Montag, 14. Juli 2003
Nach dem
Überfall auf mehrere Vietnamesen in Friedrichshain sind die drei
Tatverdächtigen wieder auf freiem Fuß. Der Staatsanwalt habe keine Haftgründe
erkennen können, sagte eine Polizeisprecherin am Sonntag. Deshalb habe die
Staatsanwaltschaft die drei Männer gar nicht erst einem Haftrichter zum Erlass
eines Haftbefehls vorgeführt. Ursprünglich hatte die Polizei angestrebt, dass
gegen die vorbestraften Männer im Alter von 20, 23 und 31 Jahren Haftbefehl
wegen gefährlicher Körperverletzung erlassen wird. Polizisten nahmen die
Freilassung mit Unverständnis auf.
Die der rechten Szene angehörenden Männer aus Malchow,
Johannisthal und Pankow sollen am Dienstagabend gegen 23.25 Uhr in der
Pettenkofer Straße einen 16-jährigen Vietnamesen und mehrere seiner Landsleute
mit Knüppeln und Billardstöcken verprügelt haben. Der Jugendliche erlitt eine
Schädelprellung und eine Platzwunde am Mund.
Nach der Tat hatte die Polizei zunächst zwei Verdächtige
festgenommen. Bei der Durchsuchung ihrer Wohnungen am Freitag fanden Ermittler
Hiebwaffen und eine Gaspistole. Am Sonnabendmorgen wurde schließlich der
31-Jährige in seiner Wohnung festgenommen.
Trotz der Freilasssung der Verdächtigen nimmt der
Kriminalpolizeiliche Staatsschutz Hinweise entgegen und bittet Tatzeugen, sich
mit der Polizei in Verbindung zu setzen - vor allem den unbekannten Zeugen, der
die Polizei alarmiert hatte. Hinweise an 4664-37 518 oder -37 519.
Einen weiteren fremdenfeindlichen Vorfall registrierte die
Polizei am Sonnabend in der Nähe, in einem türkischen Imbiss an der Frankfurter
Allee. Nach Angaben der Polizei pöbelte ein 34-jähriger Mann
ausländerfeindliche Parolen. Er habe einen Betonstein in Richtung eines
38-jährigen Gastes geworfen, sagte ein Sprecher. Mit einem Stuhl habe der Gast
den Stein abgewehrt. Der Mann wurde später festgenommen. (kop.)
Montag, 14. Juli 2003
Neuruppin - Mit der Anhörung von drei Zeugen wird heute Nachmittag vor dem Neuruppiner Landgericht der Prozess um die Ermordung des 16-jährigen Marinus Schöberl in Potzlow (Uckermark) fortgesetzt. Dabei soll unter anderem geklärt werden, ob die Eltern von zwei der Angeklagten die Möglichkeit erhalten hatten, an der polizeilichen Vernehmung ihrer damals minderjährigen Söhne teilzunehmen.
Im Anschluss könnte das Gericht über den Antrag der Verteidigung entscheiden, die Aussagen der mutmaßlichen Täter bei der Polizei für die Urteilsfindung nicht zu berücksichtigen, falls den Eltern die Möglichkeit zur Anwesenheit bei den Verhören nicht gegeben worden sein sollte. Dazu gibt es gegensätzliche Aussagen von Eltern und Polizisten. Die Staatsanwaltschaft Neuruppin kündigte daher an, "vor Ende der Hauptverhandlung gegen eine der beiden Seiten ein Ermittlungsverfahren einleiten".
Die Staatsanwaltschaft wirft den drei 18- bis 24-jährigen Angeklagten aus Potzlow und Templin vor, Schöberl aus niederen Beweggründen und zur Verdeckung einer vorangegangenen Körperverletzung ermordet und seine Leiche in einer Jauchegrube in Potzlow vergraben zu haben. Die Anklage geht von einem rechtsextremistischen Motiv aus.
Die ursprünglich für den 4. Juli geplante Verlesung der psychiatrischen Gutachten über die drei Angeklagten soll nun am 18. Juli stattfinden. Die Plädoyers und das Urteil sind jetzt für Mitte August vorgesehen.
Montag, 14. Juli 2003
Der Bürsten- und Besenfabrikant Otto Weidt half zur Nazizeit verfolgten Juden. Seine Werkstatt lag mitten im jüdischen Viertel. Das Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt bietet in den Ferien kostenlose Workshops für Jugendliche, in denen das Leben der verfolgten Juden und ihres Helfers erforscht wird: Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt, Rosenthaler Straße 39 (Mitte), Tel. 030/ 28 59 94 07, www.blindes-vertrauen.de
Montag, 14. Juli 2003
Interview JUDITH
REKER
taz: Herr Blanco, Sie sind Mitte der Fünfzigerjahre nach längeren Aufenthalten im Libanon und in Spanien nach Deutschland gekommen. Wie haben die Leute damals auf Sie reagiert?
Roberto Blanco: Obwohl ich ja nicht der einzige Schwarze in Wiesbaden war - es lebten ja auch viele amerikanische Soldaten hier -, galt ich in dieser Zeit für viele als ein Exot, einer, der Chancen bei den Mädchen hat, weil er gut tanzen kann, gerne singt und Stimmung macht. Ich verkehrte aber auch in einer ganz anderen, eher weißen Szene, Deutsche, Italiener, Musiker, Tennisspieler. Zum Milieu der schwarzen Amerikaner fühlte ich mich nie bewusst hingezogen. Erstens kannte ich niemanden von ihnen, außerdem wohnten sie weiter weg in ihren Kasernen und gingen dort auch eher in ihre eigenen Läden.
Sie fielen in ihrer Szene auf, kamen gut an bei den Frauen. Gab es da nie unterschwellige rassistische Anspielungen?
Es gab sicher Neid. Aber, um ehrlich zu sein, ich habe nie Hass wegen meiner Hautfarbe gespürt. Wenn Leute mich anschauten, versuchte ich es positiv zu sehen. Man ist eben etwas Besonderes, also lässt man die Leute gucken. Besonders im Deutschland der Fünfzigerjahre. Aber ich war es schon aus meinen Internatzeiten im Libanon und in Madrid gewohnt, immer der einzige Schwarze zu sein.
Gibt es da ganz konkrete Erinnerungen?
Den ersten Tag im Internat im Libanon musste ich einen Moment vor dem Speisesaal draußen bleiben, der Lehrer ist reingegangen und hat den anderen gesagt, dass ein neuer Mitschüler käme, der etwas anders aussähe. Manche hatten noch nie zuvor einen Schwarzen gesehen. Als ich dann den Raum betrat, waren alle einen Moment wie erstarrt, aber dann ging das Essen und Geschirrklappern schnell weiter. Das war für mich wie ein Bühneneingang.
Und jetzt stehen Sie immer noch auf dieser Bühne.
Ich habe mir einen öffentlichen Beruf ausgesucht, ich wollte bekannt werden, klar wird man da zur Zielscheibe: "Immer, wenn der Roberto eine Kamera sieht, strahlt er." Soll ich eher weinen? Ich bin ein positiver Mensch - "Ein bisschen Spaß muss sein" ist tatsächlich mein Lebensmotto. Und genau dieses positive Image habe ich hier in Deutschland.
Ist Blanco eigentlich Ihr Künstlername, eine Art Wortspiel mit Ihrer Hautfarbe?
Nein, meine Mutter hieß tatsächlich Blanco, in meinem Pass steht Roberto Zerquera Blanco.
In Informationen zu Ihrer Vita findet man den Zusatz: "alias Brauner Bomber". Haben Sie sich diesen Namen selber gegeben?
Den schwarzen Boxer Joe Louis nannte man damals "Brauner Bomber". Irgendwann schrieb ein Journalist über mich: "Brauner Bomber des Showgeschäfts", und auch Dieter Thomas Heck kündigte mich damals häufiger so in seiner Sendung an. Ich fand dieses Bild positiv.
Vor allem die jüngere Generation von Schwarzen würde solche Bezeichnungen heute massiv ablehnen.
Ehrlich? Warum?
Weil es "weiße" Klischees über Schwarze sind. In diesem Fall eines, das auf die mythische Sexualität schwarzer Männer anspielt.
Aber es war ja nicht negativ gemeint, im Gegenteil steht Bombe für Kraft, Temperament, Power. Boris Becker hat man ja auch Bum-Bum-Becker genannt!
Was ja nicht dasselbe ist.
Nein, aber vielleicht verstehen Sie an diesem Punkt genau, was ich meine, wenn ich sage: Man kann die Dinge verstehen, wie man will. Es kommt immer auf die persönliche Perspektive an! Ein anderes Beispiel: Als ich 1969 den Durchbruch als Schlagersänger mit dem Sieg bei den Deutschen Schlagerfestspielen hatte, da sagte der Produzent Jack White: "Amerika hat Stars. Deutschland braucht auch einen Negerstar."
Die Leute fragten mich, was er damit meine, worauf ich antwortete: "Keine Ahnung. Wenn es bedeuten soll, dass er mich mit amerikanischen Größen, wie Sammy Davis Jr. vergleicht, dann verstehe ich es als eine große Ehre."
Ist es eine Art Strategie geworden, eventuell vorhandene Rassismen einfach mit Positivität zu überdecken?
Natürlich habe ich kein Rezept dafür, wie man als Schwarzer in Deutschland Rassismus und Ablehnung, die es ja gibt, entgeht! Ich kann nur von mir reden, und da hat es immer geklappt. Auf die Leute zugehen, lächeln. Wird es nicht erwidert, dann dennoch lächeln, weitergehen und zusehen, wie andere sich ärgern, dass ihre Negativität nicht an dich herankommt.
Und das funktioniert nun schon seit 47 Jahren?
Bei mir schon. Ich will nicht jedes Mal analysieren, was die Leute nun denken und wie sie mich angucken. Das ist nicht mein Problem. Ich will mich nicht mit dem beschäftigen, was jeder denkt. Es ist nicht gut, jedes Mal zusammenzuzucken, wenn man das Wort Neger hört. Denn im Endeffekt wird die Anspannung dann immer stärker, man selbst immer negativer.
Also ist es vor allem die Aufgabe Nichtweißer, mit diesen diskriminierenden Begriffen umzugehen?
Nein, freilich müssen beispielsweise auch Eltern ihren Kindern sagen, dass es nicht Neger, sondern Schwarzer oder Farbiger heißt. Aber das ist eine Sache des Feelings. Jeder muss bei sich selbst anfangen.
Roberto Blanco wurde 1937 in Tunis als Sohn eines kubanischen Varieteekünstlerpaares geboren und lebte u. a. in Beirut und Madrid. 1956 bekam er seine erste Filmrolle in "Der Stern von Afrika". Ein Jahr später siegte er bei einem deutschen Wettbewerb für Nachwuchssänger. 1969 landete er mit dem Lied "Heute so, morgen so" einen Hit. Seit 1971 hat Blanco die deutsche Staatsbürgerschaft. Er ist mit einer Schweizerin verheiratet, hat drei Kinder und lebt in München.
Montag, 14. Juli 2003
Beim Steit ums Kopftuch, den Ferestha Ludin nun vor dem Bundesverfassungsgericht ausficht, wird von Seiten der Klägerin immer mit dem Gleichheitsgrundsatz argumentiert. Wenn die jüdische Kippa und das Kreuz - so die immer wieder zitierten Beispiele - in der Schule Platz finden, warum dann nicht das Kopftuch einer Muslimin? Das Kopftuch ist ein religiöses Symbol, wie Kreuz und Kippa auch. Religiöse Symbole, die immer auch religiöse Bekenntnisse sind, sollten in der Schule außen vor bleiben, und zwar gerade in der offenen Einwanderergesellschaft, wo unterschiedliche Weltanschauungen aufeinander prallen und Wertesysteme miteinander konkurrieren.
Vielleicht sollte man künftig über Schuluniformen nicht für Schüler, sondern für Lehrer diskutieren, damit es in der Schule nicht zum Wettstreit der bewusst zur Schau gestellten Bekenntnisse kommt. Denn der Lehrer, mag seine Autorität noch so angekratzt sein, hat immer noch mehr Einfluss auf die Köpfe der Schüler, als wenn Aisha von nebanan auf elterlichen Befehl das Kopftuch auch im Unterricht tragen muss. Religion wird nur allzu oft als Ideologie missbraucht. Das ist Fakt.
Natürlich ist es löblich und fortschrittlich, dass in unserem von der christlichen Tradition geprägten Kulturraum nun auch andere Religionen Öffentlichkeit eingeräumt wird: freie Religionsausübung - aber muss diese in der Schule stattfinden?
Statt die Diskussion nun auf der Ebene kultureller Toleranz und Ausdrucksfreiheit in der Schule zu führen, sollten man gerade in einer offenen Gesellschaft die Säkulariserung der Schule vorantreiben, die Trennung von Kirche und Staat ähnlich wie in Frankreich vollenden. Das würde die Diskussion auch um das interreligiöse Zusammenleben nach vorn bringen. Die Schule ist eine staatliche Institution, außer in Konfessionsschulen. Statt Religionsunterricht - egal welcher Religion - sollten Schulen interkulturellen Ethikunterricht anbieten, der über Religionen lehrt, ohne Gesinnung zu verbreiten. Ansonsten darf der konfessionelle Unterricht außerhalb der Schule in voller Freiheit und Gleichheit stattfinden.
Religion ist Privatsache. Privatsache ist auch, dass für Ferestha Ludin das Kopftuch Emanzipation bedeutet, ihr Recht auf Selbstbestimmung als Frau. Diese Sicht der Dinge sei ihr unbenommen. Sie kann in der Zeit, wo sie nicht unterrichtet, das Kopftuch tragen wie ein bekennender Christdemokrat das Parteiabzeichen. Schule jedoch muss ein weltanschaulich und poltisch neutraler Raum bleiben. Dass Ferestha Ludin ihren Akt der Emanzipation als Muslimin als politischen Kampf vor dem Bundesverfassungsgericht führt, macht die ganze Geschichte anrüchig. So muss sie sich gefallen lassen, in die Nähe radikaler islamischer Organisationen gerückt zu werden, denn diese funktionalisieren und unterstützen ihren Marsch durch die Instanzen allemal.
Egal wie groß ihre Nähe zu Milli Görüs ist, sie vertritt mit dem Tragen des Kopftuchs in der Schule eine radikal islamische Position wie sie tausende von Frauen in islamischen Ländern in einem Akt der Befreiung von religiös verbrämter Männerherrschaft hinter sich gelassen haben. Das Kopftuch widerspricht letzlich, wenn man es mit seinen weltlichen Konsequenzen ernst nimmt, dem gesetzlich verbrieften Gleichheitsgrundsatz zwischen den Geschlechtern in unserer Gesellschaft, weil es die Ungleichheit zwischen Mann und Frau betont. Und deshalb bewegt der Kampf ums Kopftuch stärker als die Frage, wann das Kreuz endlich ganz aus den Schulräumen verschwindet. " EDITH KRESTA
Montag, 14. Juli 2003
BERLIN dpa Nach dem ausländerfeindlichen Überfall auf mehrere Vietnamesen im Berliner Bezirk Friedrichshain vom vergangenen Dienstag sind die drei Tatverdächtigen wieder freigelassen worden. Der Staatsanwalt habe keine Haftgründe erkennen können, teilte ein Polizeisprecher gestern mit. Ob das Ermittlungsverfahren weiterläuft, sagte er nicht. Ursprünglich sollte gegen die vorbestraften 20-, 23- und 31-jährigen Männer am Wochenende Haftbefehl wegen gefährlicher Körperverletzung erlassen werden. Die Männer aus Malchow, Johannisthal und Pankow sollen in der Nacht zum Mittwoch in der Pettenkofer Straße einen 16-jährigen Vietnamesen und mehrere Landsleute mit Billardstöcken geschlagen haben. Der Junge erlitt eine Schädelprellung und eine Platzwunde am Mund. Nach der Tat waren zunächst vier Verdächtige festgenommen worden. Ermittlungen des Staatsschutzes erhärteten den Verdacht gegen drei Männer. Am Freitag wurden bei Wohnungsdurchsuchungen Hiebwaffen und eine Gaspistole gefunden.