Samstag, 26. April 2003
Mit der Initiative "Flagge gegen Rechts" hat der Betriebsrat der Berliner S-Bahn erwirkt, dass sie in diesem Jahr am 1. Mai keine Sonderzüge zum Transport rechter Demonstranten zur Verfügung stellen muss. In Schreiben an das Bundeskanzleramt und den Berliner Senat war der Unmut darüber deutlich zum Ausdruck gebracht worden. "Das ist ein großer Erfolg für uns. Wir lassen uns nicht in die rechte Ecke stellen", sagte Betriebsratsvorsitzender Andreas Tannhäuser gestern. In der Vergangenheit waren Teilnehmer von NPD-Demonstrationen in Berlin mehrmals auf Anweisung der Polizei mit Sonderzügen befördert worden.
Samstag, 26. April 2003
Peter Neumann
Ehrensache,
dass sich die Berliner S-Bahner über jeden neuen Fahrgast freuen. Und über
jeden Sonderzug, der bestellt wird. Unwirsch werden die S-Bahner nur, wenn die Fahrgäste
NPD-Transparente schwenken und nicht zahlen wollen. So geschehen im Dezember
2001, als die Polizei NPD-Demonstranten in Sonderzügen wegfahren ließ, um
Krawallen mit Gegendemonstranten vorzubeugen. Dafür stellte die S-Bahn der
rechtsextremen Partei 6 590 Euro in Rechnung - unberechtigt, wie das
Landgericht entschied. Deshalb war S-Bahn-Betriebsratschef Andreas Tannhäuser
erfreut, als er am Freitag verkünden konnte: "Der Senat hat mitgeteilt,
dass er im Zusammenhang mit der NPD-Demonstration am 1. Mai keine Sonderzüge
ordert. Für uns ein Erfolg." Schließlich hätten die Gratistouren vor
anderthalb Jahren den Betrieb geschädigt: "Damals mussten wir
Schwarzfahren subventionieren." Zudem sei das Image der S-Bahn geschädigt
worden. "Sonderzüge, aus denen NPD-Fahnen hängen, sorgen für ein
schlechtes Bild in der Öffentlichkeit. Wir wollen diese Leute nicht
unterstützen und auch nicht in ihre politische Ecke gedrängt werden."
Darum dürfe sich jeder S-Bahner aus moralischen Gründen weigern, einen Sonderzug
für die NPD zu fahren.
Doch damit ist nicht
gesagt, dass es am 1. Mai keine Probleme geben wird. Solange die Demonstranten
reguläre Züge benutzen und ordentlich Tickets kaufen, kann die S-Bahn ihnen die
Beförderung nicht verweigern. Am Fahrkartenschalter darf es keine
Gesichtskontrolle geben. So lassen die Rechten durchblicken, dass sie mit
normalen S- und U-Bahnen zur Demo reisen werden. Damit steht anderen Fahrgästen
Ungutes bevor. Linke kündigen in einem Flugblatt bereits
"Betriebsstörungen" an: "Sollten Sie Pöbeleien beobachten:
Greifen Sie ein!" Das werden sich beide Seiten wohl nicht zweimal sagen
lassen.
Samstag, 26. April 2003
Andreas Kopietz
Wer
am 1. Mai mit der S-Bahn zum Volksfest in die Innenstadt fährt, könnte es im
Zug mit grölenden Skinheads zu tun bekommen. Denn erstmals sollen Teilnehmer
des geplanten NPD-Aufzuges in Charlottenburg mit öffentlichen Verkehrsmitteln
anreisen. Im Gegensatz zu früheren Aufmärschen dieser Art weigert sich die S-Bahn
dieses Mal, Sonderzüge zur Verfügung zu stellen. Das hat sie bislang auf Bitten
der Polizei getan, um Zusammenstöße zwischen Rechten und linken
Gegendemonstranten zu verhindern. Bei früheren Aufmärschen trafen sich die
rechten Demonstranten am Stadtrand und wurden von dort mit S-Bahn-Zügen
geschlossen zum Startpunkt der Demonstration transportiert.
"Wer am 1. Mai
demonstrieren will, wird ganz normal wie jeder andere auch, die öffentlichen
Verkehrsmittel benutzen, mit dem Auto oder dem Bus kommen", sagte
NPD-Bundesgeschäftsführer Frank Schwerdt am Freitag der Berliner Zeitung. Er
ist der Anmelder der Demonstration unter dem Motto "Wir sind das
Volk". Schwerdt erwartet 1 500 Teilnehmer. Redner sind unter anderem der
italienische Neonaziführer Roberto Fiore und der Chef der rechtsradikalen
British National Party, Nick Griffin.
Nach bisheriger Planung
treffen sich die Rechten um 11 Uhr am S-Bahnhof Heerstraße. Ab 12 Uhr
marschieren sie über Preußenallee, Olympische Straße und Trakehner Allee zum
Coubertinplatz am Olympiastadion, wo eine Abschlusskundgebung geplant ist.
Verkürzte Strecke
Ursprünglich sollte die
NPD-Demo am Funkturm beginnen. Wegen erwarteter Gegendemonstranten müsste
jedoch der Theodor-Heuss-Platz gesperrt werden, was laut Polizei extreme Auswirkungen
auf den Verkehr haben würde. Deshalb wurde die Route verkürzt. Dass die
Rechtsextremisten mit öffentlichen Verkehrsmitteln kommen, ist für die Polizei
die schlechteste Lösung. Aber da die S-Bahn im vergangenen Jahr vergeblich
versuchte, nachträglich bei der NPD Fahrgeld einzuklagen, weigert sie sich,
noch einmal Sonderzüge bereitzustellen. "Die Polizei wird auch keine
entsprechende Bitte an die S-Bahn richten", sagte der Sprecher der
Innenverwaltung, Peter Fleischmann, am Freitag. "Die S-Bahn bestimmt
selbst, wen sie transportiert."
Beim Bundesgrenzschutz
(BGS), der für den Schutz der Bahn zuständig ist, laufen deshalb die
Vorbereitungen auf Hochtouren. Um zusätzlich Personal einsetzen zu können,
wurden die Dienstpläne eigens für diesen Tag von acht auf zwölf Stunden
umgestellt. Aus Bad Düben kommt Verstärkung. "Wir werden alle
Umsteigebahnhöfe überwachen und die Fahrgäste begleiten, wenn wir merken, dass
es Probleme geben könnte", sagte BGS-Sprecher Michael Bayer. Für den BGS
sei das Problem nicht neu. "Das kennen wir von Fußballspielen, wenn die
Fans ausfällig werden." Im Übrigen gehe der BGS ohnehin davon aus, dass
die meisten Rechten mit Bussen anreisen werden. Die Busse parken in der Nähe
des Aufmarschplatzes. Im Internet, auf Plakaten und Flugblättern machen linke
Gruppen seit einigen Tagen gegen den NPD-Aufmarsch mobil.
Obwohl nach Einschätzung
des Verfassungsschutzes die Mobilisierung zu Krawallen in diesem Jahr geringer
ist als sonst, gehen Polizei und Innenverwaltung nicht davon aus, dass der 1.
Mai friedlich verläuft. Deshalb wird die Polizei wie im vergangenen Jahr mit
mehr als 7 000 Beamten im Einsatz sein, um Ausschreitungen zu verhindern.
Am Vormittag findet in
Mitte die Demo des Deutschen Gewerkschaftsbundes statt, zu der 20 000 Teilnehmer
erwartet werden. In Kreuzberg beginnt um 15 Uhr die "Revolutionäre
1.-Mai-Demonstration". Deren Organisatoren forderten am Freitag unter
anderem die Einführung der Kennzeichnungspflicht für Polizisten, wie sie im
Berliner Koalitionsvertrag von PDS und SPD festgeschrieben ist. "Das wäre
ein kleiner Beitrag zur Reduzierung der Polizeibrutalität", sagte Michael
Kronewetter von der "Antifaschistischen Linken Berlin". Die
Veranstalter erwarten bis zu 15 000 Teilnehmer. Darunter werden auch
stalinistische, maoistische und kommunistische Sektierer sein, die einen großen
"Migrantenblock" bilden. Neben Autonomen gibt es auch einen Antifa-
und einen Antikriegsblock. Die Demonstrations-Route durch Kreuzberg steht
inzwischen fest.
Strittig ist dagegen
noch, wo die von linken Gruppen angemeldete Demonstration verläuft, die um 18
Uhr am Rosa-Luxemburg-Platz in Mitte beginnen wird. Den ursprünglichen Verlauf
am Auswärtigen Amt vorbei und durch die Friedrichstraße nach Kreuzberg hat die
Polizei nicht genehmigt. Inzwischen zeichnet sich ab, dass sich die
Organisatoren mit der Polizei auf eine Route über Tor- und Otto-Braun-Straße
einigen, die weiter über die Michaelbrücke nach Kreuzberg verläuft.
Einen Vorgeschmack auf
den 1. Mai gab es am Donnerstagabend im Mauerpark. Laut Polizei entzündeten
etwa 200 Jugendliche ein großes Feuer. Als Feuerwehrleute löschen wollten,
wurden sie mit Flaschen und Steinen beworfen. Zwei Polizisten wurden verletzt.
Samstag, 26. April 2003
Die NPD ruft zum 1. Mai zur Demonstration auf,
die Gegendemonstranten bereiten sich schon vor. Bundesweit mobilisieren die
Rechtsextremen für 11 Uhr zum Hammarskjöldplatz am Messegelände. Die endgültige
Strecke für den Aufmarsch steht zwar noch nicht fest, doch haben mittlerweile
mehrere Bündnisse zu Gegendemonstrationen aufgerufen.
Die Veranstalter der „Revolutionären 1.- Mai-Demonstration“ und das „Bündnis
gegen Rechts“ laden gemeinsam für 10 Uhr zu einer Kundgebung am
Theodor-Heuss-Platz. Anschließend wollen die Teilnehmer die Demo-Route der NPD
mit einer Menschenkette blockieren. „Wir wollen die Straße nicht den Nazis
überlassen“, sagte Michael Kronewetter von der Gruppe „Antifaschistische Linke
Berlin (ALB)“.
Neben antifaschistischen Gruppen rufen auch das Bezirksamt
Charlottenburg-Wilmersdorf und die Bezirksverordnetenversammlung zum Protest
auf. Das „Bündnis für Demokratie Jetzt“ will jedoch nicht, dass die NPD-Gegner
nur die Wegstrecke säumen und frustriert wieder nach Hause gehen.
Bezirksbürgermeisterin Monika Thiemen und die BVV-Vorsteherin Marianne Suhr
rufen dazu auf, dafür zu sorgen, dass die NPD-Demoroute menschenleer ist. Man
wolle den Rechtsextremen keine Kulissen bieten, sondern sie „ins Leere laufen
lassen“. Ladenbesitzer werden gebeten, ihre Geschäfte mit Tüchern zu verhängen
oder sie zu schließen.
Um 13.30 Uhr – nach dem NPD-Aufmarsch – ruft das Bündnis zur
„Besendemonstration“ auf dem Raußendorffplatz an der Heerstraße auf, um die
Straßen symbolisch von braunem Gedankengut zu reinigen. Auch die „Berliner
Initiative: Europa ohne Rassismus“, der sich unter anderem die Publizistin Lea
Rosh und der Berliner DGB-Vorsitzende Dieter Scholz angeschlossen haben, will
sich daran beteiligen. Besonders in diesem Jahr, in dem sich das von den Nazis
am 2. Mai 1933 verhängte Verbot über die deutschen Gewerkschaften zum 70. Mal
jährt, könne ein rechter Aufmarsch nicht unwidersprochen hingenommen werden.
Für die Linke reicht die Besen-Demo als Aktion gegen Rechts zwar nicht aus,
doch wird sie nicht dagegen mobilisieren. „Wir wollen nicht den Müll wegfegen,
sondern den Müll vermeiden“, sagte Michael Kronewetter von der ALB.
Menschenleere Straßen seien eine „ungeeignete Form“, sich mit Nazis auseinander
zu setzen. Die Devise müsse heißen: „nicht wegschauen“.Sabine Beikler
Samstag, 26. April 2003
Der Innensenator fordert, dass die Berliner Behörde
Aufgaben an das Bundesamt abtreten soll
Von Barbara Junge
Wer überwacht nach dem Debakel im Verbotsverfahren jetzt die Rechtsextremen
von der NPD? Wer horcht künftig die Machenschaften der islamistischen Vereine
in Berlin aus? Ist der Berliner Verfassungsschutz nach den Anschlägen vom 11.
September zu Ermittlungen dieser Dimension überhaupt in der Lage? Geht es nach
Innensenator Ehrhart Körting (SPD), so müssen die Berliner Verfassungsschützer
schon bald radikal umdenken – und einen erheblichen Teil ihrer Aufgaben
abgeben. Bundesweit relevante extremistische Strukturen müsste auch das
Bundesamt für Verfassungsschutz auskundschaften, verlangt jetzt Körting. Selbst
eine Abschaffung des Berliner Verfassungsschutzes will Körting nicht
ausschließen.
Der Innensenator wird seine Vorschläge zur Reform der Geheimdienste auf der
Innenministerkonferenz Mitte Mai seinen Ministerkollegen präsentieren. Dort
steht eine Debatte zur Umstrukturierung des Verfassungsschutzes nach dem
gescheiterten NPD-Verbotsverfahren auf der Tagesordnung. Im Laufe dieses
Verfahrens waren immer mehr V-Männer des Verfassungsschutzes innerhalb der NPD
bekannt geworden. V-Männer, von denen die Kollegen aus dem Bundesamt offenbar
nichts wussten.
Nach dem Fiasko will Körting Konsequenzen sehen. Der Verfassungsschutz, der in
Berlin Körting selbst unterstellt ist, kommt bei ihm nicht gut weg. Immer
wieder müsse man feststellen, dass verschiedene Verfassungsschutzämter
dieselben Spitzenfunktionäre beobachteten – ohne dass der eine Geheime vom
anderen wisse. Und in den verschiedenen Verfassungsschutzberichten könne man
oft praktisch dieselben Auswertungen nachlesen. „Wir bewerten und werten an
unterschiedlichen Stellen dieselben Dinge aus“, klagt Körting. „Im Brustton der
Überzeugung werden oft dieselben Erkenntnisse formuliert, 17 Mal!“ Diesem
„unsinnigen Nebeneinander“ müsse ein Ende gemacht werden.
Als Kritik an den Berliner Verfassungsschützern will der Innensenator seine
Initiative zur Entmachtung der Landesbehörden allerdings nicht verstanden
wissen. „Das soll die Berliner Behörde nicht entmachten“, sagt Körting. „Im
Gegenteil, so wären wir in der Lage, die vorhandenen Ressourcen besser zu
verteilen.“ Berlin könnte effektiver arbeiten, so Körting.
Der Innensenator schlägt eine Arbeitsteilung vor. Bundesweit agierende
Strukturen, wie etwa die NPD, sollten durch das Bundesamt beobachtet werden.
Dort, wo eine Gruppierung schwerpunktmäßig aktiv ist, müsste dann die
Länderbehörde zuliefern – die Zusammenführung und Interpretation aber bliebe
beim Bund. Nur bei Gruppen, die nur lokal agierten, sollten die Länderbehörden
Feder führend sein. Grundvoraussetzung sei natürlich auch der Abgleich der
V-Männer zwischen den Geheimdiensten.
Der zumindest zahlenmäßige Abgleich der V–Männer ist die einzige Konsequenz aus
dem NPD-Verfahren, auf die sich die Innenminister bereits verständigt haben.
Trotz weitgehender Vorschläge – der frühere Chef des Bundesamtes und ehemalige
Berliner Innensenator Eckart Werthebach (CDU) fordert in einem Gutachten für
die Bertelsmann-Stiftung die Abschaffung der Landesbehörden – befürchtet
Körting nur geringe Veränderungsbereitschaft. „Ich fürchte, bei der üblichen
Angst von Behörden, Kompetenzen abzugeben, wird nur wieder über Kooperationen
gesprochen.“ Körting selbst will zwar nicht so weit gehen wie Werthebach,
dringt aber auf radikale Veränderungen. „Und dabei will ich auch keine
Denkverbote.“
Samstag, 26. April 2003
ROSTOCK epd Der Prozess gegen sechs jugendliche Rechtsextremisten ist gestern vor dem Landgericht Rostock mit einer Bewährungsstrafe sowie Geld- und Arbeitsstrafen für die anderen Angeklagten zu Ende gegangen. Die Jugendkammer sah es als erwiesen an, dass alle Angeklagten der Bildung einer kriminellen Vereinigung und der Sachbeschädigung sowie bis auf einen Angeklagten auch der Volksverhetzung schuldig sind. Die Urteile sind bereits rechtskräftig, da alle Beteiligten ankündigten, auf Rechtsmittel zu verzichten. Das Gericht begründete seine Urteile damit, dass die Angeklagten zwischen Oktober 2001 und März 2002 in 18 Fällen zum Teil antisemitische Parolen an verschiedene Gebäude in der Hansestadt gesprüht haben sollen. Damals waren sie zwischen 16 und 17 Jahre alt und Mitglieder des rechtsradikalen "Bundes deutscher Kameraden".
Samstag, 26. April 2003
Initiativen
rufen zu Aktionen auf |
Bunte Zeichen
gegen Neonazi-Aufmarsch |
Stadtmitte (OZ) Bunt und friedlich soll Rostock heute ein Zeichen gegen den Zug der Neonazis in der Innenstadt und deren Kundgebung auf dem Universitätsplatz setzen. Dafür engagieren sich zum Beispiel das Rostocker Friedensbündnis, der Verein „Bunt statt Braun“ und die Rostocker SPD. „Unsere Kundgebung auf dem Universitätsplatz wurde nicht genehmigt. Wir werden bis zur letzten Minute juristischen und politischen Druck ausüben“, sagt Friderike Eckhoff vom Friedensbündnis. Ein Rechtsanwalt klagt im Auftrag des Friedensbündnisses, um den Aufmarsch der Rechtsextremen zu verhindern.
„Wir verurteilen die Demo der Rechtsextremen und unterstützen den juristischen Weg, fordern aber ausdrücklich nicht zur Gegendemo auf dem Uni-Platz auf“, macht Maxi Malzahn, Vorstandsmitglied bei „Bunt statt Braun“ deutlich. Vielmehr sollen möglichst viele Rostocker ab 10 Uhr an der Friedenseiche im Rosengarten ihr Engagement für Frieden und Demokratie beweisen. Dort wird im Gedenken an die Opfer der jüngsten Kriege musiziert und für den Wiederaufbau von Schulen im irakischen Nassirija gesammelt. Um 9.30 Uhr will der Vorstand von „Bunt statt Braun“ die Skulpturen des Brunnens der Lebensfreude auf dem Uni-Platz umkleiden im Sinne der Idee des Vereins. Das mit bunten Plakaten bestückte Uni-Hauptgebäude soll die entsprechende Kulisse liefern. Togolesische Trommler sind ab 10.30 Uhr an der Marienkirche in Aktion. „Sie werden für den Frieden trommeln, bis die Glocken um 12 Uhr zum Gebet rufen“, sagt Jens Langer, Pastor der Innenstadtgemeinde.
250 bis 300 Teilnehmer haben die Neonazis angemeldet. „Die Erfahrungen zeigen, dass weniger kommen“, sagt Polizeisprecher Siegfried Tom. Rechnen müsse man in der Innenstadt auf jeden Fall mit Verkehrsbehinderungen und kurzzeitigen Straßensperrungen. Mehrere hundert Beamte werden im Einsatz sein. Mit Behinderungen rechnet auch die Straßenbahn AG, vor allem auf der Schiene und den Buslinien 24 und 25.
Oberbürgermeister Arno Pöker (SPD) verweist darauf, dass die Stadtverwaltung keine Wahl gehabt habe und ungewollte Aufmärsche hinnehmen müsse: „Treffen Sie sich ab 10 Uhr an der Friedenseiche und zeigen Sie, dass rechtsradikales Gedankengut in unserer Hansestadt keinen Platz hat“, ruft der OB auf und mahnt zu Besonnenheit und Gewaltverzicht.
Samstag, 26. April 2003
"Rechte Pöbeleien
nehmen zu"
Polizei dementiert
Ueckermünde (tho). "Rechte Pöbeleien" nehmen in Ueckermünde
wieder zu. Das sagt zumindest der PDS-Landtagsabgeordnete Gerd Walther. Für ihn
besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Abbruch des
NPD-Verbotsverfahrens und der drastischen Zunahme von Aktionen und Übergriffen
aus der rechten Szene. "Es sind mir aus den vergangenen 14 Tagen vier
Fälle bekannt, bei denen immer wieder Gäste oder Personal von Ueckermünder
Gaststätten beschimpft, bedroht, und in einem Fall sogar tätlich angegriffen
und verletzt wurden", erklärte er. Bei einem dieser Zwischenfälle sei er
selbst Zeuge gewesen. Er habe schon in der Vergangenheit mehrfach darauf hingewiesen,
dass die offensichtliche Ruhe "von Rechts" eher als taktisches
Verhalten zu werten sei. "In der Zeit des Verbotsverfahrens gegen die NPD
wollte man vor Ort so wenig wie nur möglich provozieren, um die Stimmung in der
Bevölkerung nicht zusätzlich gegen sich aufzubringen", sagte Walther.
Augenscheinlich sei in den letzten Wochen zudem die verstärkte Anbringung von
NPD-Symbolik.
Die Ueckermünder Kriminalpolizei dementiert jedoch, dass sich Vorfälle mit
Rechten wieder häufen. "Es ist richtig, dass es Schlägereien gab. Einen
Zusammenhang mit Rechten gibt es aber nach unseren Erkenntnissen nicht",
sagte ein Beamter auf Nachfrage der Haff-Zeitung. Es sei ein generelles
Problem, dass jeder, der kurze Haare trägt und sich in der Öffentlichkeit
schlägt, sofort dem rechtsradikalen Spektrum zugeordnet werde.
Der jüngste Extremismusbericht der Landesregierung geht davon aus, dass sich
der harte Kern der Neonazis im Land von 900 auf 800 Mitglieder reduziert habe.
Die Zahl der rechtsextremen Propagandadelikte sei gesunken.
Samstag,
26. April 2003
Den insgesamt zehn Angeklagten wurde vorgeworfen, zwischen Oktober 2001 und Januar 2002 Mitglied einer selbst gegründeten rechten Kameradschaft in Rostock gewesen zu sein. Einzelne Mitglieder der Gruppe hatten sich unter anderem durch das Sprühen von antisemitischen Sprüchen an Läden und der Stadthalle hervorgetan.
Im Prozess gegen sechs Mitglieder einer rechtsextremen Kameradschaft sprach das Rostocker Landgericht gestern die Urteile. Die Richter befanden alle der Bildung einer kriminellen Vereinigung für schuldig. In Tateinheit damit wurden die einzelnen Angeklagten wegen verschiedener weiterer Vergehen verurteilt. Unter anderem haben sie sich laut der Urteilsbegründung in wechselnden Besetzungen der Volksverhetzung, der Verbreitung von Propagandamitteln verfassungsfeindlicher Organisationen sowie der Sachbeschädigung strafbar gemacht.
Das Gericht folgte mit dem Strafmaß weitgehend dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Gegen den Angeklagten Roger B. setzte das Gericht die Entscheidung über eine mögliche spätere Jugendstrafe zur Bewährung aus. Außerdem muss er 500 Euro an die Begegnungsstätte für Jüdische Kultur im Max-Samuel-Haus zahlen. Das Gericht legt B. das Sprühen schlimmster antisemitischer Sprüche sowie Hakenkreuz-Schmierereien zur Last. Außerdem hätte sich der Angeklagte nach Auffassung der Richter am wenigsten von der Gruppe losgelöst und verfüge über eine "faschistische Nazieinstellung, die auf dem Weg ist, sich zu verfestigen".
Da sich die anderen fünf Angeklagten überwiegend geständig zeigten, wurden sie zu gemeinnütziger Arbeit von 50 bzw. 100 Stunden verurteilt. Zwei von ihnen müssen jeweils 250 Euro an das Max-Samuel-Haus überweisen. Außerdem muss einer der Verurteilten einen sozialen Trainingskursus absolvieren. Die Verurteilungen erfolgten ebenfalls nach dem Jugendgerichtsgesetz.
In der Urteilsbegründung zog der Vorsitzende Richter Vergleiche zu einen Prozess mit rechtsradikalem Hintergrund im Januar. Damals ging es u. a. um Brandanschläge auf einen Imbiss in Lichtenhagen. "Die Taten waren sicher von anderer Qualität", erklärte der Richter. So war bei den jetzt Verurteilten keine Gewalt im Spiel. "Gemeinsam hatten beide Taten jedoch recht dumpfe Ausländerfeindlichkeit."
Die sechs Angeklagten nahmen die Strafen noch im Gerichtssaal an. Der Prozess gegen die mutmaßliche Rädelsführerin soll kommende Woche fortgesetzt werden. Da sie hoch schwanger ist, setzte das Gericht die Verhandlung gegen sie vorerst aus. Gegen drei Angeklagte war das Verfahren bereits am Dienstag gegen die Auflage von je 50 Stunden Arbeit eingestellt worden. Ihnen wurde nur noch die Mitgliedschaft in der Gruppe vorgeworfen. ger