Eine Gruppe vermutlich rechtsextremer Jugendlicher hat Donnerstagabend den PDS-Politiker Rudolf Blom, dessen Frau sowie drei Nachbarn attackiert. Die Abteilung Staatsschutz der Polizei hat die Ermittlungen übernommen, von den Tätern fehlt aber noch jede Spur.
Der Vorfall ereignete sich gegen 20.50 Uhr im Garten des Pankower Bezirksverordneten in Französisch Buchholz. Nach Angaben der Polizei tauchte ein etwa 18-jähriger, kräftig gebauter Deutscher mit sehr kurzen blonden Haaren auf dem Grundstück auf. Er habe das Ehepaar Blom und dessen Gäste beschimpft.
Auslöser sei vermutlich ein im Garten aufgestellter Sonnenschirm mit PDS-Aufdruck und Emblemen gewesen. Den weiteren Angaben zufolge kam es schließlich zu Handgreiflichkeiten, bei denen ein 32-Jähriger einen Faustschlag ins Gesicht erhielt, durch den er leicht verletzt wurde.
Dann flüchtete der Täter zusammen mit einem ebenfalls unbekannten Begleiter. Nachdem die Polizei eine Anzeige aufgenommen und das Grundstück verlassen hatte, tauchte der Täter in Begleitung von drei oder vier anderen jungen Männern erneut auf. Die Unbekannten skandierten ausländerfeindliche Sprüche und schleuderten einen Stein gegen das Haus des Bezirkspolitikers, wodurch eine Scheibe beschädigt wurde. Anschließend sind die Jugendlichen unerkannt entkommen.
Rudolf Blom ist überzeugt, dass die Angreifer der NPD zuzurechnen sind. Er will zwei der Täter vom Sehen kennen, weiß aber nicht ihre Namen. Die Polizei wird ihm nun Fotos von rechtsextremistischen Straftätern vorlegen und hofft, dass er die Angreifer darauf identifizieren kann.
Samstag, 31. Mai 2003
Als Barbara John ihr Amt 1981 antrat, wollte sie vor allem eines: "Die Integration und das friedfertige Zusammenleben so voran bringen, dass das Amt bald überflüssig wird." Heute, nach knapp 22 Jahren Amtszeit lächelt die erste und dienstälteste Ausländerbeauftragte der Republik über ihre eigene "Naivität", mit der Überzeugung, dass "Integration eine Jahrhundertaufgabe ist".
Mit der Art und Weise, wie sie ihr Amt führte, als Moderatorin hat sie bundesweit Maßstäbe gesetzt. Auch wenn sie zu Beginn sowohl von links als auch aus den Reihen der eigenen Partei heftige Kritik einstecken musste. "Assimilation" warf ihr die eine Seite vor, "Überfremdung" die andere. Als sie 1989 Strafanzeige wegen eines Wahlspots der "Republikaner" stellte, lastete man ihr die Wahlniederlage an und kickte sie kurzfristig aus dem Landesvorstand. 1993 war John mit eine der Ersten, die eine Debatte um die doppelte Staatsbürgerschaft einforderte.
Aufgewachsen ist die heute 65-Jährige in Kreuzberg, am Oranienplatz. Ende der 60er-Jahre trat Barbara John in die CDU ein, "aus sozialen Gründen", wie sie heute sagt. Austreten kam für sie trotz des Gegenwinds nie in Frage. Ab Juni ist die Professorin für Deutsch als Fremdsprache ehrenamtlich als Koordinatorin für Sprach- und Bildungsförderung für Migranten tätig.
Samstag, 31. Mai 2003
Heute wird die Rostocker Innenstadt zum vierten Mal innerhalb von fünf Wochen von einem Aufmarsch angereister Rechtsextremer heimgesucht. Die Vereinsvorsitzende von Bunt statt braun, Katrin Schankin, ruft deshalb alle Bürgerinnen und Bürger der Hansestadt dazu auf, wieder Flagge zu zeigen und den Aufmarsch nicht unkommentiert passieren zu lassen. "Kehren wir gemeinsam am Universitätsplatz symbolisch das braune Gedankengut aus!"
Treffpunkt für den großen Kehraus ist 15.00 Uhr in der Marienkirche. Pastor Langer wird die Versammelten begrüßen, und nach einem Gedankenaustausch zum Anlass und einer kleinen Erfrischung wird der tatkräftige Kehraus-Umzug zum Universitätsplatz ziehen.
Alle sind gebeten, einen Besen, Feger und sonstigen Reiniger sowie gern auch Rasseln oder andere Musikinstrumente mitzubringen, da es sich mit Musik bekanntlich viel besser fegen lässt. Schankin hierzu: "Lasst uns die Besen schwingen und der rechtsextremistischen Ideologie damit eine Absage erteilen!"
In Ergänzung zum bunten Kehraus startet Bunt statt braun eine Verleih-Aktion von Fahnen verschiedener Größe und sportlicher Leibchen. Sie sind mit dem bunten Schmetterling bedruckt, der die Idee "Bunt statt braun" verkörpert. Katrin Schankin: "Wir möchten mit dem Verleih der Materialien die Bürger darin unterstützen, ihre persönlichen Ablehnung des rechtsextremistischen Gedankengutes mit bunten Farben zum Ausdruck zu bringen." Auch Plakate mit der Aufschrift "Rostock gegen Rassismus und Gewalt" oder "Bunt statt braun. Rostock miteinander. Für eine friedliche, weltoffene und demokratische Gesellschaft" sowie Infos zum Weiterverteilen werden bei Bedarf vergeben. Die Geschäftsstelle von Bunt statt braun, Lange Straße 9 (Haus-eingang Storchenbar), ist heute von 10.00 bis 14.00 Uhr geöffnet, Telefon 252 35 61.
Steglitz - Im Streit um die Umbenennung der
Treitschkestraße in Steglitz haben Gegner des Straßennamens den Senat zu einem
Machtwort aufgefordert. Es sei ein "Skandal", dass die CDU im Bezirk
seit 50 Jahren eine Namensänderung verhindere und den antisemitischen
Historiker Heinrich von Treitschke verteidige, kritisierte der Geschichtsprofessor
Wolfgang Wippermann bei einer Veranstaltung auf dem Ökumenischen Kirchentag.
Treitschke dürfe als "widerlicher und wirkungsvoller Antisemit" nicht
mit einem Straßennamen geehrt werden.
Mit einer "Kirchentagsresolution"
soll Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) deshalb zum Eingreifen in
die Bezirksangelegenheit und zur Änderung des Namens in Kurt-Scharf-Straße
bewegt werden. Fälle von gesamtstädtischer Bedeutung könne der Senat an sich
ziehen, sagte der grüne Bezirksverordnete Johann Müller-Gazurek. Der
Straßenname schade dem Ansehen Berlins.
Jugendliche aus der an die Treitschkestraße
angrenzenden evangelischen Patmos-Gemeinde hatten zum zehnten Todestag des
einstigen Präses der Bekennenden Kirche und späteren Berliner Bischofs Kurt
Scharf im Jahr 2000 die Namensänderung in Kurt-Scharf-Straße vorgeschlagen. Die
Bezirksverordnetenversammlung von Zehlendorf-Steglitz hatte im Februar dieses
Jahres gegen SPD und Grüne einen Beschluss zur Beibehaltung des Namens
Treitschkestraße gefasst.
Heinrich von Treitschke gilt als
einflussreichster deutscher Historiker des 19. Jahrhunderts und war
langjähriges Mitglied des Reichstages. Mit antisemitischen Schriften wie dem
Text "Die Juden sind unser Unglück" wird Treitschke heute als
Wegbereiter des Antisemitismus insbesondere im deutschen Bürgertum bewertet.
Samstag,
31. Mai 2003
Dritter
Verhandlungstag im Potzlow-Prozess: Bekannte der Angeklagten wussten längst von
dem Verbrechen – und unternahmen nichts
Von Frank Jansen
Neuruppin. Sie ist 17, schmächtig und hat ihre schwarzen Haare auf
die Mode der Skinhead-Girls getrimmt: Zwei lange Fransen vorne links und
rechts, der Rest ist kurz. Nicole B. war mit Marco S. befreundet, einem der
drei Angeklagten im Potzlow-Prozess, und sagt am Freitag im Landgericht
Neuruppin nur widerwillig aus. Sie sei mit Marcos jüngerem Bruder Marcel in
Potzlow zu der Stelle gegangen, wo die Leiche des erschlagenen Marinus Schöberl
in einer Jauchegrube lag. „Marcel hat mit dem Fuß auf den Boden getrampelt. Ich
hab' dann wohl auf dem Oberkörper gestanden und was Hartes gefühlt.“ Richterin
Ria Becher fragt, was die Zeugin gesehen hat. Nicole B.: „Einen Fuß. Und die
Hose.“ Marcel habe zur Tat gesagt, „war ’n geiles Gefühl“. Becher will wissen,
wie sich Nicole B. gefühlt hat. Jetzt kommt die Antwort rasch: „Wie vorher
auch.“
Am dritten Tag im Prozess zum Mord an dem 16-jährigen Marinus bleibt das Klima
kalt und dumpf. Weitere Zeugen geben zu, dass sie vor der Festnahme von Marco
und Marcel S. sowie Sebastian F. von dem Verbrechen erfahren haben, das sich in
der Nacht zum 13. Juli 2002 abgespielt hat. Ein massiger Skinhead sagt, Marcel
habe im Oktober erzählt, „dass sie so einen Assi umgebracht haben“. Bei dem
Gespräch habe Marcel „lustig, locker“ gewirkt. Der Zeuge sagt, er habe nichts
geglaubt; erst beim Enschlafen „kam’s doch“. Mehr passierte nicht. Marcel S.
wurde erst im November festgenommen – als er abermals mit der Tat geprahlt
hatte.
Die männlichen Zeugen kommen offenbar straflos davon, obwohl sie den Mord nicht
anzeigten. Nicole B. sitzt schon ein, aber wegen einer anderen Tat. Sie hat,
einen Monat nach dem Mord, gemeinsam mit Marco S. in Prenzlau einen Afrikaner
attackiert. Die Haftzeit könnte sich für das Skin-Girl sogar verlängern: Die
Staatsanwaltschaft will ein Verfahren wegen des Verdachts der Falschaussage
einleiten. Denn B. streitet am Freitag Angaben ab, die sie früher bei der
Polizei unterschrieben hat. Eine weiteres Delikt kommt überraschend nicht zur
Sprache: B. hat im Januar einem Zeugen aus dem Potzlow-Verfahren Reizgas ins
Gesicht gesprüht.
Freitagnachmittag werden Zeugen gehört, die wahrscheinlich stundenlang Marinus’
Torturen miterlebt haben – und nicht eingriffen. Eine Frau und ein Mann, die
Gesichter von hartem Alkoholkonsum gezeichnet, haben in einer Wohnung mit den
drei Angeklagten und dem Opfer getrunken. Als die Skins Marinus schlugen, ihm
Schnaps bis zum Erbrechen einflößten und einer auf ihn urinierte, stellten sich
die Zeugen taub. Aus Angst, wie Monika S. weinend der Polizei gestanden hat.
Doch vor Gericht wird sie patzig, „ick hab’ Bier getrunken, det kann mir keener
verbietn“. Von den Tätlichkeiten will sie nichts mitbekommen haben. Genauso wie
der damalige Mittrinker Burkhard V. Die Staatsanwaltschaft hat die beiden wegen
unterlassener Hilfeleistung angeklagt – und will je acht Monate Haft auf
Bewährung.
Freitag, 30.05.2003
Von Rüdiger Finke
Die Mitglieder der Berliner Neonazi-Band "Landser" werden als kriminelle Vereinigung angeklagt. Erstmals stehen damit in Deutschland rechtsextremistische Musiker wegen dieses strafrechtlich schwer wiegenden Vorwurfs vor einem Gericht. Außerdem werden den vier Musikern Delikte wie Volksverhetzung und Verbreitung verfassungswidriger Propaganda vorgeworfen.
Der zweite Senat des Berliner Kammergerichts hatte den Punkt "Bildung einer kriminellen Vereinigung" in der Anklage von Generalbundesanwalt Kay Nehm zunächst mit der Begründung abgewiesen, dafür gebe es keinen hinreichenden Tatverdacht. Nehm legte dagegen jedoch Beschwerde vor dem Bundesgerichtshof (BGH) ein und setzte sich damit durch. Nach Ansicht des BGH haben die Mitglieder der Band seit zehn Jahren auf öffentliche Auftritte verzichtet und sind in den Untergrund abgetaucht, "um unbehelligt von behördlicher Verfolgung CDs mit in hohem Maße strafbaren, insbesondere volksverhetzenden und die Bundesrepublik verleumdenden Inhalten zu produzieren".
Berlin hat nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes eine "äußerst aktive rechtsextremistische Musikszene mit überregionaler Bedeutung". Unter den Gruppen wird der Band "Landser" eine herausragende Rolle zugeschrieben. Gegen deren Mitglieder hatten Beamte des Berliner Staatsschutzes mehr als ein Jahr lang ermittelt. Die "Landser"-Texte sind geprägt von "rassistischen und antisemitischen Hasstiraden. Sie rufen zu Gewalt gegen Ausländer, Juden und politisch Andersdenkende auf". Skinhead-Musik gilt als Wegbereiter für rechtsextremistische Straftaten.
Der Sänger der "Landser" ist nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes Anführer der "Kampfgemeinschaft Vandalen". Dabei handele es sich um "eine abgeschottete, fest gefügte Neonazi-Funktionärsgruppe", die in der militanten Szene als Autorität anerkannt sei. Das Clubhaus der "Vandalen" in Hohenschönhausen gilt als Zentrum und Treffpunkt neonazistischer Kader Berlins.
Potsdam - Bereits in der vergangenen Woche wurde nach Angaben des Brandenburger Bildungsministeriums in einem Potsdamer Einkaufscenter ein Stapel CDs mit rechtsradikalem Inhalt gefunden. Die CDs lagen zum kostenlosen Mitnehmen auf einer Sitzbank. Das Ministerium hat inzwischen einen Indizierungsantrag bei der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften und Medieninhalte gestellt, um den Vertrieb zu verbieten. Die zur Indizierung gestellte CD trägt den Titel "Morgenröte oder Abenddämmerung; Nationalbuch der deutschen Jugend" und verherrlicht die Ideologie des Dritten Reichs. Sie ist wie ein Geschichtsbuch aufgemacht und enthält volksverhetzende und antisemitische Parolen. Nach Angaben des Ministeriums belegt der Fund, dass Rechtsradikale sich offenbar neben dem Internet neue Vertriebswege für ihr Gedankengut suchen.
Freitag, 30.05.2003
Die Stadt Gotha zeigt sich
Gotha. (tlz) Unter dem Motto "Bunte Vielfalt statt braune Einfalt - Gotha zeigt sich" will die Gothaer Bevölkerung am heutigen Samstag ihre Ablehnung gegen das so genannte Thüringentreffen der nationalen Jugend kundtun. In der gesamten Innenstadt, vom Neu- bis zum Hauptmarkt, rund um die Augustinerkirche und am Museum der Natur werden Verbände, Vereine, Kirchen und Parteien lautstark ihre Meinung gegen Rassismus und Gewalt, Fremdenhass und Fremdenfeindlichkeit äußern.
Der PDS-Kreisvorstand und die Naturfreundejugend Gotha haben für diesen Tag zu einer friedlichen Demonstration aufgerufen. Treffpunkt ist um 11 Uhr am Coburger Platz. Ziel ist der Klosterplatz vor der Augustinerkirche, wo um 13 Uhr ein Friedensgebet stattfindet. Der Förderverein Gewerbetreibende veranstaltet auf dem oberen Hauptmarkt einen Maimarkt mit zahlreichen Ständen. Die Naturfreundejugend ist zudem mit einer Fahrzeugaktion präsent.
In Alarmbereitschaft ist indes die Polizeidirektion Gotha. Mehr als 170 Beamte werden vom Bahnhofsvorplatz bis zur Stadthalle im Einsatz sein, bestätigte am gestrigen Freitag PD-Leiter Raimond Walk. Er appellierte zugleich an die Gothaer, Besonnenheit zu zeigen. Um im Vorfeld Randale zu vermeiden, sollen die Rechtsextremisten am Gothaer Bahnhof empfangen werden. Walk: "Hier werden sie nach Waffen und rechtsextremistischen Materialien durchsucht."