Samstag, 3. Mai 2003

Mangel an V-Leuten Schönbohm stellte neuen Verfassungsschutzbericht vor

Potsdam. Brandenburgs Verfassungsschutz hat Schwierigkeiten bei der Anwerbung von „V-Leuten“. Das bestätigte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Freitag bei der Vorstellung des jüngsten Verfassungsschutzberichtes. Ursache sei nicht zuletzt die Enttarnung von Verfassungsschutz-Informanten wie im Fall „Piato“, bei der V-Mann-Affäre um den Verkauf einer rechtsextremistischen Mordaufruf-CD, aber auch im Zuge des NPD-Verbotsverfahrens. „Das schadet uns und hat Vertrauen in die Behörde reduziert“, sagte Schönbohm. Er kritisierte den Berliner Innensenator Ehrhart Körting (SPD), der Kompetenzen des dortigen Landesamtes an den Bundesverfassungsschutz abgeben will. Solche Vorstöße ohne Abstimmung mit Brandenburg seien „kein Ausdruck kollegialer Zusammenarbeit“. Auch aus fachlicher Sicht halte er nichts von der Bildung einer zentralistischen Bundesbehörde.

Im vergangenen Jahr war der Brandenburger Verfassungsschutz ins Zwielicht geraten, weil der V-Mann Toni S. sich an Produktion und Vertrieb einer rechtsextremen CD mit Mordaufrufen beteiligt hatte. Schönbohm hatte damals das Vorgehen der Berliner Sicherheitsbehörden kritisiert, weil sie ohne Abstimmung mit Brandenburg den V-Mann verhafteten. Seitdem sei es der Behörde nicht gelungen, neue V-Leute anzuwerben, sagte Schönbohm. Dies werde sich jedoch ändern, da der Verfassungsschutz „in den letzten drei Monaten wieder Tritt gefasst“ habe, sagte Verfassungsschutzchef Heiner Wegesin. Brandenburg habe ohnehin Nachholbedarf bei der Gewinnung von V-Leuten, da die Behörde in den Jahren der SPD-Alleinregierung bis 1999 „unter weitestgehenden Verzicht auf die Nutzung nachrichtendienstlicher Mittel“ gearbeitet habe. Wegesin betonte, dass der Verfassungsschutz Konsequenzen aus dem Fall Toni S. gezogen habe. Das „juristische Controlling“ bei Aktionen sei verschärft worden, um sicherzustellen, dass V-Leute keine Straftaten begehen.

Nach dem jüngsten Verfassungsschutzbericht hat sich in Brandenburg insbesondere die Zahl der Ausländerextremisten auf 205 (2001: 115) nahezu verdoppelt, was auch mit der verschärften Beobachtung solcher Milieus seit dem 11. September erklärt wird. 50 islamistische Extremisten hat die Behörde dabei im Visier. Schönbohm warnte erneut davor, dass militante islamistische Gruppen, aber auch Terroristen Brandenburg als Rückzugs- oder Vorbereitungsraum nutzen könnten. „Diese Gefahr ist real und konkret.“ Das zeigte der Fall einer islamistischen Gruppe in Cottbus, die Terror-Anschläge geplant habe. Zur rechtsextremen Szene – neben dem Terrorismus laut Schönbohm die größte sicherheitspolitische Herausforderung – zählt der Verfassungsschutz derzeit landesweit 1280 Aktivisten; 90 weniger als 2001. Der harte, gewaltbereite Kern umfasst 580 Personen, was gemessen an der Bevölkerung „weiterhin über dem Bundesdurchschnitt“ liegt. Dem stehen 715 Linksextremisten gegenüber, das sind 45 mehr als im Vorjahr. Thm

 

 

 

Samstag, 3. Mai 2003

Kanada schiebt deutschen Neonazi ab

Ottawa (dpa). Kanada will den deutschen Neonazi Ernst Zündel nach einem jahrelangen Rechtsstreit in die Bundesrepublik abschieben. Das berichtete am Freitag die kanadische Zeitung „Globe and Mail“. Zündel verbreitet seit Jahren in Schriften und im Internet Neonazi-Propaganda. In Deutschland liegt gegen Zündel ein Haftbefehl wegen Volksverhetzung vor. Unter Hinweis darauf hatte Zündel in Kanada um politisches Asyl nachgesucht. Nach Angaben der deutschen Botschaft in Ottawa hat die Bundesrepublik den kanadischen Behörden zugesichert, Zündel im Falle einer Ausweisung in Gewahrsam zu nehmen und auch für die Kosten der Überstellung aufzukommen. Ein offizieller Auslieferungsantrag war hingegen von Deutschland nicht gestellt worden. Um eine weitere Verzögerung der Auslieferung Zündels durch dessen Anwälte zu verhindern, würden die kanadischen Behörden den Deutschen in Kürze zum „nationalen Sicherheitsrisiko“ erklären, hieß es.

 

 

 

Samstag, 3. Mai 2003

Schönbohm findet keine V-Leute mehr

Potsdam - Seit der Brandenburger V-Mann Toni S. mit der Herstellung und dem Vertrieb von rechtsextremistischer Musik aufgeflogen ist, hat der märkische Verfassungsschutz ganz offensichtlich Probleme, neue Spitzel zu werben. Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und der Leiter des Brandenburger Verfassungsschutzes, Heiner Wegesin, sagten gestern in Potsdam, es sei zwar kein V-Mann abgesprungen, "die Zugewinnrate war aber gleich Null".

Die V-Mann-Affäre hat auch Konsequenzen für das Verhältnis zwischen Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) zu seinen Berliner Kollegen. Brandenburg und Berlin hatten sich im Herbst vorigen Jahres gegenseitig heftige Vorwürfe gemacht. Schönbohm war unter Beschuss geraten, nachdem der Brandenburger Verfassungsschutz den Rechtsextremisten Toni S. nicht stoppte. Erst die Berliner Kollegen deckten die Aktivitäten von Toni S. auf.

Verärgert reagiert Schönbohm nun auch auf den mit Brandenburg unabgestimmten Vorschlag seines Amtskollegen Ehrhart Körting (SPD), der dafür plädiert hat, Kompetenzen auf Länderebene an das Bundesamt für Verfassungsschutz in Köln abzugeben. Er halte dies nicht nur für falsch, weil damit nicht mehr klar sei, wer die politische Verantwortung habe, es sei auch kurzsichtig. "Wer wirklich für die Länderfusion ist, muss sich in solch wichtigen Debatten auch absprechen."

Bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für 2002 gab Schönbohm bekannt, dass sich in Brandenburg die Zahl der ausländischen Extremisten beinahe verdoppelt hat. Im vergangenen Jahr rechnete der Verfassungsschutz dem Kreis 205 Personen zu, ein Jahr zuvor waren es 115. Im Land lägen Erkenntnisse über 50 Islamisten vor.

Nach Schönbohms Angaben ist das Potenzial an Rechtsextremisten auf 1280 leicht zurückgegangen, während sich der linksextremistische Personenkreis von 670 auf 715 erhöhte. Der gewaltbereite Kern der Skinhead-Bewegung umfasse 580 Personen. Bei den Linksextremen hat die Zahl der gewaltbereiten Autonomen auf 450 Aktivisten (2000: 400) zugenommen. Ihr Schwerpunkt: Potsdam.

 

 

Samstag, 3. Mai 2003

Bayern fordert schärfere Gesetze gegen Islamisten

Innenminister Beckstein will gewaltbereite Moslems ausweisen / Kein neues NPD-Verbotsverfahren

Bettina Vestring

BERLIN, 2. Mai. Der bayerische Innenminister Günther Beckstein (CSU) hat schärfere Gesetze gegen Islamisten gefordert. Beckstein sagte der Berliner Zeitung, potenzielle Gewalttäter müssten aus Deutschland ausgewiesen werden können. "Wer sich dazu bekennt, den Islam mit Gewalt auszudehnen, hat in unserem Land nichts zu suchen und gehört ausgewiesen", erklärte der Minister. Außerdem müssten die Behörden das Recht erhalten, Angaben über die Religionszugehörigkeit zu speichern. Auch ob jemand sunnitischer oder schiitischer Muslim sei, müsse man feststellen können.

"Es wäre eine völlige Fehleinschätzung zu glauben, dass mit dem 11. September 2001 oder mit der militärischen Lösung im Irak die Gefahr des islamistischen Terrorismus beendet ist", warnte Beckstein. "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es fanatische, gewaltbereite Islamisten gibt, die sehr langfristig denken. Deswegen müssen wir die Bereitschaft zu einer langfristigen Beobachtung und Kontrolle haben."

Selbst die islamische Gemeinschaft Milli Görüs, die nicht gewaltbereit ist, müsse auch weiterhin bundesweit vom Verfassungsschutz beobachtet werden. Beckstein sprach sich sogar dafür aus, die Beobachtung dieser Organisation zu intensivieren. Allerdings sei es schwierig, die islamistische "Parallelgesellschaft" zu beobachten. "Bei Koranschulen ist eine Überwachung praktisch überhaupt nicht möglich, schon weil wir selbstverständlich keine Kinder als V-Leute gewinnen wollen und können."

Er habe keinen Zweifel daran, dass Milli Görüs Islamismus vertrete, sagte der bayerische Innenminister. Das bedeute, dass die Organisation für den Vorrang der Scharia, des islamischen Rechts, vor dem weltlichen Recht eintrete. Auch die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie die Gültigkeit der Menschenrechte würden nicht anerkannt. "Deswegen muss uns klar sein, dass Milli Görüs nicht integrationsfreundlich ist", erklärte Beckstein. "Sie verringert die Schwierigkeiten im Zusammenleben von Muslimen und Deutschen nicht, sie vergrößert sie."

Der Islamischen Gemeinschaft gehören in Deutschland schätzungsweise 40 000 Moslems türkischer Herkunft an. Die Organisation wird seit Jahren vom Verfassungsschutz von Bund und Ländern beobachtet, genießt aber die Sympathie der türkischen Regierung. Ende April wurde bekannt, dass der türkische Außenminister Abdullah Gül die Auslandsvertretungen seines Landes aufgefordert hat, die Aktivitäten von Milli Görüs zu unterstützen und an ihren Veranstaltungen teilzunehmen. Die türkische Regierungspartei AKP ist aus einer verbotenen islamistischen Partei entstanden.

Beckstein wies darauf hin, dass es enge Verbindungen zwischen der AKP und Milli Görüs gebe. Rund 60 AKP-Abgeordnete würden der Islamischen Gemeinschaft zugerechnet. "Es wäre außerordentlich gefährlich, wenn es in der Türkei eine Hinwendung zum Islamismus gäbe", warnte der CSU-Politiker. Dann wäre schon deswegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei in den nächsten zehn Jahren nicht verantwortbar. "Ich gehe aber nicht so weit, dass ich sage, die Türkei kann nie Mitglied werden", fügte er hinzu.

Bei der Beobachtung von islamistischen Gruppen funktioniere die Zusammenarbeit der Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern deutlich besser als beispielsweise im NPD-Verbotsverfahren, berichtete Beckstein. Bei einer Innenministerkonferenz Mitte Mai werde man aber trotzdem darüber sprechen, welche Reformen bei den Behörden notwendig seien.

Den Vorschlag von Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD), die Befugnisse der Landesämter zu beschneiden und dem Bundesamt für Verfassungsschutz mehr Kompetenzen zu übertragen, lehnte Beckstein ab. Er sei für mehr Zusammenarbeit, aber nicht für die Zentralisierung der Ämter. Bei einer Zentralbehörde sei auch die Gefahr von Indiskretionen, wie es sie bei der NPD-Beobachtung gegeben habe, noch größer.

Eine Neuauflage des gescheiterten NPD-Verbotsverfahrens schloss der Innenminister aus. Beim Bundesverfassungsgericht gebe es eine Sperrminorität von Richtern, die nicht nur das NPD-Verfahren zu Fall gebracht hätten, sondern jedes Parteienverbot verhindern wollten. "Solange diese Sperrminorität die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts prägt, wird es auch kein neues Verbotsverfahren geben, weder gegen die NPD noch gegen andere Parteien", sagte er. "Die Hürden sind extrem überhöht."

 

 

Samstag, 3. Mai 2003

Kanada will ausweisen

Kanadas Regierung will den deutschen Neonazi und Holocaust-Leugner Ernst Zündel nach Deutschland abschieben. Gegen Zündel, der sich seit Jahren in Kanada aufhält und von dort aus Nazipropaganda verbreitet, liegt hier ein Haftbefehl wegen Volksverhetzung vor.

 

 

Samstag, 3. Mai 2003

 

Panzergranaten und NPD-Material bei Bundeswehrsoldaten entdeckt


Diensdorf-Radlow (ddp-lbg). Im Privatbungalow eines Bundeswehrsoldaten hat die Polizei scharfe Waffen und Material der rechtsextremistischen NPD sichergestellt. Nach Polizeiangaben vom Freitag fanden die Beamten in dem Haus in Diensdorf-Radlow am Scharmützelsee vier scharfe Panzergranaten, drei Wurfgranatenzünder, eine Sprenggranate sowie Infanteriemunition. Zudem seien 25 CDs mit rechtsextremistischer Musik sowie Propagandamaterialien der NPD beschlagnahmt worden.

Gegen das 22-jährige NPD-Mitglied im Grundwehrdienst werde wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz ermittelt, heißt es weiter. Die CDs und Propagandamaterialien würden auf «strafrechtlich relevante Inhalte» untersucht.

Die Polizei war in den Bungalow gekommen, nachdem die Eltern am Mittwoch Anzeige wegen eines Einbruchs in das Haus gestellt hatten, in dem der Sohn lebt. Bei einer Durchsuchung in der Kaserne seien keine weiteren Gegenstände gefunden worden.

 

 

Samstag, 3. Mai 2003

      

Militante Gruppen unter Beobachtung

Schönbohm: Rechtsextremismus größte Herausforderung

Potsdam Die Zahl der ausländischen Extremisten in Brandenburg hat sich im vergangenen Jahr fast verdoppelt. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes seien 205 Personen diesen Kreisen zuzurechnen, sagte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gestern bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes für das Jahr 2002.

Von Sandra Schipp, ddp

Im Jahr zuvor seien 115 ausländische Extremisten registriert worden. Allerdings hänge diese Entwicklung auch damit zusammen, dass diese Szene seit den Terroranschlägen in den USA stärker beobachtet werde.

Militante islamistische Gruppen könnten Brandenburg als Rückzugs- oder Vorbereitungsraum nutzen oder sich in der Mark herausbilden, warnte Schönbohm. So habe eine islamistische Gruppe in Cottbus unter Verdacht gestanden, mit Kontaktleuten in anderen Bundesländern Anschlagspläne zu entwickeln. Die Ermittlungen des Generalbundesanwalts seien noch nicht abgeschlossen.

In Brandenburg selbst habe der Verfassungsschutz Erkenntnisse über 50 extremistische Islamisten. Andere Organisationen ausländischer Extremisten seien bislang nur schwach vertreten, allerdings mit steigender Tendenz.

Aktionsbündnis fordert Differenzierung

Das Aktionsbündnis gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit warnte davor, "die Karte Ausländerextremismus zu undifferenziert" zu ziehen. Dadurch würde die in Brandenburg ohnehin latent vorhandene Fremdenfeindlichkeit verstärkt, sagte der stellvertretende Vorsitzende Detlef Baer. Diffuse Ausländerfeindlichkeit sei in den vergangenen Tagen Beweggrund für eine Reihe von brutalen Überfällen auf Ausländer gewesen.

Nach Angaben von Schönbohm ist das Potenzial an Rechtsextremisten leicht zurückgegangen. Danach verringerte sich ihre Anzahl gegenüber 1999 von 1370 auf 1280 Personen. Dies sei im Wesentlichen auf die Mitgliederverluste bei rechtsextremen Parteien zurückzuführen. Der gewaltbereite Kern der Skinheadbewegung umfasse 580 Personen. Der Rechtsextremismus bleibe neben dem internationalen Terrorismus die größte gesellschafts- und sicherheitspolitische Herausforderung.

Bei den linksextremistischen Gruppen im Land beobachten die Verfassungsschützer eine wachsende Gewaltbereitschaft. Militante Autonome verübten Brand- und Hakenkrallenanschläge. Laut Schönbohm stieg das Potenzial des Linksextremismus von 670 auf 715 Personen. Der größte Teil des Zuwachses gehe auf das Konto der gewaltbereiten Autonomen.

 

 

Samstag, 3. Mai 2003

Leise und laute Töne gegen Hass

Restauriertes Mahnmal stand im Mittelpunkt einer bewegenden Gedenkfeier in Wobbelin

Wöbbelin Man ist ihn gewohnt, den Anblick vieler Menschen von nah und fern, aus Kommunal- und Landespolitik, von Kirchen und anderen Einrichtungen auf dem Gelände der Mahn- und Gedenkstätten Wöbbelin. Bei der gestrigen Gedenkfeier zum
58. Jahrestag der Befreiung des KZ lag überdies ein Hauch Musik über dem Ort, der tief zu Herzen ging.

Für einen Friedhof, auf dem hunderte Opfer des 2. Weltkrieges gebettet liegen, waren dies ungewohnte Klänge - mal leise und sanft, mal laut und aufbegehrend, immer wieder zögernd, um wieder und wieder aufzubegehren. Scheinbar unsichtbar führten sechs Klang-Performer der Europäischen Akademie der Heilenden Künste e. V. die wohl an die 150 Gäste der Gedenkfeier an Gräbern vorbei, verharrten in ihrer "Musik des Augenblicks" immer wieder unter den Baumwipfeln, um schließlich in einem Donnern das nach seiner Schändung Anfang letzten Jahres restaurierte Mahnmal zu enthüllen.

Schweigend, tief bewegt und nachdenklich ließen sich die Gäste der Gedenkfeier - darunter wenige ehemalige Häftlinge und viele ihrer Angehörigen - leiten. Sie alle einte ein gemeinsames Hoffen: Dass es gelingen möge, heutige wie nachfolgende Generationen vor rechtsextremistischem Gedankengut zu bewahren, damit sich Gewaltherrschaft und Unmenschlichkeit des 2. Weltkrieges nie wiederholen.

Angesichts rechtsextremistischer Tendenzen - die Mahnmal-Schändung in Wöbbelin ist nur ein Beispiel - reicht Hoffnung allein aber lange nicht mehr. Es ginge darum, Zeichen zu setzen, den Gedanken der Völkerverständigung, der Toleranz und den Fiedenswillens von Generation zu Generation zu bewahren, betonte Bildungsminister Prof. Hans-Robert Metelmann. Zeichen werden gesetzt: Gestern von den zahlreichen Besuchern der Gedenkveranstaltung durch ihr Bekenntnis in der Öffentlichkeit. Ein solches Zeichen will auch der Landkreis setzten, in dem er durch die Vernetzung der Kommunen die Gedenkstättenarbeit stärken will.

Fördermittel von Land und Landkreis sowie Spenden ermöglichten ein weiteres Zeichen gegen organisierten rechten Hass. Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider: "Mit der Restaurierung und heutigen Enthüllung des geschändeten Mahnmals machen wir deutlich, dass wir Missachtung von Demokratie und Unmenschlichkeit nicht dulden."

Simone Herbst

 

 

Samstag, 3. Mai 2003

Restauriertes Mahnmal in Wöbbelin eingeweiht

 

Wöbbelin (OZ/ddp) Zum 58. Jahrestag der Befreiung des KZ Wöbbelin ist gestern das restaurierte Mahnmal der Gedenkstätte wieder seiner Bestimmung übergeben worden. Das Werk des Künstlers Jo Jastram, das KZ-Häftlinge auf dem Todesmarsch zeigt, war vor einem Jahr mit Nazi-Symbolen beschmiert und beschädigt worden. Einige Relieffiguren waren mutwillig zerschlagen worden.

   Zwar sei Demokratie mittlerweile selbstverständlich geworden, „wir dürfen aber nicht vergessen, dass sie auch im Alltag gelebt werden muss“, sagte Bildungsminister Hans-Robert Metelmann (parteilos) in Wöbbelin. Missachtung von Demokratie führe zu Missachtung der Menschenwürde, Rassenwahn und Antisemitismus.

   Das KZ Wöbbelin vor den Toren Ludwigslusts diente zum Ende des Zweiten Weltkrieges als Auffanglager für mehrere tausend Gefangene aus 16 Nationen. Nur etwa 3500 Häftlinge überlebten, mindestens 1000 starben, ehe amerikanische Truppen das Lager am 2. Mai 1945 befreiten. Insasse war unter anderem der bekannte Hamburger Filmproduzent Gyula Trebitsch.

 

 

Samstag, 3. Mai 2003

 

Auszubildende können Europa entdecken

Demminer Berufsschule an Projekt beteiligt
Von unserem Redaktionsmitglied
Georg Wagner

Demmin. Einmal ein Stück der weiten Welt sehen, Leben und Arbeiten in einem fremden Land kennenlernen - was für viele Jugendliche ein Traum ist, kann für 15 Auszubildende an der Demminer Berufsschule Wirklichkeit werden. Jährlich fünf haben die Möglichkeit, im Rahmen eines drei Jahre laufenden Projektes der Deutschen Gesellschaft Berlin, vierwöchige Praktika im Ausland zu absolvieren. "Azubis entdecken Europa", lautet dessen Titel und gefördert wird es aus dem Xenos-Programm des Bundesarbeitsministeriums. Mit dem Projekt streben die Träger einerseits eine arbeitsmarktbezogene Weiterqualifizierung von Lehrlingen an, und andererseits sollen möglicherweise vorhandene Ausländerfeindlichkeit oder Fremdenhass abgebaut werden. Neben Pirna und Bitterfeld sei Demmin eines von drei beruflichen Schulzentren, die daran teilnehmen, erläuterte es die Leiterin Politische Bildung bei der Deutschen Gesellschaft, Christine Schäfer. Im Zuge der Entwicklung der Projektidee seien viele Schulen angeschrieben worden. "Demmin hat sehr positiv reagiert."

Teil des Unterrichts

In seinem Verlauf setzt das Projekt auf mehrere Standbeine. Zum einen umfasst es laut Christine Schäfer spezielle Unterrichtseinheiten, die an der Schule in den Sozialkundeunterricht integriert werden. Dazu kommen jährliche Aktionstage "Jugend für Demokratie und Toleranz", Öffentlichkeitsarbeit sowie die vierwöchigen Auslands-Aufenthalte.
Bei letzteren strebt der Träger danach, die sprachlichen Barrieren nicht allzu hoch wachsen zu lassen. Deshalb suche man Gebiete, in denen auch deutsch gesprochen wird. Ein wichtiger Partner sei beispielsweise Luxemburg, ebenso gebe es Verbindungen zur deutschsprachigen Gesellschaft im östlichen Belgien. "Das Ministerium wollte aber auch Vermittlungen ins osteuropäische Ausland", berichtete Christine Schäfer. "Darauf haben wir reagiert."
Frühere Kontakte des Demminer Berufsschulleiters Rolf Peters habe man genutzt, um mit einer Schule für Technologie und Geschäftsführung im litauischen Raseiniai in Verbindung zu treten. In dem baltischen Staat sprechen viele Deutsch als Fremdsprache.
In Frage für ein entsprechendes Praktikum, das teilweise von der Deutschen Gesellschaft finanziell unterstützt wird, kommen nach Auskunft von Rolf Peters Kfz-Mechaniker und Landmaschinenmechaniker. Dabei fokussiere man auf die Arbeitsamtsklassen, die über eine Förderung in die Lehre gekommen sind.
Unter den Beteiligten herrscht Optimismus, dass das Konzept von den Schülern auch angenommen wird. Mit gutem Grund. Sozialkundelehrerin Annerose Elliot, die das Projekt an der Schule betreut, hat bereits positive Erfahrungen damit gemacht. Als sie es bei den Schülern des dritten Lehrjahrs angesprochen habe, seien diese begeistert gewesen. "Am liebsten wären sie gleich los", berichtete sie. Die Lehrlinge wüssten, dass man mit einem "Zettel", mit der Bescheinigung über die entsprechende Erfahrung, in Europa Chancen habe. "Jetzt sind sie erstmal von der Idee begeistert.

 

 

Samstag, 3. Mai 2003

Brandenburg
Kampf gegen Rechts bleibt Schwerpunkt
Zahl ausländischer Extremisten hat sich verdoppelt 
 
Von Bernd Baumann 
 
Rechte Straftaten haben sich im vergangenen Jahr gegenüber 2001 von 356 auf 744 mehr als verdoppelt, teilte Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) gestern bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes 2002 mit. Darunter waren 78 Gewalttaten, zwölf mehr als 2001. Den größten Anteil stellten mit 460 die Propagandastraftaten. 2001 wurden »nur« 97 registriert. Aus Sicht Schönbohms handele es sich bei dem hohen Anstieg vor allem um einen statistischen Wert. So würden – im Gegensatz zu 2001 – inzwischen etwa Hakenkreuzschmierereien in die Gruppe der rechtsextremen Propagandadelikte eingeordnet.
Der Kampf gegen den Rechtsextremismus bleibe neben der Bekämpfung des internationalen Terrorismus die größte gesellschafts- und sicherheitspolitische Herausforderung, sagte Schönbohm. Das rechtsextremistische Potenzial bezifferte er auf rund 1280 Personen. Im vorangegangenen Jahr seien es noch 1370 Neonazis gewesen. »Der Rückgang ist vor allem die Folge von Mitgliederverlusten in den rechten Parteien«, sagte Schönbohm. Bei den Republikanern sei die Zahl der Mitglieder um 20 auf insgesamt 80 gesunken, bei der DVU von 270 auf 230. Die aggressivste Partei, die NPD, habe geringfügig an Mitgliedern verloren und zähle noch 190. Der gewaltbereite Kern der sich am Rechtsextremismus orientierenden Skinheadbewegung verfüge trotz Fluktuation immer noch über 580 Mitglieder. In den vorangegangenen Jahren lag diese Zahl bei 600.
Eine Zunahme gibt es laut Verfassungsschutzbericht im Bereich des Linksextremismus. Deren Anhängerzahl wird inzwischen mit 715 Personen angegeben. 2001 waren es noch 670. Der größte Teil des Zuwachses gehe auf das Konto der gewaltbereiten Autonomen, die um 50 auf 450 angestiegen seien.
Schönbohm warnte zugleich vor militanten islamistischen Gruppen, die Brandenburg als Rückzugs-, Ruhe- oder Vorbereitungsraum für Terroranschläge nutzen könnten. Der Verfassungsschutz habe Erkenntnisse über 50 in Brandenburg lebende Islamisten. Insgesamt sei das Potenzial ausländischer Extremisten auf 205 Personen gestiegen, was eine Verdoppelung zu 2001 bedeute.

 

 

 

Samstag, 3. Mai 2003

Vom Vandalenklub bis zur Symbol-Kleidung
Analyse des Rechtsextremismus in Lichtenberg 
 
Von Hans-Jürgen Neßnau 
 
Im Auftrag der Landeskommission Berlin gegen Gewalt erstellt das Zentrum Demokratische Kultur (ZDK) zurzeit einen Lokalen Aktionsplan in Lichtenberg »Für Demokratie und Toleranz – Gegen Rechtsextremismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus«. Zunächst wurde eine aktuelle Analyse erarbeitet. Neben einer umfangreichen Presse- und Datenrecherche seien seit Februar über siebzig Interviews mit Bürgern, Initiativen und Institutionen in Lichtenberg geführt worden, sagte ZDK-Mitarbeiter Timm Köhler dem ND. Die Ergebnisse sollen nun zur Diskussion gestellt werden.
Der Bericht vermerkt Hinweise auf Rekrutierungsaktivitäten von NPD-Kadern unter Jugendlichen. Die vom Verfassungsschutz observierten Kameradschaften »Hohenschönhausen« und »Germania« seien im Bezirk seit 2002 allerdings nicht mehr durch Aktivitäten aufgefallen. Anders verhalte es sich mit der »Kameradschaft Tor«, die sich nach dem Frankfurter Tor benannte.
Deren Hauptprotagonisten würden in Lichtenberg-Nord wohnen. Hier seien wiederholt Veröffentlichungen der »Autonomen Nationalisten Berlin« gefunden worden. Dabei handelt es sich um eine im Aufbau befindliche rechtsextreme und berlinweit agierende Struktur. Das Clubhaus der Vandalen – einer aktionsorientierten rechtsextremistischen Kadergruppe, die Infrastruktur für Veranstaltungen zur Verfügung stellt – befindet sich in Hohenschönhausen.
Rechtsextremes Potenzial finde sich auch direkt im Wohnumfeld vieler Lichtenberger. So seien von Gesprächspartnern Orte und wiederholte Vorkommnisse mit rechtsextremem Hintergrund benannt worden. Lokale mit entsprechendem Publikum und rechtsextremer Musik wurden beschrieben. Auch Läden gehörten zur Infrastruktur der Szene, berichtete Köhler. Der Bekleidungsladen »Kategorie C«, der benannt ist nach der Kategorisierung von gewaltbereiten Hooligans in der DDR, vertreibt am Hohenschönhausener Linden-Center legale Marken, die bevorzugt von Rechtsextremen und Hooligans getragen werden. Ein anderer Laden im Linden-Center verkaufe »Thor Steinar«, eine legale Bekleidungsmarke, die offen mit germanischen Symbolen und Schwarz-Weiß-Rot spielt und zunehmend von Rechtsextremen getragen wird.
Hervorgehoben wird im Bericht, dass das Wohngebiet Am Fennpfuhl zwischen 2000 und 2002 »Schauplatz für rechtsextreme Dominanzverhältnisse« wurde. Gehäuft seien Übergriffe auf Migranten und nicht-rechte Jugendliche verübt worden. Eine Jugendeinrichtung in Lichtenberg betreue inzwischen die rechtsextreme Gruppe, teilte Timm Köhler mit. Dennoch gingen rechtsextreme Aktivitäten weiter. Im Bezirksamt sei man aber gewillt und in der Lage, sich offensiv mit rechtsextremen Strukturen auseinander zu setzen und dabei mit Zivilgesellschaft und Fachinstitutionen eng zu kooperieren.

Am 5. Mai, 19 Uhr, wird der Bericht in Hohenschönhausen, Große-Leege-Straße 103, und am 8. Mai, 19 Uhr, im Rathaus Lichtenberg, Möllendorffstraße, präsentiert.