Montag, 14. April 2003

Zahl rechtsextremer Straftaten verdoppelt

Die Verfassungsschützer registrieren eine starke Zunahme rechtsextremer Straftaten in der Stadt. Die Zahl dieser Delikte stieg im Vergleich zum Vorjahr um mehr 100 Prozent auf 948 Taten, heißt es im Verfassungsschutzbericht (2001: 455). Innensenator Ehrhart Körting (SPD) führt den Anstieg zum Teil auf ein neues Zählverfahren beim Verfassungsschutz zurück. Alarmierend sei jedoch der Anstieg bei den Gewalttaten von 28 im Jahr 2001 auf 52 im Jahr 2002. So verdoppelte sich die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Körperverletzungen nahezu von 24 auf 44.

"Die Entwicklung überrascht mich nicht", sagt Faschismusforscher Hajo Funke vom Otto-Suhr-Institut der Freien Universität. Insbesondere in Teilen Nordost- und Ost-Berlins sei die Bereitschaft ausgeprägt, sich in rechtsextremen Cliquen zu bewegen. Die Zahl der Sympathisanten rechtsextremer Organisationen ist in Berlin nahezu konstant (2002: 2665), während sie im übrigen Bundesgebiet 2002 um fast 5000 auf 45 800 zurückgegangen ist.

Der Anstieg der Fälle rechtsextremistischer Übergriffe geht vor allem auf das Konto volksverhetzender Taten und Propagandadelikte. Registrierte die Behörde 2001 noch 362 Taten dieser beiden Deliktgruppen, so waren es im vergangenen Jahr 829. Die Zahl der Fälle antisemitischer Propaganda stieg von 16 im Jahr 2001 auf 63 im vergangenen Jahr.

 

 

Montag, 14. April 2003

Straftäter stehen auf Berlin

BERLIN dpa Berlin hat Hamburg als "Hauptstadt des Verbrechens" in Deutschland abgelöst. Während die Zahl der registrierten Straftaten je 100.000 Einwohner in der Hansestadt in einem Jahr von 18.569 auf 15.589 gesunken sei, stieg sie in Berlin von 16.920 auf 17.236, berichtet der Focus und beruft sich auf die polizeiliche Kriminalstatistik.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte bei der Vorstellung der Kriminalitätsstatistik für die Hauptstadt bereits im März darauf hingewiesen, dass den Ermittlern vor allem die in Gruppen verübten Gewalttaten Jugendlicher Sorgen bereiteten. Die Brutalität der Täter nehme zu. Besonders ernst zu nehmen sei der Anstieg von rechtsextrem motivierten Straftaten in Berlin, so Körting. Die Zahl lag 2002 mehr als doppelt so hoch wie im Vorjahr und stieg von 455 auf 948. Glietsch führte diese hohe Zahl auf konsequenteres Vorgehen der Polizei bei Veranstaltungen der rechten Szene und eine neue statistische Erfassung zurück.

 

 

Montag, 14. April 2003

Ein Training für mehr Toleranz

Das bundesweite Netzwerk "Eine Welt der Vielfalt" will mit seiner Programmatik und seinen Methoden zivilgesellschaftliche Prozesse beschleunigen und unterstützen

Gruppenspiele zu Themen wie Lachen, Nähe und Distanz. Rollenspiele, um am eigenen Leib zu erfahren, wie eine Handlung wirkt. Sensibilisierung, um sich selbst und andere besser einschätzen zu können. Das will das Trainingsprogramm von "Eine Welt der Vielfalt". Dazu gibt es Arbeitsmaterialien und Übungen, über die Sensibilisierung hinaus fordert das Programm auf, aktiv zu werden. "Beim so genannten action planning geht es darum, welche konkreten Schritte ergreifen wir, um Situationen, die wir als diskriminierend empfinden, strukturell zu verändern", sagt Susanne Ulrich vom Centrum für angewandte Politikforschung (CAP). Wie "Eine Welt der Vielfalt/Berlin" ist das Centrum Teil des bundesweiten Netzwerks. Dieses erarbeitet insbesondere ein so genanntes Diversity-Training für Schulen, den öffentlichen Dienst, Verwaltungen und Wirtschaftsunternehmen. Das Programm stammt aus den USA, wo es 1985 von der Anti-Defamation-League als Antwort auf rassistische Auseinandersetzungen in Boston entwickelt wurde. Die amerikanisch-jüdische Anti-Defamation-League (ADL), die seit 89 Jahren gegen Rassismus und Diskriminierung kämpft, ist die älteste auf diesem Gebiet bekannte Organisation in Amerika. Nach den brutalen Anschlägen auf Ausländer in Rostock-Lichtenhagen (1992) wurde auch in Deutschland ein Netzwerk mit dem Programm der ADL geschaffen.

"Die Programmatik von "Eine Welt der Vielfalt" tendiert zur Verankerung in den gesellschaftlichen Regelsystemen, zum Beispiel in den schulischen Curricula," sagt Hartmut Darvin, Vorstand von "Eine Welt der Vielfalt", Berlin. Und Susanne Ulrich erläutert: "Die Schlüsselkompetenz ist eigentlich eine soziale, wo der kulturelle Aspekt ein Bestandteil ist. Es ist ein Softskill, und der fällt Streichungen in Rahmenplänen immer am schnellsten zum Opfer."

Interkulturelle Kompetenz und Sensibilisierung gegen Vorurteile haben sich viele Projekte auf die Fahnen geschrieben. "Eine Welt der Vielfalt" hat nur eine zusätzliche Methode entwickelt und diese - wie eine Evaluierung zeigt - erfolgreich umgesetzt. Ein veränderter Umgang miteinander, ein Aufmerksamwerden, eine Sensibilisierung sind Ergebnis der Evaluierung.

Projekte wie "Eine Welt der Vielfalt" sind auf finanzielle Unterstützung angewiesen und damit immer gefährdet. Die Bertelsmann-Stiftung, bislang Sponsor der Arbeit des Centrums für angewandte Politikforschung, wird dieses nicht weiter fördern. "Wir stehen gerade vor dem Projektende", sagt Susanne Ulrich vom CAP. "Politisch finde ich das sehr bedenklich. Es fehlt der lange Atem." Hartmut Darvin sieht einen neuen Hoffnungsträger: "Die Wirtschaft ist viel weiter. Die wissen, wie wichtig diese Kompetenz ist. Es ist meine Hoffnung, dass dadurch was bewegt wird." "EDITH KRESTA

Anti-Defamation-League: www.adl.org/awod/awod_institute.asp
Eine Welt der Vielfalt Berlin e. V.: www.ewdv-berlin.de
Centrum für angewandte Politikforschung: www.cap.uni-muenchen.de/bertelsmann/toleranz.htm

 

 

 

Montag, 14. April 2003

Schluss mit der Döner-Pädagogik!

In Deutschland bewahrt sich die Pädagogik einen naiven Umgang mit Fragen von Einwanderung und Rassismus. Im internationalen Vergleich ist es Entwicklungsland antidiskriminierender Schulpädagogik. Ein Blick über die Grenzen könnte wichtige Impulse besonders für die schulische Praxis geben

von VERONIKA KABIS

Die Bekenntnisse zu einer rassismus- und vorurteilsfreien Gesellschaft sind Allgemeingut. Einigkeit besteht auch darüber, dass Bildung und Erziehung die Schlüssel sind. Und doch unterscheiden sich die Wege, die die einzelnen Länder eingeschlagen haben, um das Rassismusproblem in den Griff zu bekommen, erheblich voneinander. Gibt es gute Praktiken in anderen Ländern, von denen Deutschland lernen könnte? Dieser Frage geht derzeit ein durch die Bertelsmann-Stiftung finanziertes Projekt an der Pädagogischen Hochschule Freiburg nach. Sowohl in Deutschland als auch in anderen Ländern wie Kanada, Großbritannien und Frankreich findet sich ein unübersichtlicher Diskurs. Dementsprechend vielfältig und wenig aufeinander abgestimmt sind die dazugehörigen pädagogischen Programme. Ihnen gemeinsam ist, dass sie auf den Abbau von Vorurteilen und Feindbildern sowie die Vermittlung von Grundwerten und positiv akzentuierten Gesellschaftsmodellen - Zivilgesellschaft, Demokratie, multikulturelle Gesellschaft - setzen. Doch danach hören die Gemeinsamkeiten auf.

Auf den zweiten Blick ist dies nicht verwunderlich. Denn die Staatskonzepte, die Einwanderungsgeschichte und -realität sowie die daraus entstandenen Programmatiken der Einwanderungsgesellschaften sind in diesen Ländern äußerst unterschiedlich. Multikulturalität ist etwa in Kanada Staatsideologie und meint mehr als die Anreicherung der Kultur durch folkloristische Elemente, nämlich die grundsätzliche Infragestellung eurozentrischer Überlegenheitsansprüche und die Anerkennung der kulturellen Eigenständigkeit von Migranten und Minderheiten. Für die politische Programmatik eines solchen Multikulturalismus ist schulische Bildung von zentraler Bedeutung: Ihre Aufgabe ist es, das multikulturelle Selbstverständnis der Einwanderungsgesellschaft Kanada bei den Bürgern zu verankern.

Frankreich stellt im Vergleich dazu einen deutlichen Kontrast dar. Das Integrationsmodell republikanischer Prägung beruht auf der Grundannahme, dass die französische Zivilisation Ausdruck universeller Werte der Moderne ist und setzt darauf, dass die Anerkennung dieser Werte das integrative Moment von Gesellschaft und der Fokus pädagogischer Programme und Konzepte sein soll. Vor diesem Hintergrund werden multikulturelle Orientierungen vehement abgelehnt, da hierfür in einer egalitären Gesellschaft freier und gleicher Bürger kein Platz sei. Gleichzeitig wird ein starker Akzent auf die Bekämpfung von Diskriminierung gelegt.

Anders in Deutschland: Hier kann weder die Idee einer "multikulturellen Gesellschaft" wie in Großbritannien, Kanada oder den USA als gesellschaftspolitischer Konsens vorausgesetzt werden noch die republikanische Idee einer nationalen Identität wie in Frankreich. Dies spiegelt sich im pädagogischen Umgang mit der Einwanderungsgesellschaft wider: Die seit Jahren von Fachleuten vorgetragene Kritik an einer von naivem Kulturalismus geprägten interkulturellen Pädagogik hat in der Praxis nur wenig Niederschlag gefunden.

In Großbritannien dagegen wird die Entwicklung und Verankerung schulbezogener Konzepte antirassistischer und multikultureller Pädagogik als eine zentrale bildungspolitische Aufgabe begriffen. Dabei werden Elemente einer staatsbürgerlich-politischen Bildung mit einer reflektierten antirassistischen Pädagogik verknüpft. Die Schulen sind dazu verpflichtet, Formen institutioneller Diskriminierung entlang ethnischer Kriterien abzuschaffen, Strategien zur Auseinandersetzung mit Rassismus zu entwickeln und zur Achtung kultureller Vielfalt in der Gesellschaft beizutragen. Es gilt als expliziter Auftrag der Schulen, einerseits die Auseinandersetzung mit rassistischer Diskriminierung zu führen und andererseits die Chancengleichheit für Schüler mit Migrationshintergrund zu gewährleisten.

Auch die Ausrichtung der französischen Antidiskriminierungs- und Antirassismuspolitik reibt sich in der Praxis noch an vielen Widersprüchen. Denn das republikanische, universalistischen Werten verpflichtete Frankreich hat ein Problem, mit Differenz und ethnisch-kulturellen Partikularismen umzugehen. Diese Schwierigkeit spiegelt sich in der antirassistischen Pädagogik wider. So ist das Eingeständnis, dass es auch innerhalb der Schule Formen von Rassismus und Diskriminierung gibt, in Frankreich von offizieller Seite kaum zu hören. Wenn die Bekämpfung von Rassismus und Diskriminierung dennoch ihren Platz in der Schule gefunden hat, dann vor allem als Bildungsziel einer Erziehung zum mündigen Staatsbürger. Dies ist die Programmatik, auf die die staatliche Bildungspolitik angesichts von Desintegrationsprozessen und dem bedrohlichen Zulauf zur rechtsextremen Front National setzt. Der pädagogische Umgang mit Einwanderung in Frankreich wie auch in England und Kanada knüpft im Übrigen unmittelbar an die dort vorhandenen Antidiskriminierungsgesetze an. Viele der von Antirassismus-Organisationen entwickelten Unterrichtsmaterialien bauen auf dem juristischen Instrumentarium zur Rassismusbekämpfung auf. Moralisierende Ansätze in der antirassistischen Erziehung gelten dagegen als wenig erfolgversprechend.

"Im internationalen Vergleich kann man Deutschland fast als ein Entwicklungsland menschenrechtlicher und antidiskriminierender Schulpädagogik bezeichnen", so das vorläufige Fazit von Professor Albert Scherr, Leiter des Projekts an der Pädagogischen Hochschule in Freiburg. "Weder in der Lehrerausbildung noch in den schulischen Curricula sind die Themen Menschenrechtserziehung, Diskriminierung und Rassismus bislang systematisch verankert." Scherr kritisiert den schlichten Interkulturalismus, den man auch als "Döner-Pädagogik" kennzeichnen könnte. Wir lernen das an Migranten kennen und lieben, was uns schmeckt, und ignorieren die Aushöhlung des Asylrechts und die strukturelle Diskriminierung. Auch Programme zur Erhöhung des Migrantenanteils unter LehrerInnen fehlen in fast allen Bundesländern. Dieses Defizit, so Scherr, könne auch durch die vielen lokalen Initiativen und Modellprojekte nicht ausgeglichen werden.

 

 

Montag, 14. April 2003

Völkerfreundschaft gegen Rassismus

 

Weimar. (dpa/tlz) Mehrere hundert Menschen haben in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar an die Befreiung des Konzentrationslagers vor 58 Jahren erinnert. Der Direktor der Gedenkstätte Buchenwald, Volkhard Knigge, rief dazu auf, Nationalismus, Rassismus, Antisemitismus und "Herrenmenschengetue" nicht hinzunehmen. "Es ist an uns, dagegen aufzustehen", sagte er.

Ein Gedenkstein erinnert seit Sonntag auf dem Appellplatz an die Frauen in dem KZ. Unter den Gästen waren viele ehemalige Häftlinge. "Die Gegenwart zeigt uns leider, dass es immer noch Kriege gibt", sagte der Präsident des Internationalen Komitees Buchenwald-Dora, Bertrand Herz. Blutige Diktaturen, Antisemitismus und Rassenhass seien ebenfalls noch vorhanden. Es gebe jedoch Hoffnung, weil sich junge Leute gegen Kriegsgewalt und Unterdrückung engagierten.

Zum 60-jährigen Gedenken der Befreiung in zwei Jahren plant das Komitee eine Begegnung von Überlebenden und jungen Leuten, damit die Erinnerung an die schrecklichen Ereignisse nicht verloren gingen.

Die US-Armee hatte das KZ am 11. April 1945 erreicht und etwa 21 000 Überlebende befreit. Während der Nazi-Diktatur waren ungefähr 250 000 Menschen aus 36 Ländern nach Buchenwald verschleppt worden, von denen mehr als 56 000 starben.

IG-Metall-Vorstand Horst Schmitthenner forderte auf der Gedenkfeier zu mehr Zivilcourage auf. Es müsse eine Gegenkultur geben, die dem Rassismus Völkerfreundschaft entgegensetze, sagte er. gab es bei Enthüllung einer Gedenktafel für die Frauen des KZ-Buchenwald am 58. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers.

 

 

 

Montag, 14. April 2003

Erste Risse im bunten Haus

 

Weimar. (tlz) Der Berg über der Stadt ist immer präsent. Er rückt nur gerade in diesen Tagen ein wenig mehr und wenig schmerzhafter in das Bewusstsein der Menschen. Während am Sonntag der Befreiung des Konzentrationslagers Buchenwald gedacht wurde, sich also Menschen auf dem Appellplatz versammelten, die aus der Vergangenheit das Primat des Handelns für die Gegenwart ableiten, wollen in einer Woche Ewiggestrige ewiggestrige Parolen in Weimar skandieren: an Hitlers Geburtstag, der in diesem Jahr auf den Ostersonntag fällt.

Auch wenn nach wie vor auf den einschlägig bekannten braunen Netzseiten für die Kundgebung nicht geworben wird, steht seit Freitag fest, dass die freien Kameradschaften am Sonntag ab 12 Uhr demonstrieren wollen. Nach drei vergeblichen Anläufen fand nun ein so genanntes Kooperationsgespräch statt. Welches Fazit das Ordnungsamt als zuständige Versammlungsbehörde ziehen und ob die Kundgebung verboten wird, dürfte sich heute entscheiden.

Rechtsextreme ...

Ungleich schwieriger scheinen allerdings die Bemühungen geworden zu sein, eine breite Bürgerschaft unter dem Dach des "bunten Hauses Weimar" zu versammeln: Der Konsens gesellschaftlich relevanter Verbände und Einrichtungen, sich im Bündnis "BürgerInnen gegen Rechtsextremismus" zu engagieren, scheint still und heimlich aufgekündigt worden zu sein, wie die Resonanz auf die jüngsten Treffen beweist. Und auch das langfristig angelegte Stadtprogramm gegen Rechts, das ohnehin bereits einmal ins Stocken geriet, leidet unter mangelhafter Teilnahme. So musste der Leiter der Netzwerkstelle gegen Rechtsextremismus, Fritz Burschel, einräumen, dass von weiter über 400 verschickten Fragebögen zum Thema Rechtsextremismus bislang nur zehn beantwortet wurden. Ist es nur ein zeitliches Problem, dass sich zum Beispiel Weimars Schulen noch gar nicht beteiligt haben? Oder verkommen nach dem Aufstand der Anständigen im Jahr 2000 Programme gegen Rechts zur inhaltslosen Symbolpolitik mit der Halbwertszeit eines Strohfeuers?

In der Tat scheint die Situation in Weimar bis auf kurzfristige Bündnisse gegen rechte Demos kein langfristiges Engagement erforderlich zu machen. Auch wenn in Weimar NPD und Republikaner als Ortsverbände existent sind, sind sie nicht in der Öffentlichkeit präsent. So kommt die Polizei zu dem Schluss, dass es eine rechtsextreme Szene in Weimar nicht gebe und fremdenfeindliche Straftaten keinen Schwerpunkt darstellten, sie 2002 gar zurückgegangen seien. Die jungen Frauen und Männer, die in Weimar dem rechten Spektrum zugeordnet werden müssten, seien Mitläufer und Sympathisanten, die spontan und zumeist nach Alkoholgenuss Körperverletzungen begingen. Diese seien allerdings weniger politisch motiviert. Vielmehr sei ein rowdyhaftes Verhalten der Auslöser.

...Szene nicht präsent

Zudem nutze dieses Klientel mehr und mehr private Wohnungen als Treffpunkte. So hätte die Polizei-Präsenz 2001 und 2002 dafür gesorgt, dass sich die rechte Szene aus dem Stadtbild (Theaterplatz und Goetheplatz) zurückgezogen hätte. Doch die Situation ist nur scheinbar rosig, auch wenn sie Sicherheit suggeriert. Erstens lässt eine polizeiliche Analyse zwangsläufig eine latente Fremdenfeindlichkeit unberücksichtigt. Sie gibt es zwar in Weimar, ist aber eben nicht strafrechtlich relevant. Und zweitens will ein langfristig konzipiertes Stadtprogramm den Blick nicht auf die Täter wenden, sondern demokratische Strukturen in einer Zivilgesellschaft stärken.

Gerade dieser Ansatz verspricht Nachhaltigkeit und könnte verhindern, dass Weimar mit seinem Engagement gegen rechte Demos in die Aktionismusfalle stolpert. Beides, die BgR als breites Bündnis, und das Stadtprogramm, stehen an einem Scheideweg. Der Ettersberg mit seiner Geschichte voll Licht und Schatten ist offenbar allein nicht Ansporn genug, damit Initiativen demokratische Selbstläufer bleiben. Zumindest in diesem Kontext ist Weimar so gut und so schlecht wie jede andere Stadt im Land.

 

 

 

Montag, 14. April 2003

Rechtsextreme Gewalt hat alarmierend zugenommen

Die Zahl der Straftaten stieg im Vergleich zum Vorjahr um mehr als die Hälfte auf 948 Taten

Die Verfassungsschützer haben eine starke Zunahme an rechtsextremer Gewalt in der Stadt registriert. Die Zahl der Straftaten stieg im Vergleich zum Vorjahr um mehr als die Hälfte auf 948 Taten, heißt es im Verfassungsschutzbericht (2001: 455). Innensenator Ehrhart Körting (SPD) führt den Anstieg zum Teil auf ein neues Zählverfahren beim Verfassungsschutz zurück.

Alarmierend sei jedoch der Anstieg bei den Gewalttaten von 28 im Jahr 2001 auf 52 im vergangenen Jahr. So verdoppelte sich die Zahl der rechtsextremistisch motivierten Körperverletzungen nahezu von 24 auf 44.

"Die Entwicklung überrascht mich nicht", sagt der Faschismusforscher Hajo Funke vom Ott-Suhr-Institut der Freien Universität. Insbesondere in Teilen Nordost- und Ost-Berlins sei die Bereitschaft ausgeprägt, sich in rechtsextremen Cliquen zu bewegen. Dem Verfassungsschutzbericht zufolge ist die Zahl der Sympathisanten rechtsextremer Organisationen in Berlin nahezu konstant (2002: 2665), während sie im Bundesgebiet allein im vergangenen Jahr um fast 5000 auf 45 800 zurückgegangen ist, heißt es in dem Bericht.

Für den Faschismusforscher Funke ist das auf die Entwicklung Anfang der 90er-Jahre zurückzuführen, als sich rechtsextremistische Strukturen vor allem im Ostteil etablieren konnten und bis heute nachwirken. "Mittlerweile wächst die dritte Generation Jugendlicher in solche rechtsextremen Strukturen hinein", sagt Funke. Eine nachhaltige Gefahr für den Rechtsstaat sieht Funke wegen fehlender Wahlerfolge vor allem der NPD nicht.

 

 

Montag, 14. April 2003

 

VERFASSUNGSSCHUTZ
Extremisten schlagen noch häufiger zu

pit BERLIN, 13. April. Die Zahl der rechtsextrem motivierten Gewalttaten ist im Jahr 2002 erneut gestiegen. Die Sicherheitsbehörden registrierten nach Angaben der Innenausschuss-Vorsitzenden Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD) 960 solcher Taten. Im Jahr zuvor waren es laut Verfassungsschutzbericht 709 einschlägige Delikte gewesen. Sonntag-Wolgast bezog sich auf Daten, die der Bund bei den Landesbehörden zusammengetragen hat und die in diesen Tagen als Statistik über extremistisch motivierte Gewalttaten veröffentlicht werden.

Danach haben die Behörden im Jahr 2002 keinen rechtsextremen Mord verzeichnet, aber neun versuchte Tötungsdelikte mit rechtsextremem Hintergrund. In den offiziellen Zahlen über rechtsextreme Gewalt taucht demnach auch der Mord an einem 17-Jährigen in dem brandenburgischen Ort Potzlow vom 12. Juli nicht auf. Das brandenburgische Innenministerium hat sich jedoch offen gehalten, diese Tat entsprechend einzustufen. Der Prozess beginnt in den nächsten Wochen. Drei als Rechtsextremisten bekannte junge Männer hatten das Opfer stundenlang gepeinigt, als "minderwertig" und als "Jude" bezeichnet, ehe sie ihn töteten.

Gestiegen ist den Angaben zufolge auch die Zahl der linksextremistischen Gewalttaten. Registriert wurden 806 dieser Taten im Vergleich zu 750 im Jahr 2001.