Samstag, 3. Mai 2003
Potsdam. Brandenburgs Verfassungsschutz hat Schwierigkeiten bei der
Anwerbung von „V-Leuten“. Das bestätigte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am
Freitag bei der Vorstellung des jüngsten Verfassungsschutzberichtes. Ursache
sei nicht zuletzt die Enttarnung von Verfassungsschutz-Informanten wie im Fall
„Piato“, bei der V-Mann-Affäre um den Verkauf einer rechtsextremistischen
Mordaufruf-CD, aber auch im Zuge des NPD-Verbotsverfahrens. „Das schadet uns
und hat Vertrauen in die Behörde reduziert“, sagte Schönbohm. Er kritisierte
den Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der Kompetenzen des dortigen
Landesamtes an den Bundesverfassungsschutz abgeben will. Solche Vorstöße ohne
Abstimmung mit Brandenburg seien „kein Ausdruck kollegialer Zusammenarbeit“.
Auch aus fachlicher Sicht halte er nichts von der Bildung einer
zentralistischen Bundesbehörde.
Im vergangenen Jahr war der Brandenburger Verfassungsschutz ins Zwielicht
geraten, weil der V-Mann Toni S. sich an Produktion und Vertrieb einer
rechtsextremen CD mit Mordaufrufen beteiligt hatte. Schönbohm hatte damals das
Vorgehen der Berliner Sicherheitsbehörden kritisiert, weil sie ohne Abstimmung
mit Brandenburg den V-Mann verhafteten. Seitdem sei es der Behörde nicht
gelungen, neue V-Leute anzuwerben, sagte Schönbohm. Dies werde sich jedoch
ändern, da der Verfassungsschutz „in den letzten drei Monaten wieder Tritt
gefasst“ habe, sagte Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin. Brandenburg habe
ohnehin Nachholbedarf bei der Gewinnung von V-Leuten, da die Behörde in den
Jahren der SPD-Alleinregierung bis 1999 „unter weitestgehenden Verzicht auf die
Nutzung nachrichtendienstlicher Mittel“ gearbeitet habe. Wegesin betonte, dass
der Verfassungsschutz Konsequenzen aus dem Fall Toni S. gezogen habe. Das
„juristische Controlling“ bei Aktionen sei verschärft worden, um
sicherzustellen, dass V-Leute keine Straftaten begehen.
Nach dem jüngsten Verfassungsschutzbericht hat sich in Brandenburg insbesondere
die Zahl der Ausländerextremisten auf 205 (2001: 115) nahezu verdoppelt, was
auch mit der verschärften Beobachtung solcher Milieus seit dem 11. September
erklärt wird. 50 islamistische Extremisten hat die Behörde dabei im Visier. Schönbohm
warnte erneut davor, dass militante islamistische Gruppen, aber auch
Terroristen Brandenburg als Rückzugs- oder Vorbereitungsraum nutzen könnten.
„Diese Gefahr ist real und konkret.“ Das zeigte der Fall einer islamistischen
Gruppe in Cottbus, die Terror-Anschläge geplant habe. Zur rechtsextremen Szene
– neben dem Terrorismus laut Schönbohm die größte sicherheitspolitische
Herausforderung – zählt der Verfassungsschutz derzeit landesweit 1280
Aktivisten; 90 weniger als 2001. Der harte, gewaltbereite Kern umfasst 580
Personen, was gemessen an der Bevölkerung „weiterhin über dem
Bundesdurchschnitt“ liegt. Dem stehen 715 Linksextremisten gegenüber, das sind
45 mehr als im Vorjahr. Thm
Samstag,
3. Mai 2003
Ottawa (dpa). Kanada will den deutschen Neonazi Ernst
Zündel nach einem jahrelangen Rechtsstreit in die Bundesrepublik abschieben.
Das berichtete am Freitag die kanadische Zeitung „Globe and Mail“. Zündel
verbreitet seit Jahren in Schriften und im Internet Neonazi-Propaganda. In
Deutschland liegt gegen Zündel ein Haftbefehl wegen Volksverhetzung vor. Unter
Hinweis darauf hatte Zündel in Kanada um politisches Asyl nachgesucht. Nach
Angaben der deutschen Botschaft in Ottawa hat die Bundesrepublik den
kanadischen Behörden zugesichert, Zündel im Falle einer Ausweisung in Gewahrsam
zu nehmen und auch für die Kosten der Überstellung aufzukommen. Ein offizieller
Auslieferungsantrag war hingegen von Deutschland nicht gestellt worden. Um eine
weitere Verzögerung der Auslieferung Zündels durch dessen Anwälte zu
verhindern, würden die kanadischen Behörden den Deutschen in Kürze zum
„nationalen Sicherheitsrisiko“ erklären, hieß es.
Samstag,
3. Mai 2003
Potsdam - Seit der Brandenburger V-Mann Toni S. mit der Herstellung und dem Vertrieb von rechtsextremistischer Musik aufgeflogen ist, hat der märkische Verfassungsschutz ganz offensichtlich Probleme, neue Spitzel zu werben. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und der Leiter des Brandenburger Verfassungsschutzes, Heiner Wegesin, sagten gestern in Potsdam, es sei zwar kein V-Mann abgesprungen, "die Zugewinnrate war aber gleich Null".
Die V-Mann-Affäre hat auch Konsequenzen für das Verhältnis zwischen Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) zu seinen Berliner Kollegen. Brandenburg und Berlin hatten sich im Herbst vorigen Jahres gegenseitig heftige Vorwürfe gemacht. Schönbohm war unter Beschuss geraten, nachdem der Brandenburger Verfassungsschutz den Rechtsextremisten Toni S. nicht stoppte. Erst die Berliner Kollegen deckten die Aktivitäten von Toni S. auf.
Verärgert reagiert Schönbohm nun auch auf den mit Brandenburg unabgestimmten Vorschlag seines Amtskollegen Ehrhart Körting (SPD), der dafür plädiert hat, Kompetenzen auf Länderebene an das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln abzugeben. Er halte dies nicht nur für falsch, weil damit nicht mehr klar sei, wer die politische Verantwortung habe, es sei auch kurzsichtig. "Wer wirklich für die Länderfusion ist, muss sich in solch wichtigen Debatten auch absprechen."
Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für 2002 gab Schönbohm bekannt, dass sich in Brandenburg die Zahl der ausländischen Extremisten beinahe verdoppelt hat. Im vergangenen Jahr rechnete der Verfassungsschutz dem Kreis 205 Personen zu, ein Jahr zuvor waren es 115. Im Land lägen Erkenntnisse über 50 Islamisten vor.
Nach Schönbohms Angaben ist das Potenzial an Rechtsextremisten auf 1280 leicht zurückgegangen, während sich der linksextremistische Personenkreis von 670 auf 715 erhöhte. Der gewaltbereite Kern der Skinhead-Bewegung umfasse 580 Personen. Bei den Linksextremen hat die Zahl der gewaltbereiten Autonomen auf 450 Aktivisten (2000: 400) zugenommen. Ihr Schwerpunkt: Potsdam.
Samstag, 3. Mai 2003
Bettina Vestring
BERLIN,
2. Mai. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) hat schärfere
Gesetze gegen Islamisten gefordert. Beckstein sagte der Berliner Zeitung,
potenzielle Gewalttäter müssten aus Deutschland ausgewiesen werden können.
"Wer sich dazu bekennt, den Islam mit Gewalt auszudehnen, hat in unserem
Land nichts zu suchen und gehört ausgewiesen", erklärte der Minister.
Außerdem müssten die Behörden das Recht erhalten, Angaben über die
Religionszugehörigkeit zu speichern. Auch ob jemand sunnitischer oder
schiitischer Muslim sei, müsse man feststellen können.
"Es wäre eine völlige
Fehleinschätzung zu glauben, dass mit dem 11. September 2001 oder mit der
militärischen Lösung im Irak die Gefahr des islamistischen Terrorismus beendet
ist", warnte Beckstein. "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass
es fanatische, gewaltbereite Islamisten gibt, die sehr langfristig denken.
Deswegen müssen wir die Bereitschaft zu einer langfristigen Beobachtung und
Kontrolle haben."
Selbst die islamische Gemeinschaft Milli
Görüs, die nicht gewaltbereit ist, müsse auch weiterhin bundesweit vom Verfassungsschutz
beobachtet werden. Beckstein sprach sich sogar dafür aus, die Beobachtung
dieser Organisation zu intensivieren. Allerdings sei es schwierig, die
islamistische "Parallelgesellschaft" zu beobachten. "Bei
Koranschulen ist eine Überwachung praktisch überhaupt nicht möglich, schon weil
wir selbstverständlich keine Kinder als V-Leute gewinnen wollen und
können."
Er habe keinen Zweifel daran, dass Milli
Görüs Islamismus vertrete, sagte der bayerische Innenminister. Das bedeute,
dass die Organisation für den Vorrang der Scharia, des islamischen Rechts, vor
dem weltlichen Recht eintrete. Auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau
sowie die Gültigkeit der Menschenrechte würden nicht anerkannt. "Deswegen
muss uns klar sein, dass Milli Görüs nicht integrationsfreundlich ist",
erklärte Beckstein. "Sie verringert die Schwierigkeiten im Zusammenleben
von Muslimen und Deutschen nicht, sie vergrößert sie."
Der Islamischen Gemeinschaft gehören in
Deutschland schätzungsweise 40 000 Moslems türkischer Herkunft an. Die
Organisation wird seit Jahren vom Verfassungsschutz von Bund und Ländern
beobachtet, genießt aber die Sympathie der türkischen Regierung. Ende April
wurde bekannt, dass der türkische Außenminister Abdullah Gül die
Auslandsvertretungen seines Landes aufgefordert hat, die Aktivitäten von Milli
Görüs zu unterstützen und an ihren Veranstaltungen teilzunehmen. Die türkische
Regierungspartei AKP ist aus einer verbotenen islamistischen Partei entstanden.
Beckstein wies darauf hin, dass es enge
Verbindungen zwischen der AKP und Milli Görüs gebe. Rund 60 AKP-Abgeordnete
würden der Islamischen Gemeinschaft zugerechnet. "Es wäre außerordentlich
gefährlich, wenn es in der Türkei eine Hinwendung zum Islamismus gäbe",
warnte der CSU-Politiker. Dann wäre schon deswegen eine EU-Mitgliedschaft der
Türkei in den nächsten zehn Jahren nicht verantwortbar. "Ich gehe aber
nicht so weit, dass ich sage, die Türkei kann nie Mitglied werden", fügte
er hinzu.
Bei der Beobachtung von islamistischen
Gruppen funktioniere die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzämter von Bund und
Ländern deutlich besser als beispielsweise im NPD-Verbotsverfahren, berichtete
Beckstein. Bei einer Innenministerkonferenz Mitte Mai werde man aber trotzdem
darüber sprechen, welche Reformen bei den Behörden notwendig seien.
Den Vorschlag von Berlins Innensenator
Ehrhart Körting (SPD), die Befugnisse der Landesämter zu beschneiden und dem
Bundesamt für Verfassungsschutz mehr Kompetenzen zu übertragen, lehnte
Beckstein ab. Er sei für mehr Zusammenarbeit, aber nicht für die
Zentralisierung der Ämter. Bei einer Zentralbehörde sei auch die Gefahr von
Indiskretionen, wie es sie bei der NPD-Beobachtung gegeben habe, noch größer.
Eine Neuauflage des gescheiterten
NPD-Verbotsverfahrens schloss der Innenminister aus. Beim
Bundesverfassungsgericht gebe es eine Sperrminorität von Richtern, die nicht
nur das NPD-Verfahren zu Fall gebracht hätten, sondern jedes Parteienverbot
verhindern wollten. "Solange diese Sperrminorität die Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts prägt, wird es auch kein neues Verbotsverfahren
geben, weder gegen die NPD noch gegen andere Parteien", sagte er.
"Die Hürden sind extrem überhöht."
Samstag, 3. Mai 2003
Kanadas Regierung will den deutschen Neonazi und Holocaust-Leugner Ernst Zündel nach Deutschland abschieben. Gegen Zündel, der sich seit Jahren in Kanada aufhält und von dort aus Nazipropaganda verbreitet, liegt hier ein Haftbefehl wegen Volksverhetzung vor.
Samstag, 3. Mai 2003
Panzergranaten und NPD-Material bei Bundeswehrsoldaten
entdeckt
Diensdorf-Radlow
(ddp-lbg). Im Privatbungalow eines Bundeswehrsoldaten hat die Polizei scharfe
Waffen und Material der rechtsextremistischen NPD sichergestellt. Nach
Polizeiangaben vom Freitag fanden die Beamten in dem Haus in Diensdorf-Radlow
am Scharmützelsee vier scharfe Panzergranaten, drei Wurfgranatenzünder, eine
Sprenggranate sowie Infanteriemunition. Zudem seien 25 CDs mit
rechtsextremistischer Musik sowie Propagandamaterialien der NPD beschlagnahmt
worden.
Gegen das
22-jährige NPD-Mitglied im Grundwehrdienst werde wegen des Verdachts des
Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ermittelt, heißt es weiter. Die CDs
und Propagandamaterialien würden auf «strafrechtlich relevante Inhalte»
untersucht.
Die Polizei
war in den Bungalow gekommen, nachdem die Eltern am Mittwoch Anzeige wegen
eines Einbruchs in das Haus gestellt hatten, in dem der Sohn lebt. Bei einer
Durchsuchung in der Kaserne seien keine weiteren Gegenstände gefunden worden.
Samstag, 3. Mai 2003
Potsdam
Die Zahl der ausländischen Extremisten in Brandenburg hat
sich im vergangenen Jahr fast verdoppelt. Nach Erkenntnissen des
Verfassungsschutzes seien 205 Personen diesen Kreisen zuzurechnen, sagte
Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gestern bei der Vorstellung des
Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 2002.
Von
Sandra Schipp, ddp
Im
Jahr zuvor seien 115 ausländische Extremisten registriert worden. Allerdings
hänge diese Entwicklung auch damit zusammen, dass diese Szene seit den
Terroranschlägen in den USA stärker beobachtet werde.
Militante
islamistische Gruppen könnten Brandenburg als Rückzugs- oder Vorbereitungsraum
nutzen oder sich in der Mark herausbilden, warnte Schönbohm. So habe eine
islamistische Gruppe in Cottbus unter Verdacht gestanden, mit Kontaktleuten in
anderen Bundesländern Anschlagspläne zu entwickeln. Die Ermittlungen des
Generalbundesanwalts seien noch nicht abgeschlossen.
In
Brandenburg selbst habe der Verfassungsschutz Erkenntnisse über 50
extremistische Islamisten. Andere Organisationen ausländischer Extremisten
seien bislang nur schwach vertreten, allerdings mit steigender Tendenz.
Das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit warnte davor, "die Karte Ausländerextremismus zu undifferenziert" zu ziehen. Dadurch würde die in Brandenburg ohnehin latent vorhandene Fremdenfeindlichkeit verstärkt, sagte der stellvertretende Vorsitzende Detlef Baer. Diffuse Ausländerfeindlichkeit sei in den vergangenen Tagen Beweggrund für eine Reihe von brutalen Überfällen auf Ausländer gewesen.
Nach
Angaben von Schönbohm ist das Potenzial an Rechtsextremisten leicht
zurückgegangen. Danach verringerte sich ihre Anzahl gegenüber 1999 von 1370 auf
1280 Personen. Dies sei im Wesentlichen auf die Mitgliederverluste bei
rechtsextremen Parteien zurückzuführen. Der gewaltbereite Kern der
Skinheadbewegung umfasse 580 Personen. Der Rechtsextremismus bleibe neben dem
internationalen Terrorismus die größte gesellschafts- und sicherheitspolitische
Herausforderung.
Bei
den linksextremistischen Gruppen im Land beobachten die Verfassungsschützer
eine wachsende Gewaltbereitschaft. Militante Autonome verübten Brand- und
Hakenkrallenanschläge. Laut Schönbohm stieg das Potenzial des Linksextremismus
von 670 auf 715 Personen. Der größte Teil des Zuwachses gehe auf das Konto der
gewaltbereiten Autonomen.
Samstag, 3. Mai 2003
Wöbbelin Man ist ihn gewohnt, den Anblick vieler Menschen von nah und
fern, aus Kommunal- und Landespolitik, von Kirchen und anderen Einrichtungen
auf dem Gelände der Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin. Bei der gestrigen
Gedenkfeier zum
58. Jahrestag der Befreiung des KZ lag überdies ein Hauch Musik über dem Ort,
der tief zu Herzen ging.
Für einen Friedhof, auf dem hunderte Opfer des 2. Weltkrieges gebettet liegen, waren dies ungewohnte Klänge - mal leise und sanft, mal laut und aufbegehrend, immer wieder zögernd, um wieder und wieder aufzubegehren. Scheinbar unsichtbar führten sechs Klang-Performer der Europäischen Akademie der Heilenden Künste e. V. die wohl an die 150 Gäste der Gedenkfeier an Gräbern vorbei, verharrten in ihrer "Musik des Augenblicks" immer wieder unter den Baumwipfeln, um schließlich in einem Donnern das nach seiner Schändung Anfang letzten Jahres restaurierte Mahnmal zu enthüllen.
Schweigend, tief bewegt und nachdenklich ließen sich die Gäste der Gedenkfeier - darunter wenige ehemalige Häftlinge und viele ihrer Angehörigen - leiten. Sie alle einte ein gemeinsames Hoffen: Dass es gelingen möge, heutige wie nachfolgende Generationen vor rechtsextremistischem Gedankengut zu bewahren, damit sich Gewaltherrschaft und Unmenschlichkeit des 2. Weltkrieges nie wiederholen.
Angesichts rechtsextremistischer Tendenzen - die Mahnmal-Schändung in Wöbbelin ist nur ein Beispiel - reicht Hoffnung allein aber lange nicht mehr. Es ginge darum, Zeichen zu setzen, den Gedanken der Völkerverständigung, der Toleranz und den Fiedenswillens von Generation zu Generation zu bewahren, betonte Bildungsminister Prof. Hans-Robert Metelmann. Zeichen werden gesetzt: Gestern von den zahlreichen Besuchern der Gedenkveranstaltung durch ihr Bekenntnis in der Öffentlichkeit. Ein solches Zeichen will auch der Landkreis setzten, in dem er durch die Vernetzung der Kommunen die Gedenkstättenarbeit stärken will.
Fördermittel von Land und Landkreis sowie Spenden ermöglichten ein weiteres Zeichen gegen organisierten rechten Hass. Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider: "Mit der Restaurierung und heutigen Enthüllung des geschändeten Mahnmals machen wir deutlich, dass wir Missachtung von Demokratie und Unmenschlichkeit nicht dulden."
Simone Herbst
Samstag, 3. Mai 2003
Restauriertes
Mahnmal in Wöbbelin eingeweiht |
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Wöbbelin (OZ/ddp) Zum 58. Jahrestag der Befreiung
des KZ Wöbbelin ist gestern das restaurierte Mahnmal der Gedenkstätte wieder
seiner Bestimmung übergeben worden. Das Werk des Künstlers Jo Jastram, das
KZ-Häftlinge auf dem Todesmarsch zeigt, war vor einem Jahr mit Nazi-Symbolen
beschmiert und beschädigt worden. Einige Relieffiguren waren mutwillig
zerschlagen worden.
Zwar sei
Demokratie mittlerweile selbstverständlich geworden, „wir dürfen aber nicht
vergessen, dass sie auch im Alltag gelebt werden muss“, sagte Bildungsminister
Hans-Robert Metelmann (parteilos) in Wöbbelin. Missachtung von Demokratie führe
zu Missachtung der Menschenwürde, Rassenwahn und Antisemitismus.
Das KZ
Wöbbelin vor den Toren Ludwigslusts diente zum Ende des Zweiten Weltkrieges als
Auffanglager für mehrere tausend Gefangene aus 16 Nationen. Nur etwa 3500
Häftlinge überlebten, mindestens 1000 starben, ehe amerikanische Truppen das
Lager am 2. Mai 1945 befreiten. Insasse war unter anderem der bekannte
Hamburger Filmproduzent Gyula Trebitsch.
Samstag, 3. Mai 2003
Auszubildende können
Europa entdecken
Demminer Berufsschule an Projekt beteiligt
Von unserem Redaktionsmitglied
Georg Wagner
Demmin. Einmal ein Stück der weiten Welt sehen, Leben und Arbeiten in einem
fremden Land kennenlernen - was für viele Jugendliche ein Traum ist, kann für
15 Auszubildende an der Demminer Berufsschule Wirklichkeit werden. Jährlich
fünf haben die Möglichkeit, im Rahmen eines drei Jahre laufenden Projektes der
Deutschen Gesellschaft Berlin, vierwöchige Praktika im Ausland zu absolvieren.
"Azubis entdecken Europa", lautet dessen Titel und gefördert wird es
aus dem Xenos-Programm des Bundesarbeitsministeriums. Mit dem Projekt streben
die Träger einerseits eine arbeitsmarktbezogene Weiterqualifizierung von Lehrlingen
an, und andererseits sollen möglicherweise vorhandene Ausländerfeindlichkeit
oder Fremdenhass abgebaut werden. Neben Pirna und Bitterfeld sei Demmin eines
von drei beruflichen Schulzentren, die daran teilnehmen, erläuterte es die
Leiterin Politische Bildung bei der Deutschen Gesellschaft, Christine Schäfer.
Im Zuge der Entwicklung der Projektidee seien viele Schulen angeschrieben
worden. "Demmin hat sehr positiv reagiert."
Teil des
Unterrichts
In seinem Verlauf setzt das Projekt auf
mehrere Standbeine. Zum einen umfasst es laut Christine Schäfer spezielle
Unterrichtseinheiten, die an der Schule in den Sozialkundeunterricht integriert
werden. Dazu kommen jährliche Aktionstage "Jugend für Demokratie und
Toleranz", Öffentlichkeitsarbeit sowie die vierwöchigen
Auslands-Aufenthalte.
Bei letzteren strebt der Träger danach, die sprachlichen Barrieren nicht allzu
hoch wachsen zu lassen. Deshalb suche man Gebiete, in denen auch deutsch
gesprochen wird. Ein wichtiger Partner sei beispielsweise Luxemburg, ebenso
gebe es Verbindungen zur deutschsprachigen Gesellschaft im östlichen Belgien.
"Das Ministerium wollte aber auch Vermittlungen ins osteuropäische
Ausland", berichtete Christine Schäfer. "Darauf haben wir
reagiert."
Frühere Kontakte des Demminer Berufsschulleiters Rolf Peters habe man genutzt,
um mit einer Schule für Technologie und Geschäftsführung im litauischen
Raseiniai in Verbindung zu treten. In dem baltischen Staat sprechen viele
Deutsch als Fremdsprache.
In Frage für ein entsprechendes Praktikum, das teilweise von der Deutschen
Gesellschaft finanziell unterstützt wird, kommen nach Auskunft von Rolf Peters
Kfz-Mechaniker und Landmaschinenmechaniker. Dabei fokussiere man auf die
Arbeitsamtsklassen, die über eine Förderung in die Lehre gekommen sind.
Unter den Beteiligten herrscht Optimismus, dass das Konzept von den Schülern
auch angenommen wird. Mit gutem Grund. Sozialkundelehrerin Annerose Elliot, die
das Projekt an der Schule betreut, hat bereits positive Erfahrungen damit
gemacht. Als sie es bei den Schülern des dritten Lehrjahrs angesprochen habe,
seien diese begeistert gewesen. "Am liebsten wären sie gleich los",
berichtete sie. Die Lehrlinge wüssten, dass man mit einem "Zettel",
mit der Bescheinigung über die entsprechende Erfahrung, in Europa Chancen habe.
"Jetzt sind sie erstmal von der Idee begeistert.
Samstag, 3. Mai 2003
Brandenburg
Kampf
gegen Rechts bleibt Schwerpunkt
Zahl ausländischer Extremisten hat sich verdoppelt
Von Bernd Baumann
Rechte Straftaten haben sich im vergangenen Jahr gegenüber 2001 von 356 auf 744
mehr als verdoppelt, teilte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gestern bei der
Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2002 mit. Darunter waren 78
Gewalttaten, zwölf mehr als 2001. Den größten Anteil stellten mit 460 die
Propagandastraftaten. 2001 wurden »nur« 97 registriert. Aus Sicht Schönbohms
handele es sich bei dem hohen Anstieg vor allem um einen statistischen Wert. So
würden – im Gegensatz zu 2001 – inzwischen etwa Hakenkreuzschmierereien in die
Gruppe der rechtsextremen Propagandadelikte eingeordnet.
Der Kampf gegen den Rechtsextremismus bleibe neben der Bekämpfung des
internationalen Terrorismus die größte gesellschafts- und sicherheitspolitische
Herausforderung, sagte Schönbohm. Das rechtsextremistische Potenzial bezifferte
er auf rund 1280 Personen. Im vorangegangenen Jahr seien es noch 1370 Neonazis
gewesen. »Der Rückgang ist vor allem die Folge von Mitgliederverlusten in den
rechten Parteien«, sagte Schönbohm. Bei den Republikanern sei die Zahl der
Mitglieder um 20 auf insgesamt 80 gesunken, bei der DVU von 270 auf 230. Die
aggressivste Partei, die NPD, habe geringfügig an Mitgliedern verloren und
zähle noch 190. Der gewaltbereite Kern der sich am Rechtsextremismus
orientierenden Skinheadbewegung verfüge trotz Fluktuation immer noch über 580
Mitglieder. In den vorangegangenen Jahren lag diese Zahl bei 600.
Eine Zunahme gibt es laut Verfassungsschutzbericht im Bereich des
Linksextremismus. Deren Anhängerzahl wird inzwischen mit 715 Personen
angegeben. 2001 waren es noch 670. Der größte Teil des Zuwachses gehe auf das
Konto der gewaltbereiten Autonomen, die um 50 auf 450 angestiegen seien.
Schönbohm warnte zugleich vor militanten islamistischen Gruppen, die Brandenburg
als Rückzugs-, Ruhe- oder Vorbereitungsraum für Terroranschläge nutzen könnten.
Der Verfassungsschutz habe Erkenntnisse über 50 in Brandenburg lebende
Islamisten. Insgesamt sei das Potenzial ausländischer Extremisten auf 205
Personen gestiegen, was eine Verdoppelung zu 2001 bedeute.
Samstag, 3. Mai 2003
Vom
Vandalenklub bis zur Symbol-Kleidung
Analyse des Rechtsextremismus in Lichtenberg
Von Hans-Jürgen Neßnau
Im Auftrag der Landeskommission Berlin gegen Gewalt erstellt das Zentrum
Demokratische Kultur (ZDK) zurzeit einen Lokalen Aktionsplan in Lichtenberg
»Für Demokratie und Toleranz – Gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit
und Antisemitismus«. Zunächst wurde eine aktuelle Analyse erarbeitet. Neben
einer umfangreichen Presse- und Datenrecherche seien seit Februar über siebzig
Interviews mit Bürgern, Initiativen und Institutionen in Lichtenberg geführt
worden, sagte ZDK-Mitarbeiter Timm Köhler dem ND. Die Ergebnisse sollen nun zur
Diskussion gestellt werden.
Der Bericht vermerkt Hinweise auf Rekrutierungsaktivitäten von NPD-Kadern unter
Jugendlichen. Die vom Verfassungsschutz observierten Kameradschaften
»Hohenschönhausen« und »Germania« seien im Bezirk seit 2002 allerdings nicht
mehr durch Aktivitäten aufgefallen. Anders verhalte es sich mit der
»Kameradschaft Tor«, die sich nach dem Frankfurter Tor benannte.
Deren Hauptprotagonisten würden in Lichtenberg-Nord wohnen. Hier seien
wiederholt Veröffentlichungen der »Autonomen Nationalisten Berlin« gefunden
worden. Dabei handelt es sich um eine im Aufbau befindliche rechtsextreme und
berlinweit agierende Struktur. Das Clubhaus der Vandalen – einer
aktionsorientierten rechtsextremistischen Kadergruppe, die Infrastruktur für
Veranstaltungen zur Verfügung stellt – befindet sich in Hohenschönhausen.
Rechtsextremes Potenzial finde sich auch direkt im Wohnumfeld vieler
Lichtenberger. So seien von Gesprächspartnern Orte und wiederholte Vorkommnisse
mit rechtsextremem Hintergrund benannt worden. Lokale mit entsprechendem
Publikum und rechtsextremer Musik wurden beschrieben. Auch Läden gehörten zur
Infrastruktur der Szene, berichtete Köhler. Der Bekleidungsladen »Kategorie C«,
der benannt ist nach der Kategorisierung von gewaltbereiten Hooligans in der
DDR, vertreibt am Hohenschönhausener Linden-Center legale Marken, die bevorzugt
von Rechtsextremen und Hooligans getragen werden. Ein anderer Laden im
Linden-Center verkaufe »Thor Steinar«, eine legale Bekleidungsmarke, die offen
mit germanischen Symbolen und Schwarz-Weiß-Rot spielt und zunehmend von Rechtsextremen
getragen wird.
Hervorgehoben wird im Bericht, dass das Wohngebiet Am Fennpfuhl zwischen 2000
und 2002 »Schauplatz für rechtsextreme Dominanzverhältnisse« wurde. Gehäuft
seien Übergriffe auf Migranten und nicht-rechte Jugendliche verübt worden. Eine
Jugendeinrichtung in Lichtenberg betreue inzwischen die rechtsextreme Gruppe,
teilte Timm Köhler mit. Dennoch gingen rechtsextreme Aktivitäten weiter. Im
Bezirksamt sei man aber gewillt und in der Lage, sich offensiv mit
rechtsextremen Strukturen auseinander zu setzen und dabei mit Zivilgesellschaft
und Fachinstitutionen eng zu kooperieren.
Am 5. Mai, 19 Uhr, wird der Bericht in Hohenschönhausen, Große-Leege-Straße
103, und am 8. Mai, 19 Uhr, im Rathaus Lichtenberg, Möllendorffstraße,
präsentiert.