Mittwoch, 30. April 2003
"Jeder soll einen Besen mitbringen", sagt Marianne Suhr, Mitinitiatorin der Gegendemonstration zum NPD-Aufmarsch am 1. Mai. "Mit den Besen wollen wir symbolisch die Stadt von dem braunen Dreck säubern", kündigt die Vorsteherin der Bezirksverordneten-Versammlung Charlottenburg-Wilmersdorf an.
Dem bezirklichen Protestbündnis schlossen sich Politiker wie Petra Merkel (SPD), Stefan Liebich (PDS), Franziska Eichstädt-Bohlig (Grüne) sowie die Publizistin Lea Rosh und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DBG) an. Dieter Scholz, Berliner DGB-Chef, erinnerte daran, dass vor 70 Jahren, am 2. Mai 1933, mit der "Zerschlagung der Gewerkschaften die Demokratie in Deutschland beendet wurde."
"Wir wollen der Provokation durch die NPD mit friedlichen Mitteln begegnen und den direkten Kontakt vermeiden", so Suhr. Deshalb beginnt die Protestdemo wesentlich später. Treffpunkt ist um 13.30 Uhr auf dem Raußendorffplatz. Von dort ziehen die Demonstranten über die Preußenallee zur Abschlusskundgebung auf den Steubenplatz.
Während sich einige linke Gruppierungen dieser Aktion anschließen, beharrt die "Antifaschistische Linke" auf einer Gegenkundgebung von zehn Uhr an auf dem Theodor-Heuss-Platz. Sie plant, von dort zum Raußendorffplatz zu ziehen. Die Polizei will jedoch eine Konfrontation von Antifaschisten und NPD auf alle Fälle verhindern.
Bürgermeisterin Monika Thiemen (SPD) warnt vor gewaltsamen Aktionen. "Das widerspricht der Demonstrationsfreiheit und ist deshalb ungesetzlich. Die Polizei wird auch das Demonstrationsrecht der NPD notfalls gewährleisten müssen. Gewaltsame Auseinandersetzungen in diesem Zusammenhang würden die NPD nur aufwerten."
Mittwoch, 30. April 2003
Von Michael Behrendt
7500 Polizisten und Bundesgrenzschützer - davon 4100 Berliner - werden heute und morgen 65 Demonstrationen, Kundgebungen, Straßenfeste und politische Kundgebungen schützen. Jeder Beamte wird durchschnittlich zwischen 35 und 40 Stunden im Einsatz sein.
Mit "intelligenter Deeskalation" - sprich Zurückhaltung - will Berlins Polizei in der Walpurgisnacht und am 1. Mai Straßenschlachten verhindern. Das teilten Polizeipräsident Dieter Glietsch und seine Einsatzleiter Alfred Markowski, Chef des Führungsstabes, sowie Michael Knape, Leiter der Direktionen 6 und 7, gestern mit. Die Beamten unterstrichen ihre Entschlossenheit, bei einer drohenden Eskalation schnell und konsequent durchzugreifen.
Die Vorbereitungen für diesen Einsatz haben nach Angaben des Polizeipräsidenten bereits unmittelbar nach dem 1. Mai vergangenen Jahres begonnen. Eine Analyse habe bestätigt, dass das damalige "Konzept der ausgestreckten Hand" der richtige Weg sei. Man werde sich zurückhalten, jedoch werde es keine polizeifreien Räume geben. Die Polizei sei jederzeit in der Lage, schnell einzugreifen.
Es wurden Aufklärungsgespräche in Schulen geführt, die Polizeiführung setzt auf Vertrauensbildung durch Transparenz in der Öffentlichkeit und durch Kommunikation. Ferner hat die Polizei den Überwachungsdruck auf bekannte Steinewerfer erhöht. 170 mutmaßliche Wiederholungstäter wurden angesprochen und informiert, dass man sie "aufmerksam beobachtet". Auch sind in diesem Jahr 100 Beamte der so genannten Anti-Konfliktteams im Einsatz, um zwischen Demonstrationsteilnehmern und Polizeibeamten zu vermitteln.
Dieter Glietsch und seinem Stab liegt daran, die Rolle der Polizei bei dem Aufzug der NPD einzuordnen. Die Polizei wird "keine Rechtsextreme schützen, wohl aber den Rechtsstaat", heißt es. Linke Organisationen haben aufgerufen, sich der NPD-Demonstration am Vormittag des 1. Mai in den Weg zu stellen. Jeder habe laut Polizeiführung das gute Recht, gegen diesen Zug zu demonstrieren. Man müsse sich allerdings an das Versammlungsgesetz halten. Wer den Aufzug stoppen wolle, begehe eine Straftat, die von der Polizei verfolgt werden müsse.
Eine Polizeistudie beleuchtet, aus welchem Umfeld die Straftäter am vergangenen 1. Mai stammen. Von den 300 Festgenommenen war der Großteil unter 21 Jahre alt. 92 Prozent von ihnen waren männlich. Die Täter stammen zu 78 Prozent aus Berlin. Mit ihren Komplizen aus dem nahen Umland zusammengerechnet, handelt es sich nahezu ausschließlich um Randalierer aus der Region. 19 Prozent waren Ausländer, davon 69 Prozent Türken. 25 Prozent der 300 Straftäter haben keine Arbeit, 20 Prozent von ihnen gingen noch zur Schule. 68 Prozent der Festgenommenen sind bereits polizeibekannt, jedoch nur jeder Zehnte wegen Delikten, die vom Staatsschutz bearbeitet werden müssen.
Mittwoch, 30. April 2003
BERLIN. Familienministerin Renate Schmidt (SPD) hat vor sinkender Aufmerksamkeit für rechte Gewalt gewarnt. Es werde immer schwerer, Projekte gegen Rechtsextremismus zu unterstützen, sagte Schmidt am Dienstag bei der Vorstellung der Internet-Plattform "mut-gegen-rechte-gewalt.de". Vor allem seit den Anschlägen vom 11. September 2001 werde rechte Gewalt weniger wahrgenommen.
Mittwoch, 30. April 2003
Marlies Emmerich und Andreas Kopietz
Der
Tag der Arbeit ist in Berlin ein Tag der Demonstrationen, Kundgebungen und
Feste. Nach Angaben der Polizei sind für die Walpurgisnacht 23 und für den 1.
Mai 44 Veranstaltungen angemeldet.
Die größte Veranstaltung hat der Deutsche
Gewerkschaftsbund angemeldet. Das "Große Maifest" beginnt um 10 Uhr
mit einer Demonstration aller Einzelgewerkschaften am Brandenburger Tor. Um 11
Uhr startet ein Motorradkorso vom U-Bahnhof Ruhleben. Auf der traditionellen
Kundgebung um 11.30 Uhr vor dem Roten Rathaus sprechen unter anderen der
DGB-Landeschef Dieter Scholz sowie Rolf Steinemann von der IG BAU.
Mit einer so genannten Besen-Demonstration
wollen sich die Initiative Europa ohne Rassismus und die
Bezirksverordnetenversammlung Charlottenburg-Wilmersdorf gegen einen
NPD-Aufmarsch zur Wehr setzen. Unterstützt wird die Aktion auch von der
Publizistin Lea Rosh. Nach der NPD-Demo ist ab 13.30 Uhr vom S-Bahnhof
Heerstraße bis zum Steubenplatz eine Protestaktion unter dem Motto "Fegt
die Nazis aus der Stadt" geplant. Mit Besen soll symbolisch braunes
Gedankengut weggefegt werden. "Wir müssen fantasievoll reagieren",
sagte Lea Rosh am Dienstag.
Die Aktion wird von Kirchen, Parteien und
Gewerkschaften unterstützt. Der DGB-Landeschef Dieter Scholz erinnerte an das
Gewerkschaftsverbot der Nazis vor genau 70 Jahren. "Ein rechter Aufmarsch
kann nicht unwidersprochen hingenommen werden", sagte Scholz. Zusätzlich
sind Ladenbesitzer entlang der Route der NPD gebeten worden, ihre Geschäfte mit
Tüchern zu verhängen. Das "Bündnis gemeinsam gegen Rechts" hat
bereits ab 10 Uhr am Theodor-Heuss-Platz eine Gegenkundgebung angemeldet. Nicht
auf Besendemonstrationen dafür auf "Vermeidung braunen Mülls" setzen
dagegen radikale Gruppen wie die Antifaschistische Linke Berlins. Sie ruft dazu
auf, die NPD-Demonstration zu blockieren. "Eine Demonstration zu
verhindern wäre eine Straftat", warnte Polizeipräsident Dieter Glietsch am
Dienstag. Aufgabe der Polizei sei es nicht, Rechtsextremisten zu schützen,
sondern das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit.
Demonstrationen linker Gruppen gibt es um
15 Uhr in Kreuzberg und um 18 Uhr von Mitte nach Kreuzberg. Für 15 Uhr erwarten
die Veranstalter bis zu 15 000 Teilnehmer. Die Demo um 18 Uhr, zu der 7 000
Leute erwartet werden, hat die Polizei erst nach langer Diskussion mit den
Veranstaltern genehmigt. Ursprünglich sollte der Aufzug durch Mitte verlaufen.
Erst am Dienstag genehmigte die Polizei die Route unter strengen Auflagen. So
dürfen Transparente und Plakate mit einer Gesamtlänge von über 1,50 Metern nur
frontal zur Marschrichtung getragen werden, nicht aber längs an den
Außenseiten. Dadurch können Polizisten besser in den Demonstrationszug
vordringen, um mögliche Straftäter festzunehmen. Den Auflagen zufolge dürfen
Fahnen- und Transparentstangen nur aus Holz sein, damit sie nicht als Waffen
verwendet werden können. Bei mitgeführten Lautsprecherwagen müssen die
Demonstranten zudem einen Sicherheitsbereich von 1,50 Metern seitlich und drei
Metern nach vorn lassen.
Mittwoch, 30. April 2003
Berlin. Der Präsident des Zentralrats der Juden in
Deutschland, Paul Spiegel, hat die Wehrhaftigkeit der Juden in aller Welt
betont. „Jede Zeit, jede Bedrohung verlangt ihre Form der Bekämpfung. Dieser
ist eines stets gemeinsam: der Widerstand, der Widerspruch, lautstark und
deutlich, ohne Kompromisse", sagte Spiegel am Dienstag in Berlin
anlässlich des 60. Jahrestages des Aufstandes im Warschauer Ghetto. An der
Veranstaltung nahmen auch Außenminister Joschka Fischer, Familienministerin
Renate Schmidt und Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit teil.
Zu den Lehren aus dem Kampf gegen die deutschen Besatzer im Jahr 1943 gehöre,
dass jedes Schweigen, jedes Zurückweichen vor Angriffen gegen Juden einen
Verrat an den Aufständischen von damals bedeuten würde, sagte Spiegel weiter.
„Indem wir uns nie wieder freiwillig belästigen, benachteiligen, beleidigen,
angreifen, prügeln, vertreiben, töten, vergasen lassen, beweisen wir der Welt,
dass wir Juden sind und das Erbe unserer Vorfahren weiterhin wie eine
leuchtende Fackel vor uns hertragen.“
Spiegel warnte in seiner Gedenkrede davor, die gegenwärtigen Lebensumstände für
Juden in Europa schlecht zu reden. Der 65-Jährige wies aber auch darauf hin,
dass ein Anwachsen antisemitischer Übergriffe zu verzeichnen sei. „Wir müssen
zusehen, wie sich immer mehr antijüdisches Gedankengut in der Mitte der
Gesellschaften breit machen darf und kann." Er kritisierte in diesem
Zusammenhang „Politiker, die immer wieder abwiegeln, die die Gefahr schönreden
wollen, die den Mund halten“. Noch nie seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges
fühlten sich Juden in Europa seiner Ansicht nach so verunsichert.
Der Zentralratspräsident wandte sich erneut gegen „von Unkenntnis zeugende
Vergleiche" zwischen der Vergangenheit und der Gegenwart. „Es gibt nichts,
was ein palästinensischer Selbstmordattentäter mit einem kämpfenden Juden im
Ghetto gemein hat. Der eine wirft sein Leben weg, der andere kämpft um sein
Leben, um sein Recht als freier Mensch." Ein grundlegender Unterschied
zwischen beiden sei auch die Hoffnung. „So trostlos die Situation des
palästinensischen Volkes sein mag, sie haben immer noch Hoffnung auf ein
besseres Leben, selbst wenn dieses Leben erst eines Tages, in ferner Zukunft
sein mag." Die Juden in Warschau hätten diese Aussicht schon längst vor
ihrem Aufstand nicht mehr gehabt, erklärte Spiegel weiter. Christian Böhme
Mittwoch, 30. April 2003
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PDS-Abend mit Prof. Dr. Fink am 5. Mai Greiz (OTZ). Der Ortsvorstand und die Stadtratsfraktion der PDS Greiz laden alle Interessenten für Montag, den 5. Mai, um 19 Uhr zu einem interessanten Abend mit Prof. Dr. Heinrich Fink in den Weißen Saal des Unteren Schlosses ein. Als Professor Fink - Bundestagsabgeordneter, Universitätsprofessor und Theologe - vor einem knappen Jahr die Veranstaltung "Fundamentalismus im Christentum und im Islam" bestritt, kündigte er bereits ein Wiedersehen zum Thema "Die Wurzeln des Antisemitismus und seine sozialökonomischen Folgen" an. Dies wird nun Wirklichkeit. Was ist eigentlich Antisemitismus, gibt es Unterschiede zu Antijudaismus, Antizionismus und Antiamerikanismus? Wenn ja, wo? Wo liegen die Ursachen des Antisemitismus, wofür wurde er benutzt und welche Folgen hat er ausgelöst? Die Besucher können sich auf einen Streifzug durch die Geschichte mit Professor Fink freuen, der wie kein anderer von Geburt an durch die Religionen und Kulturen wanderte, der auch über familiäre Beziehungen in den Nahen Osten verfügt und dessen durch die Theologie geprägter Lebensweg ihn schließlich zum Amt des Dekans der theologischen Fakultät und zum Rektor der Humboldt-Universität Berlin (1990 bis 1992) führte. Sein Engagement zur Wendezeit, seine Initiative für die Erfurter Erklärung, sein Wirken als Vorsitzender der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschisten, und nicht zuletzt die Moderation des "Irakfriedenskreises" zeichnen ihn als kompetenten Gesprächspartner zu diesem Problemfeld aus. |
Mittwoch, 30. April 2003
Rechte
kämpfen am 1. Mai |
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Aktionsbündnis ruft zu
massenhaftem Protest gegen geplanten Neonaziaufmarsch in Frankfurt/Main auf |
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Ausgerechnet
vor dem 70. Jahrestag des faschistischen Sturms auf die Gewerkschaftshäuser am
2.Mai 1933 werden auch dieses Jahr wieder in mehreren Städten Neonazis
demonstrieren. Am morgigen 1. Mai werden sie vorgeblich für die Interessen
des »kleinen Mannes« auf die Straße gehen, gegen Globalisierung und
»imperialistischen Krieg«. Und sie werden wieder einmal »Arbeit zuerst für
Deutsche« fordern. In Berlin, Frankfurt am Main, Dresden und Halle wollen
sich die Rechten auf diese Weise angesichts des von SPD und Grünen geplanten
Sozialkahlschlags als wählbare Alternative präsentieren. Antifaschisten
werden versuchen, ihnen einen Strich durch die Rechnung zu machen (siehe
Termine). |
Mittwoch, 30. April 2003
Aussteigerprogramm: Neun Rechte in Sachsen kehrten Szene den Rücken
(AFP) Mit Hilfe des Aussteigerprogramms für
Rechtsextreme in Sachsen haben bisher neun Neonazis der Szene den Rücken
gekehrt. Wie das Landesamt für Verfassungsschutz am Dienstag in Dresden
mitteilte, meldeten sich seit Beginn des Programms und der Einrichtung einer
Telefon-Hotline vor zwei Jahren insgesamt 23 potenzielle Aussteiger im Alter
zwischen 17 und 56 Jahren. Die meisten potenziellen Aussteiger gehörten der
gewaltbereiten rechtsextremistischen Szene an.