Mittwoch, 30. Juli 2003

Überfall auf Afrikanerin

Täter festgenommen

POTSDAM. Eine 38-jährige Afrikanerin ist in Potsdam von einem 21-Jährigen geschlagen und beschimpft worden. Die Frau hatte auf die Straßenbahn gewartet, als sie plötzlich von dem Mann ins Gesicht geschlagen wurde, teilte die Polizei am Dienstag zu dem Vorfall vom Montag mit. Passanten seien der Frau zur Hilfe gekommen. Auf Grund von Zeugenaussagen sei der einschlägig bei der Polizei bekannte 21-Jährige später in einer Wohnung festgenommen worden.

In Prenzlau verhaftete die Polizei am Montagabend einen 26-jährigen Berliner, der als rechter Gewalttäter bekannt ist. Gegen ihn lag ein Haftbefehl vor. Die Polizei war auf den Mann aufmerksam geworden, als sie am Montagabend zu einer Auseinandersetzung zwischen einem 29-jährigen Prenzlauer indischer Herkunft gerufen wurde. Die Jugendlichen hatten den Inder zuvor beleidigt und bedroht. (dpa/BLZ)

 

 

Mittwoch, 30. Juli 2003

KZ-GEDENKSTÄTTE

Hetzplakate geklebt

Vermutlich Rechtsextremisten haben in der KZ-Gedenkstätte Langenstein-Zwieberge in Sachsen-Anhalt Hetzplakate gegen Juden geklebt. Bei den am Sonntag entdeckten 10 Papieren handelte es sich um Kopien von Zeitungsseiten aus der Nazi-Zeit, so die Polizei. (dpa)

 

 

Mittwoch, 30. Juli 2003

NEONAZIS HAMBURG

Krawall bei Demo

Bei einer Versammlung von Neonazis an der Hamburger Mundsburg ist es am Montagabend zu Auseinandersetzungen mit linken Gegendemonstranten gekommen. Laut Polizei hatten sich 45 Rechte anlässlich des Jahrestages des Feuersturms auf Hamburg versammelt. (dpa)

 

 

Mittwoch, 30. Juli 2003

LKA-Chef im Visier der Staatsanwaltschaft

Informationen zur V-Mann-Affäre zurückgehalten?

Potsdam -  Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) hat in ungewöhnlicher scharfer Form die Potsdamer Staatsanwaltschaft attackiert. Er sehe in den Reihen der Potsdamer Ermittler die Grenze zum "Verrat von Dienstgeheimnissen" überschritten. Grund für den Wutausbruch sind Überlegungen einer Oberstaatsanwältin, gegen den Chef des Landeskriminalamtes (LKA), Axel Lüdders, ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Strafvereitelung im Amt einzuleiten. Lüdders soll die Staatsanwaltschaft Potsdam nicht deutlich genug auf den Verrat einer groß angelegten Razzia in der rechten Szene Brandenburgs im Februar 2001 hingewiesen haben.

Die Juristin ermittelt seit Anfang Mai gegen den ehemals als V-Mann beim Brandenburger Verfassungsschutz geführten Neonazi Christian K., der einen der bekanntesten Skinheads in Brandenburg - Sven S. - vor einer groß angelegten Polizei-Razzia in der rechten Szene Anfang Februar 2001 gewarnt haben soll. Das entscheidende Telefongespräch zwischen Christian K. und Sven S. aus Borkwalde (Potsdam-Mittelmark) hatten Ermittler des LKA mitgeschnitten. Daraufhin fertigte LKA-Chef Lüdders einen Vermerk für die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe an, dass der "Verrat" der Razzia aktenkundig sei.

Die Bundesanwaltschaft hatte das Verfahren gegen Sven S. wegen Volksverhetzung, das die Potsdamer Staatsanwaltschaft bereits im September 2000 eingeleitet hatte, übernommen, weil es Hinweise auf eine terroristische Vereinigung im Umfeld von Sven S. gegeben haben soll. Nachdem die Razzia geplatzt war, verliefen die Karlsruher Ermittlungen zunächst im Sande.

Erst im Mai dieses Jahres begann die Staatsanwaltschaft Potsdam, das Verfahren gegen Christian K. weiterzuführen. Dabei stellte die Ermittlerin offenbar fest, dass der LKA-Chef zwar die Polizei über den Inhalt des brisanten Abhörprotokolls informiert hatte, die Staatsanwaltschaft aber nicht hinreichend. Nun glaubt die Oberstaatsanwältin, nachdem sie Lüdders vor einiger Zeit als Zeuge vernommen hat, genug Anhaltspunkte für ein Verfahren wegen Strafvereitelung im Amt in der Hand zu haben.  luka

 

 

Mittwoch, 30. Juli 2003

Fußball als Statement

Antifa-Gruppen treffen sich zu einem antirassistischen Kickerturnier in Berlin

Florian Osuch

 

Am kommenden Wochenende findet in Berlin das antirassistische Fußballturnier »Left-Kick« statt. Bisher haben über ein Dutzend Mannschaften ihre Teilnahme zugesagt, darunter Teams aus Berlin, Leipzig, Bremen, Göttingen und Schwerin. Die Initiative geht in diesem Jahr von der Antifaschistischen Linken Berlin (ALB) und der Freizeit-Mannschaft »Red Zombies Westberlin« aus, nachdem in den vergangenen Jahren in Göttingen und Schwerin gespielt wurde.

Die Idee von »Left-Kick« – die Verbindung von Fußball, Spaß und Politik – wurde 2001 von der Autonomen Antifa (M) entwickelt. Damals gewann das Team der Antifa-Schwerin, die dann 2002 das Turnier austrug. »Wir gingen im letzten Jahr als Sieger vom Platz und haben uns gleich für die Ausrichtung des diesjährigen Turniers bereit erklärt«, sagte Anja Laumeyer von der Antifaschistischen Linken Berlin gegenüber junge Welt. Der Gewinner wird dann nächstes Jahr in seiner Stadt das Turnier ausrichten. Die Veranstalter verstehen ihr Turnier nicht nur als sportliches Event, sondern es ist für sie gleichzeitig »Statement gegen Rassismus in der Gesellschaft, den Staat und den Köpfen der Menschen«.

Ort der Veranstaltung ist das Stadion Britz-Süd in Berlin-Neukölln. Gespielt wird zwei mal zehn Minuten auf Kleinfeldern mit sechs Feldspielern sowie einem Torwart bzw. einer Torfrau pro Team. Die Regeln sind vereinfacht: kein Abseits, unbeschränkte Einwechslungen und keine Rückpaßregel. Nur bei Fouls wird strenger gepfiffen: statt gelben und roten Karten gibt es zweiminütige Zeitstrafen wie beim Eishockey. Auf die Beteiligung von Frauen wurde in der Vorbereitung viel Wert gelegt. »Wir haben uns politisch gemischt organisiert und wollen auch bei linken Sportveranstaltungen gemischt spielen«, so Anja Laumeyer.

Bisher war die Schnittstelle zwischen Sport und Autonomer Antifa eher gering oder Freizeitaktivität von einzelnen. 1997 fand in Italien die erste antirassistische Fußball WM »Mondiali Antirazzisti« statt – damals noch mit acht Teams und 80 Teilnehmern. Die »Mondiali« ist seitdem Magnet für viele linke Gruppen und Freizeitmannschaften auch aus der BRD. Innerhalb von fünf Jahren stieg die Zahl der Teilnehmern auf 1000 Personen an. In diesem Sommer gab es erneut einen Besucherrekord: 168 Mannschaften kickten um Tore und Punkte. Rund 4000 Besucher aus ganz Europa kamen ins norditalienische Montecchio – Sieger war das Freizeit-Team eines »Kultur- und Solidaritätsverein« arabischer Migranten aus Italien.

* Informationen: www.antifa.de

 

 

 

Mittwoch, 30. Juli 2003

Neues Zuhause in der Fremde
ALREJU – ein Heim für allein reisende Jugendliche in Fürstenwalde nimmt junge Flüchtlinge auf 
 
Von Thomas Berger 
 

Ein aus einer Notsituation entstandenes Projekt feierte Jubiläum – zehn Jahre alt ist jetzt das Heim für allein reisende Jugendliche (ALREJU) der Diakonie in Fürstenwalde. Eine bundesweit einzigartige Einrichtung.
Zuhause fühlt man sich wohl, findet Geborgenheit. Für Flüchtlinge gemeinhin fast ein Fremdwort, kennen es noch weniger diejenigen, die außerdem die Familie verlassen mussten. Wenn dann trotzdem ein Ort diese Bezeichnung verdient hat, darf er sich dies als Ehre anrechnen.
Das ALREJU-Heim im brandenburgischen Fürstenwalde ist ein solches Zuhause – oder wenigstens Ersatz-Zuhause – für derzeit 44 Mädchen und Jungen im Alter zwischen 12 und 18 Jahren aus 15 Ländern. Zehn Jahre alt ist das ALREJU-Projekt in der früheren Kreisstadt, Ostdeutschen vor allem durch das Reifenwerk bekannt, dieser Tage geworden. Das schönste Geschenk zum Jubiläum ist eben diese Bezeichnung, die vor allem länger hier Wohnende für das Haus finden: ein Zuhause.
Freundlich gelb strahlt die Fassade, früher war sie grau – und passte damals auch. Aus Eisenhüttenstadt, damals wie heute zentrale Anlaufstelle für Asylbewerber in Brandenburg, kam ein Hilferuf: Immer öfter wurden Kinder und Jugendliche an der deutschen Ostgrenze aufgegriffen, die ohne Eltern oder andere Verwandte eingereist waren. Zunächst wurde im »Haus Hoffnung«, dem bis heute bestehenden Flüchtlingswohnheim, eine Etage für die Minderjährigen geräumt. 1994 zog ALREJU ins eigene Domizil am anderen Ende der Stadt.

Nicht nur geduldet, sondern akzeptiert

Das zunächst ungewöhnliche Kürzel sollte fortan immer bekannter werden. Was als Pilotprojekt begann, hat sich längst etabliert, kann als Vorzeigeprojekt dienen und ist trotz aller Erfahrungen aus einem Jahrzehnt doch immer noch ein Ort ständigen Lernens. Kein Fall ist wie der andere, hinter jedem steht ein Schicksal – bis heute 671 aus 51 Ländern der Welt. Einige blieben nur wenige Tage, andere wohnen nun schon seit Jahren hier. Fast allen konnte geholfen werden.
Das war mitunter nicht einfach, denn nicht immer erwiesen sich die Schützlinge der ALREJU-Betreuer als »pflegeleicht«. Ihnen beizubringen, mit Konflikten und ihren Aggressionen kreativ umzugehen, gehört zu den Leistungen des Teams um Heimleiterin Mathilde Killisch, das aus 20 Mitarbeitern besteht, die selbst vier Nationen angehören. Sie sind nicht selten Elternersatz und Vertrauenspersonen, aber auch Autorität, die Grenzen zeigt und dirigiert. Wo die richtige Mischung liegt, muss für jeden der Schützlinge neu herausgefunden werden.
Finanzierungssorgen, von Jahr zu Jahr verstärkt, Ärger mit den Behörden und Probleme im Alltag – trotz aller Schwierigkeiten ist Leiterin Mathilde Killisch glücklich. Sie hat hier ihre Aufgabe gefunden und ist wie alle anderen daran gewachsen, hat sie als Bereicherung empfunden. In den letzten zehn Jahren lernte sie Länder kennen, von denen sie zuvor kaum wusste, dass sie existieren. Sie musste in Grundzügen über den Afghanistankonflikt, die Not in Bangladesch, den früheren Bürgerkrieg auf Sri Lanka und die Lage im Nahen Osten Bescheid wissen. Der Lohn für all die Mühe: mal ein Lächeln, mal ein freundliches Wort, mal ein glücklicher Blick aus scheuen Augen.
In den ersten Jahren war das Projekt ein Fremdkörper, bestenfalls neugierig-argwöhnisch beäugt von den Fürstenwaldern. Rassismus ist der Stadt, wo es einen der wenigen Brandenburger Ortsverbände der rechtsextremen NPD und sogar einen NPD-Stadtverordneten gibt, nicht fremd. Doch mit der Zeit änderte sich das Verhalten der Umgebung. »Natürlich ist es auch heute nicht so, dass uns jeder liebt«, sagt Mathilde Killisch. Doch nun ist das Haus mehr als geduldet, erfreut sich freundlicher Akzeptanz. Und es ist ganz normal, dass die deutschen Klassenkameraden vorbeikommen, um ihre Freunde zu besuchen oder sie zu gemeinsamen Unternehmungen abzuholen.
Bei manchen Bewohnern reicht die Zeit des Aufenthalts kaum, sich den Namen zu merken, so schnell sind sie wieder verschwunden. Entweder, weil sich doch Eltern oder andere Verwandte gefunden haben, die vielleicht schon in Hamburg oder Nürnberg wohnen. Oder weil es der Betreffende vorgezogen hat, unterzutauchen, abzuhauen – wohin, das bleibt oft ein Rätsel. Von manchen taucht später noch einmal ein Lebenszeichen auf. Doch die meisten verbringen viele Monate oder gar Jahre im Fürstenwalder Heim.
Es gab Zeiten, da kamen besonders viele Afrikaner nach Fürstenwalde, in anderen Jahren viele Vietnamesen. Vor allem diese, mit 139 an zweiter Stelle der Statistik, und die 145 Afghanen stellten die Mehrzahl der Bewohner, gefolgt von Sri Lanka (68), Bangladesh (50), Indien (37), China (30) und Rumänien (29). Es gibt aber auch immer wieder Jugendliche, deren Herkunftsland sich nicht mit endgültiger Sicherheit ermitteln lässt. Und manche Fluchterlebnisse, die die Betreuer zu hören bekommen, klingen so abenteuerlich, dass man sie kaum glauben möchte.
Einfach ist das Miteinander nicht, wenn vier Dutzend Jugendliche, etliche davon im schwierigen Alter der Pubertät und alle mehr oder weniger gezeichnet von ihrer Flucht aus der Heimat, unter einem Dach zusammen leben. Da gibt es Streit wie unter Geschwistern, Zoff wie unter Nachbarn und immer wieder Missverständnisse, weil der eine Arabisch, der andere Tamil, ein Dritter Vietnamesisch spricht – und eine Verständigung weder auf Deutsch noch auf Englisch möglich ist. Doch wenn die Mitarbeiter beispielsweise zu Weihnachten eine Feier organisieren und selbst die muslimischen Afghanen christlich-deutsche Weihnachtslieder mitsingen, sind die Reibereien und Probleme vergessen. Dann ist sie intakt, die Großfamilie, bietet Halt und Geborgenheit.
Nephat und Ali sind zwei, die einschätzen und in Worte fassen können, wie sehr dem ALREJU-Team dieser Versuch näherungsweise glückt. Nephat stammt aus Kenia, ist mittlerweile 19 und einer derjenigen, die es geschafft haben. Er hat die 10. Klasse abgeschlossen, eine Arbeitserlaubnis in der Tasche und ist auf der Suche nach einer Lehrstelle. Automechaniker ist sein großer Traum, wie er in akzentfreiem, leicht berlinisch angehauchtem Deutsch erzählt. Bundesweit sucht er, hat schon ein halbes Jahr in Hamburg versucht, etwas zu finden. Bislang vergeblich. Aufgeben will er deshalb noch lange nicht, auch wenn die Suche ein wenig frustriert. »Doch ich habe ein Ziel, will eine Perspektive«, sagt der 19-Jährige ernst. »Es reicht nicht aus, nur vom Arbeiten das Geld in der Tasche zu spüren, man will auch einen Abschluss vorweisen können.« Eine vollendete Lehre in Deutschland würde es ihm ermöglichen, in der alten Heimat Kenia einen Neuanfang zu wagen, sich dort ein selbstbestimmtes Leben aufzubauen. Ja, er würde möglicherweise zurückgehen unter den neuen politischen Bedingungen, dem Aufbruch in dem ostafrikanischen Staat. Auch wenn Nephat weiß, »dass ich mich in Kenia zumindest anfangs mehr als Ausländer fühlen würde als hier«.
Ali aus Afghanistan, der in Kürze 16 wird, lebt seit drei Jahren in dem Haus mit der gelben Fassade. Er spricht fast fehlerfrei Deutsch und hat, wie er stolz berichtet, gerade im zu Ende gegangenen Schuljahr auch im Unterricht zahlreiche Erfolge vorzuweisen. »Und dabei hat mir ALREJU geholfen.« Ali ist ein intelligenter, engagierter Bursche. Immer wieder ist er auf Seminaren und Konferenzen zu Flüchtlingsfragen anzutreffen. Dort sitzt er nicht etwa still in der Ecke, sondern ergreift das Wort, erzählt von seinen Problemen und Erfahrungen.

Ralph aus Sierra Leone fand seine Braut

Deutschland hat die UN-Kinderrechtskonvention zwar unterschrieben. Aber nur unter Vorbehalt. Der Passus, der minderjährige Flüchtlinge betrifft, ihre rechtliche Gleichstellung mit einheimischen Kindern und Jugendlichen, ist den offiziellen Stellen bis heute ein Dorn im Auge. Auch unter der rot-grünen Bundesregierung, wird Mathilde Killisch nicht müde festzustellen, hat sich an der politisch-juristischen Lage ihrer Schützlinge so gut wie nichts verbessert. Noch immer warten einige staatliche Stellen scheinbar sehnsüchtig auf den Tag, da die Mädchen und Jungen das Alter erreicht haben, in dem sie nicht mehr vor Abschiebung geschützt sind. Wer wie Nephat aus Kenia nach dem 18. Geburtstag in Deutschland bleiben darf, kann sich glücklich schätzen.
Zum Zehnjährigen sind auch die gekommen, die längst nicht mehr im Heim leben, sondern auf eigenen Füßen stehen. So Ruslan aus Bulgarien, der einer Mitarbeiterin vor Wiedersehensfreude um den Hals fällt, oder Ralph Nyalay aus Sierra Leone. Ruslan war 1993 einer der ersten Bewohner, lebt noch heute in der Stadt. Ralph kam im Jahr darauf, wohnt heute in Berlin und ist seit einiger Zeit ausgebildeter Tischlergeselle. Zum Fest ist er mit Franziska gekommen, seiner Frau – die beiden hatten sich bereits 1995 kennen gelernt, auf einer Party bei Freunden. Inzwischen sind sie seit fast drei Jahren verheiratet.
Die Heimbewohner haben gegenüber den ersten Jahren gelernt, sich nicht einzuigeln. Und viele Fürstenwalder, mit ihren nichtdeutschen jungen Nachbarn offen, sogar freundlich umzugehen. Es ist dieses Hoffnungszeichen, das ALREJU nach zehn Jahren in alle Richtungen strahlen lässt – und doch nur einen Schritt darstellt auf einem Weg, der noch weit und steinig sein wird.

 

 

Mittwoch, 30. Juli 2003

 

SACHSEN-ANHALT
Antisemitische Hetzplakate an KZ-Gedenkstätte

HALBERSTADT, 29. Juli (dpa). Vermutliche Rechtsextremisten haben in der KZ-Gedenkstelle Langenstein-Zwieberge in Sachsen-Anhalt Hetzplakate gegen Juden geklebt. Bei den insgesamt zehn Papieren, die am Sonntag entdeckt wurden, handelte es sich um Kopien von Zeitungsseiten aus der Nazi-Zeit, berichtete die Polizei in Halberstadt am Montagabend.

Besucher der einstigen Außenstelle des Konzentrationslagers Buchenwald hätten die Plakate entfernt und sie Verantwortlichen der Gedenkstätte übergeben. Den Tätern gelang unerkannt die Flucht.

 

 

Mittwoch, 30. Juli 2003

 

Rechtsextreme foltern Schüler

16-jähriger "Linker" in Schwedt gequält / Täter sind gefasst

Im Nordosten Brandenburgs haben rechtsextreme Jugendliche einen Schüler aus der linken Szene stundenlang gefoltert. Die Täter wurden gefasst. Gegen sie wurde Haftbefehl erlassen, die Staatsanwaltschaft will bald Anklage erheben.

Von Pitt von Bebenburg

FRANKFURT A. M., 29. Juli. Ein 16-Jähriger ist in der brandenburgischen Stadt Schwedt von drei Rechtsextremisten als "Zecke" beschimpft und brutal misshandelt worden. Als "Zecken" bezeichnen die Ultrarechten linke Jugendliche.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) traktierten die Täter ihr Opfer dreieinhalb Stunden lang auf einem Spielplatz und bedrohten es mit dem Tode. Sie traten dem Schüler mindestens zehnmal ins Gesicht, schlugen seinen Kopf mehrfach auf eine Holzbank, drückten sein Gesicht unter Wasser, hoben ihn in die Luft und ließen ihn fallen. Das Opfer kam ohne lebensbedrohliche Verletzungen davon.

Bevor die Täter den Schüler gehen ließen, warnten sie ihn davor, zur Polizei zu gehen, und drohten: "Wir schicken die Kameraden vorbei." Das Opfer ging dennoch zur Polizei, die die Täter stellte. Der Vorfall ereignete sich schon am 20. Juli, wurde aber erst jetzt bekannt gegeben. Einen Zusammenhang mit dem historischen Datum des Attentats auf Hitler sehen die Ermittler nicht.

Nach Angaben des Staatsanwalts Michael Neff waren alle drei Täter, zwei 16-Jährige und ein 19-Jähriger, der Justiz bereits bekannt. Der 19-jährige Haupttäter sei erst kürzlich wegen Hakenkreuz-Schmierereien verwarnt worden. Zwei der Rechtsextremisten sitzen in Haft.

Bei einem 16-Jährigen, der geständig war, wurde die Haft unter Auflagen außer Vollzug gesetzt. Er darf nicht mehr nach 22 Uhr aus dem Haus gehen und keinen Kontakt zu den Mittätern aufnehmen.

Um das Opfer bemühen sich Helfer des Vereins Opferperspektive und des Mobilen Beratungsteams Brandenburg. Die linke Szene in Schwedt berichtet, dass sich seit Jahresbeginn die Überfälle Rechtsextremer gegen Andersdenkende häuften. Die Gewalttaten richteten sich gegen das "alternative Spektrum" von Skateboardern, Hiphoppern und "gegen Leute, die weitere Hosen tragen und sich die Haare färben", beobachtet die Jugendinitiative Pukk ("Politik und kritische Kultur").

 

 

 

Mittwoch, 30. Juli 2003

 

Der 90. Geburtstag oder - Sekt für den Marinerichter

Freiburgs grüner Oberbürgermeister richtet Hans Filbinger eine Feier aus und handelt sich damit Ärger ein

Von Heinz Siebold (Freiburg)

Fast war er schon vergessen. Das ändert sich gerade. Am 15. September wird Hans Karl Filbinger, ehemaliger CDU-Ministerpräsident von Baden-Württemberg, 90 Jahre alt. Wegen der Geburtstagsfeier schlagen in Freiburg, wo der Pensionär wohnt, die Wogen hoch. Die Stadt, regiert vom grünen Oberbürgermeister Dieter Salomon, hat prominente Gäste zu einem Empfang für den Mann eingeladen, den der Dramatiker Rolf Hochhuth als "furchtbaren Juristen" bezeichnet hat. Durch Recherchen Hochhuths wurde Filbingers Tätigkeit als Marinestabsrichter im NS-Regime bekannt, 1978 musste Filbinger zurücktreten. Monatelang wurde das in Norwegen von Anklagevertreter Filbinger unterzeichnete Todesurteil gegen den fahnenflüchtigen Matrosen Walter Gröger diskutiert. Filbinger sprach den auch in seiner Partei mit Entsetzen aufgenommenen Satz: "Was damals Recht war, kann heute nicht Unrecht sein."

"Ich verstehe nicht, wie die Stadt Freiburg einen solchen Mann ehren kann", sagt Jürgen Höfflin, Vorsitzender der DGB-Region Südbaden-Hochrhein. Er sagte seine Teilnahme an der Feier ab. Höfflin weist auch auf Filbingers führende Rolle im "Studienzentrum Weikersheim" hin, das zumindest zeitweise Personen duldete, die dem Rechtsextremismus nahe stehen. Der "Republikaner"-Vorsitzende Rolf Schlierer gehörte dazu. Nicht nur als Ex-Marinerichter ist Filbinger in Freiburg in unguter Erinnerung. Als Ministerpräsident wollte er in den 70er Jahren das Kernkraftwerk Wyhl am Kaiserstuhl mit Gewalt durchsetzen: "Wenn Wyhl nicht gebaut wird, gehen im Jahr 2000 in Baden-Württemberg die Lichter aus", behauptete er. Der Widerstand der Freiburger und Kaiserstühler gegen den Atommeiler war erfolgreich.

"Wir kommen um diesen Geburtstag nicht herum", windet sich Salomons Pressesprecher Walter Preker und versucht das Ereignis zu banalisieren: "Zwei kurze Reden, ein Glas Sekt im Stehen" - mehr passiere nicht. Es sei nun mal eine "bewährte Regel" und ein "Zeichen des Respekts vor dem Alter", dass frühere Stadträte bei runden Geburtstagen mit einem Empfang geehrt würden. Filbinger saß Mitte der 50er Jahre im Freiburger Gemeinderat. Außerdem gebe es in Filbingers Karriere nicht nur "Fehlverhalten", sondern auch "unbestreitbare Leistungen". Die Stadt Freiburg sei sich aber bewusst, dass der auf Drängen der CDU zu Stande gekommene Empfang bei vielen Menschen "auf Unverständnis stoßen würde", sagte Preker der FR. Der Oberbürgermeister werde "sicher" nicht da sein, sondern in Berlin an der Sitzung einer Bund-Länder-Kommission teilnehmen.

Der miteinladende CDU-Kreisvorsitzende Klaus Schüle will die ganze Aufregung nicht verstehen. Filbinger sei schließlich ein "großer Staatsmann" und die Vorwürfe gegen ihn "längst widerlegt". Das muss der Lokalpolitiker, der auch im Landtag sitzt, direkt von der Homepage des Pensionärs abgelesen haben. Dort lässt Filbinger über sich verlauten: "Als Richter in der Militärjustiz hat Filbinger mehreren Soldaten und Offizieren das Leben gerettet und sich selbst in Gefahr gebracht. Er war als milder Richter bekannt." Sein Rücktritt 1978 sei das Werk einer von der DDR gesteuerten "Rufmordkampagne" gewesen. Dass seine Unterschrift unter dem Todesurteil gegen Deserteur Gröger gefälscht ist, wagt allerdings nicht einmal Filbinger zu behaupten.