Dienstag, 15. Juli 2003
Prügelnde Polizisten oder hysterische Migranten? Ein Autounfall hat am Sonntagabend in Wilmersdorf zu einer Rauferei zwischen zwei Polizisten und einem Migrantenpaar eskaliert. Was tatsächlich passiert ist, das ist allerdings ziemlich unklar:
Inci G. (37), eine frühere Bankangestellte, gibt an, gegen 21.00 und 21.30 Uhr mit ihrem Kleinbus auf der Kantstraße etwa in der Höhe der Wielandstraße bei ihrer Fahrt in Richtung Westen von der linken auf die rechte Spur gewechselt zu haben. Ein BVG-Bus, der auf dieser Spur gefahren sei, habe noch Geschwindigkeit zugelegt, dann aber abrupt abbremsen müssen, um einen Zusammenstoß zu vermeiden. Dabei sei der Bus nicht beschädigt worden. Auf ihrem Wagen sei etwas Folie vom Außenspiegel des Busses hängen geblieben, was aber leicht hätte entfernt werden können.
Inci G. sagt, dass sie zur Seite gefahren sei, um mit dem Busfahrer zu sprechen. Der habe die Polizei gerufen. Von einem Fahrgast, der durch die Vollbremsung des Busses nach seinen Angaben verletzt worden war, sei sie ausländerfeindlich beschimpft worden. Ein herbeigerufener Polizist habe sie sofort beschuldigt, schuld an dem Miniunfall gewesen zu sein.
Ein anderer Polizist habe gesagt: "Ich bin ausländerfeindlich" - ohne dass sie einschätzen könne, ob dies etwa Ironie gewesen sei. Dieser Polizist habe sie mit einer Handschelle am Kopf verletzt. Er habe sie mit Gewalt gegen ein anderes Auto gepresst und sogar auf den Boden geworfen, wo er ihr das Knie auf den Bauch gesetzt habe. So habe er sie zwingen wollen, mit ins Polizeirevier zu kommen, um ihre Personalien aufzunehmen. Sie habe diese Angaben diesem Polizisten aber nicht machen wollen.
Eine Platzwunde am Kopf habe sie in einer Klinik behandeln lassen müssen. Sie habe viele Hämatome am ganzen Körper. Auch ihr Freund, der ihr habe helfen wollen, sei von den Polizisten geprügelt worden. Er habe nun Schürfwunden an Hals und Nacken. Inci G. erstattete eine Anzeige wegen "Körperverletzung im Amt".
Der beschuldigte Polizist stellt das Geschehen nach Informationen der Polizeipressestelle ganz anders dar: Inci G. habe sich nach dem Unfall in ihr Auto gesetzt und sich geweigert, ihre Personalien bekannt zu geben. Nach einer Warnung habe der Polizist sie dann aufs Revier mitnehmen wollen, um die Angaben dort zu erhalten. Daraufhin habe sie ihn beschimpft, gekratzt und gebissen. Ihr Freund sei auf die Beamten losgegangen. Der Polizist hat laut der Pressestelle eine Bisswunde in einer Klinik behandeln lassen. Er habe eine Anzeige gegen Inci G. wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte erstattet. Ihr Freund habe nun auch eine Anzeige am Hals: wegen "versuchter Gefangenenbefreiung". " GES
Dienstag, 15. Juli 2003
LEIPZIG epd Neonazis dürfen am Sonnabend in Leipzig voraussichtlich unter der Parole der ostdeutschen Demonstranten von 1989 "Wir sind das Volk" marschieren. Das Untersagen des Slogans durch das Ordnungsamt der Messestadt sei "rechtswidrig", so das Verwaltungsgericht Leipzig gestern. Zur Begründung verwies die Kammer auf ihren Beschluss vom März 2002, der diese Losung als "vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt" erklärt. Die übrigen Auflagen wie zum Beispiel eine verkürzte Wegstrecke seien "weit gehend rechtmäßig", hieß es weiter. Nicht gestattet wurde den Neonazis weiter das Marschieren im Block sowie der Gebrauch der Parolen wie "Ruhm und Ehre der Waffen-SS", "Wir sind wieder da" oder "Wir kriegen euch alle". Gegen die Entscheidung stehe den Beteiligten allerdings die Beschwerde beim sächsischen Oberverwaltungsgericht zu.
Dienstag, 15. Juli 2003
DANZIG dpa Ein 60-jähriger deutscher Tourist ist am Wochenende beim Versuch ertappt worden, eine Ofenklappe des Krematoriums des früheren deutschen KZ Stutthof bei Danzig zu stehlen. Der Mann fiel Mitarbeitern der KZ-Gedenkstätte wegen seiner großen Tasche auf, weshalb sie die Polizei verständigten, berichtete die Gazeta Wyborcza gestern. Der 60-Jährige darf Polen nicht verlassen, ehe der Sachverhalt aufgeklärt ist. Angeblich wollte er mit der Klappe den heimischen Kamin verzieren. Der Mann gab zu, die Ofenklappe genommen zu haben, behauptete aber, er habe sie nicht abmontiert, sondern für Schrott gehalten. Stutthof war seit September 1939 ein KZ für politische Häftlinge, ab 1944 ein Vernichtungslager. Etwa 65.000 der 110.000 Häftlinge wurden ermordet oder starben.
Dienstag, 15. Juli 2003
Jens Blankennagel
POTSDAM.
Zwei Kollegen schnauzen sich an. Er ist berufserfahren, ordentlich, will Ruhe
im Büro. Sie dagegen ist jung, chaotisch, telefoniert ständig mit ihren
Freundinnen. Beide streiten darüber, ob sie sich weiterhin ein Büro teilen
können. Neben ihnen sitzt eine Frau, schreibt mit, stellt Fragen: "Was ist
dein Problem? Auf was könnt ihr euch einigen?"
Die drei Leute spielen
den Streit nur. Sie sitzen in einem Seminarraum der Fachhochschule Potsdam - es
sind keine Kollegen, es sind Lehrer, Polizisten und Sozialarbeiter bei einem
Rollenspiel. "Sie sollen lernen, wie sie als Unbeteiligte in eine
Konfliktsituation geraten, wie sie den Stress und den Ärger der anderen
aushalten können, um dann den Streit zu schlichten", sagt die Kursleiterin
Kerstin Lück. Sie betreut im zweiten Jahr ein bundesweit einmaliges Projekt
unter dem Titel "Konfliktmanagement in der Uckermark".
Dabei soll es aber -
anders als in dem Rollenspiel - nicht um den Streit im Büro gehen. Die zwanzig
Kursteilnehmer sollen helfen, die überdurchschnittlich hohe Jugendkriminalität
in der Uckermark langfristig und wirksam zu bekämpfen. Im Jahr 2000 waren dort
40,9 Prozent aller Tatverdächtigen jünger als 21 Jahre - zehn Prozent mehr als
im Landesdurchschnitt. Im Jahr 2002 sank der Wert auf 38,5 Prozent. "Wir
gehen davon aus, dass die Partnerschaften zwischen Schulen und Polizei zu den
rückläufigen Zahlen beigetragen haben", sagt Hans-Jürgen Willuda vom
Innenministerium. Das Pilotprojekt werde von der Regierung sehr positiv
gesehen.
Potzlow wäre nicht
passiert
Dabei geht es nicht um
Bestrafung nach der Tat, sondern um das frühe Erkennen von Konflikten unter
Jugendlichen, die möglicherweise in einer Straftat enden könnten. "Wir
wollen, dass die drei Berufsgruppen, die in dem Landkreis viel mit Jugendlichen
zu tun haben, untereinander Netzwerke bilden", sagt Lück. Sie sollen
effektiv kooperieren und sich rechtzeitig anrufen. "Wenn Konflikte erkannt
werden, bevor sie eskalieren, kann meist Schlimmeres verhindert werden."
Lück wagt einen mutigen Vergleich: "Hätten diese drei Berufsgruppen in
Potzlow besser zusammengearbeitet, dann wäre es nicht so weit gekommen."
Sie meint damit den
grausamen Mord an dem 16-jährigen Marinus Schöberl, der von drei Jugendlichen
umgebracht wurde. Der Haupttäter war mit dem Opfer gut bekannt, sie gingen in
den gleichen Jugendclub - irgendjemand hätte etwas von Problemen mitbekommen
müssen.
Dafür dürfen die
Erwachsenen die Probleme unter den Jugendlichen nicht ignorieren. Die
Kursteilnehmer sagen übereinstimmend, dass das Projekt ihnen bei der Arbeit
hilft. "Konflikte begleiten uns jeden Tag", sagt die Prenzlauer
Sozialarbeiterin Brigitte Pinnow, die in einem Asylbewerberheim arbeitet
"Sie sind nicht mit einem Schlag da. Wir dürfen sie nicht wegdrücken und
hoffen, dass sie von allein verschwinden." Sie habe sich schon bei vielen
Streitigkeiten völlig hilflos gefühlt. Deshalb lernen die Teilnehmer des
einjährigen Kurses in 39 Tagesseminaren das Handwerk des Mediators, des
Streitschlichters. Sie sollen auf die streitenden Jugendlichen zugehen, den
schwelenden Konflikt offen ansprechen und dazu beitragen, ihn durch sachliche
Diskussionen zu entschärfen. Dabei dürfen sie nicht parteiisch sein, müssen die
kontroversen Meinungen beider Seiten akzeptieren und eine Eskalation
verhindern. Dazu dienen auch die Rollenspiele. "Wir müssen so lange üben,
bis wir die Techniken der Deeskalation so verinnerlicht haben, dass wir gar
nicht mehr überlegen müssen, wenn wir sie anwenden", sagt Kursteilnehmerin
Annette Flade.
Das 150 000 Euro teure
Projekt geht Anfang 2004 zu Ende. Es wird zu 64 Prozent vom europäischen
Sozialfonds der EU bezahlt. Den Rest steuern der Landespräventionsrat und das
Bündnis für Demokratie und Toleranz bei. "Das Projekt sollte in
Brandenburg weitergeführt und von anderen Ländern übernommen werden", sagt
Kerstin Lück. Doch dann nicht mit Vertretern der drei Berufsgruppen, die weit
voneinander entfernt in einem Kreis arbeiten. "Sondern je ein Lehrer,
Polizist und Sozialarbeiter aus einer Stadt", sagt sie. "Dann kann
dieses Modell der schnellen gegenseitigen Hilfe besser funktionieren."
Dienstag, 15. Juli 2003
NEONAZI-DEMONSTRATION
Richter gestatten die Parole "Wir sind das Volk"
LEIPZIG, 14. Juli (epd). Neonazis dürfen am Samstag, 19.
Juli, in Leipzig unter der Parole der ostdeutschen Demonstranten von 1989
"Wir sind das Volk" marschieren. Das Untersagen des Slogans durch das
Leipziger Ordnungsamt sei "rechtswidrig", teilte das
Verwaltungsgericht Leipzig am Montag seine Entscheidung mit. Zur Begründung
verwies die Kammer auf ihren Beschluss vom März 2002, der diese Losung als
"vom Grundrecht der Meinungsfreiheit gedeckt" erklärt.
Die Verwendung der Losung "Wir sind das Volk" durch Rechtsradikale
"verletze das sittliche Empfinden der Leipziger Bevölkerung", hieß es
dagegen in der Begründung der Stadtverwaltung für das Verbot. Vor dem
Hintergrund, dass das Motto untrennbar mit den Leipziger Montagsdemonstrationen
im Herbst 1989 verbunden sei, stelle dies "mehr als eine Provokation"
dar. Die Stadt kann nun Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht einlegen.
Für die vom Hamburger Neonazi Christian Worch angemeldete Demonstration
gestattete das Gericht dagegen nicht das Marschieren im Block sowie den
Gebrauch von Parolen wie "Ruhm und Ehre der Waffen-SS", "Wir
sind wieder da" oder "Wir kriegen euch alle".