Samstag, 12. April 2003

 

BUNDESRECHNUNGSHOF-KRITIK
Koalition verteidigt Programme gegen rechts

pit BERLIN, 11. April. Die Innenpolitiker der rot-grünen Koalition haben die Förderung von Projekten gegen Rechtsextremismus mit den Programmen "Civitas" und "Entimon" gegen Kritik des Bundesrechnungshofes verteidigt. In einem Brief an Rechnungshofpräsident Dieter Engels beschwert sich die Vorsitzende des Bundestags-Innenausschusses, Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD), über einen Vermerk aus dessen Hause. Dieser sei "nicht sach- und fachgerecht" entstanden.

Sonntag-Wolgast bemängelte im Auftrag der rot-grünen Ausschussmehrheit, "dass eine so anerkannte Institution wie der Bundesrechnungshof in einen gesellschaftlich sensiblen Bereich eingreift und mit einem derartigen Vermerk zugleich auch die Wirksamkeit von Projekten zur Prävention und Aufklärung diskreditiert". Dabei habe die Behörde ihre Bewertungen überhaupt nicht mit eigenen Recherchen belegt. Der Vermerk versuche "auf oberflächliche Weise", die Zuständigkeit des Bundes in Frage zu stellen.

In dem Papier hatte ein Mitarbeiter des Rechnungshofes in Frage gestellt, ob solche Projekte eine Bundesangelegenheit seien, und zudem beklagt, dass sich das Jugendministerium von Renate Schmidt (SPD) zu einem "Bundesministerium für Menschen" entwickele. Politiker der Opposition hatten dieses Papier benutzt, um ihre Forderung nach Abschaffung von "Civitas" und "Entimon" zu untermauern.

 

 

 

Samstag, 12. April 2003

SPD-Politiker entschuldigt sich bei Stadtverordneten

FÜRSTENWALDE. Der SPD-Kommunalpolitiker Günter Lahayn hat sich bei der Stadtverordnetenversammlung Fürstenwalde entschuldigt. Der Grund: Lahayn hatte bei der Anti-Kriegs-Kundgebung vor einer Woche den NPD-Vorsitzenden Udo Voigt auf die Rednerliste gesetzt. "Wir haben die Entschuldigung angenommen", sagte Gabi Moser, Sprecherin der Fürstenwalder "Plattform gegen Rechts", am Freitag vor Beginn der wöchentlichen Friedensdemonstration. Lahayn ist Vorsitzender der Stadtverordnetenversammlung und Mitglied der Plattform. Dieses örtliche Bündnis von SPD, Grünen, PDS, Kirchen und mehreren Verbänden ist Initiator der seit Mitte Februar an jedem Freitag stattfindenden Demonstrationen.

 

 

 

Samstag, 12. April 2003

Der vierte Versuch

Prozess wegen Billigung des 11. September

Ein weiteres Mal versucht am Montag das Hamburger Amtsgericht, dem Rechtsanwalt Horst Mahler wegen Billigung der Anschläge vom 11. September den Prozess zu machen. Der 69-jährige Anwalt der rechtsextremen NPD hatte in einem Fernsehbeitrag am 20. September 2001 die Terroranschläge als "rechtens" bezeichnet und damit möglicherweise den Straftatbestand der "Billigung von Straftaten" erfüllt.

Mahler hatte in der Sendung gesagt: "Es war ein Erschrecken und gleichzeitig auch das Gefühl: Endlich mal! Endlich sind sie mal im Herzen getroffen. Und das wird sie wahrscheinlich auch zum Nachdenken bringen. Und deshalb sage ich, das war eine Aktion, die, so grausam sie ist, rechtens war."

Zwei Prozesstermine waren ausgefallen, weil Beteiligte nicht erschienen waren. Der dritte Versuch im Januar musste nach einer Stunde unterbrochen werden, weil noch RedakteurInnen der Sendung als ZeugInnen geladen werden sollten.

 

 

Samstag, 12. April 2003

Volkstheater zeichnet Psychogramm eines Neonazis

 

Rostock (OZ) Auf dem Polizeirevier in der ostdeutschen Provinz wird\'s schnell eng, drum sperrt der diensthabende Ordnungshüter (Raik Singer) zwei in eine Zelle: den Neonazi Rudi (Tristan Gutknecht) und den Polen Jan (Eugen Krößner). Rudi hat mit rechtsradikalen „Kameraden“ eine Autowerkstatt überfallen, die polnische Schwarzarbeiter beschäftigt, Jan gehörte zu den Opfern des brutalen Überfalls. Die Polizei schaute eine Weile wissentlich weg, bevor sie eingriff. Nun, in der steril-sauberen, grell ausgeleuchteten Zelle, die bis unter die Decke gekachelt ist (Ausstattung Mike Hahne), treffen beide sich wieder. Als Rudi hereinkommt und hämisch triumphiert: „Hallo Polacke!“, gibt der Pole zurück: „Hallo Nazi!“

   Jans Gruß ist der Titel eines Jugendstücks der Autorengruppe Monoblock, das in den letzten anderthalb Jahren an zahlreichen Bühnen herauskam und am Donnerstagabend am Volkstheater Rostock seine erfolgreiche Premiere hatte. In der Hansestadt weiß man aus der Erinnerung an die rechtsradikalen Übergriffe von Lichtenhagen 1992, dass nichts an dieser Bühnen-Geschichte übertrieben ist.

   Getrennt von seiner Horde stolziert Neonazi Rudi lächerlich durch die Zelle, klopft schlimmste Sprüche, beruft sich auf seinen Stolz, ein Deutscher zu sein, reißt dazu den Arm hoch, faselt vom nationalen Widerstand, misshandelt den Polen Jan mit Stiefeltritten und Faustschlägen. Auch Jan schlägt einmal zu, dabei ein Ethos vom fairen Kämpfer fordernd: Mann gegen Mann.

   Doch allein die Konfrontation eines Nazischlägers mit seinem widersprechenden Opfer wäre keine Basis für einen einstündigen Theaterabend. Interessant wird der erst durch die Aufbereitung rechtsextremer Glaubensmuster und durch Zwischentöne. Auf letztere achtete Regisseur Matthias Thieme in seiner Inszenierung von Anfang an und führt so alle Beteiligten zu einem differenzierten Spiel. Dabei entsteht das Psychogramm eines jungen Neonazis auf mehreren Ebenen: einmal die Ideologie – blinde Hörigkeit gegenüber der „Kameradschaft“ und deren lokalem Führer Christian sowie die ebenso dumme Annahme, Ausländer seien schuld an der Arbeitslosigkeit und überhaupt an allen Miseren in Deutschland. Dazu der Blick auf den Jungnazi als einen Verführten: Dumm und gefährlich ist dieser Rudi, soweit er der Naziideologie aufsitzt, aber er ist auch ein unerfahrener Junge von nicht mal 18, der zum ersten Mal an einer solchen Aktion teilnahm und wenig Ahnung hat, was er da so brüllt. Als bekannt wird, dass einer der überfallenen Polen getötet wurde und Rudi die Schuld für seinen „Führer“ auf sich nehmen soll, kommen ihm Angst, Zweifel, Betroffenheit.

   Sein Gegenspieler Jan, der aus Lebenserfahrung Klügere, hat ihm zu einigen Zweifeln verholfen: Ausländer, ob in der Autowerkstatt oder auf Großbaustellen, hätten zwar gearbeitet, Nutznießer aber waren deutsche Unternehmer. Und deutsche Kunden, darunter besagter Neonazi-„Führer“ Christian.

   Am Ende gibt es sogar den Ansatz einer Annäherung zwischen beiden: im Fluchen auf den Revierpolizisten. Und ausgerechnet der Film „Matrix“ liefert ihnen den Anlass, miteinander zu reden. Dieser Actionstreifen, eine Mischung aus Hightech-Paranoia, Endzeit-Ohnmacht und Science-fiction-Abenteuer, scheint für Rudis Horizont gar einen Wink für Auswege aus dem ebenfalls auf Verfolgungswahn gegründeten Teufelskreis rechtsradikaler Gläubigkeit zu enthalten. Viel ist das nicht: keine Umerziehung, kein Happy End. Aber ein Ansatz jenseits lärmender Parolen und Gewalt. Etwas, worüber man reden kann  – wofür einige Publikumsgespräche vorgesehen sind.

Nächste Vorstellungen 15./20. April und 6./7./19./28. Mai, Theater im Stadthafen Rostock

Karten 03 81 / 38 14 700

 

 

Samstag, 12. April 2003

Angeklagter Lehrer fühlt sich unverstanden

Prozess um Wismarer Brandanschlag

Schwerin (OZ) Guido S. fühlt sich nicht wohl. Es ist die Gerichtsatmosphäre, die ihm zu schaffen macht. Ihm, dem Feingeist, der eigentlich lieber über seinen Bach-Fugen am Klavier sitzen würde, als auf der Anklagebank im Schweriner Landgericht. Er hält den Prozess für ein ungerechtfertigtes Tribunal. Nach knapp drei Stunden Verhandlung bat er gestern, wieder zurück in seine Zelle in der Untersuchungshaft gebracht zu werden.

   Die Staatsanwaltschaft wirft dem 37-jährigen Wismaraner Lehrer Beihilfe zum versuchten Mord und Beihilfe zu versuchter Brandstiftung vor. Er soll im vergangenen November zwei 19-jährigen Männern einen Benzinkanister zur Verfügung gestellt haben, mit dem sie einen Asia-Imbiss in der Hansestadt in Brand setzen wollten. Er soll sie mit seinem Wagen in Tatortnähe gefahren haben und es soll ihm bewusst gewesen sei, was die beiden Jugendlichen dort vor hatten. Ihr gemeinsames Motiv: Hass gegen Ausländer. Sagt jedenfalls die Staatsanwaltschaft und begründet das unter anderem mit verschiedener nationalsozialistischer Propaganda, die in seiner Wohnung gefunden wurde. Hitler-Porträt im Flur, Rommel-Bild und Hakenkreuzfahne im Schlafzimmer. Im Wohnzimmer-Bücherregal „zeitgeschichtliches Dokumentationsmaterial“.

   Guido S. sagte gestern, dass er wohl nationalkonservative Grundsätze hege, dass er der DVU Geld gespendet und dass er die beiden Jugendlichen bei einer Kundgebung der NPD kennen gelernt habe. Aber ansonsten gebe es keinerlei Bezug zu rechtsradikaler Gewalt. Im Gegenteil. Er habe als Freund des Mitangeklagten Jens G. sogar versucht, diesen von der Gewalt gegen andere abzubringen. „Wir haben gemeinsam bei mir zu Hause am Flügel Volkslieder gesungen“, sagt Guido S.

   Eine Passion, der er mit Begeisterung frönt. Immerhin ist er examinierter Musikpädagoge, war lange Zeit Leiter des Kirchenchores St. Rochus in Düsseldorf und auch einmal Kapellmeister in einem Operettentheater. Allerdings war das vor seiner Zeit als Lehrer am „Sonnenkamp“ Gymnasium in Neukloster. 2001 kam er an die Schule, um dort Musik zu unterrichten. „Das war wohl ein Fehler“, meint er. „Ich war den Schülern nicht gewachsen.“ Das sei auch der Grund gewesen, warum er „überhaupt in diese schreckliche Situation hinein geraten“ sei, die ihn nun vor Gericht brachte. „Am Tatabend kamen Jens und sein Freund Candy zu mir und erzählten was sie planten. Ich versuchte, es ihnen auszureden. Aber es war zwecklos.“ Jens G. habe ihn bedroht. „Ich war wie betäubt, habe alles wie fremdgesteuert getan.“ Darüber hinaus habe er nicht gewusst, dass sich der Asia-Imbiss in einem Wohnhaus befindet. Guido S. weint ein bisschen. Er habe keine Gegenwehr gewagt, sei halt eine schwache Persönlichkeit.

   Eine Feststellung, die der anwesende Psychiater bestätigen soll. In einer nichtöffentlichen Verhandlung am Mittwoch. Andeutungen schwirren im Raum. Von „Neigungen“ und Fotos von Skinheads in „markanten sexuellen Positionen“ spricht der Richter. Die Beteiligten nehmen das zur Kenntnis. Hoffen darauf, dass die Mitangeklagten etwas zur Tat sagen. Doch noch schweigen sie. Das Urteil soll Anfang Mai gesprochen werden.

 

 

Samstag, 12. April 2003

Pädagogen gegen Ausgrenzung und Gewalt in der Ausbildung

Bildungswerk organisiert Projekt "Pro Akzeptanz und Toleranz"

Ludwigslust / Schwerin Seit Dezember vergangenen Jahres haben 20 Ausbilder, Lehrer und Sozialpädagogen insgesamt 192 Stunden die Schulbank gedrückt: um mehr zu erfahren über die Hintergründe von Gewalt, Rechtsextremismus, Sucht und Drogenmißbrauch. "PAT: Pro Akzeptanz und Toleranz" heißt das vom Bildungswerk der Wirtschaft M-V e. V. organisierte und von der EU geförderten Projekt.

"Diese Weiterbildung hat mir geholfen, die Verhaltensweisen unserer Azubis besser zu verstehen und damit umzugehen", sagt Annelie Steeger, Ausbilderin in der BBS Start GmbH Ludwigslust aus Anlass der Zertifikatsübergabe im Tagungshotel der Wirtschaft, Schloss Hasenwinkel. Die Start GmbH realisiert überbetriebliche berufliche Ausbildung im Auftrage des Arbeitsamtes.

"Wir greifen diese Themen auf, verstehen und analysieren Erscheinungen von Gewalt und Zugehörigkeit rechter Gruppierungen als Folge von Defiziten und ungelösten Konflikten, fragen nach Ursachen und spannen dazu den Bogen weiter zu den Problemen des Ausbildungsalltags", so Hannelore Wilken, Projektleiterin im Bildungswerk der Wirtschaft M-V.

Probleme gibt es im sozialen Umfeld der zu betreuenden Jugendlichen reichlich. Und dass jugendliches Verhalten auch ein Hilfeschrei sein kann, hat beispielsweise Gisela Schörfke in ihrer Arbeit als Sozialpädagogin bereits erfahren und darüber in ihrer Abschlussarbeit berichtet.

Darum ist das Ziel des Projektes "PAT", durch Weiterbildung des Berufsbildungspersonals dazu beizutragen, den Umgang mit Jugendlichen im Ausbildungsalltag so zu gestalten, dass nicht aus unerkannten oder ungelösten Konflikten Angst und Unsicherheit , Gewalt und Ausgrenzung entstehen. Mit Unterstützung des Verbandes Nordmetall und der IG Metall Küste organisiert das Bildungswerk der Wirtschaft solche Projekte auch in Ueckermünde, Rostock, Stralsund, Kiel, Hamburg und Lübeck. pd

 

 

Samstag, 12. April 2003

Netz-Beschmutzer

Wie Neonazis im Internet mobil machen

Schwerin Das Schweriner Netzwerk für Demokratie und Toleranz ging im Dezember mit einer eigenen Homepage ins Netz. Ziel ist es, über rechtsradikales Gedankengut im Internet aufzuklären. Denn die Zahl der "Netz-Beschmutzer" nimmt zu, sagt unser Autor Jörg Schindler von der Bundeszentrale für Politische Bildung Deutschlands.

Kriminalisten bilden Spezialeinheiten, Politiker fordern technische Lösungen, Juristen rufen nach schärferen Gesetzen: Seit Rechtsextremisten das Internet für Ihre Zwecke missbrauchen, ist die Aufregung groß. Mit Strafrecht oder Software ist aber den Nazis im Netz nicht beizukommen.

Nachdem die Fußball-Nationalelf Ende Mai die Slowakei geschlagen hatte, zürnte der "Donner Gott". "Neulich", schrieb dieser Anonymus in holprigem Deutsch, "habe ich in der Judenpresse ein Bild von einem, in Ghana geborenen Niggers gesehen, der das Ehrenkleid der Deutschen Nationalmannschaft im Fußball trug. Ist den in diesem Staate gar nichts mehr heilig?" Ein paar Klicks weiter nahm ein anderer Schreiber den "Neger" im deutschen Trikot zum Anlass, den Untergang des Abendlandes zu beschwören. Die Rechtsextremisten im Internet hatten wieder einmal ein Thema gefunden.

Immer häufiger stoßen Fahnder im Netz auf Foren und Chats, in denen Rechtsextreme ungestört ihr Weltbild verbreiten können. Unter bizarren Decknamen schwadronieren sie dort über die "Gesinnungsdiktatur" hier zu Lande, verabreden sich zum Tausch von Musik oder Spielen und teilen verklausuliert mit, wo die nächste Jagd auf Asylbewerber stattfindet.

Eine Entwicklung, die vor sieben Jahren ins Rollen kam. Damals entdeckte der Verfassungsschutz im Internet die erste deutschsprachige Seite mit rechtsextremistischem Inhalt. Zwei Jahre später waren es gerade mal 32. Danach jedoch nahmen die Rechtsradikalen Fahrt auf: 1999 zählten die Ermittler bereits 330 Neonazi-Seiten. Im vergangenen Jahr rund 800, heute sollen bereits mehr als 1000 dumpfe Homepages durchs Web wabern. Und die werden, so der Verfassungsschutz, "immer professioneller und immer aggressiver".

Vor einem Jahr beispielweise rief "Blood & Honour", ein Netzwerk der selbsternannten europäischen Neonazi-Avantgarde, virtuell zum bewaffneten Kampf auf. Fast gleichzeitig lobte ein Verband namens "Davids Kampfgruppe" 10 000 Mark Belohnung für den Mord an einem vermeintlich Linken aus. Seither entdecken Fahnder eine ganze Reihe von Schwarzen Listen, auf denen politische Gegner zum Teil mit Bild und kompletter Anschrift abgedruckt sind - unterteilt nach Rubriken wie "Zecke" oder "Kanake".

Bei einem Rechercheprojekt der "Länderinitiative Jugendschutz" von Februar bis September 2000 fanden die jungen Fahnder heraus, dass die Szene inzwischen über eine Reihe von Technikfreaks verfügt, die sämtliche Möglichkeiten des Internets virtuos zu nutzen verstehen: Durch Flash-Animationen, Download-Angebote oder Spiele wie "KZ-Manager", "Counterstrike" oder "Tiberian Sun" würden die Seiten bereits für Kinder immer attraktiver. Vor allem aber diene Musik den Neonazis als ideales "Lockmittel in den rechtsextremen Cybersumpf". Selbst verbotene Musikstücke seien für jeden Nutzer "problemlos zugänglich", sagt Stefan Glaser von jugendschutz.net.

Insgesamt, so der Fachmann, zeichneten sich die rechtsextremistischen Angebote im Internet durch eine "sehr intensive Vernetzung" aus. Die Mischung aus Technik, jugendgemäßem Ausdruck, dem Reiz des Verbotenen und einem unverhohlen rassistischen Weltbild könnte gerade auf junge Menschen eine enorme Anziehungskraft ausüben. Verfassungsschutz und Bundeskriminalamt warnen auch eindringlich vor dem Aufbau einer informellen rechtsextremistischen Vernetzung.

Die Politik reagiert auf diese Entwicklung zunehmend sensibel. Im Februar 2000 wurde beim Bundesministerium der Task Force "Sicheres Internet" rekrutiert, beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik(BSI) bereiten sich so genannte Computer-Notfallteams auf Attacken im Netz vor. Um Datennetz-Kriminalität wirksam bekämpfen zu können, wird auf europäischer Ebene an einer "Cybercrime-Convention" gearbeitet. Und auch die deutsche Telekommunikations-Überwachungsverordnung soll allen Protesten von Datenschützern zum Trotz verschärft werden. Die Losung gab im vergangenen Juni Innenminister Otto Schily aus: Es gelte "wirksame rechtliche Bestimmungen" und "Maßnahmen der technischen Prävention" zu schaffen, um Kriminalität und Extremismus im Internet zu bekämpfen.

Genau da aber liegt aber nach Ansicht von Experten das Problem: Mit juristischen und technischen Mitteln, so deren übereinstimmende Meinung, seien Nazis im Netz nicht zu bekämpfen. "Der Zug ist abgefahren" , sagt etwa Harald Summe, Geschäftsführer beim Verband der deutschen Internet-Wirtschaft (eco). Und auch Stefan Glaser vom Jugendschutz. net ist überzeugt: "Es wird trotz aller Anstrengungen nicht mehr gelingen, rassistische und faschistische Homepages aus dem Internet zu verbannen."

Vor etwa einem Jahr begannen verschiedenen Initiativen damit, Domains mit rechtsextremistischen Codewörtern zu besetzen. Wer heute beispielweise die Adresse www.thulenet.de anklickt, landet nicht etwa bei der Ansammlung Ewig Gestriger, die sich "das Überwinden dieser BRD" zum Ziel gemacht haben. Stattdessen laden unter dieser Domain zwei Aussteiger der Szene zur Diskussion mit ihren früheren Kameraden ein. Hinter www.nazis.de verbirgt sich ein Forum, das Mitläufer der Szene zum Nachdenken anregen will. Und unter www.adolf-hitler.de baut das Mainzer Jugendschutzunternehmen Erodata derzeit gemeinsam mit dem Institut für Zeitgeschichte eine Informationsseite über den Nationalsozialismus auf.

Es bleibt zurzeit nichts anderes übrig, als die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus gezielt zu suchen und zu demonstrieren, dass man über die besseren Argumente verfügt. So auch das Schweriner "Netzwerk für Demokratie und Toleranz" (www.netzwerk-schwerin.de). Es will auch beantworten und nicht verbieten.

 

 

Samstag, 12. April 2003

Hilfe bei Anschlag eingeräumt

Gymnasiallehrer Guido S. besorgte Benzinkanister

Schwerin (dpa/EB) Der Gymnasiallehrer Guido S. hat gestern vor dem Landgericht zugegeben, einen Brandanschlag in Wismar mit vorbereitet zu haben. Er habe im vorigen November zwei 19-jährigen Männern aus Wismar einen Benzinkanister zur Verfügung gestellt und sie zu einer Tankstelle gefahren, sagte der 37-Jährige. Er sei davon ausgegangen, dass sie eine "Asia-Bude" anzünden wollten. Allerdings habe er nicht gewusst, dass es sich um ein bewohntes Haus handelte. Seine Beteiligung begründete er damit, dass er sich von den beiden Männern bedroht fühlte.

Die Anklagebehörde wirft dem aus Krefeld (Nordrhein-Westfalen) stammenden und zuletzt in Neukloster (Nordwestmecklenburg) tätigen Lehrer Beihilfe zum versuchten Mord und zur versuchten Brandstiftung vor. Das Urteil wird Anfang Mai erwartet.

Den beiden 19-Jährigen wird im selben Prozess Mordversuch und versuchte Brandstiftung zur Last gelegt. Hintergrund der Tat war nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft Fremdenfeindlichkeit. Der angeklagte Lehrer stritt dies für sich als Motiv ab. Das Verhalten seines Mandanten sei mit einer "Persönlichkeitsstörung" zu begründen, sagte Verteidiger Ullrich Knye. Ein psychiatrischer Gutachter soll möglicherweise unter Ausschluss der Öffentlichkeit gehört werden. Das Land hat dem Lehrer inzwischen gekündigt. Dagegen klage er vor dem Arbeitsgericht, sagte er.

 

 

Samstag, 12. April 2003

NPD-Anwalt Mahler wegen Billigung von Straftaten vor Gericht

Der NPD-Anwalt Horst Mahler muss sich nach der Billigung der Anschläge vom 11. September im Fernsehmagazin "Panorama" vor dem Hamburger Amtsgericht verantworten. Der Prozess beginnt am Montag. Der 69-jährige Anwalt der rechtsextremen NPD hatte in dem Beitrag am 20. September 2001 die Terroranschläge als "rechtens" bezeichnet und damit möglicherweise den Straftatbestand der Billigung von Straftaten erfüllt. Der von der linksterroristischen RAF ins rechtsextreme Lager gewechselte Mahler hatte gesagt: "Es war ein Erschrecken und gleichzeitig auch das Gefühl: Endlich mal! Endlich sind sie mal im Herzen getroffen. Und das wird sie wahrscheinlich auch zum Nachdenken bringen. Und deshalb sage ich, das war eine Aktion, die, so grausam sie ist, rechtens war".