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Armeegeneral a. D. Heinz Keßler (Jg. 1920) lief als Wehrmachtssoldat drei
Wochen nach dem Überfall auf die UdSSR am 22. Juni 1941 zur Roten Armee über.
Er wurde bei der Gründungskonferenz des Nationalkomitees »Freies Deutschland«
als Mitglied in das 38köpfige Nationalkomitee gewählt und u. a. als
Frontbevollmächtigter eingesetzt. 1945 nach Ostdeutschland zurückgekehrt,
gehörte er zu den Mitbegründern der Freien Deutschen Jugend. Ab 1950 in den
bewaffneten Organen der DDR tätig, zuletzt von 1985 bis 1989 als Minister für
Nationale Verteidigung
* Heinrich Graf von Einsiedel (Jg. 1921), ein Urenkel von Reichskanzler
Bismarck, geriet am 30. August 1942 als Jagdflieger bei Stalingrad in
Gefangenschaft. Er wurde auf der Gründungsversammlung des NKFD zu einem der
Vizepräsidenten des Komitees gewählt und war u. a. als Frontbevollmächtigter
eingesetzt. Nach dem Krieg als Journalist in Ostberlin tätig, siedelte er
1948 nach Westdeutschland über, wo er ebenfalls publizistisch arbeitete. Von
1994 bis 1998 war er mit PDS-Mandat Abgeordneter des Bundestages
F: Das am 12./13. Juli 1943 in Krasnogorsk bei Moskau von deutschen
Exilpolitikern, emigrierten Intellektuellen und kriegsgefangenen Soldaten,
Unteroffizieren und Offizieren der Wehrmacht gegründete Nationalkomitee
»Freies Deutschland« liegt auch sechs Jahrzehnte später einigen noch immer
schwer im Magen. Anderen gilt seine Vorgeschichte nach wie vor als
rätselhaft, weil sie die Frage für wichtig halten, von wem dazu mit welchen
Absichten gerade zu diesem Zeitpunkt die Initiative ausging. Wie hat Heinz
Keßler die Vorbereitungen auf die Gründung erlebt?
Es hat in der BRD schon immer die wildesten Spekulationen über Gründe und
Zeitpunkt gegeben. Nur das Naheliegendste, die Kriegsgefangenen als die
eigentlichen Hauptkräfte, will man nicht sehen. Mit dem Überfall der
faschistischen Wehrmacht auf die UdSSR im Juni 1941 gerieten – trotz aller
Rückzugsgefechte in den ersten Monaten – auch deutsche Soldaten in
Gefangenschaft. Von Anfang an stellten sich deutsche Emigranten zur
Verfügung, um in den Lagern Aufklärungsarbeit zu leisten: über die Hintergründe
dieses verbrecherischen Überfalls und die sich daraus ergebenden Konsequenzen
und Schlußfolgerungen. Das führte zu regen Auseinandersetzungen. So bildeten
sich Schritt für Schritt, in einer sehr oft widerspruchsvollen Entwicklung,
erste kleine antifaschistische Gruppen, die gemeinsam mit den in den Lagern
tätigen Emigranten und mit Unterstützung der politischen bzw. militärischen
Organe der Sowjetunion aktiv wurden. Ein Beispiel aus eigenem Erleben:
Nachdem ich im Sommer 1941, am 15. Juli, auf die Seite der Roten Armee
übergetreten war, kam ich einige Monate später nach Kasachstan, ins
Kriegsgefangenenlager Nr. 99 in Karaganda. Auch dort diskutierten wir über
die Entwicklung in Deutschland, über die Geschichte der Sowjetunion und die
wirklichen Gründe für diesen Raub- und Vernichtungskrieg. Bei diesen
Diskussionen wurden auch schon erste konkrete Vorstellungen geäußert, wie man
unter den gegebenen Bedingungen mithelfen kann, diesen Krieg so schnell wie
möglich zu beenden, um weitere sinnlose Menschenopfer und materielle Schäden
zu vermeiden.
F: Es gab ja bereits im Herbst 1941 eine erste entsprechende Initiative von
kriegsgefangenen Soldaten, den Appell der 158. Waren Sie daran beteiligt?
Nein, das ging von einem anderen Lager aus, dem Lager 58 in Temnikow, wo ein
»Appell an das deutsche Volk« verabschiedet und die Frage beantwortet wurde,
wie der Hitlerkrieg zu beenden ist.
F: Die damit verbundenen Diskussionen führten sicher bei etlichen Gefangenen
zum Nach- und Umdenken – nur: Gefangene muß man nicht mehr überzeugen, die
Waffen zu strecken.
Das ist richtig. Deshalb wurden Ende 1942, als es die Kriegslage erlaubte,
aus den Lagern auch einzelne Wehrmachtsangehörige delegiert, um mit Hilfe von
Flugblättern oder Lautsprechern und auch bei Einsätzen hinter der Front als
Deutsche auf die deutschen Truppen einzuwirken und sie zu bewegen, den Kampf
einzustellen und sich gefangenzugeben. So war auch ich, noch vor dem Aus für
die Paulus-Armee bei Stalingrad, im Januar 1943 bei Welikije Luki zusammen
mit Franz Gold, einem Überläufer wie ich, und Leutnant Friedrich Augustin aus
dem Offizierslager Oranki an einem solchen Einsatz beteiligt, um den dort
eingekesselten Deutschen die Kapitulation nahezulegen.
F: Im Gegensatz zu den meisten Kriegsgefangenen waren Sie ja als Soldat mit
dem festen Vorsatz an die Front gekommen, bei der erstbesten Gelegenheit
überzulaufen. Nun traf der Jungkommunist Keßler meist auf Menschen, die einst
auf der anderen Seite der Barrikade standen. Hat das die spätere
Zusammenarbeit, insbesondere mit den Offizieren, darunter auch manchen »von
und zu«, beeinflußt?
Das war sicher nicht immer einfach, es gab ja Vorbehalte von beiden Seiten.
Doch aus dem Wissen, welch ungeheuer schweren Folgen es hätte, wenn das
faschistische Deutschland und seine imperialistische Führung die
Welteroberungspläne realisieren würde, entwickelte sich beiderseits das
nötige Bewußtsein, um Vorurteile abzubauen. Die gemeinsame antifaschistische
Grundhaltung erleichterte das Aufeinanderzugehen natürlich. Doch die Klammer,
die Menschen unterschiedlichen Alters, sozialer Herkunft und
weltanschaulicher Auffassungen zusammenführte, war eben, wie in den
Dokumenten des Nationalkomitees fixiert, der Sturz Hitlers, waren die
schnellstmögliche Beendigung des Krieges und ein antifaschistisch-demokratischer
Neuanfang. Das war gewissermaßen der kleinste gemeinsame Nenner und eben doch
ein großes, gewichtiges Ziel. Nur am Rande: Viele der damaligen Mitstreiter
sind mir später gute Freunde geworden. Wie, um nur ein Beispiel zu nennen,
Generalmajor Arno von Lenski, Divisionskommandeur in Stalingrad. Auch er hat
Schritt für Schritt, über den im September 1943 entstandenen Bund Deutscher
Offiziere, sich die Ideen des Komitees zu eigen gemacht. Er brachte mir und
meinesgleichen für das, was wir schon vor der Gründung des NKFD im Sinne der
antifaschistischen Bewegung geleistet haben, großen Respekt entgegen. Und ich
hatte inzwischen ein solche Reife erreicht, daß mir klar war, daß ein solcher
Mensch längere Zeit braucht, um den wahren Charakter der faschistischen
Führung zu erkennen und sich gegen sie zu stellen. Doch er hat diesen
komplizierten Klärungsprozeß durchgemacht und seinen festen Platz in der
antifaschistischen Bewegung gefunden und sich nach der Niederlage
Hitlerdeutschlands in den Dienst des antifaschistisch-demokratischen Aufbaus
in der späteren DDR gestellt.
F: Den Wehrmachtsangehörigen in der Bewegung »Freies Deutschland« wurde nach
dem Krieg nicht nur vorgehalten, aus der Gefangenschaft heraus gar keinen
richtigen Widerstand geleistet haben zu können. Zugleich wurde ihnen – und
wird zum Teil bis heute – Verrat an ihren Kameraden vorgeworfen sowie
kommunistisch indoktriniert beziehungsweise »Handlanger Stalins« gewesen zu
sein ...
Ohne die Hilfe der KPdSU und der sowjetischen Streitkräfte wäre die Tätigkeit
des Nationalkomitees bis hin zu den Antifa-Schulen, zum Sender und zur
Zeitung »Freies Deutschland« – um auch einmal diesen Bereich zu erwähnen –
undenkbar gewesen. Wir haben, natürlich an der Seite der Sowjetunion und ihrer
Armeen, aber doch auch als Teil der weltweiten Antihitlerkoalition, einen
kleinen Beitrag dazu geleistet, Europa vom Faschismus zu befreien. In diesem
Sinne waren dann wohl auch Roosevelt oder Churchill Handlanger Stalins. Und
was heißt »kommunistisch indoktriniert«? Längst nicht jeder Angehörige der
Bewegung Freies Deutschland ist nach dem Krieg als Kommunist heimgekommen.
Das gab es natürlich auch. Doch die Wehrmachtsgeistlichen im NKFD sind auch
nach dem Krieg bei ihrer Religion geblieben; einige Generäle und viele
Offiziere fanden bei uns nach dem Krieg in anderen Parteien eine ideologische
Heimat, Daß denjenigen, die in den Westen gegangen sind, es schwergemacht
wurde, in die bürgerliche Gesellschaft integriert zu werden, hatte wohl eher
damit zu tun, daß dort die Befreiung als Katastrophe empfunden und die
»verlorenen Siege« der Wehrmacht betrauert wurden.
F: War es angesichts dessen richtig, in der DDR die führende Rolle der KPD in
der Bewegung »Freies Deutschland« hervorzuheben? Wurde den Antikommunisten im
Westen damit nicht ein Vorwand geliefert, das NKFD aus dem militärischen
Widerstand auszugrenzen?
Ich denke nicht. Es entspricht doch der historischen Wahrheit, daß sowohl in
Deutschland wie in anderen Ländern, nicht zuletzt in der Sowjetunion selbst,
die Mitglieder und Sympathisanten der kommunistischen Parteien die aktivsten
und konsequentesten Kämpfer gegen den Faschismus und auch die ersten waren,
die ihren Widerstand mit dem Leben bezahlen mußten. Die Rolle der KPD bei der
Entwicklung des NKFD richtig darzustellen, schmälert überhaupt nicht die
Verdienste jener Menschen, die aus anderen weltanschaulichen Lagern, aus
anderen sozialen Schichten kamen und aus anderen Motiven heraus in unserer
gemeinsamen Bewegung gewirkt haben. Daran ändern auch die wiederholten
Versuche nichts, die Kommunisten als Betonköpfe und Behinderer einer
demokratischen Entwicklung darzustellen, wie das heute leider manche –
Historiker und andere, die mal die rote Fahne vorangetragen haben – machen:
plötzlich die Rolle der Kommunisten ganz unter den Teppich zu kehren.
F: Doch letztlich hat das Nationalkomitee sein wichtigstes, schon im
Gründungsmanifest ausgewiesenes Ziel nicht erreicht: Hitler zu stürzen und
den Krieg zu beenden, bevor die Kämpfe, wie geschehen, auf Deutschland
übergreifen.
Ich meine, daß die Bewegung Freies Deutschland bei all ihren bescheidenen
Erfolgen doch viel dazu beigetragen hat, daß die Völker der Welt, vor allem
in den von Hitlerdeutschland okkupierten Ländern, ein Stück Überzeugung
behalten haben, daß es auch ein anderes Deutschland gibt. Das ist, glaube
ich, eines der wichtigsten Verdienste dieser Bewegung, sowohl in der UdSSR
als auch anderswo in der Welt. Ein zweites Moment war und ist der Beweis, daß
es möglich ist, parteiübergreifend antifaschistische Aktionseinheit
herzustellen und eine breite Front von Kriegsgegnern zusammenzuführen. Das
scheint mir, mit Blick auf aktuelle Erscheinungen die wichtigste Lehre zu
sein. Sei es das Aufkeimen von Neofaschismus und Rassismus hierzulande oder
die Weltsicht der US-Administration, die unbequeme Länder nach Gutdünken als
Schurkenstaaten abstempelt und diese dann mit Krieg überzieht wie in
Jugoslawien oder Irak. Die Idee, die der Bewegung »Freies Deutschland«
zugrunde lag, wird allerdings immer auf den Widerstand derer stoßen, die
Krieg nicht aus ihrem Vokabular und ihrer Politik streichen wollen und mit
wirklicher Demokratie nichts im Sinn haben. Daraus erklärt sich meiner
Meinung nach auch die Tatsache, daß die offizielle Bundesrepublik einer antifaschistisch-demokratischen
Bewegung wie der des Nationalkomitees so abwertend bis ablehnend
gegenübersteht.
***
F: Herr Einsiedel, wie haben Sie die Gründung des Nationalkomitees
wahrgenommen?
Das Komitee ist auf Anordnung von Stalin gegründet worden. Der Krieg war für
Deutschland verloren. Das war in Stalingrad deutlich geworden. Jetzt ging es
darum, diesen Krieg abzukürzen, die fürchterlichen Verbrechen und Opfer zu
minimieren. Das Nationalkomitee war ein Angebot von Stalin an die Führung der
Wehrmacht, die Konsequenzen aus dem Scheitern des Krieges gegen die
Sowjetunion zu ziehen, Hitler zu stürzen und irgendwie zu einem Status quo
ante Hitler zurück zu kehren.
F: Welchen Anteil hatten die Kriegsgefangenen an der Gründung?
Es gab Vorläufer des Nationalkomitees. Das waren Antifa-Gruppen in den
verschiedenen Lagern. Wir Kriegsgefangene, die wir eine klarere Vorstellung
von der wirklichen politischen, moralischen und militärischen Lage
Deutschlands hatten, mußten dem deutschen Volk die Augen öffnen, daß dieser
Krieg hoffnungslos verloren war. Das Ende wird der Verlust der Souveränität
auf Jahrzehnte sein. Deutschland konnte seinen Ruf nur halbwegs
wiederherstellen, wenn die Deutschen selber Hitler stürzten. Dem
Nationalkomitee wurde immer vorgeworfen, wir hätten den Teufel Hitler mit dem
Belzebub Stalin austreiben wollen. Im Gegenteil: Wir haben versucht, die
Wehrmachtsführung und das deutsche Volk zu beschwören, den Teufel selbst zu
stürzen und nicht darauf zu warten, daß irgendein Belzebub das für uns tut.
Wenn die Wehrmacht Hitler gestürzt und das Morden in den KZ beendet hätte,
dann wäre das gesamte nachhitlerische Deutschland moralisch unendlich viel
besser dagestanden, und es hätte sich unendliche Opfer erspart.
F: Die meisten Kriegsgefangenen brauchten länger zu solchen Einsichten. Sie
haben sich dagegen unmittelbar nach ihrer Gefangennahme am 4. September 1942
schon in einem Flugblatt an Ihre Kameraden im Jagdgeschwader »Udet« gewandt
und sie dazu aufgerufen, den Krieg zu beenden, da Rußland nicht zu besiegen
sei.
Bei mir war das kein plötzlicher Sinneswandel. Ich war nicht klüger, nicht
moralisch besser oder einsichtiger als alle meine Kameraden. Aber väterliche
Mentoren hatten mir schon in den ersten Kriegstagen gesagt, wir würden diesen
Krieg mit Pauken und Trompeten verlieren, und die Katastrophe würde um so
größer, je größer die Anfangserfolge sind. Nun werden Sie fragen, warum ich
dann Jagdflieger war und für Hitler sehr effektiv gekämpft habe. Ich war ein
19-, 20jähriger Lauselümmel, der sich nicht verantwortlich für das Schicksal
Deutschlands und Europas fühlte. Ich habe diesen Krieg mitgemacht, weil das
für mich ein Abenteuer war, eine Verführung. Frontsoldatentum war
Familientradition. Aber wenn vor der Gefangenschaft jemand zu mir gekommen
wäre und gesagt hätte, wir putschen gegen Hitler, dann hätte ich nur gefragt,
wann es los geht. Das wäre für mich keine Gewissensfrage gewesen.
F: Sie haben eben von Verführung gesprochen. Ihre 1950 in der BRD
erschienenen Erinnerungen nannten Sie ja auch »Tagebuch einer Versuchung«.
Damit meinten Sie aber nicht die faschistische Versuchung?
In der Kriegsgefangenschaft erschien mir der Marxismus als Ersatzreligion,
mit der man fabelhaft die Vergangenheit analysieren konnte und die eine klar
vorhersehbare und scheinbar unausweichliche Entwicklung der Dinge vorwegnahm.
So glaubte ich an diese Zwangsläufigkeit der Geschichte, daß der Kapitalismus
zum Sozialismus führen wird. Aber das habe ich eben nur eine Zeitlang
geglaubt. Die Zwangsvereinigung der SPD mit der KPD deutete in meinen Augen
an, daß in der SBZ ein Staat völlig im Stalinschen Sinne entstand.
F: War es gleichzeitig eine Distanzierung vom Nationalkomitee, als Sie 1948
in den Westen gegangen sind?
Ich habe mich nie vom Nationalkomitee distanziert. Ich bin der Bannerträger
des Nationalkomitees in Westdeutschland gewesen, und auch heute bekenne ich
mich voll dazu.
F: Hinter der Elbe wurden Sie damals sicher nicht gerade mit offenen Armen
empfangen.
Politisch war ich in der Bundesrepublik faktisch tot. Man gab mir die
Mitschuld am Tode von bis zu einer Million Kriegsgefangenen, die in
russischer Hand gestorben sind. Als ob wir für das Schicksal der
Kriegsgefangenen verantwortlich gewesen wären! Es sind über zwei Millionen
russischer Kriegsgefangener in deutscher Hand umgekommen. Aber fest steht: So
lange das Nationalkomitee da war, ging es den Gefangenen sehr viel besser als
vorher, weil die Sowjetunion ein Interesse daran hatte, daß diese Gefangenen
ihre Stimme erhoben, um ihre Kameraden jenseits der Front dazu zu bringen,
das Verbrechersystem Hitlers zu stürzen.
Zum Höhepunkt des kalten Krieges wurde dem Nationalkomitee von der
Bundesrepublik alles angelastet, was inzwischen in der DDR schiefgelaufen
ist. Aber das Manifest des NKFD enthielt keine Versprechungen, sondern
lediglich eine gewisse Zielvorstellung. Das war ein absolut demokratisches
Programm: Wiederherstellung der bürgerlichen und parlamentarischen
Freiheitsrechte des Volkes.
F: Während die Verschwörer des 20. Juli zur Traditionspflege der Bundeswehr
gehören, hat sich das Verteidigungsministerium kürzlich einmal mehr vom
Nationalkomitee distanziert, da dieses mit der Sowjetunion ein
»nicht-demokratisches Regime« unterstützt habe.
Der 20. Juli wird heute als ein Alibi gegenüber den Verbrechen der Wehrmacht
verwendet, weil es ein paar Offiziere gegeben hat, die sich schließlich sehr
spät dazu aufgerafft haben, gegen Hitler zu kämpfen. Die dabei Umgekommenen
sind im Kampf gegen Hitler gefallen. Das ehrt sie. Aber zu fallen war damals
für einen deutschen Soldaten eine ziemlich normale, alltägliche
Angelegenheit. Es starben täglich nach dem 20. Juli 16 000 deutsche Soldaten
– für Hitler.
F: Dem »Freien Deutschland« wurde in der Bundesrepublik vorgeworfen, ein
Werkzeug Stalins gewesen zu sein. Wie abhängig war das Nationalkomitee
wirklich?
Wir waren abhängig von der Gesamtsituation. Es war natürlich klar, daß wir
nichts getan haben, was irgendwie das Bündnis der Sowjetunion mit den
Westmächten gefährdet hätte. Stalin hatte vor Gründung des Nationalkomitees
ausdrücklich die Möglichkeit eines Sonderfriedens ausgeschlossen. Es war
klar, daß dieser Krieg mit der Kapitulation Deutschlands enden muß.
»Hitler-Deutschland« hat er gesagt. Das war vielleicht der einzige
Unterschied gegenüber der Formulierung von Casablanca. Damals war Stalin mit
den Westmächten verbündet. Roosevelt und Churchill wären demnach auch
Werkzeuge Stalins gewesen. Das ist doch Quatsch.
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