Donnerstag, 17. April 2003
DRESDEN. Die Sparkassen dürfen der NPD nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes (BGH) die Führung von Girokonten nicht verweigern. Kündigung und Kontoauflösung, wie von der Stadt- und Kreissparkasse Leipzig praktiziert, seien rechtswidrig, teilte das sächsische Oberlandesgericht (OLG) am Mittwoch in Dresden mit. Das Kreditinstitut verstoße gegen das im Grundgesetz verankerte so genannte Willkürverbot. Der BGH bestätigte damit das OLG-Urteil zum Streit um das Leipziger NPD-Sparkassenkonto.
Donnerstag, 17. April 2003
Vor dem Landgericht Rostock hat gestern der Prozess gegen 10 Jugendliche begonnen, die sich unter anderem wegen antisemitischer Schmierereien verantworten müssen. Ihnen wird auch Bildung einer kriminellen Vereinigung und Sachbeschädigung vorgeworfen.
Donnerstag, 17. April 2003
Jugendliche
wegen Volksverhetzung angeklagt |
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Am ersten Verhandlungstag bestritt keiner der Angeklagten, Mitglied des „Bundes Deutscher Kameraden“ gewesen zu sein. Alle hätten sich damals zu einer rechten Gesinnung bekannt und lediglich eine feste Gemeinschaft gesucht, hieß es zur Begründung.
Das Urteil soll am Freitag nach Ostern verkündet werden.
Donnerstag, 17. April 2003
Zehn junge Rostocker stehen seit gestern wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Volksverhetzung, Sachbeschädigung und Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vor dem Landgericht Rostock. Sie werden beschuldigt, Mitglieder einer rechtsgerichteten Kameradschaft gewesen zu sein und u. a. "den Sturz des Systems und den Tod aller Juden" gefordert zu haben.
Antje K. (21), Mathias K. (18), Nadine M. (18), André H. (18), Christopher R. (18), Roger B. (18), Thomas R. (17), Thomas H. (19), Sebastian D. (17) und Frank H. (17) sollen vom 13. Oktober 2001 bis zum 16. März 2002 an öffentliche Gebäude wie die Stadthalle, an Kaufhallen in der Südstadt und an Wohnhäuser in verschiedenen Straßen rechtsgerichtete Parolen gesprüht haben. Unter anderem waren die Schriftzüge "Juden raus!", "Wer Deutschland nicht liebt, soll Deutschland verlassen" und "Deutsche Kinder spielen nicht mit Ausländern" zu lesen.Sie hätten jede Parole mit dem Keltenkreuz sowie den Initialen "NW", was soviel wie "Nationaler Widerstand" bedeutet, unterzeichnet. Alle Angeklagten erklärten sich gestern bereit, zu den Vorwürfen Aussagen zu machen.
Antje K. als Älteste legte ein umfassendes Geständnis ab. Sie gab zu, die Kameradschaft "Bund deutscher Kameraden" (BdK) gegründet und ihr vorgestanden zu haben. Allerdings gab es nicht viel abzustreiten. Antje K. hatte akribisch Buch geführt. So lagen dem Gericht die Protokolle der Sitzungen der Kameradschaft, die Regeln der Vereinigung, Redemanuskripte und sogar die Lebensläufe der einzelnen Mitglieder vor. Zu den Regeln gehörten u. a. Schweigepflicht, Höflichkeit gegenüber älteren Leuten und Kindern und auch Umweltschutz, denn der sei Heimatschutz. Antje K. erklärte gestern, in einer Rede am 13. Januar 2002 vor den BdK-Mitgliedern zum Sturz des Systems aufgerufen und den Tod aller Juden gefordert zu haben. Auf die Frage des Gerichts, was denn nach dem "Sturz des Regimes" kommen sollte, antwortete Antje K.: "Nationalsozialismus". Sie gab zu, in ihrer Wohnung einen "Altar" aufgebaut zu haben, in dem u.a. Heinrich Himmler einen Ehrenplatz einnahm. Eine andere Aufzeichnung, an der auch Mathias K. beteiligt war, enthält den Plan, in die Luftschächte des Max-Samuel-Hauses und des Gebäudes der PDS Ungeziefer und Kakerlaken zu werfen.
Alles Angeklagten waren Mitglieder des Bundes deutscher Kameraden, der im Juli 2001 von Antje K. gegründet wurde. In ihren Lebensläufen beschimpften sie Teile der Bevölkerung und forderten zum Völkerhass auf.
Antje K. versuchte gestern, auch einige Vorwürfe runterzuspielen. Vieles hätte sie gesagt, weil die Mitglieder es hören wollten. Alle Angeklagten behaupteten, ihre rechte Gesinnung aufgegeben zu haben und nicht Mitglied einer politischen Partei zu sein. Die Jugendlichen befinden sich zum größten Teil in einer Ausbildung. Antje K. ist im achten Monat schwanger.
Der Prozess wird mit Zeugenaussagen am 22. April fortgesetzt.
Donnerstag, 17. April 2003
Bis zu 60 Aufnahmen für
ein Bild nötig
Ausstellung in St. Nikolai zeigt Porträts - Träume von Menschen
unterschiedlicher Herkunft zusammengetragen
Von unserem Redaktionsmitglied
Maria Saegebarth
Prenzlau. Eine gerechte Welt, friedlisches Miteinander, verständnisvolle
Politiker - all das sind Träume von Menschen. Träume, denen in der Ausstellung
"I have a dream" ein Gesicht gegeben wird. Seit vergangener Woche
sind in der Prenzlauer St. Nikolai Kirche mehr als 40 Porträts von Menschen
verschiedenster Nationen und unterschiedlichsten Alters zu sehen. Neben der
Fotografie eines nachdenklichen alten Mannes hängt das Bild eines jungen
Mädchens mit skeptischem Blick.
Doch alle haben ähnliche Wünsche und politische Träume. Ganz gleich ob
Asylbewerber, Deutsche oder Aussiedler - bestimmende Themen sind Frieden und
Toleranz. Besucher der Ausstellung sehen Porträts, die der Hobbyfotograf
Ferdouss Makan in den letzten Monaten abgelichtet hat. Seine Assistentin Helena
Klassen fasste die Zeit der Vorbereitung in wenigen Worten zusammen: Schön und
schwer zugleich.
Schicksale
erfahren
Denn die Menschen seien
nicht nur fotografiert, sondern auch nach ihren Träumen befragt worden.
"Dabei wurden wir mit ganzen Schicksalen konfrontiert. Mussten die
verarbeiten und in die Ausstellung einarbeiten", beschreibt die 23-Jährige.
Unter jedem Porträts ist nun eine kurze Zusammenfassung der Träume zu lesen.
Oftmals reicht aber auch einfach ein Blick, und jedes Wort ist überflüssig,
wirbt Helena Klassen für die Tiefgründigkeit der Aufnahmen.
Sie und Ferdouss Makan sind viele Wochenenden durch Deutschland gereist, um
passende Motive zu finden. Einige seien auch in Prenzlau entstanden, verrät
sie.
Mit einem einzigen Druck auf den Auslöser seien die Bilder, die bis Ende Mai
den Innenraum von St. Nikolai zieren, nicht fotografiert worden. "Bei
manchen Menschen haben wir zwischen 40 und 60 Aufnahmen gemacht, um Licht und
Athmosphäre auszutesten", verdeutlicht sie den Aufwand, der hinter der
Ausstellung steckt.
Bis diese jedoch in der vergangenen Woche durch die brandenburgische Kulturministerin
Johanna Wanka eröffnet werden konnte, war ein wahrer Antragsmarathon zu
bewältigen. "Die Fördergelder für das Projekt zu bekommen, hat eine Menge
Ausdauer gefordert", blickt Reinhart Müller-Zetzsche, Pfarrer der
Kirchengemeinde St. Nikolai, zurück. Möglich wurde die Ausstellung als Projekt
der Flüchtlingsinitiative Uckermark und der evangelischen Kreisjugend durch
Unterstützung des Bundesprogrammes Civitas und der Stadt Prenzlau,
unterstreicht er abschließend. Mehr Infos unter (0 39 84) 85 19 20 .
Donnerstag, 17. April 2003
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WEIMAR. Das Verwaltungsgericht Weimar hat erneut das formale Recht auf Versammlungsfreiheit über die ausdrückliche Forderung der Weimarer Bürger gestellt, im Schatten Buchenwalds den Anhängern rechtsextremistischen Gedankenguts keinen Platz mehr zu bieten. Das Gericht hob gestern Abend das Verbot des für Ostersonntag geplanten Neonazi-Aufmarsches auf.Einzige wesentliche Auflage: Die Neonazis sollten alles unterlassen, was als Ausdruck des Gedenkens an den Geburtstag von Hitler aufgefasst werden könne. Die Stadt hatte die Gefahr für die öffentliche Sicherheit und das schon aus der Wahl des Kundgebungsdatums abzulesende Bekenntnis zum Nationalsozialismus als Verbotsgründe aufgeführt. Sie sah die Provokation in direkter Nähe zur Gedenkstätte Buchenwald als erwiesen an und erkannte zudem die besondere Schutzwürdigkeit des kirchlichen Festes am Ostersonntag.Im Verwaltungsgericht hieß es derweil: Weimar habe die Vorgaben für ein wirksames Verbot nicht beachtet. Das Rathaus quittierte die Entscheidung mit tiefer Enttäuschung. Am Abend blieb allerdings offen, ob die Stadt beim Oberverwaltungsgericht Widerspruch einlegt. Der Oberbürgermeister und Stadträte aller Fraktionen wollen sich in jedem Fall am Sonntag an Protestaktionen gegen den Aufmarsch beteiligen. Michael BAAR |
Donnerstag, 17. April 2003
Wieder
mehr rechte Gewalttaten
Die Zahl der Gewalttaten
mit rechtsextremistischem Hintergrund stieg 2002 von 709 auf 772 Fälle.
Von Maike Röttger
Hamburg
- Die
Gefahr rechtsextremistischer Gewalt ist noch immer ungebrochen. Das belegen die
neuesten Zahlen aus dem Bundesinnenministerium, die dem Abendblatt vorliegen.
Im vergangenen Jahr stieg die Zahl der Gewalttaten mit rechtsextremistischem
Hintergrund auf 772 Fälle. 2001 waren 709 Gewalttaten registriert worden.
"Das Problem hat an Schwere und Gewichtigkeit nicht verloren", sagte
der niedersächsische SPD-Bundestagsabgeordnete Sebastian Edathy dem Abendblatt.
Er leitet die Arbeitsgruppe Rechtsextremismus seiner Fraktion in Berlin.
Trotz
großer Präventionsprogramme der Bundesregierung, Hilfen für Aussteiger und
deutlich härteren Gerichtsurteilen gegen die Rechtsextremisten, lässt ihre
Aggressivität offenbar immer noch nicht nach. Insgesamt stieg nach Edathys
Aussage die Zahl der politisch motivierten Straftaten, die als extremistisch
eingestuft werden, von 12 562 auf 12 759. Davon werden 10 903 Fälle den
Rechtsextremisten zugeordnet. Er beruft sich auf bisher unveröffentlichte Zahlen
aus dem Bundesinnenministerium.
Einen
Hauptgrund für die bundesweit steigenden Zahlen sieht der Vize-Chef des
Hamburger Verfassungsschutzes, Manfred Murck, darin, dass die Ursachen für den
Rechtsextremismus noch immer da sind. Vor allem in Ostdeutschland sei das
"Gefühl der jungen Menschen, zu den Verlierern zu zählen", nicht weg.
Die hohe Jugendarbeitslosigkeit und die schlechten Konjunkturdaten lassen
vorhersagen, dass sich dies auch künftig nicht ändern wird.
Die NPD,
deren erneuten Aufstieg man seit dem Scheitern des Verbotsverfahrens fürchtet,
könnte dies ausnutzen. Bisher aber, so Murck, sei dies nicht zu beobachten. Er
geht eher davon aus, dass die Szene sich stärker in "Subkulturen"
sammelt.
"Man
darf das nicht auf die leichte Schulter nehmen", sagt auch Edathy. Er will
eine "Stetigkeit und Kontinuität" in die Bekämpfung von
Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus bringen. Dabei setzt
er weiter auf die Präventionsprogramme Civitas, Entimon und Xenos der
Bundesregierung, die vor allem Demokratieverständnis und Toleranz fördern. Dass
der Bundesrechnungshof diese als uneffektiv kritisierte und die Union daraufhin
die Einstellung forderte, findet er "skandalös". Mit 1000 Projekten
im Jahr würde die Bundesregierung gegen die Ausbreitung des Rechtsextremismus
ankämpfen. Vorbeugung sei ebenso wichtig wie Bekämpfung, allerdings schwer
messbar.
Doch auch
bei der messbaren Kriminalität aus der rechtsextremistischen Szene tun sich die
Behörden manchmal noch schwer. Wann ist eine Tat als rechtsextremistisch
einzustufen und wann nicht? Seit vor drei Jahren eine Welle
rechtsextremistischer Gewalt die Bundesrepublik aufschreckte, einigten sich die
Bundesinnenminister 2001 auf einheitliche Kriterien der polizeilichen
Erfassung, um ein genaueres Bild des Rechtsextremismus zu erhalten.
Dennoch
erhoben die "Frankfurter Rundschau" und der "Tagesspiegel"
den Vorwurf, die Bundesregierung würde nur 39 Tote rechtsextremistischer Gewalt
seit 1990 zählen, in Wirklichkeit seien es aber 99. Der Bundestagsinnenausschuss
ließ sich daraufhin die zweifelhaften Fälle noch einmal vom
Bundesinnenministerium erklären und sieht die Vorwürfe bisher als entkräftet
an. Dennoch sei auch damit keine "Entwarnung gegeben", sagt sie
Ausschuss-Vorsitzende Cornelie Sonntag-Wolgast. Nach ihrer Aussage hat es 2002
immerhin neun versuchte Tötungsdelikte mit rechtsextremistischem Hintergrund
gegeben.