Samstag, 10. Mai 2003

SSS war kriminelle Vereinigung

Überraschende Geständnisse im Skinhead-Prozess

Andreas Förster

BERLIN, 9. Mai. Der Dresdner Prozess gegen Mitglieder der verbotenen rechtsextremistischen Organisation "Skinheads Sächsische Schweiz" (SSS) drohte schon zu einem endlosen Mammutverfahren zu werden. Doch nach gut neun Monaten Verhandlungsdauer zeichnet sich jetzt überraschend ein schnelles Ende ab. Die Beweisaufnahme wurde von heute auf morgen abgeschlossen, am 22. Mai wollen Ankläger und Verteidiger ihre Plädoyers halten. Noch am selben Tag sollen die Urteile gegen die verbliebenen fünf der einstmals sieben Angeklagten gesprochen werden. Schon jetzt steht fest, dass alle fünf mit Bewährungsstrafen davonkommen.

Das absehbare Ende des Prozesses ist auf eine Abmachung zurückzuführen, auf die sich am Donnerstag Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung nach mehrstündiger Verhandlung geeinigt hatten. Die Vereinbarung sah umfassende Geständnisse aller Angeklagten vor; im Gegenzug machten die Ankläger erhebliche Abstriche an ihren Strafforderungen und erklärten sich mit Höchststrafen von zwei Jahren einverstanden, die zur Bewährung ausgesetzt werden können.

In ihren Geständnissen räumten die früheren SSS-Mitglieder daraufhin nicht nur ihre Beteiligung an mehreren Gewalttaten ein, sondern auch den zentralen Tatvorwurf der Anklage, die Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation. Dieses Eingeständnis ist von besonderer Bedeutung: Erstmals in der deutschen Rechtsgeschichte wird damit eine rechtsextreme Organisation vor Gericht als kriminelle Vereinigung eingestuft.

Der Dresdner Oberstaatsanwalt Jürgen Schär, der im SSS-Prozess die Anklage vertritt, ist daher mit dem Ausgang des Verfahrens auch besonders zufrieden. "Ich habe von Anfang an gesagt, dass es uns weniger um die Strafhöhe geht als vielmehr um den Nachweis, dass es sich bei der SSS um eine kriminelle Vereinigung gehandelt hat", sagte Schär der Berliner Zeitung. Er sei zwar sicher, dass auch ohne die Einigung mit den Angeklagten dieser Nachweis gelungen wäre. "Auf diese Weise aber kürzen wir das Verfahren entscheidend ab und kommen schnell zu einem rechtskräftigen Urteil", sagte er. Dies werde auch die noch anstehenden Verfahren gegen weitere SSS-Mitglieder erheblich beschleunigen.

 

 

Samstag, 10. Mai 2003

Sieben Angeklagte

Ursprünglich waren in dem Dresdner Prozess sieben Mitglieder der verbotenen SSS angeklagt. Das Verfahren gegen den einzigen bislang Geständigen wurde schon vor Wochen ab- getrennt. Der junge Mann wurde zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.

Am Donnerstag trennte das Gericht auch das Verfahren gegen einen zweiten Angeklagten ab, weil er nicht an Gewalttaten beteiligt gewesen ist, sondern nur als Kassierer von Mitgliedsbeiträgen in der SSS aktiv war. Das Verfahren gegen ihn wurde gegen eine Geldbuße über 10 000 Euro eingestellt.

 

 

Samstag, 10. Mai 2003

Haftstrafen für Brandstifter-Nazis

SCHWERIN ap Wegen des geplanten Brandanschlages auf ein Wismarer Asia-Restaurant im November 2002 hat das Landgericht Schwerin die beiden Haupttäter gestern zu Jugendhaftstrafen von zweieinhalb und dreieinhalb Jahren verurteilt. Die damals 19-jährigen Neonazis hätten sich des versuchten Mordes und der versuchten schweren Brandstiftung schuldig gemacht, hieß zu Begründung. Der dritte Angeklagte, ein 37-jähriger Gymnasiallehrer und Rechtsextremist, erhielt wegen Beihilfe ein Jahr auf Bewährung. Er hatte die Täter zum Tatort chauffiert. Die laut Gericht ausländerfeindlich motivierte Brandstiftung hatte in letzter Minute vereitelt werden können, weil ein Zeuge die Polizei alarmierte und die Täter nicht mehr dazu kamen, das bereits ausgeschüttete Benzin zu entzünden. Den Tätern sei bewusst gewesen, dass die Bewohner des Gaststättengebäudes zum Tatzeitpunkt schliefen und zu Brandopfern hätten werden können, urteilte das Gericht.

 

 

Samstag, 10. Mai 2003

Hakenkreuze plus

In Niedersachsen 2002 mehr rechtsextreme Straftaten

dpa Die Zahl rechtsextremistischer Straftaten in Niedersachsen ist 2002 im Vergleich zum Vorjahr um 190 auf 1.259 gestiegen. Dies sei vor allem auf Hakenkreuzschmierereien zurückzuführen, sagte Innenminister Uwe Schünemann (CDU) bei der Vorstellung des Verfassungsschutzberichtes. Die Delikte beim politisch motivierten Ausländerextremismus nahmen um 32 auf 46 zu. Der Anstieg erkläre sich hauptsächlich aus einem neuen Erfassungssystem, erläuterte Schünemann. Mit 323 linksextremistischen Taten gab es 140 weniger als im Vorjahr. Insgesamt gab es 2002 in Niedersachsen 1050 gewaltbereite Rechtsextremisten (2001: 1.100). Das gescheiterte NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht habe der Partei nicht mehr Mitglieder beschert: In Niedersachsen wurden 450 NPD-Mitglieder (500) registriert, in Deutschland waren es 6.100 (6.500).

 

 

Samstag, 10. Mai 2003

 

Tafel im ehemaligen KZ Sachsenhausen erinnert an inhaftierte Norweger


Oranienburg (ddp-lbg). In der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Sachsenhausen erinnert seit Freitag eine Gedenktafel an die einst dort inhaftierten Norweger. Die Tafel wurde im Beisein der norwegischen Verteidigungsministerin Kirstin Krohn enthüllt. Zudem nahmen 40 ehemalige Sachsenhausen-Häftlinge aus dem skandinavischen Land an der Zeremonie teil. Brandenburgs Kulturministerin Johanna Wanka (CDU) sagte, öffentliches Gedenken an den historischen Orten bleibe unverzichtbar, weil es zugleich eine Mahnung an künftige Generationen sei.

In dem KZ bei Oranienburg waren zwischen 1940 und 1945 rund 2500 Norweger inhaftiert. Nach Angaben des Ministeriums wurde jeder vierte in Konzentrationslagern festgehaltene Norweger für kürzere oder längere Zeit in Sachsenhausen festgehalten. Etwa 250 davon starben in der Haft.

 

 

Samstag, 10. Mai 2003

Gegen Rassismus und Gewalt

Breiter Protest gegen Naziaufmarsch

Demonstranten und Polizei werden auch an diesem Wochenende wieder das Bild der Rostocker Innenstadt bestimmen. Gegen einen Aufmarsch von Neonazis haben Oberbürgermeister Arno Pöker, das Bündnis "Bunt statt braun", Parteien, Vereine und Gewerkschaften zu einer Gegendemonstration aufgerufen. Unter dem Motto "Rostock gegen Rassismus und Gewalt" will das weltoffene und demokratische Rostock heute ab 11.00 Uhr am Doberaner Platz deutlich Farbe bekennen und der Bücherverbrennungen der Nazis vor 70 Jahren gedenken.

Anders als am 26. April ist die Hansestadt diesmal durch alle Instanzen gegangen, um den Naziaufmarsch zu verhindern oder auf einen anderen Tag zu verschieben. Das Verwaltungsgericht Schwerin gab der Beschwerde der Veranstalter gegen die Entscheidung der Stadtverwaltung statt. Der darauf erfolgte Einspruch der Stadtverwaltung beim Greifswalder Oberverwaltungsgericht wurde von diesem gestern zurückgewiesen. "Wir haben so keinerlei rechtliche Handhabe, den Naziaufmarsch zu stoppen", so Rathaussprecher Ulrich Kunze.

Das Bürgerbündnis "Bunt statt braun" regt an, auch Bestrebungen zur Wiederbelebung nationalsozialistischen Gedankengutes für verfassungswidrig zu erklären, um damit Polizei und Justiz "einen eindeutigen Verfassungsauftrag" zu geben. Schon 1994 habe die Gewerkschaft der Polizei diesen Vorschlag unterbreitet, so Katrin Schankin von "Bunt statt braun".

Innenstadt heute weiträumig umfahren

Die Polizei rät Autofahrern, die Innenstadt heute weiträumig zu umfahren. Mit Einschränkungen müsse ab 9.00 Uhr im Bereich der Kröpeliner Straße und des Neuen Marktes gerechnet werden. Mehrere hundert Polizeibeamte werden im Einsatz sein, um Sicherheit und Ordnung im gesamten Innenstadtbereich aufrecht zu erhalten, teilt Polizeihauptkommissar Siegfried Tom mit. Gegen Störer werde die Polizei konsequent vorgehen, so Tom gestern. Ab 10.00 Uhr hat die Rostocker Polizeidirektion unter 65 26 52 ein Bürgertelefon geschaltet.

 

 

 

Samstag, 10. Mai 2003

Ausländer ein Auszugsgrund?

Victor-Klemperer-Preis für Rostocker Film gegen Rassismus

Ein Fragebogen einer Rostocker Wohnungsbaugesellschaft sorgte bei Ira Leithoff (24), Antje Brachmann (25) und Uta Wolzien (21) für Fassungslosigkeit. Unter den Gründen für den Auszug war neben schlechten Einkaufsmöglichkeiten und fehlenden Parkplätzen auch die Option "zu viele Ausländer" aufgeführt. Für die drei Studentinnen ein klares Zeichen von unterschwelligem Rassismus. Was tun? Die angehenden Pädagoginnen griffen zur Videokamera, sammelten Meinungen und führten Interviews. Den entstandenen Kurzfilm reichten sie für den bundesweiten Victor-Klemperer-Jugendpreis unter dem Motto "Deutschland - was ist das?" ein - mit überwältigendem Erfolg: Diese Woche konnten die drei Rostockerinnen in Dresden den siebten Preis des Wettbewerbs aus der Hand von Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) entgegennehmen. Insgesamt wurden 10000 Beiträge eingereicht.

Der Film zeigt auf 13 Minuten ein Kontrastprogramm. Zu Bildern der weltoffenen Stadt Rostock werden drei Sichtweisen vom Stein des Anstoßes dargestellt. So interviewten die Frauen den Ausländerbeauftragten der Stadt. Außerdem einen Mann aus Togo, der über große Probleme bei der Wohnungssuche klagt, und veröffentlichten eine Stellungnahme der Wohnungsbaugesellschaft. Zu einem Interview war diese nicht bereit. "Die erste Erfolgsmeldung kam aber schon sehr schnell, denn nach unseren Anfragen zog die Gesellschaft den Fragebogen sofort zurück", erklärt Antje Brachmann. "Und kurz darauf kam dann die Mitteilung, dass wir mit dem Preis ausgezeichnet wurden."

Dass die Botschaft des Films eine schnelle Wirkung hatte, überzeugte die Jury besonders. Der Film soll nun als Anschauungsmaterial in Schulprojekten eingesetzt werden. Weitere Veröffentlichungen sind vorerst nicht geplant.

 

 

Samstag, 10. Mai 2003

 

Initiative für Schulen ohne Gewalt und Drogen

 

Projekttag am 20. Mai in der Thüringenhalle   Erfurt (OTZ/Johr). Die Thüringer Polizei bereitet einen Projekttag zum Thema "Schule machen ohne Gewalt und Drogen" vor.

Für den 20. Mai sind alle 33 Erfurter Schulen in die Thüringenhalle eingeladen, berichtete Klaus-Dieter Lenhardt, Leiter der Landesgruppe der International Police Association (IPA). Dort sollen den Mädchen und Jungen die vielfältigen Möglichkeiten der Prävention gegen Gewalt und Drogen vermittelt werden.

Die IPA engagiert sich unter anderem gemeinsam mit dem Deutschen Fußballbund für die in Hessen gegründete Initiative SMOG (Schule machen ohne Gewalt). Das Projekt, das seit 1999 besteht, will gemeinsam mit Schülern, Eltern und Lehrern für gewaltfreie Schulen sorgen. "Wir organisieren Seminare zur Konfliktbewältigung, informieren über sexuelle Gewalt oder Rassismus und können messbare Erfolge vorweisen", erklärte Vereinsvorsitzender Erwin Maisch.

Es werden bereits Überlegungen angestellt , auch in Erfurt eine SMOG-Initiative zu gründen, informierte Lenhardt. Der Projekttag ist Auftakt einer ganzen Reihe von Veranstaltungen zum Thema in allen Bundesländern.