Dienstag, 6. Mai 2003

Bildungsminister: Brandenburg ist noch kein tolerantes Land Aktionsbündnis klagt über alltäglichen Rassismus

Potsdam. Bis zu einem weltoffenen, toleranten Brandenburg ist es nach Einschätzung von Bildungsminister Steffen Reiche (SPD) noch ein langer Weg. Leider werde die Zahl der Ausländer im Land vielfach völlig überschätzt, sagte Reiche in Potsdam. Er nahm an einer Sitzung des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit teil, dem knapp 50 Organisationen angehören.

Der alltägliche Rassismus komme nach wie vor aus der Mitte der Gesellschaft, sagte der stellvertretende Vorsitzende des Aktionsbündnisses, Detlef Baer. Als Beispiel nannte er Wittstock, wo jugendliche Gewalttäter äußerlich nicht als Rechtsextreme zu erkennen waren. Sie hatten im Mai 2002 einen 24-jährigen Russlanddeutschen so brutal zusammengeschlagen, dass er später an seinen Verletzungen starb. Die Zeugen hätten dem Opfer keine Hilfe geleistet und im Prozess eine „Mauer des Schweigens“ gebildet.

Etliche Vertreter im Aktionsbündnis beklagten die Diskriminierung von Flüchtlingen. Dazu trügen die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften oder auch der Einkauf mit Gutscheinen statt Bargeld bei. Gerade ein Land mit hoher Ausländerfeindlichkeit sollte aber Flüchtlinge besser behandeln, hieß es. dpa

 

 

 

Dienstag, 6. Mai 2003

 

Aktionsbündnis will unabhängig bleiben

Wischnath bleibt trotz Krankheit Vorsitzender

bla.

POTSDAM. Die teilweise heftigen Debatten um Rolf Wischnath, den Chef des 1997 gegründeten landesweiten Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit, sind derzeit für das Bündnis kein Thema. Das sagte der stellvertretende Chef des Gremiums Detlef Baer am Monat vor dem 22. Plenum des Bündnisses in Potsdam. Wischnath, hauptberuflich evangelischer Generalsuperintendent in Cottbus, sei derzeit krank und könne seine Aufgaben nicht wahrnehmen.

"Wichtig ist jetzt die Diskussion um die Zukunft des Bündnisses", sagte Baer. Er lehnt alle Bestrebungen aus der Politik ab, das Gremium mit anderen Organisationen wie etwa dem beim Innenministerium angesiedelten Landespräventionsrat zusammenzulegen. "Der Präventionsrat kümmert sich um allgemeine Kriminalitätsvorbeugung", sagte er. Das Aktionsbündnis richte sich aber konkret gegen Fremdenfeindlichkeit und Gewalt. Zudem sei das Bündnis mit über drei Dutzend Mitgliedsorganisationen von Kirchen über Gewerkschaften bis zu lokalen Vereinen breit gefächert. "Wir sind parteipolitisch unabhängig und wollen auch weiterhin die Regierung oder Ministerien kritisieren dürfen", sagte Baer.

Wischnath bis Sommer krank

Um Rolf Wischnath hatte es im Februar Streit zwischen der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg und ihrem Mitarbeiter gegeben, weil die Kirche eine nochmalige Stasi-Überprüfung des 55-jährigen Generalsuperintendenten angestrengt hatte. Der Theologe hatte der Kirchenleitung vorgeworfen, hinter seinem Rücken deshalb Kontakt mit dem Verfassungsschutz aufgenommen zu haben. Noch bevor erklärt wurde, dass Wischnath nicht mit dem Stasi-IM "Theologe" identisch sei, hatten sich das Aktionsbündnis, aber auch Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) und Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hinter den Kirchenmann gestellt.

"Ich hoffe, dass er weiterhin unser Chef bleibt", sagte Baer. Aber darüber werde erst diskutiert, wenn Wischnath - wohl im Sommer - wieder auf seinen Posten zurückgekehrt sein wird. Baer sagte, dass unnötige Personaldebatten vom Anliegen des Bündnisses ablenken. So diskutierte das Plenum am Montag vor allem die Situation von Flüchtlingen in Brandenburg. Das Thema sei hochaktuell, nachdem bereits in zwei Fällen von der Polizei das Kirchenasyl gebrochen wurde. (bla.)

 

 

 

Dienstag, 6. Mai 2003

Zwei Gewalttaten Rechtsextremer an einem Tag

Neuruppin - Vier zwischen 19 und 22 Jahre alte Skinheads sind gestern in einem beschleunigten Verfahren zu Haftstrafen zwischen acht und zehn Monaten verurteilt worden. Allerdings auf Bewährung. Der Richter am Amtsgericht Neuruppin sah es als erwiesen an, dass die vier eindeutig "rechtsradikalen" Männer am frühen Sonntagmorgen einen in Berlin lebenden Ägypter im Zug Cottbus-Wittenberge angepöbelt und zusammengeschlagen haben. Mit den Worten "Kanake, was willst du hier", sind die Schläger auf den Mann losgegangen. Dann schlugen sie ihm mehrfach ins Gesicht und traten auf ihn ein. Der 42-jährige Ägypter erlitt nach Polizeiangaben "mittelschwere" Verletzungen und musste im Krankenhaus behandelt werden.

Auf dem Bahnhof Schönefeld ist am Sonnabendabend ein 17-jähriger Russlanddeutscher von zwei Skinheads auf die Gleise gestoßen worden und mit Fußtritten gegen den Kopf schwer verletzt worden. Der Anlass: Beim Aussteigen aus dem Zug hatte er einen seiner späteren Peiniger "gestreift". Noch ehe der sich entschuldigen konnte, schlugen die beiden Täter auf ihn ein. Sein 16-jähriger Begleiter ist von den beiden 22- und 21-jährigen Männern ebenfalls zusammengeschlagen worden. Er musste ambulant behandelt werden. Ein dritter Russlanddeutscher konnte noch fliehen. Kurz danach wurden die beiden Schläger, die mit Stahlkappenstiefeln auf ihr Opfer eingetreten hatten, gefasst. Sie sitzen seit gestern wegen gefährlicher Körperverletzung in Untersuchungshaft. Ein 15-jähriges Mädchen, das zu den beiden Schlägern gehörte, wurde bei den Eltern abgeliefert.

 

 

Dienstag, 6. Mai 2003

 

Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus warnt vor Rassismus
Sorge vor der NPD

POTSDAM Bis zu einem weltoffenen, toleranten Brandenburg ist es nach Einschätzung von Bildungsminister Steffen Reiche (SPD) noch ein langer Weg. Leider werde die Zahl der Ausländer im Land vielfach völlig überschätzt, sagte Reiche gestern in Potsdam. Er nahm an einer Plenumsitzung des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit teil, dem 50 Organisationen und gesellschaftliche Gruppierungen angehören.

Der alltägliche Rassismus komme nach wie vor aus der Mitte der Gesellschaft, sagte der Vize-Vorsitzende des Aktionsbündnisses, Detlef Baer. Als Beispiel nannte er Wittstock, wo jugendliche Gewalttäter äußerlich nicht als Rechtsextreme zu erkennen waren. Sie hatten im Mai 2002 einen 24-jährigen Russlanddeutschen so brutal geschlagen und getreten, dass er später an seinen Verletzungen starb.

Bei den Angreifern handelte es sich um intelligente, sozial angepasste Menschen, zitierte Baer das Landgericht Neuruppin. Die im Prozess auftretenden Zeugen hätten dem Opfer keine Hilfe geleistet und eine "Mauer des Schweigens" gebildet. Andere ausländerfeindliche Übergriffe der jüngsten Zeit in Jüterbog, Teltow, Fürstenwalde oder auch Potsdam ließen aufschrecken.

Besondere Sorge bereitet laut Baer die Teilnahme der rechtsextremen NPD an Friedensdemonstrationen während des Irak-Krieges. Die Partei wolle damit den Eindruck erwecken, dass sie die Ablehnung des Krieges durch die Bevölkerungsmehrheit teilen. Mit ihren Parolen schürten sie Antiamerikanismus und Antisemitismus. Dies sei eine neue Herausforderung in der politischen Auseinandersetzung.

Etliche Vertreter im Aktionsbündnis beklagten die Diskriminierung von Flüchtlingen. Dazu trügen die Unterbringung in Gemeinschaftsunterkünften oder der Einkauf mit Gutscheinen statt Bargeld bei. Gerade ein Land mit hoher Ausländerfeindlichkeit sollte Flüchtlinge humanitär behandeln, hieß es. "Entsetzt" äußerte sich die Vertreterin des Flüchtlingsrats über den Umgang von Behörden mit dem Kirchenasyl und forderte erneut die Einrichtung einer Härtefallkommission. dpa/MAZ

 

 

 

Dienstag, 6. Mai 2003

 

Aktionsbündnis dringt auf Bargeld statt Sachleistungen für Flüchtlinge


Potsdam (ddp-lbg). Asylbewerber sollten nach Ansicht des Brandenburger Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit Bargeld statt Sachleistungen erhalten. Die Flüchtlinge lebten häufig unter erschwerten Bedingungen, die überwiegend bundesrechtlich vorgegeben seien, sagte die stellvertretende Ausländerbeauftragte Ines Sprenger am Montag bei einer Tagung in Potsdam. Dennoch gebe es rechtliche und behördliche Spielräume. Diese sollten vom Land und den Kommunen ausgeschöpft werden.

Als Beispiele für ein «couragiertes Verhalten» von Kommunen nannte Sprenger die Initiativen von Potsdam zur Zahlung von Bargeld an alle Asylbewerber und von Cottbus zur Unterbringung der Asylsuchenden in Wohnungen statt in Sammelunterkünften. Zugleich verwies Sprenger auf weitere Einschränkungen, die die Integration von Ausländern schwierig machten. Dazu gehörten die so genannte Residenzpflicht und die Arbeitsbeschränkung.

Der staatliche Umgang mit Flüchtlingen habe Signalwirkung für Einstellungen gegenüber Fremden in der Bevölkerung, sagte Sprenger. Daher trage der Staat eine besondere Verantwortung für einen humanitären Umgang mit Flüchtlingen. Nach Angaben von Sprenger gelten etwa 8200 der rund 48 500 in Brandenburg lebenden Zuwanderer als Asylbewerber.

Der stellvertretende Vorsitzende des Aktionsbündnisses, Detlef Baer, kritisierte die «mitunter inhumane Praxis bei der Abschiebung» von Flüchtlingen. Er verwies auf das jüngste Beispiel in Tröbitz, wo kurdische Eltern von ihren drei Kindern getrennt wurden. «Diese unmenschliche Aktion ist nicht dazu angetan, ein tolerantes Brandenburg zu präsentieren, sondern bestärkt unterschwellig diejenigen, die Fremdenfeindlichkeit auf ihre Fahnen geschrieben haben», betonte Baer. Mit Blick auf den Fall erneuerte das Aktionsbündnis seine Forderung an die Landesregierung nach einer Härtefallkommission.

 

 

Dienstag, 6. Mai 2003

 

Ausländerfeindlicher Angriff - Urteil im Schnellverfahren


Neuruppin (ddp-lbg). Nur einen Tag nach einem ausländerfeindlichen Angriff auf einen Ägypter sind die vier Täter am Montag vom Amtsgericht Neuruppin im beschleunigten Verfahren zu acht bis zehn Monten Bewährungsstrafe verurteilt worden. Die Urteile sind inzwischen rechtskräftig, sagten Sprecher der Staatsanwaltschaft Neuruppin und des Polizeipräsidiums Potsdam. Das Quartett sei bisher «nicht erheblich in Erscheinung getreten».

Die vier 19 bis 22 Jahre alten Täter hatten im Regionalexpress Cottbus-Wittenberge in der Nacht zu Sonntag den Ägypter beleidigt und angegriffen. Sie beschimpften den 42-Jährigen mit den Worten: «Kanake, was willst du hier». Außerdem schlugen und traten sie auf ihr Opfer ein. Der Ägypter erlitt Polizeiangaben zufolge «mittelschwere Verletzungen» und wurde zur Beobachtung in ein Krankenhaus gebracht. Er wurde inzwischen wieder entlassen.

Die vier der rechtsextremen Szene zuzurechnenden Schläger verließen den Zug am Bahnhof Breddin. Sie wurden wenige Stunden später festgenommen. Die Staatsanwaltschaft hatte die sofortige Durchführung eines beschleunigten Verfahrens beantragt.