Donnerstag, 10. April 2003
Jens Blankennagel
FÜRSTENWALDE.
Seit Kriegsbeginn demonstrieren jeden Freitag etwa 100 Aktivisten in
Fürstenwalde: Sie fordern Frieden im Irak. Doch ihre bisher letzte Kundgebung
führte zum Eklat. Denn am vergangenen Freitag ließ SPD-Mann Günter Lahayn als
Chef der Stadtverordnetenversammlung den NPD-Bundeschef Udo Voigt auf dem
Marktplatz reden. Dreißig Anhänger des Rechtsextremisten bejubelten dessen
antiamerikanischen Parolen. Die anderen Kundgebungsteilnehmer wandten sich
demonstrativ ab.
Inszenierte Provokation
"Es ist ein
skandalöser Vorgang", wetterte Brandenburgs CDU-Generalsekretär Thomas Lunacek.
Es dürfe einfach nicht sein, dass Demokraten und verfassungsfeindliche Kräfte
gemeinsam auf einem Marktplatz auftreten. Wegen dieser politischen
Instinktlosigkeit forderte er die SPD auf, "ihren Laden in Ordnung"
zu bringen.
Lahayn selbst sprach von
einem schweren Fehler und hat sich dafür am Mittwoch bei der örtlichen
Friedensinitiative entschuldigt. Der Verein wird von der SPD, den Grünen, der
PDS und den Kirchen getragen und organisiert die Friedensdemos. "Ich bin
selbst Mitglied der Plattform gegen Rechts und wollte den Neonazis keine Bühne
für ihre Parolen bieten", sagte er. Er sei aber auch Opfer einer
"inszenierten Provokation" geworden. Es sei üblich, dass auf den
wöchentlichen Demonstrationen jeder reden darf. Die NPD-ler seien einfach auf
die Bühne gekommen, während unten bereits linke Teilnehmer rebellierten.
"Ich war überrumpelt, die NPD ist nicht verboten und ich musste schnell
eine Entscheidung treffen", sagte der 70-Jährige. Er habe verhindern
wollen, dass die ganze Sache eskaliert.
"Er war bestimmt ein
wenig zu naiv und von der Situation auch überfordert", sagte
SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness. Das sei ein unverzeihlicher Fehler, aber
Lahayn habe sich bereits entschuldigt. Ob er nun von seiner Funktion im
Stadtparlament zurücktreten müsse, könne nur vor Ort entschieden werden.
Der Skandal verdeutlicht
ein Problem, das den Friedensaktivisten schon seit einiger Zeit bekannt ist.
Überall in Deutschland versuchen Rechtsextremisten, Friedenskundgebungen als
Plattform für ihre antiamerikanische und antisemitische Propaganda zu nutzen.
Um dies zu illustrieren, hatte sich das ARD-Magazin "Kontraste" auf
die Suche gemacht. In Fürstenwalde, wo zwei NPD-Leute ein Mandat im
Stadtparlament haben, wird jetzt gemutmaßt, dass diese Recherchen die NPD erst
zu ihrer Aktion veranlasst haben könnten. "Ich finde den Zufall zu
zufällig, dass ausgerechnet dann, wenn erstmals Neonazis bei unserer Demo
auftauchen, ein Kamerateam dabei ist", sagte Stephan Wende von der
Friedensinitiative.
Die NPD nennt es Zufall,
dass ihr Bundeschef genau am Drehtag Zeit hatte, in Fürstenwalde aufzutreten.
Gleichzeitig kündigte die Partei an, weiterhin an Friedensdemonstrationen
teilzunehmen. "Wir werden nicht nur am nächsten Freitag in Fürstenwalde
wieder präsent sein", sagte NPD-Sprecher Klaus Beier. Die Partei wolle
erneut ins Stadtparlament und den Kreistag einziehen. "Deshalb zeigen wir
jetzt wieder verstärkte Präsenz", sagte er.
Lothar Bisky, der Chef
der PDS-Landtagsfraktion, ist froh, dass sein Fraktionskollege und Parteifreund
Stefan Sarrach in Fürstenwalde gleich nach dem NPD-Auftritt auf die Bühne
gegangen und gegen die Instrumentalisierung der Kundgebung durch die Neonazis
protestiert hat. "Es diskreditiert jede Friedensdemonstration, wenn
fremdenfeindliche, antisemitische und antiamerikanische Kräfte
teilnehmen", sagte Bisky. "Wer wie die NPD im Inneren Krieg gegen die
sozial Schwachen und die Ausländer führt, ist unglaubwürdig, wenn er gegen den
Irak-Krieg auftritt."
Die Kundgebung am Freitag
in Fürstenwalde wird erstmals offiziell bei der Polizei als Demonstration
angemeldet. Bisher war sie nur geduldet. "Dann können wir alle, die wir
nicht haben wollen, des Platzes verweisen", sagte Stefan Wende. "Wir
stehen für eine starke Demokratie, stark auch gegen die NPD und ihren dumpfen
menschenverachtenden Antisemitismus."
Donnerstag, 10. April 2003
Von Gudrun Mallwitz
Potsdam - Gegen den Fürstenwalder Stadtverordneten-Vorsteher Günter Lahayn sind Rücktrittsforderungen laut geworden. Der SPD-Mann hatte bei der wöchentlichen Demonstration gegen den Irak-Krieg in Fürstenwalde dem NPD-Bundeschef Udo Voigt ein Rederecht eingeräumt. Der Anführer der rechtsextremen Partei hetzte so vor rund 100 Friedensfreunden und 30 Rechtsradikalen gegen die USA. Die CDU und die PDS, aber auch Parteifreunde sprechen von einem Skandal. Der innenpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Sven Petke, sagte gestern: "Der Mann ist an der Spitze des Stadtparlaments nicht mehr tragbar. Wer solche politische Instinktlosigkeit an den Tag legt, kann nicht für die Bürgerschaft einer ganzen Stadt sprechen."
Die SPD will über Konsequenzen beraten. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) nannte den Vorgang "nicht nachvollziehbar". Mit der Zulassung des NPD-Vertreters sei die Friedensbewegung "konterkariert" worden. Die NPD könne "nicht im Geringsten" einen Beitrag zum Frieden leisten.
CDU-Landeschef und Innenminister Jörg Schönbohm nannte es "unerhört, dass sich schon wenige Monate nach der Solidarität der Demokraten für ein NPD-Verbot ein führender Repräsentant der SPD mit der NPD gemein macht". Demokratische Parteien dürften sich nicht mit extremistischen Parteien zusammentun. CDU-Fraktionschefin Beate Blechinger sprach von einem Novum, dass eine demokratische Partei führenden Rechtsextremen bei ihren Veranstaltungen Rederecht gewähre. "Ich gehe davon aus, dass die SPD diesen Sachverhalt intern klärt."
Der PDS-Fraktionschef im Landtag, Lothar Bisky, empörte sich: "Es kann nicht sein, dass Friedenskampf und -feindlichkeit Hand in Hand gehen." Fürstenwaldes Stadtverordneten-Vorsteher Lahayn bezeichnete es gestern als Fehler, den NPD-Bundeschef Voigt auf die Rednerliste gesetzt zu haben. "Es war eine unglückliche Entscheidung." Lahayn sagte, er habe die Demonstrationen bei der Polizei angemeldet und sei damit Veranstalter. "Ich hätte die Möglichkeit gehabt zu sagen, ihr sprecht nicht", erläuterte er am Mittwoch. "Aber meine große Sorge bestand darin, dass es zur Auseinandersetzung kommt, wenn ich sie ausgrenze." Lahayn ist Mitglied der Plattform gegen Rechts, Veranstalter der seit Februar wöchentlich stattfindenden Demonstrationen. Die Plattform ist ein örtliches Bündnis von SPD, Grünen, PDS, Kirchen und mehreren Verbänden. Das Innenministerium bestätigte gestern, dass die NPD eine Veranstaltung in Langewahl bei Fürstenwalde mit über 500 Teilnehmern plante. Die Polizei hat dann mit dem Gaststättenbesitzer gesprochen, der den Nutzungsvertrag zurückzog.
Donnerstag, 10. April 2003
von
BARBARA BOLLWAHN
DE PAEZ CASANOVA
Naivität, Überforderung oder Kapitulation vor der rechten Szene? Am vergangenen Freitag erteilte der Vorsteher des Stadtparlaments von Fürstenwalde in Brandenburg, der SPD-Abgeordnete Günter Lahayn, dem Bundesvorsitzenden der NPD, Udo Voigt, auf einer Demonstration gegen den Irakkrieg das Wort. Zuvor hatte er Pazifisten, die noch ein Friedenslied singen wollten, das Mikrofon entzogen. Besonders pikant an dem Vorfall: Der SPD-Kommunalpolitiker gehört dem regionalen Bündnis "Plattform gegen Rechts" an, das die wöchentliche Friedensdemonstration organisiert.
Der SPD-Landesgeschäftsführer Klaus Ness sprach gestern von einem "peinlichen Vorfall", einer "Fehleinschätzung" des Kommunalpolitikers und einem "heilsamen Schock". Bei der morgigen Demonstration werde es neben Transparenten gegen den Krieg auch Transparente gegen die Vereinnahmung durch Rechte geben. Zudem wollte sich Lahayn gestern Abend bei der Plattform gegen Rechts "öffentlich entschuldigen". Ness sprach aber auch von einer "bewussten Provokation". Es sei kein Zufall, dass zu der dritten Kundgebung im Ort NPD-Anhänger und Fernsehteams von dem SFB-Programm "Kontraste" erschienen seien.
Der 70-jährige Lahayn nannte sein Verhalten gestern eine "unglückliche Entscheidung" und lieferte eine seltsame Erklärung: "Ich wollte, dass es nicht eskaliert." Unter den Demonstranten seien dreißig NPD-Anhänger gewesen und er habe "große Sorge" gehabt, dass es zu Auseinandersetzungen komme, wenn er sie "ausgrenze".
In Fürstenwalde gibt es eine starke rechte Szene. Nach den Kommunalwahlen 1998 zog die NPD mit zwei Vertretern in die Stadtverordnetenversammlung ein. In der gestrigen Landtagssitzung wurde der Vorfall nicht thematisiert. Anträge für die aktuelle Fragestunde müssen zwei Tage im Voraus gestellt werden.
Am gleichen Tag, an dem der NPD-Bundesvorsitzende seinen Auftritt hatte, hatte das Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit Hinweise zum Umgang mit Rechtsextremen auf Friedensveranstaltungen herausgegeben. Darin heißt es, dass dies "eine neue Herausforderung politischer Auseinandersetzung" sei.
Wolfram Hülsemann vom Mobilen Beratungsteam sagte gestern, dass es bei vielen Menschen "einen Mangel an zureichender Interpretation" des gescheiterten Verbotsantrags der NPD gebe. "Viele gehen davon aus, was legal ist, sei demokratisch legitim." Hülsemann ist sicher, dass es bei der morgigen Demonstration zu einer "gewaltfreien Konfrontation zwischen demokratischen und nicht demokratischen Kräften" kommen werde.
Heute Abend zum Thema NPD auf Antikriegsveranstaltungen:
ARD, 20.15 Uhr, "Kontraste"
Donnerstag, 10. April 2003
Polizei geht gegen extremistische Gewalt vor
Potsdam
(ddp-lbg). In Brandenburg geht die Polizei weiter massiv gegen extremistische
Gewalt vor. Im Jahr 2002 überprüfte die «Mobile Einsatzeinheit gegen Gewalt und
Ausländerfeindlichkeit» (MEGA) insgesamt 20 805 Personen und damit 335 mehr als
im Vorjahr, wie ein Sprecher des Innenministeriums am Mittwoch in Potsdam
sagte. Dabei wurden 480 Straftaten registriert, im vorangegangenen Jahr waren
es 464 Straftaten gewesen.
Die Zahl der registrierten
Ordnungswidrigkeiten ging den Angaben zufolge von 1942 auf 1500 im vergangenem
Jahr zurück. Auch die Zahl der festgenommenen Personen verringerte sich
deutlich von 214 im Vorjahr auf 159. In Gewahrsam genommen wurden 245 Menschen
(464 im Jahr 2001). Überdies wurden 1397 Platzverweise (1886 im Jahr 2001)
erteilt.
Innenminister Jörg Schönbohm
(CDU) bewertete den Rückgang als Erfolg. Grund der Entwicklung sei das «Konzept
aus Repression und Prävention». Nach seinem Amtsantritt im Jahr 1999 hatte
Schönbohm die MEGA-Einsätze ausgeweitet. Im Zuge der Zunahme der
Personenkontrollen habe sich auch die Zahl der Menschen erhöht, die bereits
einschlägig polizeilich bekannt waren, hieß es weiter. Dazu zählten 2002
insgesamt 4981 Personen, das waren 218 mehr als im vorangegangenen Jahr.
Donnerstag, 10. April 2003
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Von OTZ-Redakteur Ulf Rathgeber Lobenstein. Die Schüler der Klasse 7a der Regelschule in Lobenstein werden noch in dieser Woche einen eigenen Film produzieren. Es entsteht zwar "nur" ein Video, hoher Aufwand ist dafür aber trotzdem nötig. Hilfe und Anleitung bekommen die Schüler von zwei Mitarbeitern der Medienwerkstatt Arnstadt. Nach einem ersten Anlauf im Vorjahr hat es mit dem Projekt jetzt endlich geklappt. Olaf Giewald und Lena Stellmacher helfen im Auftrag der Landesmedienanstalt Thüringen noch bis zum Freitag bei der Produktion des Videos. Das Thema ,Ausländerfeindlichkeit´ haben sich die Schüler allerdings selbst ausgesucht. Im Vorfeld war noch nicht klar, ob ein Film oder ein Sketch entstehen sollte. "Schließlich haben wir uns auf einen Film geeinigt", sagt Klassenlehrerin Ilona Schreiber. "Die Schüler haben eine Szene aus der ARD-Jugendsendung Fabrixx neu überlegt." Für die Ausarbeitung der Handlung waren die jungen Filmleute selbst verantwortlich. "Das Drehbuch haben sie am Montag völlig alleine geschrieben", erzählt Ilona Schreiber. Zu diesem Teil gehörte auch die Ausarbeitung der Dialoge. In dem Video kommt eine neue Schülerin aus Indien in eine fiktive 9. Klasse. Dort wird sie mit Vorbehalten ihrer neuen Klassenkameraden konfrontiert und muss sich gegen die Anfeindungen von Cliquenmitgliedern behaupten. Nach und nach wird sie aber in den Klassenverband aufgenommen. Aufwändige Filmkostümierung war nicht notwendig. Bei der gestrigen Eiseskälte war das "neue" Klassenmitglied Moesha aber trotzdem in ein indienähnliches Gewand gehüllt. "Alle Schüler sind mit Begeisterung dabei", freut sich Ilona Schreiber. Bei der Aufteilung in Schauspieler, Kameraleute und Toningenieur habe es keine Rangeleien gegeben. An den beiden Videokameras standen Ron Spänig und Markus Schnappauf. Für den Ton war Kevin Schmidt verantwortlich. Nach dem gestrigen Dreh in der Klasse und auf dem Schulhof sollten noch Aufnahmen im Jugendhaus und auf dem Sportplatz folgen. Am Freitag werden die einzelnen Sequenzen geschnitten. Alle Schüler sollen nach der endgültigen Fertigstellung ihren eigenen Videofilm bekommen. |
Donnerstag, 10. April 2003
Bewährungsstrafe für geständigen
Neonazi aus Sächsischer Schweiz
Dresden. Die
Staatsschutzkammer des Landgerichts Dresden hat gestern im Prozess gegen sieben
mutmaßliche Mitglieder der Neonazi-Organisation "Skinheads Sächsische
Schweiz" (SSS) das erste Urteil gesprochen. Sie verhängte eine
Jugendstrafe von acht Monaten auf Bewährung gegen den Angeklagten Martin D.
(25). Das Verfahren war vom Hauptverfahren abgetrennt worden, da Martin D. als
einziger der Angeklagten ein Geständnis abgelegt hatte.
Die Kammer unter Vorsitz von
Tom Maciejewski verurteilte den Angeklagten wegen schweren Landfriedensbruchs
und gefährlicher Körperverletzung. Sie sah es als erwiesen an, dass sich D. an
zwei von der SSS organisierten Übergriffen in Pirna beteiligt hatte. Der
Vorwurf Bildung einer kriminellen Vereinigung war auf Antrag der
Staatsanwaltschaft fallen gelassen worden. D. sei als Mitglied einer Aufbauorganisation
der SSS lediglich ein Mitläufer gewesen, begründete Staatsanwalt Christian
Mansch den Antrag. Er hatte eine Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung
gefordert.
Für Verteidiger Jürgen Saupe
hat es das Gericht mit dem Urteil verpasst, ein Signal für Aussteiger aus der
rechtsextremen Szene zu setzen. "Ohne die Aussage meines Mandanten wäre
das Verfahren so nicht zustande gekommen. Das hätte mit einer Einstellung des
Verfahrens mit Schuldanerkenntnis gewürdigt werden können."
Tom Maciejewski betonte, im
Urteil sei das Geständnis in hohem Maße berücksichtigt worden. "Die Strafe
ist recht milde und wäre zu Beginn des Verfahrens nicht zu erwarten
gewesen." Der Vorsitzende erklärte mit Nachdruck, es handele sich um eine
Einzelfallentscheidung, die keinerlei Rückschlüsse auf das Verfahren gegen die
anderen Angeklagten zulasse.
Im Namen der Kammer
kritisierte Maciejewski den Sperrvermerk des sächsischen Innenministeriums zur
V-Leute-Problematik in der SSS als Eingriff in die Rechtsprechung.
"Dadurch wird verhindert, dass Beweise in ausreichendem Maß gewürdigt
werden können." Das Gericht müsse sich bei den strengen Voraussetzungen
für den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung im Klaren sein,
welche Rolle V-Leute in der Neonazi-Organisation gespielt haben. "Wenn das
der Kammer verwehrt bleibt, wirkt sich das zu Gunsten der Angeklagten
aus." Sprecher Thomas Uslaub bekräftigte den Standpunkt des
Innenministeriums, Einsatzgebiete und Identität von V-Leuten nicht
preiszugeben.
Donnerstag, 10. April 2003
Rechtsextremismus
Mildes
Urteil für einen geständigen Mitläufer
Verfahren gegen »Kronzeugen« im SSS-Prozess beendet
Von Hendrik Lasch, Dresden
Ein mildes Urteil erhielt der einzige aussagewillige Beschuldigte im Prozess
gegen die Skinheads Sächsische Schweiz (SSS). Anderen Angeklagten wird
weiterhin die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen.
Wenn mein Mandant den Mund gehalten hätte, säßen wir nicht hier«, sagt Jürgen
Saupe. Der Dresdner Anwalt vertrat im Prozess um die Skinheads Sächsische
Schweiz Martin D. Dem Pirnaer wurde, wie sechs Mitangeklagten, in der seit
August 2002 laufenden Verhandlung zunächst die Bildung einer kriminellen
Vereinigung vorgeworfen. Verurteilt wurde er gestern nur wegen
Landfriedensbruchs und eines Verkehrsdeliktes, und zwar zu einer Jugendstrafe
von acht Monaten auf Bewährung – ein »recht mildes« Urteil, sagt Richter Tom
Maciejewski. Das Gericht honoriert damit vor allem seine Aussagebereitschaft.
Die 1996 gegründete SSS wollte die Region um Pirna von Linken, Ausländern und
»Kiffern« befreien – durch psychischen Druck, aber auch durch Gewalt. Der
Organisation, die über enge Kontakte zur NPD verfügte, sollen 77 Mitglieder
angehört haben; sie hatte zudem rund 300 Sympathisanten, sagt die
Staatsanwaltschaft. Kurz nach der Anklage im März 2001 wurde sie vom
Innenministerium verboten.
Viele Informationen über die Organisation haben die Staatsanwälte aber nur,
weil Martin D. auspackte. Der mittlerweile 24-Jährige, der die Schule nach der
9. Klasse verließ und danach viel Alkohol trank, gehörte ein Jahr lang zur
»Aufbauorganisation«, der SSS-Nachwuchstruppe, wurde aber in seinen
Aufstiegshoffnungen enttäuscht. Er war »schlicht und einfach ein Mitläufer«,
sagt Staatsanwalt Christian Mansch. D. beging später Brandstiftungen, wurde
verurteilt und musste ins Gefängnis.
Schon damals sagte er umfänglich zur SSS aus. Er sei aber kein klassischer
Kronzeuge, betont Nebenkläger Wolfgang Kaleck: »Geschenkt wurde ihm nichts.«
Die SSS-Anklage brachte ihm sogar Strafverschärfung im Gefängnis. Dies lasse,
so sein Verteidiger, an der Wirksamkeit von Aussteigerprogrammen für die rechte
Szene zweifeln.
Die Aussagen von Martin D. sind wichtig für die weitere Verhandlung gegen die
Mitangeklagten, die schweigen oder die SSS als harmlosen Trinkverein
darstellen. Dies sei sie aber nicht gewesen, sagt Kaleck und würdigt die
Bedeutung des Dresdner Verfahrens: In »wohltuendem« Unterschied zu anderen
Prozessen werde auch der politische Hintergrund der Rechtsextremen untersucht.
Dies täte das Gericht gern gründlicher. Der »Kronzeuge« D. ist aber auch
deshalb so wichtig, weil nach einer Sperrerklärung des Innenministeriums keine
Auskünfte des Verfassungsschutzes herangezogen werden dürfen. Das »behindert
die Erforschung der Wahrheit«, klagt Maciejewski – auch deshalb die milde
Strafe. Nebenkläger Kaleck interpretiert die Aussagen immerhin so, dass der
Prozess wegen der V-Mann-Frage nicht platzt: »Das ist kein
Verfahrenshindernis.«
Gegen die anderen Beschuldigten wird weiterhin wegen Bildung einer kriminellen
Vereinigung verhandelt. Das jetzige Urteil stelle »keine Positionierung der
Kammer« zu diesem Vorwurf dar, betonte der Richter. Ob die Anklage aber Erfolg
hat und wann mit einem Urteil zu rechnen ist, bleibt auch nach dem nun 38.
Prozesstag völlig unklar.
Donnerstag, 10.
April 2003
Rechte Gewalt steigt weiter
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Berliner Innensenator legt
Verfassungsschutzbericht 2002 vor
|
Ulla
Jelpke |
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Alle
Jahre wieder, wenn die Berichte des Verfassungsschutzes (VS) auf Bundes- oder
Landesebene erscheinen, werden Zahlen über Mitgliedszuwächse und Straftaten
von sogenannten »Extremisten« bekanntgegeben. Dabei werden Linke und Rechte
gleichermaßen als Gefahr für die verfaßte Demokratie an den Pranger gestellt.
Am Dienstag stellte Innensenator Ehrhart Körting (SPD) den Berliner
Verfassungsschutzbericht 2002 vor. Erstmals ist man darin einer alten
Forderung der PDS nachgekommen: Auch Gliederungen der Partei werden darin
nicht mehr als verfassungsfeindlich eingestuft. – Auch dies offenbar eine
Folge des hervorragenden Betriebsklimas in der SPD-PDS-Koalition. Körting
meinte beiläufig, die Mitgliederzahlen etwa der Kommunistischen Plattform
seien »signifikant« zurückgegangen – in Berlin von rund 300 auf 180. Zwar sei
eine Nähe zu Autonomen, DKP und anderen Gruppen vorhanden, insgesamt
überwiege in dieser Gruppe jedoch »DDR-Nostalgie« und »Altersweisheit«. Sogenannte rechtsextreme
Parteien und Organisationen sind dem Bericht zufolge in ihren
Mitgliederzahlen in Berlin zwar mit rund 2700 Mitgliedern konstant geblieben.
Die »politisch motivierten Straftaten – rechts« haben gleichzeitig »stark
zugenommen«. Gegenüber 2001 hat das Landesamt für Verfassungsschutz eine
Verdopplung von 455 auf 948 Straftaten registriert. Ähnlich verhält es sich
beim drastischen Anstieg der Gewalttaten: Im vergangenen Jahr wurden laut
VS-Bericht 52 Menschen Opfer rechter Gewalt, im Jahr 2001 waren es 28. Die
Steigerung erklärt Körting in wesentlichen mit einer »Änderung bei der
Bewertung der Propagandadelikte« und der zunehmenden »Vernetzung innerhalb
des aktionsorientierten Rechtsextremismus«. Der Berliner VS spricht von einer
Stagnation in der neofaschistischen Musikszene und weiß zu berichten, daß die
neofaschistische Szene sich neue aktionsorientierte Betätigungsfelder sucht.
Gleichzeitig wird konstatiert, daß »unterschiedliche subkulturelle
Hintergründe« in der rechten Szene kein Hinderungsgrund für »strategische
Allianzen« seien. Die Zuordnung von Personen zu Gruppen wie Hooligans,
Skinheads oder Neonazis fällt dem VS offenbar immer schwerer. Er erkennt eine
»Herausbildsung von Mischszenen«. Nachfolgezusammenschlüsse der verbotenen
Organisation »Blood & Honour« konnten sich dabei wie NPD und viele andere
offenbar weitere Aktionsnetze aufbauen, ohne dabei nennenswert von den
Behörden gestört worden zu sein. Insgesamt haben laut
VS-Bericht insbesondere die fremdenfeindlichen Straf- und Gewalttaten
erheblich zugenommen. Diese Angriffe seien von »besonderer
Rücksichtslosigkeit und Menschenverachtung« gekennzeichnet gewesen. Auffällig
ist, daß 41 Prozent der fremdenfeindlichen Gewalttaten allein im Bezirk
Marzahn-Hellersdorf begangen wurden. Dabei liegt der Ausländeranteil hier mit
3,1 Prozent weit unter dem Berliner Durchschnitt (13,2 Prozent). Die Rolle der NPD in
Berlin bezeichnete Körting als »eher schwach«, verwies aber darauf, daß die
Partei auch in Berlin zunehmend die Themen Globalisierung, 1. Mai und
Antikriegspolitik für sich instrumentalisiert. Im Zusammenhang mit dem
gescheiterten NPD-Verbotsverfahren plädierte Körting grundsätzlich dafür, im
Falle eines neuen Anlaufs für einen Verbotsantrag zuvor die Überwachung der
Partei durch den VS einzustellen. Die »herausragenden
Gefahr« aus dem sogenannten »linksextremistischen Spektrum« sah Körting vor
allem um die »revolutionären 1.-Mai-Demonstrationen«, bei denen es in den
vergangenen Jahren zu »gewaltätigen Ausschreitungen« gekommen sei. Allerdings
wird im Bericht eingeräumt, daß die »politisch motivierte Kriminalität –
links« um ein Drittel zurückgegangen sei. Wurden 2001 noch 685 Straftaten
registriert, sind es 2002 nur noch 458. »Linke« Gewalttaten sind demnach von
278 im Vorjahr auf 171 im Jahr 2002 zurückgegangen und umfaßten überwiegend
Delikte im Zusammenhang mit Demonstrationen, insbesondere Landfriedensbruch und
Körperverletzung. Tatbestände, die bei rechter Gewalt im Bericht gar nicht
auftauchen und offensichtlich auch nicht registriert wurden. |
Donnerstag, 10. April 2003
Der Freiheitskampf des irakischen Volkes unter Führung Saddam Husseins findet die vollste Unterstützung der NPD«, erklärt die Partei, und erläutert auch gleich, warum: »Wir als ein von den Amerikanern besetztes Land, das noch nicht einmal einen Friedensvertrag mit den USA hat, sollten auf gar keinen Fall willige Helfer der imperialistischen US-Macht und Millitärmachtmaschinerie sein. Die derzeitige BRD-Marionettenregierung wird keine lange Zukunft haben, solange sie bedingungslos Seite an Seite mit Aggressoren kämpft und seien es nur Luftraumzuverfügungsstellungen, Material und Hilfstruppen.«
Wie alle Fraktionen der extremen Rechten zeigt sich die NPD in diesen Tagen unverhohlen antiamerikanisch und ergeht sich in Solidaritätsadressen an den irakischen Diktator. Die irakischen Truppen müssten »ein Zeichen setzen in der Welt und die Alliierten Völkerrechts- und Kriegsverbrecher mit geballter Kraft aus ihrem Lande werfen«.
Auf ihren Internetseiten fordert die NPD einen Boykott von Waren aus den USA: »Erneut haben US-imperialistische Truppen ein Land überfallen. Jedes Volk hat ein Recht auf Selbstbestimmung, auch wenn dies den Interessen der US-Wirtschaft zuwider läuft! Kauft oder verzehrt daher so lange keine Waren aus den USA, bis das Völkerrecht wieder hergestellt und die US-Aggression gestoppt ist!«
Die DVU hingegen meint: »Wir Deutschen wissen, was Krieg bedeutet.« Sie will die »Bundeswehr aus kriegsgefährdeten Regionen im Ausland« zurückholen. Der Vorsitzende der DVU, Gerhard Frey, sagt: »Es ist gerade jetzt wichtig wie nie zuvor, Flagge gegen die Verwicklung Deutschlands in fremde Konflikte zu zeigen.«
Die National-Zeitung stellt fest, die Deutschen seien sich »einig wie selten zuvor: Nein zu Krieg und Gewalt! 90 (!) Prozent haben von Bush und seinen Kriegern die Nase gestrichen voll.« Die USA zeigten mit dem Krieg »tatsächlich genau jene Fratze, die bin Laden und Gesinnungsfreunde von Washington zeichnen«. Weiter heißt es, »seit 200 Jahren« brächten die USA »Tod und Leid über diese Welt«.
Ein »segensreicher Kollateralschaden der Bomben aus Washington« sei hingegen »die Tatsache, dass immer mehr Deutsche zumindest erahnen, was sich damals in deutschen Luftschutzkellern abgespielt haben muss. Wurde uns bislang erzählt, deutsche Zivilisten hätten die amerikanischen ›Befreier‹ mit Konfetti empfangen, so setzt sich nun Stück für Stück die Einsicht durch, dass Deutsche einst ebenso Opfer der gnadenlosen und blutigen Bomben-Willkür nach amerikanischer Art waren wie in diesen Stunden die armen, armen Iraker.«
Wie die NPD und die DVU fordern auch die Republikaner die Bundesregierung auf, unverzüglich die deutschen Soldaten aus Kuwait und Afghanistan abzuziehen. Die Politik von Bundeskanzler Gerhard Schröder sei angesichts der Gewährung von Überflugrechten »scheinheilig und inkonsequent«.
Die Republikaner fordern außerdem, Polen und Tschechien wegen deren Unterstützung der USA den Beitritt zur Europäischen Union zu verweigern. Außerdem will die Partei ein Mahnmal für die »Opfer des anglo-amerikanischen Bombenterrors« errichten lassen. Ihr Bundesvorsitzender Rolf Schlierer sagt: »Gerade vor dem Hintergrund des Kriegsverbrechens von Dresden müssen wir als Deutsche entschieden widersprechen, wenn amerikanische und britische Politiker wiederum bedenkenlos zum Mittel des Luftkriegs gegen andere Länder greifen wollen, um ihre geopolitischen und ökonomischen Interessen durchzusetzen.«
Auch die freien Kameradschaften agitieren gegen die USA. Das neonazistische Aktionsbüro Norddeutschland erklärt auf seiner Internetseite: »Wir wollen frei sein, wie die Väter waren! Darum können wir gar nicht anders, als uns ganz grundsätzlich und entschlossen gegen die globale Machtpolitik der USA zu stellen.« Und der Nationale Beobachter Halle/Saale schreibt unter der Überschrift »Die Aggressoren boykottieren«: »Machtlos muss die weltweite Friedensbewegung nun zuschauen, wie die macht- und geldgierige Ostküsten-Lobby sich über jegliches Völkerrecht hinwegsetzt und seit 3.33 Uhr MEZ einen Angriffskrieg offiziell gegen den Irak begonnen hat.«
Im oberpfälzischen Grafenwöhr demonstrierten am 22. März bereits zum zweiten Mal rund 90 Anhänger der NPD am Eingangstor zu Europas größtem US-Truppenübungsgelände. (Jungle World, 50/02) Der Sprecher der NPD, Günter Kursawe, sagte in seinem Beitrag: »Wir sind die Einzigen, die ehrlich gegen diesen Angriffskrieg der Amerikaner protestieren.« Auf Transparenten war zu lesen: »Kampf dem US-Imperialismus«, »USA – Schurkenstaat Nr. 1« und »USA – Bombenterror im Namen der Menschenrechte«. Die Polizei griff schließlich ein, als die Menge skandierte: »USA – internationale Völkermordzentrale«.
Am 28. März lautete das Motto auf einer Demonstration im nordrhein-westfälischen Schwelm: »Gegen US-Staatsterrorismus, Angriffskrieg ist Völkermord, wir haben unser Nürnberg hinter uns, ihr werdet euers noch erleben.« Im hessischen Hanau demonstrierten am 29. März 200 bis 300 Rechtsextremisten gegen den Irakkrieg mit Transparenten wie: »Kein Blut für Israöl«.
Nazis tauchen aber auch auf den »normalen« Friedensdemonstrationen auf. In Sachsen-Anhalt beteiligten sich bereits zum zweiten Mal Rechtsextreme offen an einer Demo des Friedensbündnisses »Friedenskreis Halle«. In der Stadt soll auch am 1. Mai eine Nazidemo gegen den Krieg stattfinden. Auch in Neuruppin und in Greifswald beteiligten sich kürzlich Neonazis an Friedensdemonstrationen, womit sich die Demonstranten schwer taten, wenn sie es nicht sogar duldeten, wie das Antifaschistische Infoblatt berichtet.
Dass es auch anders geht, zeigten die Veranstalter einer Demonstration von rund 9 000 Menschen am 22. März in Jena. Hier forderte der Jugendpfarrer Lothar König die Polizei auf, Rechtsextreme aus dem Protestzug zu entfernen. Als die Polizei dieser Forderung nicht entschieden nachkam, gingen ein paar Antifas und andere Demonstranten selbst ans Werk.
Donnerstag, 10. April 2003
Zehn Jugendliche aus Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) müssen sich ab 16. April vor dem Landgericht wegen Volksverhetzung, der Verwendung von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen, der Bildung einer kriminellen Vereinigung und Sachbeschädigung verantworten. Sie sollen Hakenkreuze und antisemitische Parolen auf Hauswände gesprüht und einer rechtsextremen Kameradschaft angehört haben. Wie die taz am 3. April berichtete, soll die 27jährige Aminata Kaboré aus Hamburg nach Burkina Faso abgeschoben werden, obwohl ihr Vater sie dort gegen ihren Willen verheiraten will und ihr im vergangenen Jahr die Genitalien verstümmelt wurden. In der Nacht zum 2. April haben Unbekannte das Gymnasium in Halstenbek (Hamburg) mit antiamerikanischen Sprüchen und mit Hakenkreuzen beschmiert. Ebenfalls am 2. April protestierten das Bremer Friedensforum und andere Initiativen auf dem Bremer Marktplatz mit einer Mahnwache gegen die Abschiebung des Togoer John Agbolete. Der Mann befindet sich derzeit im Kirchenasyl. Zwei Männer im Alter von 20 Jahren griffen am 29. März in einem Zug zwischen Gotha und Gräfenroda (Thüringen) einen Asylbewerber aus Kamerun an. Dies berichtete die Thüringer Allgemeine. Die beiden schlugen ihm ins Gesicht und mit einer Flasche auf den Kopf. Als zwei Rentner eingriffen, flohen die Täter. Nachdem sie auf einem Bahnhof zwei weitere Personen angegriffen hatten, darunter einen Asylbewerber aus dem ehemaligen Jugoslawien, wurden sie festgenommen. Die Polizei vermute ein »fremdenfeindliches Motiv« der Täter, sagte ein Sprecher. Das Amtsgericht Neuruppin (Brandenburg) verurteilte am 28. März zwei Rechtsextreme im Alter von 16 bzw. 19 Jahren wegen gefährlicher Körperverletzung zu Gefängnisstrafen. Die beiden hatten im September des vergangenen Jahres einen Flüchtling aus Algerien auf dem Bahnhof in Perleberg zusammengeschlagen. Der Angeklagte Marko S. trat den Betroffenen mit Springerstiefeln an den Kopf, Ronni W. schlug noch auf den am Boden Liegenden ein. Die Täter machten im Gerichtsverfahren aus ihren rechtsextremen Einstellungen keinen Hehl. Sie hätten sich davon provoziert gefühlt, dass der Algerier mit seiner deutschen Freundin unterwegs gewesen sei, und bezeichneten dies als »Rassenschande«. Die Bürgerinnen und Bürger der Stadt Neuhaus (Bayern) wollen eine geplante Unterkunft für Asylbewerber verhindern. Dies berichtete die Hersbrucker Zeitung am 26. März. »Ein Asylantenheim mitten im Zentrum wirkt sich auf Neuhaus doch negativ aus«, zitiert die Zeitung einen Anwohner. »Da werde ich in Zukunft wohl neben einer Müllhalde leben.« Die Bürgermeisterin, Heidi Suttner, sagte: »Ganz Neuhaus läuft Sturm. Der Markt lebt von Naherholungssuchenden und wirbt für den Tourismus, da passt ein solches Heim nicht in unsere Kommune. Gleich daneben wird mit Mitteln aus der Städtebauförderung das ehemalige Mühlengebäude aufwändig renoviert und trägt zu einer Verschönerung des Ortskerns bei – und jetzt sowas.«
Donnerstag, 10. April 2003
SACHSEN
Gericht fällt erstes Urteil gegen Skinhead-Gruppe
DRESDEN, 9. April (dpa). Ein 25-jähriges Mitglied der
verbotenen Neonazi- Gruppe "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS) ist
am Mittwoch vom Dresdner Landgericht zu einer Bewährungsstrafe verurteilt
worden. Dem Angeklagten wurde vor allem Landfriedensbruch und Körperverletzung
angelastet. Das Strafmaß wurde auf acht Monate Jugendstrafe und der
Bewährungszeitraum auf zwei Jahre festgelegt. Es ist das erste Urteil in der
seit August 2002 laufenden Hauptverhandlung gegen sieben SSS-Mitglieder.
Der Angeklagte hatte unter anderem gestanden, sich im Juli 1998 an einem
Überfall auf Jugendliche beteiligt zu haben. Die Staatsanwaltschaft hatte eine
Strafe von zwei Jahren auf Bewährung gefordert, die Verteidigung auf Freispruch
plädiert. Den Anklagepunkt der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung
hatte das Gericht fallen gelassen. Das Verfahren gegen den 25-Jährigen war vom
Hauptverfahren abgekoppelt worden, da er sich im Gegensatz zu den Mitangeklagten
geständig und reuig gezeigt hatte. Die Entscheidung hat laut Gericht keinen
Einfluss auf den Prozess gegen die sechs anderen Neonazis, die sich unter
anderem wegen Volksverhetzung verantworten müssen.
Das Gericht rügte in der Urteilsbegründung erneut, dass das sächsische
Innenministerium Akteneinsicht verwehre, ob Angeklagte oder Zeugen für den
Landesverfassungsschutz tätig gewesen sind. Die 2001 verbotene Neonazi-Gruppe
SSS gilt mit rund 125 Mitgliedern als stärkste rechtsextreme Vereinigung in
Sachsen.