Donnerstag, 27. März 2003
von HEIKE
KLEFFNER
Der derzeitige Ausländerbeauftragte in Sachsen-Anhalt, Günter Piening, soll nach Recherchen von taz und SFB neuer Ausländerbeauftragter von Berlin werden. Der 51-Jährige soll die Nachfolge von Barbara John antreten, die am 1. Juni nach 21 Jahren als ihr Amt abgibt.
Roswitha Steinbrenner, Sprecherin von Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS), wollte gestern die Entscheidung über Johns Nachfolge weder dementieren noch bestätigen. Eine verbindliche Entscheidung werde bei der Senatssitzung am kommenden Dienstag getroffen. Dort habe die Sozialsenatorin ein Vorschlagsrecht.
Auch Piening will sich derzeit öffentlich nicht äußern. In den letzten Monaten hatte der Diplomsoziologe und Journalist, der nach kurzer Zeit als Sprecher der Grünen-Fraktion im Magdeburger Landtag 1996 von der rot-grünen Koalition zum Ausländerbeauftragten berufen worden war, die CDU/FDP-Landesregierung scharf kritisiert. Sie gefährde mit politisch motivierten Sparmaßnahmen "den Aufbau zivilgesellschaftlicher Strukturen und die Arbeit gegen rechts". Die Landesregierung wiederum hatte die Möglichkeiten des Ausländerbeauftragten eingeschränkt und Pienings Vertrag nicht verlängert.
Wer in diesen Tagen nach dessen Verdiensten in dem Bundesland mit einem Ausländeranteil von 2 Prozent fragt, erhält unterschiedliche Antworten. Der Bielefelder Grüne sei ein "Wessi mit Ostblick", ein "Moderator", der einer widerstrebenden Mehrheitsöffentlichkeit die Unumgänglichkeit von Zuwanderung und Migration erfolgreich näher gebracht habe, heißt es in Sachsen-Anhalt. So gehörte Piening zu den Initiatoren eines im Januar veröffentlichte Memorandums, in dem ostdeutsche Ausländerbeauftragte die Notwendigkeit von Zuwanderung betonen. Piening scheue sich nicht, unbequeme Meinungen offensiv zu vertreten, sagt Matthias Gärtner, früher innenpolitischer Sprecher der sachsen-anhaltischen PDS-Fraktion. "Opfer rassistischer Angriffe hat er kontinuierlich unterstützt." Zudem sei es ihm gelungen, ein funktionierendes Netzwerk von Vereinen, Verbänden und Beratungsstellen aufzubauen. Andere Stimmen warnen, die Anforderungen an einen Ausländerbeauftragten in Berlin seien komplexer.
Die Sprecherin der Sozialverwaltung betonte, es sei sorgfältig unter 42 BewerberInnen ausgewählt worden. 12 KandidatInnen seien einer engeren Wahl in einem "Assessment Center" unterzogen worden, dem auch unabhängige Fachbeamte angehört hätten. Der Ausgang des Verfahrens sei "einstimmig und eindeutig" gewesen. Unter den abgelehnten BewerberInnen sollen sich neben der Exlandesbeauftragten für das "Tolerante Brandenburg", Uta Leichsenring, auch Sanem Kleff, Vorsitzende des Projekts "Schule ohne Rassismus" und Mitglied des GEW-Bundesvorstands, sowie die Charlottenburg-Wilmersdorfer Ausländerbeauftragte Azize Tank befunden haben.
Donnerstag, 27. März 2003
Der Verteidiger des rechten Anwalts Jürgen Rieger will vors Bundesverfassungsgericht ziehen. Er sieht das Grundrecht Riegers auf freie Berufsausübung dadurch verletzt, dass der Neonazi-Anwalt vor Gericht nicht den Holocaust leugnen darf. 1996 hatte Rieger als Verteidiger beantragt, einen Chemiker als Sachverständigen zu laden, der die Meinung vertritt, niemand sei in Auschwitz vergast worden. Rieger wurde daraufhin wegen Volksverhetzung angeklagt. Ein Freispruch wurde aufgehoben. Seit gestern verhandelt das Landgericht den Fall erneut.
Donnerstag, 27. März 2003
BRAUNSCHWEIG ap Das Landgericht Braunschweig hat gegen sieben junge Rechtsradikale wegen eines Brandanschlags auf eine Moschee in Wolfenbüttel mehrjährige Haftstrafen verhängt. Die Zweite Große Strafkammer verurteilte die 16- bis 22-Jährigen wegen versuchter schwerer Brandstiftung und Verstoßes gegen das Waffengesetz zu Strafen zwischen zwei Jahren auf Bewährung und drei Jahren und neun Monaten Haft. Sie hatten gemeinsam die Moschee mit insgesamt 16 Molotowcocktails angegriffen. Die Angeklagten hätten aus Ausländerhass gehandelt, eine in der Moschee wohnende Familie stark gefährdet und vor allem bei den beiden Kindern große seelische Schäden verursacht, so der Richter.
Den Vorwurf des versuchten Mordes ließ die Kammer bei allen Angeklagten fallen. Bei dem Anschlag war am Ende nur ein Papierkorb in Brand geraten und ein geringer Sachschaden entstanden. Es sei nicht nachweisbar gewesen, dass die Rechtsradikalen gewusst hätten, dass in dem Gebäude auch eine Familie wohnte. Allen Angeklagten billigte der Kammervorsitzende eine verminderte Steuerungs- und Schuldfähigkeit zu, weil sie betrunken gewesen seien.
Donnerstag, 27. März 2003
Merbitz: Den Anfängen wehren
Brandis. "Insgesamt kann ich Ihnen versichern, dass sie hier ruhig und sicher leben." Mit dieser Feststellung schließt Bernd Merbitz, Leiter der Polizeidirektion Grimma, seinen Bericht zur Kriminalstatistik 2002 vor dem Brandiser Stadtrat am Dienstagbend. Es habe kaum mehr Straftaten als 2001 gegeben, die Aufklärungsquote liege über dem sächsischen Durchschnitt. Aber, und hier will Merbitz keine Mißverständnisse aufkommen lassen: Die Ausschreitungen rechtsorientierter Jugendlicher, wie es sie in der Nacht vom 19. zum 20. Oktober des vergangenen Jahres,am Markt 4 gab, gehörten in ihrer Brutalität zu den härtesten, mit denen er sich in den vergangenen Jahren konfrontiert sah. Auch die vier Körperverletzungen in der Silvesternacht waren zum Teil von Rechtsorientieren begangen worden.
Tendenz ausländerfeindlich
"Obwohl die Straftaten keinen politischen Hintergrund hatten, stimmt bedenklich von wem und wie vorgegangen wurde", differenziert der Kriminaldirektor. Im Zerschlagen einer Fensterscheibe am Dönerstand sieht Merbitz hingegen ausländerfeindliche Tendenzen. Er hält ein Flugplatt hoch - gefunden gestern in der Sparkasse der Stadt. "Ausländerstopp - die deutsche Jugend wird zur Tat gerufen. Das sind Alarmzeichen, meint Merbitz. "Wir haben 32 dieser Kopien eingezogen und an die entsprechenden Stellen weitergereicht", informiert er. Dennoch bestehe kein Grund, Brandis als Stadt zu diffamieren, in der neonazistisches Gedankengut zur Tagesordnung gehört. Das Bild wäre falsch und überzogen. "Sie dürfen nicht zulassen, dass eine kleine Gruppe den Ruf ihres Ortes kaputtmacht", wendet sich Merbitz an die Stadträte und Zuhörer im Rathaus. Die überwiegende Zahl der Leute, die hier leben sind rechtschaffen und friedlich." Dazu gehöre, dass die Entscheidungsträger sich nicht in die Ecke drängen lassen und jeder Forderung nach einem Jugendklub nachgeben.
Ein Bauwagen macht es nicht
"Sie leisten in Brandis vorzügliche Jugendarbeit mit dem Haus des CVJM. Es muss nicht zwingend für jede Interessengruppe ein Raum zur Verfügung gestellt werden", meint der Kriminaldirektor. Oft sei es dann so, dass man sich breitschlagen läßt und versucht, das Gute in den Menschen zu sehen. "Na, dann geben wir ihnen einen Bauwagen, ein wenig außerhalb...", ein Trugschluss sei dieses gut gemeinte Angebot an Teenies, mit denen es bereits Ärger gab.
"Entscheidungsträger sollten sich nicht in die Ecke drängen lassen": Bernd Merbitz auf der Stadtratssitzung.
Conny Hanspach
Donnerstag, 27. März 2003
Ausländerhass ist nicht
tolerierbar
Mehrjährige Haftstrafen
für Anschlag auf Moschee
Sieben
junge Rechtsradikale sind nach einem Brandanschlag auf eine bewohnte Moschee in
Wolfenbüttel zu mehrjährigen Haft- und Bewährungsstrafen verurteilt worden. Das
Braunschweiger Landgericht befand die 16 bis 22 Jahre alten Männer am Mittwoch
der schweren Brandstiftung für schuldig.
HB/dpa BRAUNSCHWEIG. Vier
Angeklagte müssen zwischen zweieinhalb und dreidreiviertel Jahre hinter Gitter,
drei wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt. Sie hatten gestanden, im November
vergangenen Jahres aus Ausländerhass 16 Molotow-Cocktails auf das bewohnte
Gebetshaus geworfen zu haben. Die in der Moschee lebende Familie wurde dabei
nicht verletzt, es entstand Sachschaden.
„Das Motiv Ausländerhass
ist nicht zu tolerieren“, sagte Richter Manfred Teiwes zur Urteilsbegründung.
Die Täter hatten Bierflaschen mit Terpentin und Frostschutzmittel gefüllt,
angezündet und gegen das Haus geworfen, in dem der Vorbeter mit seiner Familie
lebte. Vier der Angeklagten waren drei Mal vor die Moschee gezogen, die anderen
Drei hatten sich nach dem ersten Versuch zurückgezogen. Den Vorwurf des
versuchten Mordes ließ die Kammer fallen.
Auch wenn die Täter, die
der Skinhead-Szene angehörten, im Vorfeld bereits mehrfach von einem Anschlag
gesprochen hätten, so sei nicht von einer geplanten Tat auszugehen. „Für alle
Angeklagten gilt, dass sie durch Alkohol vermindert schuldfähig waren“, sagte
der Richter. Sie hatten sich am Tatabend in einer Wohnung nahe der Moschee zu
einem Trinkgelage getroffen.
Schon vor dem Anschlag im
November hatte ein Angeklagter Hakenkreuze unter anderem an die Moschee
geschmiert und einen Brandanschlag versucht. Die Gruppe hatte mehrfach an
Veranstaltungen der rechtsextremen NPD teilgenommen, bei einigen wurden
verbotene nationalistische CDs und Schriften, eine Schreckschusspistole und ein
Holzknüppel mit Nazi-Emblem sichergestellt.
Der Staatsanwalt äußerte
sich enttäuscht über die Haftstrafen für die Anführer. Er hatte bis zu acht
Jahren Haft gefordert und will nun die Möglichkeit einer Revision prüfen. Das
kündigte auch die Verteidigung an.
Donnerstag, 27. März 2003
Billigung des Terrors
Urteil gegen
NPD-Anwalt
Im Berufungsverfahren gegen den Ex-NPD-Anwalt Horst Mahler wegen
Billigung der Terroranschläge vom 11. September 2001 soll heute vor dem Mainzer
Landgericht das Urteil fallen. Die Staatsanwaltschaft hat acht Monate Haft für
Mahler gefordert, da dieser in einer Fernsehsendung den Attentätern
"Hochachtung" ausgesprochen hatte. Die Verteidigung hingegen hat auf
Freispruch oder die Einstellung des Verfahrens plädiert. In der Vorinstanz war
der 67-Jährige zu einer Geldstrafe von 7.200 Euro verurteilt worden.
In der Verhandlung vor
dem Landgericht hatte sich Mahler unter anderem mit der Behauptung, es habe gar
keine Anschläge gegeben, die er hätte billigen können verteidigt. Die
Anschlagsserie vom 11. September sei ein Geheimdienst-Komplott gewesen,
erklärte der ehemalige RAF-Terrorist. Mit Hilfe eines Dia-Vortrages wollte er
dabei belegen, dass nicht Flugzeuge, sondern Sprengungen am Fundament die Türme
des World Trade Centers zum Einsturz gebracht hätten.
Donnerstag, 27. März 2003
Ein Inder versuchte am 18. März im Abschiebegefängnis Berlin-Grünau, sich das Leben zu nehmen. Er hängte sich mit einem Bettlaken an die Querstrebe einer Toilettentür. Mitgefangene bemerkten den Selbsttötungsversuch des 19jährigen, der seit dem September des Jahres 2002 im Abschiebegewahrsam sitzt. Er wurde in das Justizkrankenhaus Moabit gebracht. Am selben Tag wurde ein 30jähriger Litauer mit Schnittverletzungen am Hals, an den Armen und den Beinen gefunden. Damit gab es in diesem Jahr im Abschiebegefängnis Grünau bereits 31 Selbstverletzungen. Der Familie Tobudic aus Berlin droht die Abschiebung, berichtete der Tagesspiegel am 20. März. Die Eltern Senad und Almasa Tobudic flüchteten vor dem Bürgerkrieg aus Bosnien. Im Jahr 1995 verlor Almasa ihren Vater und andere Familienmitglieder bei dem Massaker in Srebrenica. Senad wurde schwer krank. Psychologen bescheinigten ein »post-traumatisches Stress-Syndrom« und eine »psychosomatische Krankheit des Verdauungstraktes«. Die Abschiebung der beiden und ihrer vierjährigen Tochter droht nun, weil weder die Ausländerbehörde noch das Verwaltungsgericht die psychologischen Gutachten anerkennen. In Mühlhausen (Thüringen) kämpft ein neu gegründeter »Heimatverein« gegen ein Asylbewerberheim. Die Initiative aus dem Mühlhausener Vorort Felchta mit 642 Einwohnern übergab dem Landkreis 399 Unterschriften zum Protest gegen die Einrichtung der Unterkunft in zwei Plattenbauten. Trotz der aufgeregten Stimmung im Saal hätten sich »nur einige wenige Bürger zu ausländerfeindlichen Ausrufen« hinreißen lassen, schreibt die Thüringer Allgemeine über die Gründungsversammlung. Für das Heim sei zu wenig Wachpersonal eingeplant, der vorgesehene Zaun sei zu niedrig, behauptete einer der Gegner des Heims. Ein 19jähriger überfiel am 12. März in Schwerin (Mecklenburg-Vorpommern) einen zehnjährigen Iraker in einer voll besetzten Straßenbahn. Der Mann schlug und trat auf sein Opfer ein und verletzte es mit einem Messer. Dem Täter habe die Musik aus dem Walkman des Kindes missfallen, schrieb die Ostsee-Zeitung. Von den anderen Fahrgästen versuchte nur eine Frau einzugreifen, ausrichten konnte sie jedoch nichts. Die Polizei schloss einen rechtsextremen Hintergrund der Tat aus. Zwar sei das Opfer Iraker, dies sei ihm aber nicht anzusehen. Zudem gehöre der Täter nicht der rechten Szene an. »Ein Ghetto einrichten! Und eine Bombe rein!« Mit diesen Worten störte ein Zwischenrufer eine öffentliche Diskussionsveranstaltung des Hauptausschusses Marienheide (Nordrhein-Westfalen) über die Unterbringung von Asylbewerbern und Obdachlosen in der Gemeinde. Der Kölner Staatsschutz ermittelt erst jetzt wegen Volksverhetzung, obwohl die Sitzung schon Mitte Februar stattfand. Eine Frau aus einem Nachbarort, die von den »ausländerfeindlichen Einwürfen« in der Lokalzeitung gelesen hatte und darüber »entsetzt« gewesen sei, erstattete Strafanzeige, berichtete der Kölner Stadt-Anzeiger.
Donnerstag, 27. März 2003
Das System Pim
Tutzinger Medientage: Rechtsextremismus ist nicht tot - er kleidet sich
nur besser
Von Sebastian Engelbrecht
Glaubt man Günther Beckstein, dem bayerischen
Innenminister, dann ist der Extremismus unter Kontrolle, zumindest in Bayern.
"Überraschend ruhig und still" sei dort die Lage, sagt Beckstein mit
Blick auf die Zurückhaltung der Islamisten nach dem Kriegsausbruch in Irak. Und
offensichtlich sind auch einige Rechtsradikale in tiefen Schlaf gefallen: Der
bayerische Verfassungsschutz registrierte im vergangenen Jahr 51 Gewalttaten
von Rechtsextremisten, 21 weniger als im Jahr zuvor. In ganz Deutschland
dagegen stieg die Zahl der rechten Gewalttaten von 709 auf 725. Aber wen
kümmert's ?
Die geballte Aufmerksamkeit der Medien für das Thema Rechtsextremismus vom
Sommer und Herbst 2000 ist dahin. Der Tod des kleinen Joseph in Sebnitz und der
Brandanschlag auf die Düsseldorfer Synagoge gingen - entgegen ersten
Erwartungen - doch nicht auf das Konto der Rechten. Übrig blieb die Rüge des Spiegel
für Medien und Gesellschaft: Eine "Hysterie der Anständigen" habe
Deutschland befallen. Zusätzliche Genugtuung für deutschnationale Seelen
brachte die jüngste Entscheidung im NPD-Verbotsverfahren. Verfassungsschützer
und Innenminister verhedderten sich in selbst gelegten Fußangeln; die NPD
bleibt erlaubt.
Trotz alledem ging es bei den Medientagen in der Evangelischen Akademie Tutzing
um "Rechtspopulismus und Rechtsextremismus in den Medien". Gegen die
Richtung der medialen Laufräder fragten Politologen, Medienpädagogen,
Verfassungsschützer und Journalisten nach der Lage der Dinge. Im Vordergrund
der Diskussion stand der äußerlich smarte Rechtspopulismus, dessen Konjunktur
in Europa unübersehbar ist. Von Jean-Marie Le Pen über Jörg Haider, Silvio
Berlusconi und Pim Fortuyn bis hin zu Jürgen Möllemann reicht die Liste der
Führergestalten. Lars Peter Rensmann, Politologe an der FU Berlin, nennt das
Phänomen "Rechtsextremismus light" und erkennt die Gemeinsamkeiten
der Führerfiguren: Sie verwenden "ethnozentrisch-fremdenfeindliche,
nationalistische oder antisemitische Ideologieelemente", inszenieren sich
als Tabubrecher und stilisieren sich zu Kämpfern gegen die herrschende
politische Klasse.
Journalisten lieben die Personalisierung der Politik, die mit dem
Rechtspopulismus einhergeht - und gehen den vermeintlichen Lichtgestalten
häufig auf den Leim. Bewusst oder unbewusst transportieren sie die simple
Botschaft der charismatischen Führer und rechtfertigen ihre
pseudo-demokratischen Reden als mutige Offenbarungen dessen, was das Volk im
Stillen schon lange denkt.
In den wirtschaftlich prosperierenden Niederlanden dauerte die Hochphase des
Rechtspopulismus nur acht Monate. Aus "Langeweile" hoben die
niederländischen Medien vor anderthalb Jahren einen "schwulen Dandy"
namens Pim Fortuyn auf den Schild, ein "Gesamtkunstwerk" mit
Bodyguards und Bentley, Siegelring und Einstecktuch. So hat ihn die Amsterdamer
Korrespondentin Annette Birschel beobachtet. Die antimuslimischen Attacken,
seine diskriminierende Haltung gegenüber Ausländern und seine Forderung, das
EU-Parlament abzuschaffen, schienen vor allem dem Fernsehen weniger wichtig als
der Popstar Fortuyn, seine Nadelstreifenanzüge und die "kitschige
Volkstrauer" an seinem Grab. Für Monate verließ das kritische Bewusstsein
die niederländischen Medien. Selbst die Zeitungen waren befallen von der
Verflachung und "Endemolisierung der Politik".
Ähnliche Symptome einer "Drama-Demokratie" sind in Italien unter
Silvio Berlusconi zum Dauerzustand geworden. Die Rom-Korrespondentin Birgit
Schönau ordnet den italienischen Ministerpräsidenten zwar nicht als
ideologiegesteuerten Rechtspopulisten ein, macht ihn aber verantwortlich für
die Entpolitisierung des Fernsehprogramms. Die drei großen Privatsender seiner
Mediaset-Gruppe kontrolliert er ohnehin; durch das Regierungsamt kommt der
Einfluss auf die öffentlich-rechtliche RAI hinzu. Für die Fernsehprogramme sind
die verbreiteten rassistischen Exzesse italienischer Fußballfans kein Thema.
Für den Personenkult um Berlusconi dagegen ist reichlich Sendezeit vorhanden.
Von einer solchen Monopolisierung ist der deutsche Fernsehbetrieb weit
entfernt. Möllemann ist bei den Wählern durchgefallen - trotz kultiger
Auftritte mit dem Fallschirm und antisemitischer Flugblätter gegen Ariel
Scharon und Michel Friedman. Gleichwohl liegt auch in Deutschland die Gefahr in
den "weichen, verkappten" Formen des Rechtsextremismus. Thomas
Pfeiffer vom Verfassungsschutz in Nordrhein-Westfalen begründet seine Sorge mit
einer Studie, die 20 Prozent der Bevölkerung für anfällig hält. Zu diesem Trend
tragen Blätter wie die Junge Freiheit bei, die rechte Gesinnung in den
gesellschaftlichen Diskurs streuen. Jenseits der spektakulären Auftritte mit
Stiefeln und Glatzen trägt das Blatt dazu bei, Begriffe wie
"Leitkultur", "Volk" und "Nation" in Umlauf zu
bringen und versucht so, "kulturprägend" zu wirken.
Diese leisen Töne aus der rechten Szene fallen in Fernsehredaktionen fast
völlig durch den Rost. So lautet zumindest der Vorwurf des Berliner
Kommunikationswissenschaftlers Hans-Jürgen Weiß. Das Fernsehen bringe seit
einem Jahrzehnt die immer gleichen Stereotypen, sagt Weiß - "geile Bilder"
hässlicher kahlköpfiger Rechtsradikaler mit Fahnen und Bomberjacken.
"Diese Bilder verleihen dem Milieu eine Art Orden." Und sie täuschen
darüber hinweg, dass es neben den "Igitt-Typen" rechtsradikale
Haltungen genauso im zivileren Gewand gibt, wie etwa in der NPD oder in
konservativen Parteien.
"Die Berichterstattung flackert wie die Ereignislage", erklärt Weiß,
nachdem er zwei Untersuchungen über Rechtsextremismus im Fernsehen der 90er
Jahre abgeschlossen hat. Den Redaktionen fehle der lange Atem, "dranzubleiben".
In scheinbar ruhigen Phasen "schaffen" es "kleine
Gewalttaten" von Rechtsradikalen höchstens ins Morgenmagazin. Für die
Hauptabendsendungen aber sei der "Schwellenwert zu hoch geworden".
Wenn das Thema doch einmal ins Programm komme, trügen Fernsehautoren zwar eine
Ablehnung rechtsextremer Aktivitäten zur Schau, verzichteten aber oft auf
Argumente. Für Hans-Jürgen Weiß eine "wertebeladene Berichterstattung ohne
Tiefenstruktur".
Leider gibt es noch einen Grund, am aufklärerischen Wert des Fernsehens, wenn
nicht gar der Medien insgesamt, zu zweifeln: Der Boom des Themas
Rechtsextremismus in den Medien im Jahr 2000 hat auf die Aktivität der rechten
Szene keinerlei Auswirkung gehabt. Thomas Pfeiffer vom Verfassungsschutz hat
desillusionierend beobachtet: "Eine kontinuierliche Entwicklung setzt sich
fort."