Montag, 21. Juli 2003

Nazi-Aufmarsch schlecht besucht

LEIPZIG/ HAMBURG epd/ ap Der Aufruf zu Nazidemonstrationen am Samstag in Leipzig und Hamburg hat geringe Resonanz gefunden. Statt der erwarteten 500 beteiligten sich in Leipzig laut Polizei nur 120 Anhänger der rechtsextremen Szene. Etwa 150 Gegendemonstranten versuchten den Zug zu stören. Zu Zwischenfällen sei es nicht gekommen, so ein Polizeisprecher. Bei einem Aufmarsch von rund 130 NPD-Anhängern in Hamburg wurden 7 Demonstranten vorläufig festgenommen. Leipzigs Bürgermeister Tschense erklärte, die Strategie von Auflagenerteilung und Unterstützung friedlicher Gegenaktionen sei richtig gewesen. Um gegen die Aufmärsche zu protestieren und an das gescheiterte Hitler-Attentat vom 20. Juli 1944 zu erinnern, hatten verschiedene Bündnisse zu Aktionen aufgerufen.

 

 

Montag, 21. Juli 2003

Uniformierte ohne Scham

1300 Polizisten setzen mit Wasserwerfern und Schlagstöcken NPD-Trauerzug zum Jahrestag des Hamburger Feuersturms durch. Totzdem gleicht der Marsch streckenweise einem Spießrutenlauf. Antifaschisten protestieren mit Eiern und Tomaten

von PETER MÜLLER
und ANDREAS SPEIT

Wieder rechter Aufmarsch in Hamburg. Polizisten drängeln und schubsen mit ihren Schilden Gegendemonstranten, plötzlich schlagen Beamte mit Knüppeln teilweise aus der dritten Reihe auf Köpfe ein, Menschen werden auf Pkws geschleudert - dann der Versuch, die Protestierenden einzukesseln. Als das misslingt, wird die "Ansammlung" für aufgelöst erklärt, Wasserwerfer fahren auf. Ohne jede Notwendigkeit löste die Polizei am Samstag am Berliner Tor eine symbolische Blockade von Antifaschisten auf, um 130 Neonazis einen ungestörten Aufmarsch zu ermöglichen: Die als Trauerzug zum Hamburger Feuersturm deklarierte antiamerikanische NPD-Aktion "1943 Hamburg - 2003 Bagdad" sollte ohnehin in die entgegengesetzte Richtung gehen.

"Schämen Sie sich", fauchte eine ältere Passantin angesichts solcher Szenen einen Polizisten an, riss ihm das Visier hoch und verpasste ihm eine Backpfeife. Das ärgerte die Beamten dermaßen, dass sie minutenlang darüber diskutierten, "wie wir die Omi greifen können, ohne dass die Presse unschöne Bilder veröffentlicht". Bei einer passenden Gelegenheit wurde dann die über 70-Jährige kaum bemerkt abgeführt.

Die anderen Aktionen der 1300 PolizistInnen - die Hamburger hatten sogar, so einer der Beamten ironisch, ihren "Volkssturm", die so genannten "Alarmhundertschaften" aus Revierbeamten, mobilisiert - verliefen nicht so reibungslos. Immer wieder setzte die Polizei Wasserwerfer und Knüppel ein, um den Rechten den Weg über Mundsburg nach Barmbek - eine Schneise, die der Feuersturm 1943 schlug - frei zu machen. Mit nur mäßigem Erfolg. Teilweise glich der Marsch einem Spießrutenlauf, und selbst ihre Zwischenkundgebung am Feuersturm-Mahnmal an der Mundsburg konnten die Rechten nur unter gelegentlichem Tomaten- und Eier-Beschuss und lautstarken "Nazis raus"-Protesten abhalten. Zehn Gegendemonstranten wurden festgenommen.

Die Proteste brachten offensichtlich die Redner aus dem Konzept, wenn man das Niveau ansieht: So wetterte Hamburgs NPD-Chef Ulrich Harder über den "Massenmord" der USA und der Engländer: "Wer immer sagt, die Deutschen hätten den Krieg angefangen, weiß nichts von Kriegsverbrechen." Der militante Neonazi Thomas "Steiner" Wulff weiß sogar, dass "Deutschland der 2. Weltkrieg aufgezwungen" wurde, und NPD-Bundeschef Udo Voigt ergänzte: "Wenn die Linken jetzt ,Nie wieder Deutschland' gröhlen, dann sorgen sie dafür, dass die Amerikaner den 2. Weltkrieg endgültig gewinnen."

Zeitgleich demonstrierten auf einer Parallelroute zum Nazi-Marsch rund 500 Antifaschisten vom Hauptbahnhof zur Saarlandstraße - abgeschirmt von der Polizei. Selbst die als Hauptrednerin vorgesehene Zeitzeugin Steffi Witterberg ließ die Polizei nicht durch.

 

 

Montag, 21. Juli 2003

Rechte Gewalt

Angriff aus der U-Bahn

Zwei Neonazis sind bereits im Vorwege des Aufmarsches am Samstag wegen unerlaubten Waffenbesitzes von der Polizei festgenommen worden. Im Anschluss musste ein Zivilfahnder mit Pfefferspray und Hand an der Waffe am U-Bahnhof Dehnhaide Jugendliche vor rechter Gewalt schützen. Die Neonazis hatten auf der Rückfahrt im Bahnhof den ihnen zugewiesenen U-Bahn-Waggon verlassen und waren in einen benachbarten Wagen eingedrungen, um vermeintliche Anitfa-Demonstranten anzugreifen.

Das Verwaltungsgericht hat indes die Aufhebung des Demonstrationsverbotes für den rechten Aufmarsch vom Donnerstag damit begründet, dass es bei NPD-Demonstrationen in der Vergangenheit zu keinen Zwischenfällen gekommen sei. Für das Gericht war daher die "Gefahrenprognose" der Polizei "nicht nachvollziehbar". "PEMÜ/AS

 

 

Montag, 21. Juli 2003

Jugendgewalt hat vielfältige Gründe

Was denkste?

Immer wieder hört man, wie schlimm die Jugend von heute ist. Bei Straftaten gefährlicher und schwerer Körperverletzung beträgt der Anteil der Jugendlichen ungefähr 50 Prozent, aber was steckt dahinter?

Längst nicht alle Jugendgewalttaten werden der Polizei gemeldet. Die Dunkelziffer ist erheblich höher. Es ist schließlich nicht davon auszugehen, dass alle Jugendlichen, die Opfer einer Gewalttat werden, Anzeige erstatten. Die Opfer sind oft eingeschüchtert, da die Täter sie bedrohen.

Aber woran liegt es, dass manche Jugendliche so aggressiv sind? Eine eindeutige und einfache Antwort gibt es darauf nicht. Es gibt mehrere Gründe, die zur Gewaltbereitschaft vieler Jugendlicher beitragen. Es kann an Defiziten bei der Erziehung liegen, zum Beispiel kann das Fehlen elterlicher Liebe für große Schäden bei der Entwicklung des Teenagers führen. Für viele Teenager gewinnen dadurch außerfamiliäre, gleichaltrigen Gruppen (Cliquen) an Bedeutung. Ein kleiner Teil der "informellen Jugendgruppen", wie die Polizei Jugendcliquen und -gangs nennt, wird dadurch zum Problem, dass er durch Gewalttätigkeiten auffällt. Der Einzelne, der sich im Schutz der Gruppe sich wohl fühlt, riskiert immer mehr. Er verspürt weniger Verantwortung für das, was er tut, als wenn er allein wäre.

Die Eigendynamik dieser Gruppenprozesse wird angetrieben durch Alkohol, Drogen und "stimulierende" Musik (zum Beispiel mit ausländerfeindlichen Inhalten). Auch rechtsextreme Gewalt dient nicht unbedingt nur dem übersteigerten Nationalbewusstsein der Täter, sondern in erster Linie dem Selbstzweck, der Selbstbestätigung.

Wie versucht die Polizei zu helfen? Die Polizei bietet Antigewaltunterricht für Schulklassen an, in welchem Jugendbeauftragte an die Schulen kommen, um mit den Schülern über Gewalt zu sprechen. Sollte man in eine Straftat verwickelt werden, ist es das Beste, sich sofort an die Polizei zu wenden!

Gina Behrendt, Kristine Kaiser, Klasse 9.4, Archenhold-Gymnasium, Treptow

 

 

Montag, 21. Juli 2003

Ins Netz gegangen

Studie: Rechtsextremismus im Internet ist zunehmend gefährlich und besser organisiert

Franziska Frohn

Der Jahresbericht 2002 "Rechtsextremismus im Internet", der von jugendschutz.net durchgeführt wurde, ergab, dass der Anteil rechtsextremer Internetseiten im Web ansteigt und dass sie eine immer größere Bedrohung darstellen. Fanden sich im Jahr 1999 noch 330 Homepages mit rechtsextremen Inhalten, stieg im Jahr 2002 die Zahl der Seiten auf fast 1 000 an, so die Untersuchung, die vor kurzem vorgestellt wurde. "Die Ergebnisse sind Besorgnis erregend: Websites mit rechtsextremen Inhalten werden attraktiver und professioneller", sagt die für Jugend zuständige Ministerin Renate Schmidt.

Besonders für Jugendliche sind solche Pages gefährlich, da die Betreiber bewusst die Zukunftsängste junger Menschen aufgreifen. Häufig beziehen die Internetseiten aktuelle Themen wie den Irak-Krieg oder das Jahrhunderthochwasser 2002 mit ein und versehen diese mit einfach gestrickten Lösungsmodellen, deren Basis rechtsextreme Grundgedanken sind. Schließlich wird dazu aufgerufen, sich diversen Organisationen anzuschließen.

Doch damit ist das Spektrum rechtsextremer Internetseiten noch nicht erfasst. Häufig werden die Homepages von der Szene als Forum genutzt, um lokale Aktivitäten zu planen und "Nachwuchs zu rekrutieren". Wenn Schüler zum Thema "Nationalsozialismus" Hausaufgabenrecherchen durchführen, ist es nicht selten der Fall, dass sie auf rechtsextreme Seiten gelangen, die "geschichtsverfälschende Informationen mit pseudowissenschaftlichem Anstrich" vermitteln, so die Studie. Rassistische und antisemitische Tendenzen sind oftmals für Jugendliche kaum als solche zu erkennen und von Tatsachen schwer zu unterscheiden.

Nachdem die Studie diese Erkenntnisse zu Tage brachte, wäre es fahrlässig gewesen, den Neonazis die Plattform im Web nicht zu entziehen. Durch das Projekt von jugendschutz.net wurden im vergangenen Jahr 784 Internetadressen neu entdeckt, davon waren 354 mit strafbaren Inhalten gespickt. 173 Sites wurden sofort gesperrt. Zudem wurde im September 2002 ein internationaler Verbund gegen Rassismus im Netz gegründet. Nun soll versucht werden, auch bisher unangreifbare "Nazi-Portale" im Ausland unschädlich zu machen.

Extremismus

Der Verfassungsschutz stuft als extremistisch Bestrebungen ein, die gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung gerichtet sind. Deren Kennzeichen sind: Einhaltung der Menschenrechte, Volkssouveränität, Gewaltenteilung, Verantwortlichkeit der Regierung, Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit der Parteien.

Die Studie "Rechtsextremismus im Internet" erhält man auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung.

Im Internet unter:

www.bpb.de/publikationen/JM5GRN.html

 

 

Montag, 21. Juli 2003

 

Worch war schnell wieder weg

Zum neunten Mal kam der Hamburger Neonazi Christian Worch am Sonnabend nach Leipzig. Seinem Ruf folgten laut Polizei 192 rechte Anhänger - nicht mal die Hälfte der angekündigten 500. Überschaubar blieben auch die Protestveranstaltungen.

So organisierte der Leipziger Aktionskreis Frieden mit dem Bündnis "Unsere Stadt hat Nazis satt" erneut einen Brunch auf dem Augustusplatz. "Wir wollen den Leipzigern eine Möglichkeit geben, aktiv ihren Protest kundzutun", sagte Organisator Winfried Helbig. Und traf mit Bratwurst für einen Euro und kostenloser roter Brause den Geschmack vieler Messestädter. Auch Touristen honorierten die Aktion: "Das Polizeiaufgebot am Bahnhof hat uns erst mal erschreckt, aber die Gegeninitiative rückt das Bild wieder gerade und zeigt, dass die Rechten nicht hierher gehören", meinte Rotraud Karbowski aus Lübeck.

Derweil startete an der Moritzbastei die PDS eine Versammlung unter dem Motto "Nie wieder Faschismus - ein Zeichen gegen Rechts". Vor allem ältere Leute hatten sich eingefunden. "Man muss die Aufmärsche ernst nehmen und Stellung beziehen", betonte ein 67-Jähriger aus Großzschocher.

An der Sammelstelle der Neonazis gedachte die Stadt unter dem Motto "Erinnern statt rechtes Vergessen" der Opfer des Attentats auf Adolf Hitler vor 59 Jahren. Vom eingespielten Glockenschlag des Goerdeler-Denkmals begleitet, wurden Namen und Zitate derjenigen verlesen, die nach dem gescheiterten Anschlag hingerichtet wurden. Die Worch-Anhänger reagierten darauf zynisch - mit Beifall, was PDS-Stadtrat und Rechtsanwalt Peter Wasem veranlasste, gestern Strafanzeige wegen "Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener" zu stellen. +

Begleitet von 1000 Polizisten aus vier Bundesländern zogen die Rechten gegen 14 Uhr los. Wegen eines defekten Lautsprechers blieben ihre Ansprachen bei der Zwischenkundgebung nahezu ungehört. Die Polizei verhinderte eine Eskalation, als Farb- und Sandgeschosse geworfen wurden. 14 Personen kamen vorbeugend in Gewahrsam. Gegen einen Rechten werde wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt, teilte die Polizei mit. 15.15 Uhr beendete Worch die bis 20 Uhr geplante Veranstaltung. Er kommt am 3. Oktober 2003 erneut und hat für 2004 und 2005 je sechs Aufzüge angekündigt.

 

 

Montag, 21. Juli 2003

 

In der Nacht kam das Feuer

ILMENAU. Kurz vor Mitternacht war es, als am Samstag in einem kleinen Kaufhaus in der Ilmenauer Bahnhofstraße die Scheiben splitterten. Bei ihren Ermittlungen fanden die Polizisten einen Hammer in der Schaufensterauslage. Doch bei dieser Stufe der Gewalt blieb es nicht. Ein Brandbeschleuniger von noch unbekannter Art löste Feuer aus. Höchste Gefahr nicht nur für die Sachgüter, sondern auch für Menschenleben, denn der Laden liegt im Erdgeschoss eines mehrstöckigen Wohnhauses. Die von einem aufmerksamen Bürger schnell herbeigerufene Feuerwehr konnte innerhalb von 15 Minuten den Brand unter Kontrolle bringen.Trotzdem mussten die Bewohner von fünf Wohnungen vorübergehend evakuiert werden. Am Tag danach trägt das Gebäude deutliche Brandspuren, der Sachschaden wird auf 100 000 Euro geschätzt. Im Kaufhaus in der Bahnhofstraße verkauft Tran Vanhieu seit 1994 Bekleidung und Geschenke fernöstlicher Art. Und er hat bisher allen Widrigkeiten getrotzt. Zwar liegt das Geschäft ein wenig abseits der Fußgängerzone, aber dafür auf dem Weg zum Bahnhof. Jüngst wurde es etwas schwerer für ihn, weil umfangreiche Bauarbeiten laufen.Mit dem, was ihm am späten Samstagabend widerfuhr, hat er leider schon Erfahrung. Bereits zwei Mal warfen ihm Jugendliche die Schaufensterscheiben ein. Bisher hat er aber immer weitergemacht.Gestern allerdings mussten Tran Vanhieu und seine Gefährtin nach dem Versuch, die Löscharbeiten zu unterstützen, mit Verdacht auf Rauchvergiftung ins Krankenhaus. Mitarbeiter verschlossen notdürftig die zertrümmerte Schaufensterscheibe mit Holzbohlen. Die Kriminalpolizei Gotha ermittelt. Ein ausländerfeindlicher Hintergrund ist angesichts der vietnamesischen Herkunft der Ladenbetreiber nicht auszuschließen. Trotzdem gab es gestern keinen Politiker in Ilmenau, der verurteilte, was da mitten in der Stadt passiert war. Henry TREFZ BRANDBESCHLEUNIGER GEFUNDEN: Das Verbrechen war offenbar gut vorbereitet. TA-Foto: R. EHRLICH

 

 

 

Montag, 21. Juli 2003

 

Leipzig zeigt Gesicht - Proteste gegen Rechten-Aufmarsch - Erinnerung an den 20. Juli 1944


 

 

Leipzig (ddp-lsc). Leipzig hat erneut Gesicht gegen Rechts gezeigt. In Erinnerung an die Ereignisse des 20. Juli 1944 protestierten Bürger der Messestadt am Samstag gegen einen Aufmarsch von Rechtsextremisten, der vom Hamburger Neonazi Christian Worch angeführt wurde. Am Aufmarschplatz der nach Angaben der Polizei rund 190 Rechtsradikalen erklangen Schläge der Bronzeglocke vom Denkmal für Carl Friedrich Goerdeler (1884-1945). Der ehemalige Leipziger Oberbürgermeister zählte zu den Köpfen des zivilen Widerstandes gegen den Nationalsozialismus und war in Folge des gescheiterten Hitler-Attentates vom 20. Juli zum Tode verurteilt worden. Die Glockenschläge wurden per Lautsprecher zum Ort des Aufmarsches übertragen. Dazu wurden Namen von Widerstandskämpfern verlesen.

Nach Polizeiangaben verliefen die Proteste weitgehend friedlich. Bei den Gegendemonstrationen und Protestkundgebungen in der Innenstadt sowie einem Familienfest am Völkerschlachtdenkmal seien rund 400 Teilnehmer gezählt worden. Auch der Aufmarsch der Rechtsradikalen verlief ohne größere Zwischenfälle. Rund 1000 Polizisten aus mehreren Bundesländern kontrollierten die Einhaltung der Demonstrationsauflagen der Stadt und verhinderten das Aufeinandertreffen gewaltbereiter Gruppen. 14 Menschen kamen in vorbeugenden Gewahrsam, außerdem wird gegen einen Tatverdächtigen aus den Reihen der Rechten wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt.

Im vergangenen Jahr hatten bereits sechs Demonstrationen von Rechten durch Leipzig geführt. Die Aufmärsche stoßen regelmäßig auf Widerstand aus dem Rathaus und der Leipziger Bürger. Für den 3. Oktober hat Worch einen weiteren Demonstrationszug angekündigt. (Quellen: Sprecher von Polizei und Stadt auf Anfrage; Polizei in Pressemitteilung)

 

 

 

Montag, 21. Juli 2003

Gedenkglocke gegen braunen Lärm
Verlesen der Namen von Widerstandskämpfern konterkarierte Aufmarsch 
 
Von Hendrik Lasch 
 
Ganze 80 Getreue hat der Hamburger Neonazi Christian Worch am Samstag für eine Demonstration in Leipzig erwärmen können. Aber auch die Proteste gegen den Aufmarsch litten unter Urlaubszeit und Ermüdung.
Demo«, sagt der Dispatcher der Leipziger Verkehrsbetriebe lapidar auf die Frage einiger Fahrgäste, warum sie die Straßenbahn verlassen und den Weg zum Bahnhof zu Fuß zurücklegen müssen. Das einzeln hingeworfene Wort und der Tonfall sagten einiges darüber, was die Leipziger von den Samstagsausflügen des Christian Worch und ihren Folgen für die Stadt halten. »Demo« – eine Mischung aus Stoßseufzer und Fluch.
Fünf Mal hat der Hamburger Neonazi im vergangenen Jahr Demonstrationen in Leipzig angemeldet. Zuerst ging es dem selbst ernannten Anführer der Kameradschaftsszene um einen Marsch zum Völkerschlachtdenkmal. Das wusste die Stadtverwaltung zu verhindern, auch wenn sie mit ihren Versuchen, die Aufmärsche gänzlich zu verbieten, scheiterte. Inzwischen scheint es Worch nur noch um das Prinzip zu gehen: Es wird demonstriert, egal wohin, egal mit wem.
Ganze 80 »Kameraden« vermochten sich am Samstag für den ersten Aufmarsch in diesem Jahr zu erwärmen, der zynischerweise unter dem Motto der Bürgerproteste von 1989, »Wir sind das Volk!«, stand und über eine lächerlich kurze Marschstrecke durch Vorstadtstraßen führte. Voriges Jahr waren zunächst 1000, später noch einige hundert Mitläufer angereist. Diesmal hatte Worch zum offiziellen Veranstaltungsbeginn am Mittag sogar noch Zeit, seinen roten Golf zu wienern, bevor die Nazis nach und nach aus den Zügen herantrotteten. Sofort suchten sie Schutz vor der sengenden Hitze. In kleinen Gruppen drängten sie sich unter den wenigen Bäumchen am Rand des großen Asphaltfeldes.
Mit der Wärme und der Urlaubssaison hatten aber auch die Veranstalter von Protesten zu kämpfen, wie sie seit Beginn der Nazi-Aufmärsche in Leipzig auf die Beine gestellt werden. Dabei war es den Bürgern gelegentlich gelungen, die Aufmarschrouten zu blockieren; bei anderen Gelegenheiten wurden Straßenfeste gefeiert. Jetzt verloren sich auf dem Augustusplatz, wohin das Friedenszentrum und ein Bündnis »Unsere Stadt hat Nazis satt!« eingeladen hatten, nur wenige Menschen. Sie tranken rote Fassbrause und hörten Musik.
Verlass war auf die alternative Szene, die 200 Jugendliche zu einer Demonstration mobilisierte, und die PDS, zu deren Kundgebung rund 80 Anhänger kamen. »Es reicht nicht, die Stadt zu verlassen«, sagte Margitta Hollick, stellvertretende Stadtvorsitzende, vor ein paar Zuhörern, die auch Fahnen von Attac und der KPD hochhielten: »Wir müssen deutlich zeigen, dass wir solche Menschen hier nicht wollen.« Der Beifall wirkte pflichtschuldig, wenig enthusiastisch. Ein wenig Aufregung gab es, als Polizisten die Personalien des KPD-Fahnenträgers aufnahmen.
Während die Demonstrationen im Sommerloch beinahe verschwanden, hatte die Polizei aufgefahren, was Unterkünfte und Garagen hergaben: In Nebenstraßen standen Mannschaftswagen Schlange; am Bahnhof warteten Wasserwerfer und eine Reiterstaffel.
Zwei Stunden stand das Häuflein Rechtsextremer am Bahnhof, bevor sie auf ihre kurze Runde gingen. Genug Zeit für eine neuartige Protestaktion: Aus einem Lautsprecher an einem geöffneten Fenster im Bahnhofsgebäude erklang alle zehn Minuten der sonore Klang der Bronzeglocke des Goerdeler-Denkmals. Der Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler war als einer der Anführer des Attentates auf Adolf Hitler 1945 hingerichtet worden. Verlesen wurden auch die Namen und Hinrichtungsdaten anderer Gegner des Nationalsozialismus. Die Reaktion der Neonazis zeigte, dass Widerstand und Protest trotz der dürftigen Demonstrantenzahl nötig bleiben: Die jungen Männer entblödeten sich nicht, nach jedem Hinrichtungsdatum zu klatschen.

 

 

Montag, 21. Juli 2003

Nazis nötigten Hamburg ihr Gedenken auf
Antifaschisten stellten sich Aufmarsch entgegen 
 
Von Birgit Gärtner, Hamburg 
 
Die NPD und das Aktionsbüro Norddeutschland nahmen den 60. Jahrestag der alliierten Luftangriffe auf Hamburg zum willkommenen Anlass für einen Aufmarsch.
Die Nazi-Demonstration am Sonnabend firmierte als Gedenkveranstaltung für die »unschuldigen Opfer der alliierten Kriegsverbrecher«. Ein breites antifaschistisches Bündnis mobilisierte zu Protestaktionen, um dieser faschistischen Lesart ein »antifaschistisches Geschichtsverständnis« entgegenzusetzen. In der Zeit vom 24. Juli bis zum 3. August 1943 kamen in Hamburg durch die Bombenangriffe etwa 55000 Menschen ums Lebens. Allein in der Nacht des »Feuersturms« vom 27. auf den 28. Juli starben 40000 Menschen, weite Teile Hamburgs wurden in Schutt und Asche gelegt.
Nach dem auch in Hamburg üblichen Vorgeplänkel – das Verwaltungsgericht hob wie schon oft die Verbotsverfügung der Innenbehörde auf – durften die Nazis marschieren. Etwa 1200 Polizeibeamte waren im Einsatz, um 130 Glatzen vor knapp 500 Gegendemonstranten zu schützen. Dazu wurden Wasserwerfer und Gummiknüppel eingesetzt – gegen die Antifaschisten. Insgesamt wurden 15 Personen vorläufig in Gewahrsam genommen.
Im Vorfeld des Nazi-Aufmarsches besetzte eine antifaschistische Gruppe die Zentrale des Hamburger Verkehrsunternehmens HVV. Seit Ende der 90er Jahre habe der HVV den reibungslosen Ablauf von Naziaufmärschen ermöglicht, hieß es dazu in einer Pressemitteilung der Bad-Weather-Antifa. »Nur der sichere An- und Abtransport garantierte bisher den Nazis, dass sie überhaupt in Hamburg marschieren konnten«. Mehrfach mussten in der Vergangenheit Naziaufmärsche auf Grund der massiven Proteste der Bevölkerung von der Polizei aufgelöst werden, bevor sie begonnen hatten. Im Polizeispalier wurden die »Kameraden« dann zur nächsten S-Bahn-Station begleitet und in Sonderzügen kostenlos aus der Stadt gefahren. So wurden auch am vergangenen Samstag nach Beendigung der Demonstration die Faschisten unter Polizeischutz mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln an den Gegendemonstranten vorbei gelotst. Die faschistische Geschichtsbewältigung soll am kommenden Montag mit einer »Mahnwache« für die Opfer der Bombennächte im Ortsteil Mundsburg fortgesetzt werde.

 

 

Montag, 21. Juli 2003

Krawalle beim NPD-Aufmarsch

1300 Polizisten hielten Neonazis und Gegendemonstranten auf Distanz

von André Zand-Vakili

Mehrere Stunden lang sind am Sonnabend rund 130 Rechtsradikale durch den Osten Hamburgs gezogen. Am Rande des von der NPD initiierten Aufmarschs kam es zwischen der Polizei und Gegendemonstranten zu teilweise heftigen Auseinandersetzungen. Dabei wurden Schlagstöcke und Wasserwerfer eingesetzt. Es kam zu sieben Festnahmen wegen Landfriedensbruch und Verstoß gegen das Waffengesetz. Unter den Festgenommenen waren auch zwei NPD-Anhänger.

Noch bevor sich der NPD-Aufzug in Bewegung gesetzt hatte, kam es am Berliner Tor zu ersten Auseinandersetzungen mit der Polizei. Rund 150 Gegendemonstranten aus dem linken Spektrum versuchten den auf Grund einer Gerichtsentscheidung genehmigten Aufzug der Neonazis zu stören. Die Polizei drängte die Krawallmacher ab. Schon hier gab es erste Festnahmen, nachdem Polizisten angegriffen worden waren.

Später wurde von mittlerweile 450 Gegendemonstranten immer wieder versucht, den Aufzug zu stoppen. Am Mühlendamm wurden Bauzäune auf die Straße gezerrt, Müllbeute auf die Fahrbahn geworfen, ein Dixi-Klo umgekippt. Die Polizei setzte Wasserwerfer ein und trieb die Demonstranten bis zur Mundsburg vor sich her. Dort initiierten die Neonazis eine makabre Zwischenkundgebung am Mahnmal für die Kriegs- und Bombenopfer. Über Lautsprecher verbreiteten sie das Heulen von Luftschutzsirenen, das Gedröhne von Bombermotoren und das Krachen von Bombeneinschlägen.

Noch während des ganzen Marschweges kam es immer wieder zu Störungen. An der Hamburger Straße setzte die Polizei erneut Wasserwerfer und Schlagstöcke ein, als Gegendemonstranten versuchten, den Aufzug der Neonazis zu überholen um die Straße zu blockieren.

Nach Beendigung der Demonstration am Bahnhof Barmbek gab es erneut Auseinandersetzungen. Ein Demonstrant wurde verletzt, als Linksautonome auf den abfahrenden Lautsprecherwagen der NDP losgingen. Dabei wurde er von einer Flasche getroffen und von eigenen Leuten überrannt.

Die Hamburger bekamen wenig von dem Aufzug mit. Viele Geschäfte an der Marschstrecke hatten geschlossen und ihre Türen verrammelt.