CSU), die damit gescheitert seien, ein "Verfahren von derartiger Tragweite" im "Hauruck-Verfahren durchzupeitschen". Der Liberale sieht nun die NPD "gestärkt aus dem Verfahren" hervorgehen.

Der Fraktionschef der schleswig-holsteinischen Grünen, Karl-Martin Hentschel, rief deshalb auf, "zivilgesellschaftliche Kräfte zu stärken, die sich den neo-nazistischen Umtrieben in den Weg stellen. Die Entscheidung sei "kein Freifahrtschein für rechtsextreme Gruppierungen".

Sehr ähnlich äußerte sich Hamburgs Innensenator Ronald Schill. Er kündigte an, weiterhin die Hamburger NPD vom Verfassungsschutz beobachten zu lassen. Schleswig-Holsteins Ministerpräsidentin Heide Simonis (SPD) "bedauerte" die Verfahrenseinstellung und betonte, der Richterspruch ändere nichts an der Verfassungsfeindlichkeit der NPD. Eine Neuauflage des Verfahrens lehnte Simonis ab. " MAC

 

 

Mittwoch, 19. März 2003

NPD feiert am 1. Mai

Nach dem Scheitern des Verbots wollen Neonazis nach Charlottenburg. SPD im Bezirk wehrt sich aber dagegen

Nach dem Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens will die NPD auch dieses Jahr am 1. Mai in der Hauptstadt demonstrieren. Aufmarschort soll diesmal allerdings nicht der Ostteil sein, sondern Charlottenburg. Seit Wochen kursieren in der Szene Aufrufe, sich am 1. Mai am Hammarskjöldplatz vor den Messehallen zu treffen.

Beobachter der Szene fürchten, dass die rechtsextremistische Partei den Aufmarsch zu einer Siegesfeier nutzen könnte. Schließlich gebe das Ende des Verbotsverfahrens, so der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Gerhard Vogler, den Rechtsextremisten neuen Auftrieb.

In Charlottenburg haben die NPD-Pläne inzwischen für erheblichen Unmut gesorgt. "Die Polizei und die Innenverwaltung haben den Bezirk bislang darüber nicht informiert," sagte Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen der taz. "Wir begrüßen den NPD-Aufmarsch überhaupt nicht", so Thiemen. Der SPD-Bezirksvorsitzende von Charlottenburg-Wilmersdorf und parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Christian Gaebler, hofft nun, "dass die Zivilgesellschaft vor Ort Gesicht zeigen wird". Der SPD-Bezirksverband werde sich an entsprechenden Aktionen im jedem Fall beteiligen, sagte Gaebler.

Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hat sich bislang noch nicht zu einem möglichen Verbot geäußert. Nach Informationen der taz wird aber hinter den Kulissen bereits über mögliche Ausweichorte verhandelt.

Ein erneuter Aufmarsch in Lichtenberg stößt im Bezirk allerdings auf Widerstand. "Wir haben vorsorglich eine Kundgebung und eine Demonstration auf der Route der Neonazis angemeldet", sagt der stellvertretende Bezirksbürgermeister Andreas Prüfer (PDS) von Lichtenberg.

 

 

Mittwoch, 19. März 2003

Rechte kommen in Hörweite

Das gescheiterte NPD-Verbot bedeutet neues Selbstbewusstsein für rechte Szene. Das könnte sich in Berlin am 1. Mai zeigen. Bis zu 1.000 Teilnehmer werden bei der Demo in Charlottenburg erwartet

von HEIKE KLEFFNER

Was Berlin am 1. Mai von Seiten der NPD und der militanten Freien Kameradschaften erwartet, lässt sich derzeit anhand der aktuellen Versuche der Neonazis, sich an Aktivitäten der Friedensbewegung zu beteiligen, leicht vorhersagen. So ruft etwa der "Nationale Widerstand Berlin Brandenburg" mit eindeutig antisemitischen Parolen auf seinen Internetseiten "die Kameraden" dazu auf, sich am Tag X "auf die Straße zu begeben".

Je nach Kriegsverlauf im Irak befürchten unabhängige Antifaschisten in Berlin, dass die NPD am 1. Mai massiv und unverhohlen "mit antisemitischen und antiamerikanischen Parolen" auf die Straße gehen wird. Indiz dafür ist auch die für dann geplante Kundgebung in der City West. In den Vorjahren hatten die Rechten stets am Rande Berlins, in Hohenschönhausen, ihr Aufmarschgebiet.

Dabei geht das antifaschistische Bündnis "Gemeinsam gegen Rechts", das derzeit Gegenaktivitäten zum neonazistischen Aufmarsch plant, davon aus, dass am 1. Mai "mehr als tausend Neonazis versuchen werden, durch Berlin zu marschieren".

Orientiert man sich an den Teilnehmerzahlen der rechten Aufmärsche zum 1. Mai in den vergangenen Jahren, dürfte diese Einschätzung wohl zutreffen. Zumal die NPD in diesem Jahr offenbar spektrumsübergreifend mobilisieren will: Als Hauptredner für den Aufmarsch am Messegelände in Charlottenburg ist neben dem Parteivorsitzenden Udo Voigt auch der Hamburger Rechtsanwalt und langjährige Neonazi-Aktivist Jürgen Rieger angekündigt. In der Szene gilt Rieger, der unter anderem die verbotene militante Nationalistische Front vertrat und mit der völkischen "Artgemeinschaft" eine eigene neonazistische Eliteförderung betreibt, als Vertreter des offen nationalsozialistischen Flügels.

Auch in Berlin ist die Entwicklung der neonazistischen Szene "schon seit Jahren vor allem durch eine deutliche Zusammenarbeit zwischen dem Spektrum der so genannten Freien Kameradschaften und der NPD bzw. deren Jugendorganisation JN geprägt", sagt Ulli Jentsch vom Antifaschistischen Pressearchiv. Der Wandel der NPD zur "Bewegungspartei" sei überhaupt nur durch eine Eintrittswelle junger rechtsextremer Aktivisten aus dem Spektrum der derzeit neun in Berliner Bezirken aktiven Kameradschaften zustande gekommen, so Jentsch.

Volker Ratzmann, Rechtsanwalt und Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Abgeordnetenhaus, fordert nun von Innensenator Ehrhart Körting, die Route der NPD im Vorfeld offen zu legen. "Es muss die Möglichkeit geben, gegen demonstrierende Neonazis zu protestieren - und zwar am Ort des Geschehens", so Ratzmann.

 

 

Mittwoch, 19. März 2003

Auch unter den Richtern umkämpft

Obwohl die Mehrheit des Senats dagegen war, stellt Karlsruhe das NPD-Verbotsverfahren ein. Wegen der hohen Hürden für ein Parteienverbot reichen die Einwände von drei Verfassungshütern aus. Sie bemängeln die Vielzahl von Spitzeln bei der NPD

aus Karlsruhe CHRISTIAN RATH

Beim Parteiverbot gelten besondere Regeln. Sechs von acht Verfassungsrichtern müssen einem Verbot und jeder "nachteiligen" Verfahrensentscheidung zustimmen. Diese gesetzlichen Regeln sollen sicherstellen, dass eine Partei nur in ziemlich eindeutigen Fällen verboten wird.

Geholfen haben die Regeln jetzt auch der NPD. Nur vier Richter waren nach der V-Leute-Affäre für eine Fortführung des von Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag gemeinsam angestrengten Verfahrens. Das waren zwei Richterstimmen zu wenig. "Die Verfahren werden eingestellt", lautete deshalb der Beschluss des Zweiten Senats.

"Zur Verfassungswidrigkeit der NPD haben wir aber kein Wort gesagt", betonte Vizepräsident Winfried Hassemer sogleich: Es handele sich um keine Entscheidung zur Sache, sondern nur zum Verfahren. Dennoch ist der Verbotsprozess damit gescheitert und, wenn keine neuen Anträge gestellt werden, zu Ende.

Drei Richter, darunter Hassemer, sahen ein "nicht behebbares Verfahrenshindernis". Sie machten dies an zwei Punkten fest. Zum einen seien auch nach Verfahrensbeginn immer noch V-Leute auf der Führungsebene der NPD platziert gewesen. Noch drei Monate nach Stellung der Verbotsanträge wurde ein Mitglied im Bundesvorstand, Jürgen Distler, gefragt, ob er nicht V-Mann werden wolle. Die Anwerbung scheiterte zwar, doch der Vorfall zeigt das fehlende Problembewusstsein der Antragsteller. Der letzte Spitzel im Bundesvorstand, Udo Holtmann, war erst im Januar 2002 - ein Jahr nach Verfahrensbeginn - abgeschaltet worden.

Was die V-Leute im Vorstand konkret gemacht haben, hielten die drei Richter für zweitrangig. Im Erörterungstermin Anfang Oktober fand sich kein Beleg, dass sie als agents provocateurs die Partei zu steuern versuchten. Die Bundesregierung wies auch nachdrücklich den Vorwurf zurück, die V-Leute sollten die Prozessstrategie der NPD ausforschen. Für entscheidend hielt die Drei-Richter-Gruppe nun etwas anderes: Die NPD sei durch die V-Leute auf ihrer Führungsebene während des Verbotsverfahrens "im Kern geschwächt" worden, schließlich seien solche Spitzel "doppelten Loyalitätsansprüchen" ausgesetzt: einerseits als führendes Parteimitglied, andererseits als entgeltlich tätiger Informationsbeschaffer für den Staat.

Auch das zweite Verfahrenshindernis, das die drei Richter sahen, hat mit V-Leuten zu tun. Jetzt geht es aber um die Antragsschriften, in denen Aussagen des Antisemiten und langjährigen V-Mannes Wolfgang Frenz großer Raum eingeräumt wurde. Auch vier weitere bisher noch nicht namentlich bekannte NPD-Kader seien als Beleg für die Verfassungswidrigkeit der Partei zitiert worden, ohne sie als (zeitweise) V-Leute zu kennzeichnen. So könne das Verfassungsgericht kein rechtsstaatliches Verfahren gewährleisten, sagen die drei Richter.

Die anderen vier Richter bewerteten den Sachverhalt ganz anders: "Eine Fortführung des Verfahrens war geboten", erklärte Udo di Fabio für die Mehrheit. Das Verfassungsgericht hätte sich nicht seiner Verantwortung entziehen dürfen, sondern alle Möglichkeiten ausschöpfen müssen, um Hindernisse für eine Entscheidung auszuräumen. Selbst bei einer Ausforschung der NPD-Prozesstrategie durch die V-Leute hätten die vier Richter unter Umständen den Prozess fortgeführt, wenn es zur "Abwehr einer konkret nachweisbaren Gefahr" für die Demokratie erforderlich gewesen wäre. Beide Richterblöcke hatten gestern je fast eine Stunde Zeit, ihre Sicht der Dinge darzustellen. Hassemer hatte in seiner Einführung eingeräumt, um die Entscheidung sei im Gericht "gekämpft" worden. Dass immerhin drei Richter von einem unheilbaren Verfahrenshindernis ausgehen, war auch im letzten Oktober noch nicht klar. Sonst hätte sich das Gericht auch den Erörterungstermin sparen können oder ihn zumindest anders gestalten müssen. Die Spaltung im Gericht verläuft übrigens quer zu den ideolgischen Zuordnungen der Richter. Expräsidentin Jutta Limbach war als achte Richterin vor einem Jahr aus dem Senat und damit auch aus dem Verfahren ausgeschieden.

Da noch keine Sachentscheidung gefallen ist, sind theoretisch jederzeit neue Verbotsanträge möglich. Um ein neues Verfahrenshindernis zu vermeiden, müssten jedoch bei Antragsstellung alle V-Leute in der NPD-Führungsebene sofort abgeschaltet werden, erklärte Hassemer gestern. Sein Widerpart Di Fabio hielt dies nicht für notwendig. Es könne auch Gründe geben, eine Partei während des Verbotsverfahrens weiter zu bespitzeln, zum Beispiel um gefährdete Minderheiten zu schützen. Doch die Ansicht der Mehrheit ist hier eher nebensächlich - solange es nur vier und nicht sechs Richter sind. Damit endete gestern das erste Parteienverbotsverfahren in der Bundesrepublik, seit 1956 die KPD per Gerichtsentscheid aufgelöst wurde.

 

 

Mittwoch, 19. März 2003

10 579

Das Ende des NPD-Verbotsverfahrens ist kein Desaster für die Demokratie, nur für die Antragsteller
VON CHRISTIAN BOMMARIUS

Wäre tatsächlich das Verbot der NPD - wie der Öffentlichkeit zwei Jahre lang versichert - die entscheidende Voraussetzung im Kampf gegen den Rechtsextremismus in Deutschland, dann wäre dieser Kampf seit gestern verloren. Hinge tatsächlich das Verschwinden von Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus in den Köpfen ab vom Verschwinden der NPD in der staatlich verfügten Versenkung, dann hätten Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus gestern vom Bundesverfassungsgericht eine Garantie auf ewigen Bestand erhalten. Sollte das wirklich die katastrophale Botschaft sein, die die Einstellung des NPD-Verbotsverfahrens durch den Zweiten Senat überwölbt?

Der einzige Vorzug des NPD-Verbotsverfahrens war von Anfang an, dass weite Teile der Öffentlichkeit die hochgespannten Erwartungen, die die Antragsteller daran knüpften, nicht teilten. Nur deshalb erscheint die Einstellung des Verfahrens nicht als Desaster der wehrhaften Demokratie, sondern allein als selbst verschuldete, peinliche Niederlage der Antragsteller - also der Bundesregierung, des Bundestags und des Bundesrats. Selbst verschuldet ist sie, weil die Antragsteller den Prozess vom ersten Augenblick an mit einer prekären Mischung von Hybris, Hysterie und Dilettantismus betrieben. Das anfängliche Verschweigen der in die NPD eingeschleusten V-Leute, die Unfähigkeit oder Unwilligkeit, zumindest später den Einfluss der V-Leute vollständig aufzuklären und auszuschließen, hat nicht nur das Bundesverfassungsgericht in beispielloser Weise brüskiert, auch das Verfahren wurde dadurch in irreparabler Weise beschädigt. Peinlich ist die Niederlage der Antragsteller, weil einerseits das Parteiverbotsverfahren als schärfste Waffe der Demokratie auch den schärfsten rechtsstaatlichen Anforderungen unterliegt, andererseits die Antragsteller diese Anforderungen geradezu systematisch missachtet haben: Rechtssicherheit, Transparenz, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit. An die Tri- umphgesänge aus der Kloake des NPD-Milieus, die in den nächsten Tagen durch das Land ziehen werden, sollten sich die Verantwortlichen bei künftigen Gelegenheiten erinnern.

Wenn Politiker in Zukunft von der Bekämpfung des Rechtsextremismus sprechen, dann sollten sie nicht von Verboten sprechen, dann müssen sie sich und die Zuhörer an eine Zahl erinnern: 10 579. So viele ausländerfeindliche, rassistische oder antisemitische Straftaten hat das Bundesinnenministerium im vergangenen Jahr registriert. Das ist nur der kleinste Teil rechtsextremer Delinquenz - die Dunkelzahl liegt gewaltig darüber -, doch er sollte zur Einsicht genügen, dass die Wehrhaftigkeit einer Demokratie sich nicht im Gerichtssaal erweist und keineswegs zuerst eine Staatsaufgabe ist.

Fremdenfeindlichkeit lässt sich nicht gesetzlich verbieten, sie muss gesellschaftlich geächtet sein. Rassismus lässt sich nicht einsperren, aber er kann, er muss in jeder Familie, in jeder Schulklasse, an jedem Arbeitsplatz verpönt sein. Antisemitismus lässt sich nicht verhaften, im Gegenteil, die Barbarei, die aus ihm spricht, die Dummheit und die Inhumanität verlangen, öffentlich zur Schau gestellt zu werden.

Diese Aufgabe lässt sich nicht delegieren. Sie lässt sich nicht von Bundesorganen - Bundesregierung, Bundestag, Bundesrat - auf ein anderes Bundesorgan - das Bundesverfassungsgericht - delegieren. Sie lässt sich nicht von der Gesellschaft an bezahlte Therapeuten - die Streetworker, Strafgerichte, Gefängniswärter - delegieren. Eine Gesellschaft, die die Bekämpfung von fremdenfeindlicher, rassistischer und antisemitischer Gewalt nicht als Aufgabe eines jeden Einzelnen begreift, hat den Kampf ohnehin verloren.

 

 

 

Mittwoch, 19. März 2003

NPD hat 200 Mitglieder in Brandenburg - Tendenz fallend

Verfassungsschutz soll Rechtsextremisten weiter beobachten

Jens Blankennagel

POTSDAM. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hat das Ende des NPD-Verbotsverfahrens bedauert und will die Partei in Brandenburg weiter beobachten lassen. Die Entscheidung der Verfassungsrichter sei kein Persil-Schein für die NPD, sagte er am Dienstag in Potsdam. "Die Partei ist und bleibt rechtsextremistisch und somit auch ganz klar im Visier des Verfassungsschutzes."

Nach Angaben aus Sicherheitskreisen nimmt die Zahl der NPD-Mitglieder in Brandenburg weiter ab. Im Jahr 2000 war der Höchststand mit 225 Parteigängern erreicht, im Folgejahr waren es 205. "Die Zahl ist weiter gesunken", sagte ein Verfassungsschützer. Die Partei habe es nicht geschafft, langfristig stabile Strukturen zu schaffen. "Die NPD tritt nur dort auf, wo einige wenige Aktivisten alles organisieren", sagte er. Wenn diese Vorkämpfer wegfallen, ruhe die Arbeit. So sei der einst aktive Kreisverband Spreewald in "Untätigkeit bis Lethargie" verfallen. Aktiv sei noch die Prignitzer NPD, weil dort der Landeschef Mario Schulz arbeite.

Die Verbotsandrohung habe in Brandenburg nicht, wie von einigen vermutet, zur Radikalisierung von NPD-Mitgliedern oder gar Abdrängung in den militanten Untergrund geführt. "Wir erwarten auch keinen großen Zulauf nach dem Verbotsende", so der Experte. Obwohl sich das Scheitern des Verbots seit längerem abgezeichnet hätte, sei die Mitgliederzahl nicht gestiegen.

Bei Wahlen war die NPD bisher erfolglos. Bei der Landtagswahl 1999 errang sie 0,74 Prozent der Stimmen. Mit der Kommunalwahl 1998 waren drei NPD-Kandidaten in Stadtparlamente eingezogen: zwei in Fürstenwalde (Oder-Spree), einer in Frankfurt (Oder). Zwei legten ihr Mandat nieder, nur einer in Fürstenwalde blieb. "Aber der fällt eher durch fast völlige Untätigkeit auf", sagte ein Stadtsprecher.

 

 

 

 

Mittwoch, 19. März 2003

 

NPD-Verbotsverfahren geplatzt - Brandenburger Politiker bedauern Karlsruher Entscheidung - Schönbohm: Kein Persilschein für NPD


Potsdam (ddp-lbg). Die Einstellung des NPD-Verbotsverfahrens durch das Bundesverfassungsgericht ist in Brandenburg mit Bedauern aufgenommen worden. Gleichzeitig wurde Kritik laut am Vorgehen von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD), den Innenministern der Länder sowie am Verfassungsschutz. Politiker versicherten, dass der Kampf gegen den Rechtsextremismus weiter gehen werde.

Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sagte am Dienstag, er könne die Entscheidung von Deutschlands höchstem Gericht bis zu einem gewissen Grad nachvollziehen, sie sei trotzdem sehr bedauerlich. Die Partei wäre bei einem Verbot von allen staatlichen Geldern abgeschnitten gewesen. Die inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus und der NPD bleibe auf der Tagesordnung.

Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) bedauerte die Entscheidung ebenfalls. Sie dürfe nicht zu einem Nachlassen bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus führen, mahnte er und fügte hinzu: «Die Bekämpfung jeder Form von politischem Extremismus bleibt eine zentrale Aufgabe des freiheitlich-demokratischen Rechtstaates.» Dies gelte auch mit Blick auf die NPD, betonte der Minister. Die Entscheidung der Verfassungsrichter sei «kein Persilschein für die NPD». Die Partei sei rechtsextremistisch und bleibe im Visier des Verfassungsschutzes.

Schönbohm führte das Scheitern des Verbotsantrags unter anderem auf «handwerkliche Mängel» bereits in der Startphase des Verfahrens zurück. Gerade im Vorfeld hätte bei den zentralen Koordinatoren im Bund mit mehr Sorgfaltspflicht geprüft werden müssen, ob der Verbotsantrag vor dem Bundesverfassungsgericht bestehen könne. Schönbohm kritisierte Schily, der in das Verfahren «mit großer medialer Bugwelle» gestartet sei. Daher müsse auch Schily Antworten auf die Frage geben, wie es zu dieser «Blamage» kommen konnte.

In die Schelte bezog PDS-Landesvorsitzender Ralf Christoffers auch Schönbohm und die Innenminister der anderen Länder mit ein. Sie alle hätten das «politische Desaster» zu verantworten. Es hätte nie und nimmer passieren dürfen, dass das Bundesverfassungsgericht unzureichende Angaben über die in den Verbotsanträgen genannten, aber zudem für den Verfassungsschutz tätigen Leute erhalten habe. Der Verfassungsschutz müsse demokratisiert werden. Christoffers befürchtet jetzt eine Aufwertung der NPD.

Die Einstellung des NPD-Verbotsverfahrens bedeutet nach Ansicht des Brandenburger Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit einen «schweren Rückschlag für den politischen und gesellschaftlichen Kampf gegen Rechtsextremismus». Die politische und zivilgesellschaftliche Auseinandersetzung mit der NPD müsse nun intensiviert werden.

Die Potsdamer Initiative zur Stärkung der Grund- und Bürgerrechte gegenüber der Polizei kritisierte die Verfassungsschutzämter dafür, dass sie ein Verbot der NPD der Wahrung ihrer geheimdienstlichen Arbeit untergeordnet hätten. (Quellen: Platzeck auf Anfrage; Christoffers zu ddp; Aktionsbündnis, Bürgerrechts-Initiative, Schönbohm in Potsdam)

 

 

 

Mittwoch, 19. März 2003

Täter nach Raubüberfall in Straßenbahn gefasst

 

Opfer sind oft allein: Der Überfall auf einen Zehnjährigen in einer Schweriner Straßenbahn hat das erneut bewiesen. Die Polizei schnappte einen Verdächtigen.

Schwerin (OZ/ddp) Der Überfall auf einen zehnjährigen Jungen in einer Schweriner Straßenbahn ist weitgehend geklärt. Am Montag nahm die Polizei einen 19-jährigen Tatverdächtigen fest. Bei seiner Vernehmung gestand er die Tat, es wurde Haftbefehl erlassen. Dem Jugendlichen werden Diebstahl, versuchter Raub und versuchte schwere Körperverletzung vorgeworfen.

   Der junge Mann hatte den Zehnjährigen am vergangenen Mittwoch in einer vollbesetzten Straßenbahn geschlagen, getreten und mit einem Messer verletzt. Offenbar störte ihn die Musik aus dem Walkman des jungen Irakers. Deshalb griff er ihn an und wollte ihm das Gerät wegnehmen, vermutet die Staatsanwaltschaft. Nur eine einzige Frau bewies Zivilcourage und versuchte dem Jungen zu helfen. Ausrichten konnte sie nichts.

   Eine rechtsextreme Tat schloss die Polizei aus. Das Opfer sei zwar Iraker, dies sei dem Jungen aber nicht anzusehen. Zudem gehöre der Verdächtige nicht der rechten Szene an. Der Festgenommene war zuletzt im Oktober 2002 wegen gefährlicher Körperverletzung zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt worden. Aufgrund seiner Vorstrafen müsse er wegen der jüngsten Tat mit einer Jugendstrafe rechnen, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Gerrit Schwarz. Sollte ihn das Gericht als Erwachsenen behandeln, sei eine Freiheitsstrafe möglich.

   Die Ermittler waren dem Täter durch Aufnahmen einer Überwachungskamera in der Bahn auf die Spur gekommen. Als Zeugen sind bislang nur die beiden 17-jährigen Begleiter des mutmaßlichen Täters bekannt. Weitere Zeugen aus der Straßenbahn meldeten sich nicht – auch nicht die Frau, die als einzige dem Jungen helfen wollte.

   „Opfer bleiben oft allein“, beklagte der Landesbeauftragte der Opferhilfsorganisation „Weißer Ring“, Hinrich Kuessner. Niemand verlange Heldentaten, aber Tatenlosigkeit sei ebenso zu verurteilen. Kuessner zufolge ist der Umgang mit Opfern von Straftaten in Deutschland schon vom Gesetz her unzureichend geregelt. Jeder Täter bekäme einen Rechtsbeistand, Opfer müssten im Zeugenstand fast immer ohne Hilfe auskommen. Dies zu ändern, sei ein Ziel des Weißen Ringes. Viel wichtiger sei aber die sofortige Hilfe, die Mitarbeiter der Hilfsorganisation leisteten.

   Der bundesweit aktive Verein hat in M-V 630 Mitglieder. 120 davon haben sich einer speziellen Qualifikation unterzogen und leisten aktive Opferhilfe. Statistisch erfasst werden nur die Fälle, in denen der Weiße Ring finanzielle Hilfen gibt. Seit 1992 wurden in 1542 Fällen insgesamt 904 000 Euro an Opfer von Straftaten ausgezahlt. Das Geld stammt ausschließlich aus Spenden, Mitgliedsbeiträgen und Bußgeldern, die von Gerichten erhoben wurden. 2002 wurden 386 Opferfälle erfasst, 80 Prozent mehr als 2001. In den ersten beiden Monaten 2003 waren es 64 Fälle. Die Steigerung führt Kuessner auf den wachsenden Bekanntheitsgrad des Weißen Ringes zurück.

 

 

Mittwoch, 19. März 2003

Theater Schwedt zeigt Schülern "Hallo Nazi!"

 

Landrat will nicht lockerlassen in Aufklärung


Von unserem Redaktionsmitglied
Sigrid Werner

Prenzlau.
Junge Leute aus den Schulen der Stadt
strömten gestern Vormittag zuhauf in den Plenarsaal der Kreisverwaltung.
Junge Leute mit Punk-Haarschnitten ebenso wie solche mit so genannten Bomberjacken und jene vielen ganz "normalen", unauffälligen mit Schlaghosen und Plateauschuhen oder im Hip-Hop-Outfit.
Pflichtveranstaltung im Deutschunterricht: das Schauspiel "Hallo Nazi!" in einer Inszenierung der Uckermärkischen Bühnen Schwedt. Provokant. Und vermutlich doch dem Lebensgefühl so manchen Uckermärkers auf den Zahn gefühlt zwischen Lehrstellen-Suche, Arbeitslosigkeit und Sparpolitik.
In "Hallo Nazi!" verbringen Rudi und Jan den Samstagabend gemeinsam in einer Gefängniszelle, bevor sie ins nächste Polizeirevier überstellt werden.
Jan ist Pole und arbeitet schwarz in einer deutschen Kfz-Werkstatt. Rudi ist ein deutscher Neonazi und hat mit seinen Kameraden polnische Mechaniker verprügelt. Dabei gab es einen Toten. Was ist es, das Leute wie Rudi selbst dann noch brutal zuschlagen lässt, wenn der andere schon am Boden liegt? Und stimmt es wirklich, was die Leute über "die Polen" sagen?

Angst vor dem Fremden

Wolfram Scheller als Rudi und Sebastian Songin als Jan konfrontierten die Prenzlauer Schüler mit Argumenten, die sie
alle so schon irgendwo gehört haben dürften. Und Alexandra Ulrich als Beamtin lässt durchblicken: Auch Polizisten sind nur Menschen nicht außerhalb der Gesellschaft, sondern mittendrin. In ihren Klassen werden die Schüler diskutieren können, woher sie wirklich kommt die Fremdenfeindlichkeit. Ist es die Angst vor den Fremden, die aus der Angst erwächst, selbst durch das gesellschaftliche Netz zu fallen, fremd im eigenen Land zu werden, fremder als der Fremde, wie es das Regie-Team um Olaf Hilliger zu verdeutlichen sucht.
Von "ganz lustig" über "geht so" bis hin zu "das Stück hat mir gut gefallen, die Schauspieler haben toll gespielt", reichte die Meinung der zumeist Zehntklässler nach der Aufführung. "Aber eigentlich war es eher unrealistisch", meinte Hanka aus der Grabowschule. Besagen doch ihre Erfahrungen, dass bei so unterschiedlichen Auffassungen eher die Faust regiert, statt dass miteinander gesprochen wird.
Wenn es immer so friedlich ausgehen würde, müsste man "Deutsche" und "Fremde" viel öfter zusammensperren, damit sie miteinander reden, einander zuhören, statt aufeinander einzuschlagen, meint Klassenkameradin Heike. Steffen wünschte sich eine Welt ohne Nazis und Faschisten, "damit man sich mit solchen Situationen gar nicht erst auseinanderzusetzen braucht". Und Markus zeigte sich froh, noch nie in einer solchen brenzligen Situation gewesen zu sein, in der er Zivilcourage beweisen musste gegen Gewalt und Fremdenhass.
Zivilcourage, wie sie vor der Aufführung der Ausländerbeauftragte der Uckermark Ural Memet gefordert und dafür viel Beifall von den Schülern erhalten hatte.
Nicht locker lassen zu wollen in der Aufklärung der Uckermärker, ob Jung oder Alt, das versicherte gestern auch Landrat Klemens Schmitz gegenüber dem Uckermark Kurier angesichts der Nazi-Schmierereien am Plenarsaal ausgerechnet am Tag der Aufführung von "Hallo Nazi!". "Es ist bitter und zeigt uns, dass Ausländerfeindlichkeit in der Uckermark immer noch latent vorhanden ist." Auswüchse
der Jugend in dieser Richtung seien nur ein Spiegelbild der Erwachsenenwelt.
Denn noch immer gebe es pauschale Vorurteile, dass Ausländer Deutschen Arbeit wegnehmen, kriminell seien! All diese könne man mit sachlichen Argumenten widerlegen.

 

 

Mittwoch, 19. März 2003

 

MAL ‘NE FRAGE

Hat sich der Rechtsstaat beim NPD-Verbot blamiert, Herr Vogel?

Das Bundesverfassungsgericht hat das NPD-Verbotsverfahren angesichts der V-Mann-Affäre eingestellt. Auch Thüringen war von dem Skandal betroffen. Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) plädiert nun für eine „Geschlossenheit der Demokraten“.

Die meisten Bundesbürger haben sich in einer Forsa-Umfrage für ein NPD-Verbot ausgesprochen, nun haben die V-Mann-Pannen zur Einstellung NPD-Verbotsverfahrens geführt. Ist das eine Blamage für den Rechtsstaat?

Bernhard Vogel: Nein, allenfalls eine Blamage der einen oder anderen Antragsbegründung. Der Rechtsstaat hat sich bewährt. Man sieht es daran, dass sich das Bundesverfassungsgericht nicht nach Umfragen richtet.


Nun gab es ja auch eine Thüringer V-Mann-Affäre, hat diese nach das Ergebnis beeinflusst?

Bernhard Vogel: Das NPD-Verbotsverfahren ist bestimmt nicht an dem V-Mann Brandt gescheitert. Es gibt eine Verpflichtung zur Beobachtung. Die Summe der V-Leute war entscheidend, auch für mich war das eine überraschend große Zahl. Bundesinnenminister Schily hätte es wissen müssen. Dennoch war es richtig, zu klagen.


Wie wird der weitere Umgang mit der NPD aussehen?

Bernhard Vogel: Die NPD bleibt eine extremistische Partei und sie ist nach wie vor eine zu bekämpfende Partei, die nun mit den Mitteln der Auseinandersetzung und der Geschlossenheit der Demokraten rechnen muss. Die Gefahr von dort steht momentan wegen anderer Themen nicht so im Mittelpunkt der Öffentlichkeit. Doch ich warne davor, in dieser Sache nachlässig zu werden. Die NPD muß jetzt erst recht bekämpft werden.


Halten Sie die weitere Beobachtung für sinnvoll?

Bernhard Vogel: V-Leute braucht man selbstverständlich, wie sonst ist man am besten über rechtsradikales Treiben informiert.


Der Thüringer PDS-Fraktionschef Bodo Ramelow hat der Landesregierung eine Teilschuld am Richterspruch aus Karlsruhe gegeben. Was sagen Sie zu den Vorwürfen?

Bernhard Vogel: Das ist ein Nebenkriegsschauplatz. Es ist Unsinn, Thüringen vorzuwerfen, beim Erörterungstermin am 8.10.2002 nicht da gewesen zu sein. Der Rechtsbeistand des Bundesrates und nicht die Vertreter der Länder waren zu diesem Termin geladen. Es wurden auch keine Akten oder Unterlagen vorenthalten.

INTERVIEW: ANKE SCHMIDT-KRASKA

 

 

 

 

Dienstag, 18. März 2003

Spielerisch zu mehr Toleranz

 

 

SONDERSHAUSEN (sh). Spielend sollen Kinder zu Toleranz gegenüber Fremden erzogen werden. Wichtiger Baustein können dazu die Kindergärten sein, um mit Liedern, Hörspielen, Büchern und Puppen (siehe Bild) Berührungsängste abzubauen. Entsprechendes Material übergab jetzt Christiane Zyber, Leiterin des Projekts für Demokratie und Toleranz im Kyffhäuserkreis, in Sondershausen an modellhafte Kindergärten. Besonders hob sie gegenüber TA die Tagesstätte "Pusteblume" hervor.Dort sind der Einrichtungsleiterin Cordula Koch zufolge derzeit zehn Kinder aus Aussiedlerfamilien integriert. Mit Projekten wie "Wir sind alle Kinder einer Welt" wird versucht, dem Nachwuchs den Kontakt mit anderen Kulturen spielerisch als Chance und Bereicherung begreiflich zu machen. Zudem lernten die zu integrierenden Kinder die deutsche Sprache dadurch sehr schnell, sagte Koch. Ihre Einrichtung mit 96 Plätzen will die gemachten Erfahrungen und jetzigen Materialien auch anderen Kindergärten im Kreis zur Verfügung stellen. Wie Zyber ergänzte, gebe es auch in der Projektstelle des Kreisjugendringes Fachliteratur und Materialien, die ausgeliehen werden könnten. Angeschaffen wurden sie mit Fördermitteln des Programms "Civitas". Damit will die Bundesregierung Projekte gegen Rechtsextremismus und für ziviles Engagement unterstützen. Der hiesigen Arbeit wurden laut Zyber 10 000 Euro bereit gestellt. Die Bewilligung liege für den Zeitraum bis 31. März vor und es gebe Signale, auch weiter in voller Höhe zu fördern, sagte sie. Hintergrund ist die Kritik des Bundesrechnungshofes, wonach viele der Civitas-Projekte nicht modellhaft seien und es an einer regelmäßigen Bewertung fehle. Laut Zyber hingegen wird ein halbjähriger Bericht abgegeben, zudem gibt es wissenschaftliche Begleitung.

 

 

 

 

Mittwoch, 19. März 2003

 

Furcht vor neuem Aufwind für Rechte in der Sächsischen Schweiz

Dresden. Die Gegend rund um Pirna gilt landesweit als rechte Hochburg. Nicht zufällig trägt die verbotene braune Truppe "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS) den Namen der Touristenregion bereits im Titel. Jetzt befürchten Politiker, dass die Rechtsextremen im Elbsandsteingebirge neuen Aufwind bekommen. Grund ist das Scheitern des NPD-Verbotsverfahrens in Karlsruhe. "Absehbar ist", meint PDS-Kreischef Andrè Hahn, "dass NPD-Anhänger dies als Sieg feiern und nun um so dreister auftreten".

Für die Sächsische Schweiz könnte das Folgen haben. Denn während des laufenden Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht war es still geworden um die rechten Gruppen. Vor allem die NPD habe sich "auffallend zurückgehalten", meint Hahn, doch damit könnte es nun vorbei sein. Die NPD werde sich nun "als quasi amtliche bestätigte Partei gerieren" - und versuchen, daraus Kapital zu schlagen.

Dabei geht es vor allem um die Kommunalwahl. Bereits jetzt rufen Wortführer wie der Königsteiner NPD-Stadtrat Uwe Leichsenring zum Kampf um die Gemeinde- und Stadtparlamente auf. Ziel ist der Aufbau von Kandidaten für den Urnengang im Juni 2004. Das führt beim Pirnaer CDU-Landtagsabgeordneten Klaus Leroff zu Sorgenfalten. Zwar sei die Sächsische Schweiz keine Hochburg für Neonazis, eine "Massierung rechter Gruppen" aber räumt auch er ein. Schon deshalb werde die CDU im Wahlkampf "massiv dagegen angehen".

Rund um Pirna dürfte das nötig sein. Mit rund 400 Mitgliedern stellt die NPD hier ihren bundesweit größten Kreisverband. Und bei den Gemeinderatswahlen 1999 holte die NPD in Königstein satte 11,8 Prozent sowie zwei Sitze. Dabei gilt der Freistaat generell als NPD-Hochburg. Mit rund 1100 der bundesweit etwa 6500 Parteimitglieder sitzt der größte Landesverband in Sachsen.

Hinzu kommt die "SSS". Gegen einige ihrer Mitglieder wird vorm Oberlandesgericht in Dresden wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, schwerer Körperverletzung, Landfriedensbruch und Volksverhetzung prozessiert. Bei Durchsuchungen hatte die Polizei neben Propagandamaterial auch Sprengstoffe sowie Teile von Granaten, Panzerfäusten, Gewehren und Munition gefunden. Zwischen der "SSS" und der NPD bestehen enge Verbindungen, etwa wenn die junge Schlägertruppe der Partei als Saalordner dient. Die Fäden der NPD laufen außerdem in Riesa zusammen, wo der Parteiverlag "Deutsche Stimme" seinen Sitz hat. Vor wenigen Tagen erst beschlagnahmte die Polizei bei dem Versandhandel Tausende CDs, Kassetten, Literatur und elf Computer.

Das NPD-Verbotsverfahren sei "kein Ruhmesblatt" für die demokratische Politik, meinte Sachsens Regierungschef Georg Milbradt (CDU) gestern. Das Scheitern zeige, dass sich juristische Fragen nicht mit "Hau-Ruck-Aktionen" durchsetzen ließen.