Freitag, 8. August 2003

Keine Heß-Kundgebung

Verwaltungsgerichtshof verbietet rechten Aufmarsch
in Wunsiedel zum Geburtstag des Hitler-Stellvertreters

MÜNCHEN dpa Eine geplante Gedenkkundgebung rechtsextremer Gruppen für Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß im nordbayerischen Ort Wunsiedel bleibt verboten. Der Bayerische VGH bestätigte gestern eine entsprechende Entscheidung des Verwaltungsgerichts Bayreuth. Damit änderte er seine Praxis im Umgang mit den seit langem umstrittenen Heß-Kundgebungen in Wunsiedel. Noch in den vergangenen beiden Jahren hatte er die Verbote jeweils in letzter Minute aufgehoben.

Heß liegt in Wunsiedel begraben. Rechtsextremisten wollten dort am 16. August zu seinem 16. Todestag wie schon in den letzten Jahren aufmarschieren. Das Landratsamt hatte die von einem Hamburger Rechtsanwalt angemeldete Kundgebung verboten, da sie eine Verherrlichung des Nationalsozialismus und somit ein Angriff auf die verfassungsgemäße Ordnung sei. Das Verwaltungsgericht bestätigte dies und erklärte, die Veranstaltung gefährde die öffentliche Sicherheit und Ordnung.

 

 

Freitag, 8. August 2003

Deutsche Inselbäder

Lektüre

Im Sommer 1935, wenige Wochen nach Beschluss der "Nürnberger Gesetze", waren sie an Ortseingängen allgegenwärtig: Schilder mit Aufschriften wie "Juden unerwünscht". In deutschen Urlaubsorten war Judenfeindschaft lange vor der Nazi-Herrschaft an der Tagesordnung. Frank Bajohrs Untersuchung ergibt, dass "Bäder-Antisemitismus" schon in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts praktiziert wurde. In Borkum hob 1882 ein Inselführer als Vorzug des Eilands hervor, dass es sich um ein "deutsches Inselbad" handele. Orchestriert wurden solche Vorfälle von mindestens vier antisemitischen "Borkum-Liedern". Dabei war dieser Judenhass nicht unbedingt bei den Borkumern verankert, antisemitische Politiker gewannen hier kein Mandat. Offenkundig wurden die "Juden-Ulk" genannten Übergriffe zumal von Gästen betrieben. Damit bestätigt Bajohr eindrucksvoll die These, wie gefährlich auch latenter Antisemitismus ist, wenn ihn die Gesellschaft duldet. 

Frank Bajohr: Unser Hotel ist judenfrei. S. Fischer, Frankfurt/M. 233 S., 12,90 Euro.

 

 

Freitag, 8. August 2003

Abschiebestopp in den Kongo gefordert

PDS, Kirche und Flüchtlingsrat plädieren für Alleingang der Landesregierung

Jens Blankennagel

POTSDAM. Die evangelische Kirche, der Flüchtlingsrat des Landes und Vertreter der PDS-Landtagsfraktion haben am Donnerstag in Potsdam einen Abschiebestopp von abgelehnten Asylbewerbern in die Republik Kongo gefordert. "Das Leben der Rückkehrer ist akut gefährdet", sagte Judith Gleitze vom Flüchtlingsrat. Trotz Friedensvertrag und einer Übergangsregierung sei der Bürgerkrieg in Kongo noch lange nicht beendet. "Die Menschenrechtssituation ist dort bedenklich", sagte sie. Wer sich im geringsten Widerspruch zur Regierung befinde, sei von Verfolgung und Folter bedroht.

In einem Brief der Kirche an Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) und den Berliner Innensenator Erhart Körting (SPD) wird ein genereller Abschiebestopp in das afrikanische Land gefordert. "Am besten auf Bundesebene", sagte die Ausländerseelsorgerin Annette Flade. Die asylpolitische Sprecherin der PDS-Fraktion, Irene Wolff, sagte: "Wegen der Lage in Kongo müsste Bundesinnenminister Schily einen Abschiebestopp verfügen. Wenn das nicht geschieht, kann und sollte sich die Brandenburger Regierung selbstständig dafür entscheiden."

Nach Angaben des Flüchtlingsrates leben in Brandenburg etwa 50 geduldete Asylbewerber aus Kongo, die jederzeit von Abschiebung bedroht seien. "Es sind also nicht viele, die geschützt werden müssten", sagte Gleitze.

Pater Alois Schmid bestätigte alle Horrormeldungen über die Menschenrechtslage in Kongo. Er arbeitet dort seit 1965 für die katholischen Afrika-Missionare. Nur wer zu einer der an der Regierung beteiligten Volksgruppen gehöre, könne derzeit zurückkehren, sagte er. Bereits am Flughafen würden den Heimkehrern Pässe und Geld abgenommen. Unklar sei, ob dies die Polizei macht. Ein weiteres Problem sei, dass 90 Prozent der Kongolesen unter der Armutsgrenze leben. Die Familien würden ihre Verwandten aus Europa nicht mehr aufnehmen, wenn die kein Geld mehr hätten. "Für die Heimkehrer gibt es nur einen Ausweg", sagt Schmid, "die Kriminalität".

Der in Fürstenwalde lebende Flüchtling Steve Ntamba erhob schwere Vorwürfe gegen den Bundesgrenzschutz. Bei seiner versuchten Abschiebung am 29. Februar sei er unmenschlich behandelt worden. Als er aus der Abschiebehaft in Eisenhüttenstadt nach Bremen gebracht wurde, sei er neun Stunden lang an Händen und Füßen gefesselt gewesen. "Ich bin doch kein Krimineller", sagte der 42-Jährige. Er habe als Mitglied einer Oppositionsgruppe 1995 in Deutschland Asyl beantragt und sei dreimal abgelehnt worden. Als Asylgrund wurde auch sein regimekritisches Buch nicht anerkannt, das er in Deutschland geschrieben hatte.

Die Abschiebung in Bremen scheiterte - wie schon Monate zuvor in Berlin - weil sich die Fluggesellschaft weigerte, jemanden gegen seinen Willen auszufliegen. Jetzt plant der Kreis Oder-Spree Ntamba in einer Charter-Maschine auszufliegen. Kosten: etwa 30 000 Euro. "Dafür könnten einige der Flüchtlinge hier bleiben, bis sich die Situation im Kongo gebessert hat", so Irene Wolff.