Mittwoch, 26. März 2003
Wortführer der radikalen Szene ruft zu Angriffen
gegen US-Bürger auf
Von Frank Jansen
Mit dem Beginn des Irak-Krieges scheint sich ein Teil des rechtsextremen
Spektrums weiter zu radikalisieren. Neben einigen Neonazis propagiert auch
einer der Wortführer der „Neuen Rechten“ in Westeuropa, der Franzose Alain de
Benoist, öffentlich Gewalt gegen Amerikaner. In seinem Aufruf vom 20. März
bezeichnet de Benoist „Vergeltungsmaßnahmen, gerichtet gegen amerikanische
Interessen und auch amerikanische Personen“ als „zugleich legitim und
notwendig“. Der sonst um ein seriöses Image bemühte Rechtsextremist spricht
auch von militärischen Aktionen, „mit welchen Mitteln, unter welchen Umständen
auch immer“. Die „Erklärung“ wird im Internet unter anderem auf einer szeneweit
bekannten Homepage deutscher Neonazis verbreitet. Es sei nun zu befürchten,
dass sich rechtsextreme Fanatiker legitimiert fühlten, Anschläge zu begehen,
heißt es bei den Sicherheitsbehörden.
Am Tag nach dem Aufruf hat de Benoist versucht, auf seiner Homepage den Aufruf
abzuschwächen. Terroristische Aktionen seien prinzipiell zu verurteilen,
schreibt der Rechtsextremist. Diese Einschränkung findet sich jedoch nicht auf
der Homepage der deutschen Neonazis, auf der auch eine der jüngsten
Fernsehansprachen Saddam Husseins in voller Länge wiedergegeben wird.
Der in Paris lebende de Benoist gilt vor allem in Frankreich und Deutschland
als führender „Theoretiker“ der Neuen Rechten. Zusammen mit ähnlich gesonnenen
Publizisten versucht de Benoist, sein Milieu zu intellektualisieren. Das
Bundesamt für Verfassungsschutz bescheinigt auch dieser Spielart des
Rechtsextremismus „eine grundsätzliche ablehnende Haltung gegenüber dem
Invidualismus, den Menschenrechten und den westlichen Demokratievorstellungen
insgesamt“. In Deutschland verbreitet insbesondere das rechtsradikale
Wochenblatt „Junge Freiheit“ die Ansichten ihres Autors de Benoists. Bislang
ist unklar, ob sich die Zeitung dem Aufruf zur Gewalt anschließt.
Auch auf anderen Websites wird Gewalt gegen Amerikaner gefordert. Einige
Hass-Parolen, vermischt mit Obszönitäten, richten sich gegen amerikanische
Soldaten dunkler Hautfarbe. Trotz der verbalen Militanz von Neonazis und
Wortführern wie de Benoist glauben die Sicherheitsbehörden jedoch nicht, dass
sich die rechtsextreme Straßengewalt zu terroristischen Aktionen auswächst.
Entsprechende Diskussionen in der Szene habe es Ende der 90er Jahre gegeben,
seien dann aber abgeflaut, sagt ein Experte. Die aktuelle Entwicklung müsse
jedoch sehr aufmerksam beobachtet werden.
Für kommenden Sonnabend rufen die NPD und unabhängige Neonazis bundesweit zu
einer Anti-Kriegs-Demonstration im hessischen Hanau auf. Die Stadt prüft, ob
der Aufmarsch verboten werden kann. Sollte er dennoch stattfinden, sind nach
Ansicht von Sicherheitsexperten etwa 500 Teilnehmer zu erwarten. Laut Polizei
rufen linke Gruppen bereits zu Gegenaktionen auf.
Mittwoch, 26. März 2003
Von Rüdiger Finke und Hans H. Nibbrig
Aus seiner antisemitischen und antiwestlichen Einstellung macht der Vorbeter der ins Visier des Generalbundesanwaltes geratenen Al-Nur-Moschee in Neukölln, Salem El-R. auch im Internet keinen Hehl. Als Scheich Salim gibt der 42-jährige Libanese auf der Homepage der Moschee entsprechende Äußerungen von sich. In einem Frage-Antwort-Spiel über den Islam sagt der Vorbeter, im Koran stehe, die Juden seien verflucht. Als Begründung äußert er: "Weil sie auf der Erde Unheil stiften." Daneben lehrt er, Versicherungen, aus denen man Geld bekomme, seien nicht erlaubt. Außerdem verkündet er das Verbot, Musik-CDs zu verkaufen, und untersagt, mit Menschen an einem Tisch zu sitzen, die Alkohol trinken. Im Gespräch mit der Berliner Morgenpost hatte Salem El-R. betont, in der Moschee fielen keine antiwestlichen oder antisemitischen Äußerungen.
Die Ermittlungsbehörden sehen in diesen Äußerungen jedoch keine Volksverhetzung. "Wir haben die Internetseiten und auch alle anderen Publikationen von islamistischen Organisationen natürlich ständig im Blick. Wenn wir dort etwas Relevantes entdecken, schreiten wir sofort ein und der Generalbundesanwalt überprüft den Sachverhalt", teilte ein Verfassungsschützer mit. Es müsse jedoch auch immer das sehr hoch angesiedelte Gut der freien Religionsausübung berücksichtigt werden, wenn es zu einem Einschreiten komme.
Die Al-Nur-Moschee an der Haberstraße gilt für die Ermittlungsbehörden als ein Sammelort arabischer Islamisten. Wie berichtet, soll einer der sechs am Donnerstag dort festgenommenen Männer Kontakte zu einem Freund des Terrorpiloten Mohammed Atta gehabt haben. Bei der Razzia in der vergangenen Woche wurden auch die Räume der Islamischen Gemeinschaft Berlin innerhalb der Moschee durchsucht. Dieser Verein, den es auch in zehn anderen deutschen Städten gibt, hat die Muslimbruderschaft als Dachorganisation. Die Muslimbruderschaft hält nach Verfassungsschutzerkenntnissen das westliche Wertesystem, den Kommunismus und den Zionismus für "die drei Götzen, die die Welt ins Verderben stürzen". Mit entsprechenden Äußerungen halte sich die Bruderschaft in ihren deutschsprachigen Veröffentlichungen jedoch sehr zurück, berichtete ein Ermittler.
Mittwoch, 26. März 2003
BRAUNSCHWEIG dpa Im Braunschweiger Prozess gegen sieben junge Rechtsradikale hat die Staatsanwaltschaft gestern Haftstrafen von bis zu acht Jahren sowie Bewährungsstrafen gefordert. Die Angeklagten hatten gestanden, im November 2002 insgesamt 16 Molotow-Cocktails auf eine bewohnte Moschee in Wolfenbüttel geworfen zu haben. Als Motiv gaben die 16- bis 22-Jährigen Ausländerhass an. Sie müssen sich wegen versuchten Mordes und versuchter schwerer Brandstiftung verantworten.
Nach Auffassung des Staatsanwalts handelten die Täter aus niederen Beweggründen. Die Tat zeige eine seltene Intensität an Ausländerfeindlichkeit und eine hohe kriminelle Energie. Die höchste Strafe mit acht Jahren Haft forderte die Anklage für einen 22-Jährigen nach Erwachsenenstrafrecht. Für sechs Angeklagte hielt der Staatsanwalt Freiheitsstrafen von bis zu vier Jahren und neun Monaten nach Jugendstrafrecht sowie Bewährungsstrafen für angemessen. Die Anklage wegen Beihilfe gegen eine 20 Jahre alte Frau wurde von dem Verfahren abgetrennt.
Mittwoch, 26. März 2003
Neubrandenburg (mg). "Lichtenhagen" ist da. Das Alternative Jugendzentrum
zeigt die gleichnamige Ausstellung, die sich mit den ausländerfeindlichen
Angriffen in dem Rostocker Neubaugebiet auseinandersetzt. Sie kann bis Montag
von 10 bis 12 und 16 bis 20 Uhr oder nach Absprache TELEFON 0174/9 96 43 15 in
der Speicherstraße 1 besichtigt werden.
Mittwoch, 26. März 2003
Erinnerung an ermordete Sinti und
Roma
Die Bronzeplastik
"Geschlagener" erinnert seit gestern im Schwanenteichpark an die
während der nationalsozialistischen Diktatur ermordeten Sinti und Roma. Die von
Wieland Förster geschaffene, etwa 80 Zentimeter große Plastik wurde am
Nachmittag feierlich übergeben. Zuvor gab's in der Oper eine
Gedenkveranstaltung, an der auch Romani Rose, Chef des Zentralrates Deutscher
Sinti und Roma, teilnahm.
In den Dreißiger- und
Vierzigerjahren lebten in der Messestadt mindestens 280 Angehörige dieser
Volksgruppe in Häusern und auf Wohnplätzen. Sie arbeiteten als Musiker und
Instrumentenbauer, Schausteller, Artisten, als Glasschleifer, Buchbinder oder
in Fabriken. Einige verdienten ihren Lebensunterhalt beim Handeln mit Pferden,
Instrumenten, Textilien oder Kurzwaren. Doch kaum waren die Nationalsozialisten
an der Macht, wurden die oft abwertend als "Zigeuner" bezeichneten
Männer, Frauen und Kinder ausgegrenzt und verfolgt, später deportiert und
größtenteils ermordet. Nach bisheriger Kenntnis - die Forschungen laufen noch -
haben nicht mehr als fünf Leipziger Sinti und Roma den Mord an ihrem Volk
überlebt.
"Wir müssen die
Menschen ehren, die keine Stimme mehr haben", sagte Anna Mettbach. In
bewegenden Worten schilderte die ehemalige Auschwitz-Inhaftierte bei der
Denkmals-Einweihung, wie ihr Volk erniedrigt, gequält und ausgerottet wurde.
Sie forderte vor allem junge Menschen auf, es besser als "ihre
Vorfahren" zu machen, gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit auf der
Welt einzutreten.
Das Denkmal steht nicht nur
für jene Sinti und Roma, die als Leipziger Bürger Opfer des
nationalsozialistischen Terrors wurden. "Es steht auch für alle, die in
Leipziger Rüstungsbetrieben Sklavenarbeit bis zum Tod leisten mussten",
sagte OBM Wolfgang Tiefensee. Er erinnerte an die Außenlager der Hugo-Schneider-AG
(HASAG) in der Permoserstraße und in Taucha. Neben Juden, Russen, Polen und
Franzosen waren dort mehr als 1000 Sinti und Roma der "Vernichtung durch
Arbeit" ausgesetzt. Tiefensee dankte allen, die die Namen der Opfer
erforschen: "Jedes Schicksal, das aus der Anonymität geholt wird, gibt den
Toten ihre Ehre zurück."
Altmeister Wieland Förster
schuf die Plastik bereits 1989 - hinter der Oper steht sie nun auf einem
speziellen Sockel. Das sächsische Wissenschaftsministerium gab zur Finanzierung
40 000 Euro dazu.
Mittwoch, 26. März 2003
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EISENACH (sto). Bei den "Courage-Projekttagen" arbeiten junge Menschen mit Schülern. Unter dem Mantel "Netzwerk für Demokratie und Courage"(NDC) soll die demokratische Kultur gefördert werden. Dies bedeutet, dass Jugendliche, die nicht "rechts" sind, in ihrer Meinung gefördert werden sollen, diese zu vertreten. Dieses Projekt interessierte auch das Staatliche Berufsschulzentrum "Ludwig Erhard" und meldete drei Klassen für die Projekte an.Auf ein Klebeband den Namen geschrieben, an den Pullover oder das Hemd geheftet und los geht´s. Was denn eigentlich? Den Schülern der Klasse BFSB10B wurde einen Tag zuvor gesagt, dass sie ihre Schulsachen zu Hause lassen können, denn morgen sei Projekttag. Unter dem Begriff "@-Generation. Wir können auch anders" konnte sich niemand etwas vorstellen. Zwei Jugendliche standen vor der Klasse und begannen mit den Themen Jugend, Rechtsextremismus und Courage. Zu dem Thema "Mein Jugendclub" wurden Collagen gestaltet und die kahlen Wände gestaltet. Die Frage: "Wer sind eigentlich Ausländer?" wurde diskutiert. Unterschieden wurde zwischen EU-Bürgern, Touristen oder Asylbewerbern. Die 15- bis 18-Jährigen mussten erst einmal mit der ungewohnten Situation umgehen. Dabei erwies sich eine Diskussion zwischen allen Klassenmitgliedern als schwierig. Oft schalteten die Jungen und Mädchen ab oder verfielen in Gespräche mit dem Nachbarn. Ein Spiel war das Gewaltbarometer. Hierbei wurden Karten verteilt, auf denen verschiedene Situationen beschrieben wurden. Beispielsweise: Folter eines Menschen, Ohrfeige der Mutter, Todesstrafe oder Stubenarrest. Diese sollte an das Barometer gelegt werden. Am oberen Teil stand "keine Gewalt", unten "viel Gewalt". Die Klasse ordnete die Kärtchen zu, je nach dem, wie viel Gewalt sie der jeweiligen Situation zusprachen. Anschließend wurde diskutiert, ob sie mit ihrer Einschätzung "richtig" liegen, wenn z.B. Todesstrafe mit "etwas Gewalt" gekennzeichnet war. Nach hitziger Diskussion folgte das Courage-Spiel. Den Jugendlichen wurden Situationen vorgegeben und verschiedene Reaktionen darauf. Sie konnten sich den Meinungen anschließen oder eigene Ideen entwickeln. Beim Resümee des Tages waren die Schüler geteilter Meinung. Manche fanden die sechs Stunden informativ. Andere dachten, es würde ihnen eine Meinung aufgezwungen. Ein Teil meinte, etwas fürs Leben gelernt zu haben. Fast alle schlossen sich dem Statement an, dass es auf jeden Fall interessant war. Sicher ist, dass diese Stunden zum Nachdenken angeregt haben. Das ist die Zielsetzung des Netzwerkes. Das Handeln liegt bei jedem selbst, NDC will dazu anregen. Jugendliche im Alter von 16 bis 25 Jahren können auch solche Projekttage mitgestalten. Dafür werden sie in einer Schulung entsprechend vorbereitet. Informationen: NDC Büro Gera, Berliner Str. 147-149, 07545 Gera Tel. 0365/4364335. |
Mittwoch, 26. März 2003
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Dresden (dpa/sn) - Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel (CDU) ist am heutigen Mittwoch Gast des Runden Tisches gegen Gewalt in Dresden. Es soll erörtert werden, ob und wie sich die Gesellschaft nach Gewalttaten an Schulen verändert hat. Im Blickpunkt steht unter anderem der Amoklauf eines Schülers am Erfurter Gutenberg-Gymnasium, der im April vergangenen Jahres 16 Menschen und sich selbst getötet hatte. Der Runde Tisch war 1992 nach den ausländerfeindlichen Übergriffen in Hoyerswerda gegründet worden. |
Mittwoch, 26. März 2003
Kunst
als Waffe wider Rassismus? |
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Kongreß »Rock gegen Rechts?!«
in Hannover: Möglichkeiten und Grenzen linker Kultur ausgelotet |
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Rund 150
Teilnehmer – Künstlerinnen und Künstler, unter ihnen Bernadette la Hengst,
Ted Geier von den Goldenen Zitronen und Germ von den Brothers Keepers,
nichtkommerzielle Konzertveranstalter und Initiativgruppen – debattierten am
vergangenen Wochenende in Hannover über Stellenwert und Möglichkeiten linker
Subkultur. Auf dem Kongreß »Rock gegen Rechts?!« stand der Meinungsaustausch
zwischen den verschiedenen »Fraktionen« im Vordergrund: Künstler und
Basisvertreter formulierten mitunter sehr gegensätzliche Ansprüche. Am Ende
war man sich aber einig: Die Diskussion war ein gelungener Anfang für einen
kontinuierlichen Austausch. Und der Theorie soll bald die Praxis folgen: Am 14./15.
Juni soll es – ebenfalls in Hannover – ein Rock-gegen-Rechts-Festival geben. |