Mittwoch, 1. Oktober 2003
Eine Ausstellung mit judenfeindlichen Postkarten zeigt das Museum für Kommunikation vom 9. Oktober 2003 bis 15. Februar 2004. Die 400 Exponate der Schau "Abgestempelt. Judenfeindliche Postkarten" dokumentierten den Antisemitismus seit dem 19. Jahrhundert. Die Ausstellung im Museum für Kommunikation, Leipziger Straße 16, ist dienstags bis freitags von 9 bis 17 Uhr und sonnabends und sonntags von 11 bis 19 Uhr zu sehen. (epd)
Mittwoch, 1. Oktober 2003
DRESDEN. Der Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Freiberg vom Juli ist aufgeklärt. Zwei Beschuldigte im Alter von 17 und 21 Jahren aus der Freiberger Gegend seien ermittelt worden, teilte das Landeskriminalamt Sachsen am Dienstag mit. Beide hätten ein ausländerfeindliches Motiv für ihre Tat eingestanden. (epd)
01.10.2003
Ein Bündnis ruft für den "Tag der deutschen Einheit" in Leipzig zu einer Kundgebung gegen einen geplanten Neonazi-Aufmarsch auf. Nach einem Friedensgebet in der Nikolaikirche mit Pfarrer Führer soll die Demonstration zum Völkerschlachtdenkmal gehen. (epd)
Mittwoch, 1. Oktober 2003
"Ich hasse Nazis", erklärt der Sänger der schwedischen Oi-Band Perkele. Gleichwohl gibt Ron aber die englische Kultband des Rechtsrock, Skrewdriver als persönliche Favoriten unter den "ausländischen Bands" an. Unter dem Motto "Love Music - Hate Racism" wollen Perkele am Donnerstagabend im St. Pauli Clubheim auftreten - zusammen mit Volxsturm und The Outfit. Das Konzert führt nicht nur wegen der erwähnten musikalischen Vorliebe des Sängers zu Diskussionen.
Seit Wochen bereits debattiert die Hamburger Skinhead- und St. Pauli-Fanszene in Internet-Foren und Szene-Treffs über den möglichen Gig von Perkele. Denn die Skinhead-Band, die sich selbst als unpolitisch versteht, ist in die Rechtsrock-Szene involviert. Auf ihrer Webseite etwa finden sich Links zu den schwedischen Neonazi-Tonträgervertrieben Valhalla Records und Ultima Thule, wo Interessierte eben auch Perkele-CDs, etwa die aktuelle No Shame, erwerben können. "Wir haben diese Links" erläutert Ron, weil das angeblich "der einzige Ort in Schweden" sei, wo es ihre "Platten zu kaufen" gebe. Der 26-Jährige, der nach eigenem Bekunden auch durchaus gerne den "Vikingarock" der Naziband Ultima Thule hört, erwähnt eilig, dass sie bei einem Konzert in Belgien wegen ihres farbigen Bassisten von Nazis angriffen worden seien: "Die hassen uns!"
Doch was den schwedischen Nazivertrieben recht ist, scheint auch den deutschsprachigen Naziskins billig. Auf deren Website werden Perkele nämlich empfohlen - neben ausgewiesenen Nazibands wie Endstufe und Stahlgewitter.
Das ambivalente Verhalten der Band reichte Norbert Roep, Betreiber des Knust, um das anfänglich bei ihm geplante Konzert abzusagen. Auch dem FC St. Pauli, dessen Clubheim als geplanter Ausweichort gehandelt wird, ist das Konzert nach Überprüfung der Fakten nicht recht: "Wir wollen diese Band dort nicht spielen haben", betonte Pressesprecher Christof Hawerkamp noch am Dienstagnachmittag. Der Veranstalter des Konzerts sowie die Pächterin des Clubheims erklärten: "Das Konzert findet statt - ohne Perkele."
ANDREAS SPEIT
Mittwoch, 1. Oktober 2003
Was Theater
bewirken kann |
„Hallo Nazi“
fordert Schüler heraus |
Kröpeliner-Tor-Vorstadt „Ich hatte zuerst Bedenken, \'Hallo Nazi\' in Rostock aufzuführen“, verrät Jörg Hückler. Der Dramaturg für Kinder- und Jugendtheater wusste um die Geschehnisse bei der Uraufführung des Stücks in Dresden: „Eine rechte Masse wollte alles kaputtschlagen.“ Seit der Premiere in der vergangenen Spielzeit im Theater im Stadthafen hat er viele Publikumsgespräche geführt und konstatiert: „Was Theater alles bewirken kann.“
„Hallo Nazi“ spielt in der Gegenwart. Eine faschistische Kameradschaft überfällt polnische Schwarzarbeiter. Im Gewahrsam einer ostdeutschen Polizeistation begegnen sich Neonazi Rudi und der polnische Automechaniker Jan. Für Rudi ist der brutale Überfall ein Kavaliersdelikt. Er traktiert Rudi mit dummen Polenwitzen, Tritten und Schlägen. . .
„Viele Jugendliche erzählten mir nach den Vorstellungen: So einen Nazi gibt\'s bei uns an der Schule auch“, sagt Hückler. Weniger Wiedererkennungswert gab es beim Polen – weil die jungen Rostocker wenig Kontakt zu Ausländern hätten. Ältere Zuschauer fühlten sich vom Polizisten Erich mit ihrer Meinung vertreten. Erschreckende Äußerungen wiederholt der Dramaturg aus seinen Gesprächen: „Schüler aus Teterow fanden den Nazi cool. Sie sagten, bei ihnen gebe es viele Ausländer, die Schlägereien provozierten.“
Die Berliner Theaterpädagogin Christine Bujak entwickelte einen Workshop, der im Vorfeld eines Besuchs von „Hallo Nazi“ für Schulklassen angeboten wurde. Auch dabei wurden die massiven rechtsorientierten Tendenzen deutlich. „Das Stück wird keinen von seiner Haltung abbringen – aber diejenigen, die schwanken, zum Nachdenken anregen“, erklärt Jörg Hückler. Die nächste Vorstellung beginnt heute um 20 Uhr im Theater im Stadthafen.
JENNY KATZ
Mittwoch, 1. Oktober 2003
Brandanschlag auf Asylbewerberheim
aufgeklärt
Zwei Jugendliche in Haft
dpa
Dresden/Chemnitz - Der Brandanschlag auf
ein Asylbewerberheim in Freiberg in der Nacht zum 18. Juli ist für die Polizei
aufgeklärt. Zwei 17 und 21 Jahre alte Jugendliche hätten aus einer
fremdenfeindlichen Einstellung heraus die Tat gemeinsam geplant und ausgeführt,
teilte das Landeskriminalamt am Dienstag in Dresden mit. Gegen die beiden
wurden am vergangenen Freitag Haftbefehle wegen des Verdachts des versuchten
Mordes in Tateinheit mit versuchter schwerer Brandstiftung erlassen.
Die Beschuldigten
seien bereits wegen Raubes, Körperverletzungen, Diebstahl, Sachbeschädigung und
anderer Straftaten bekannt. Am frühen Morgen des 18. Juli sollen sie gezielt
Brandsätze gegen ein Fenster des Wohnheimes, in dem 140 Erwachsene und Kinder
unterschiedlichster Nationalität wohnen, geworfen haben. Die Molotow-Cocktails
prallten jedoch am geschlossenen Fenster und der Hauswand ab. Menschen kamen
nicht zu Schaden.
Mittwoch, 1. Oktober 2003
Landgericht verurteilte Ex-NPD-Chef
Deckert
Der ehemalige
NPD-Bundesvorsitzende Günter Deckert (63) muss 250 Euro Strafe zahlen - wegen
Verstrickungsbruchs. Das entschied gestern das Landgericht Chemnitz. Die
Richter bestätigten damit ein Urteil des Amtsgerichts Freiberg, gegen das
Deckert in Berufung gegangen war.
Der mehrfach
vorbestrafte NPD-Mann hatte im Juni 2002 öffentlich ein Siegel des
Landrats-amtes Freiberg entfernt. Die Behörde hatte einen alten Gasthof in Brand-Erbisdorf
gesperrt, den Deckert zu einer rechtsnationalen Begegnungsstätte umbauen will
(Morgenpost berichtete).
Mittwoch, 1. Oktober 2003
Jugendtrainer statt Partygänger
Der Mosambikaner Emiliano Chaimite ist Krankenpfleger in Friedrichstadt
und Fußballtrainer bei Lockwitzgrund
Von Sabine Prokscha
Wenn es so etwas wie
Ossis gibt, dann gehört Chaimite dazu. F6-rauchend erzählt er von seiner Lehre
bei einem Magdeburger Gießereikombinat, den sozialistischen Brigadefeiern und
der Planwirtschaft. Als die Wende kam, stand er der Euphoriewelle zunächst
vorsichtig gegenüber. Er kannte aus Mosambik bereits beide Wirtschaftsformen.
Den Kapitalismus, in Form einer unmenschlichen Kolonialherrschaft der
Portugiesen und, nachdem Mosambik 1975 unabhängig wurde, den Kommunismus, der
kostenlose Bildung und kostenlose Gesundheitsversorgung ins Land brachte.
Geschockt war er
darüber, wie Menschen Hals über Kopf nach Westdeutschland zogen und sogar
Kinder zurückließen. „In den Westen oder ins Ausland“, und es klingt, als sei
das kein Unterschied, wollte er nicht. Trotzdem freut Chaimite sich über die
Wiedervereinigung, auch wenn sie zunächst hervorbrachte, was vorher nur unter
der Oberfläche schwelte: Arbeitslosigkeit und Rassismus. „Über die Vorurteile
in dieser Zeit habe ich mich richtig geärgert“, sagt der 36-Jährige
rückblickend. Von wegen viel Geld und Devisen für Ausländer. Viele seiner
Wohnheimfreunde gingen zurück ins bürgerkriegszerrüttete Mosambik. Chaimite
nicht. Er hatte sie lieb gewonnen, die alte DDR und die neue BRD.
Sein Schlüssel zu
Integration ist die Sprache. Der Bücherwurm (Lieblingsbuch: „Der kleine
Grenzverkehr“ von Erich Kästner) zog 1991 nach Dresden. Eine Woche später wurde
ein Ausländer in Dresden von Rechtsradikalen angegriffen und starb. „Das war
für mich natürlich ein Schock.“ Auch Chaimite wurde in Dresden von Rassisten
angegriffen. Zweimal. Wem das passiert, der solle unbedingt Anzeige erstatten,
empfiehlt er. „Das ist die einzige Alternative zur Hilflosigkeit.“ Mehr Toleranz
wünscht er sich. Für Ausländer? Ja, auch. Aber auch für Kranke, Alte, Kinder
und Familien. Für alle eben.
Chaimite ist
Krankenpfleger im Krankenhaus Friedrichstadt. Nach der Ausbildung wurde er
sofort übernommen. „Das ist aber schön, dass sie wieder da sind“, begrüßen ihn
Patienten vom Krankenbett aus. Manche von ihnen machten einst ganz große Augen,
als er das erste Mal ihr Krankenzimmer betrat. Chaimite fällt auf. Egal, wo er
hingeht. Egal, was er tut. „Der Druck, den man sich dabei selbst auferlegt, ist
riesengroß.“ Er tritt die Flucht nach vorn an und gründet gerade den Verein
Afrop, der durch afrikanische Filme und Vorträge das Verständnis der beiden
Kulturen vertiefen soll. Für den 36-Jährigen zählen weniger Diskobesuche als
konservative Werte wie Gemeinschaft, Solidarität und Familie. Zu DDR-Zeiten sei
die Jugendbetreuung besser gewesen, sagt Chaimite. Aber er jammert nicht.
Zweimal pro Woche trainiert der Sportbegeisterte die 17- und 18-jährigen
Fußballer des BSV Lockwitzgrund. Sein letzter Besuch in Mosambik liegt fünf
Jahre zurück. Warum so lange? „Der Flug ist teuer und, na ja“, sagt er
schulterzuckend, „Dresden ist doch mein Zuhause.“
Mittwoch, 1.
Oktober 2003
Interview: Peter Rau |
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FIR verlegt
ihren Sitz von Wien nach Berlin: Für VVN-BdA eine besondere Verpflichtung? |
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jW sprach mit Regina
Girod, Bundessprecherin der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund
der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) |
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* Regina
Girod nahm am Wochenende in Wien an der 27. Generalversammlung der
Internationalen Föderation der Widerstandskämpfer (FIR – Féderation
Internationale de Résistance) teil. |
Mittwoch, 1. Oktober 2003
Jörg Fischer |
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Frage
der Zeit |
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Die menschenfeindliche
Neonaziszene und die Sprengstoffunde in München |
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Die
Aufdeckung der Terrorpläne der Neonazis löste eine Welle der Betroffenheit
und der Überraschung bei Politikern und Sicherheitsbehörden aus. Doch erneut
wurde die Gefahr von rechts verharmlost. Sie wird schnell auf
Ausländerfeindlichkeit oder Judenfeindlichkeit reduziert. Dabei richtet sich
der Haß der Rechten gegen jeden, der nicht ihrer Wahnvorstellung von einer
»deutschen Norm« entspricht. |
Mittwoch, 1. Oktober 2003
Brandanschlag aufgeklärt: Das Landeskriminalamt (LKA) hat im
Zusammenhang mit einem Brandanschlag auf ein Asylbewerberheim in Freiberg zwei
Tatverdächtige im Alter von 17 und 21 Jahren festgenommen, teilte ein
LKA-Sprecher am Dienstag in Dresden mit. Die Männer hätten am 18. Juli
Brandsätze gegen ein Fenster des Heimes geworfen, hinter dem eine Frau mit
ihren Kindern geschlafen habe.
Demonstration gegen Neonazis: Gewerkschaften, der Friedenskreis der
Nikolaikirche und das Bündnis "Jugend ist bunt" haben für den
"Tag der deutschen Einheit" am Freitag in Leipzig zu einer Kundgebung
gegen einen geplanten Neonazi-Aufmarsch aufgerufen. Das teilte die Grüne Jugend
am Dienstag in Leipzig mit.
Mittwoch, 1. Oktober 2003
71-Jähriger soll für frischen Wind sorgen
Bernhard Friedmann ist der neue Vorsitzender
der rechten Denkfabrik Weikersheim
Das von Hans Filbinger gegründete Studienzentrum
Weikersheim möchte weg vom Image der rechten Denkfabrik. Garant dafür soll der
neu gewählte Vorsitzende Bernhard Friedmann sein.
Von Gabriele Renz
Weikersheim · 30. September · Friedmann, der 71 Jahre alte
ehemalige Präsident des Europäischen Rechnungshofes, löste den als
rechtsnational geltenden Politikwissenschaftler Klaus Hornung ab und soll für
frischen Wind sorgen. Das in manchen Feuilletons als
"institutionalisiertes Zentrum konservativen Denkens" gelobte
Weikersheim bot sich in den vergangenen 25 Jahren auch als Forum für
Rechtsextreme wie Ex-General Hans-Ulrich Kopp oder Republikaner-Chef Rolf Schlierer
an. Man wolle künftig "auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes
in die Meinungsbildung eingreifen", sagt Friedmann. Der Studienkreis sei
weder "abgeschlossener Zirkel" noch "Untergliederung von
CDU/CSU". Aber selbstverständlich suche man Kontakt mit politischen
Parteien, "die unseren Zielvorstellungen nahe kommen". Deutschland
sei "zu wenig wertorientiert", weshalb das Zentrum eine offene
Debatte mit bekannten Persönlichkeiten führen wolle.
Fragen nach dem rechten Rand seines Kreises beantwortet Friedmann mit der
Ankündigung, die Mitgliederschar zu verjüngen sowie Arbeitnehmer
"verstärkt einbinden" zu wollen. Sein europäisches Engagement mache
ihn über jeden Vorwurf erhaben, befindet Friedmann. Er meint, Deutschland müsse
"seine Interessen wahrnehmen". Dazu gehöre eine ausschließlich
"strategische Partnerschaft" der EU mit der Türkei oder die
Unterstützung der EU-Osterweiterung. Es gelte aufzupassen, "dass sich
Europa nicht zu sehr ausdehnt". Und der umstrittene Gründer des
Studienzentrums Filbinger, Marinestabsrichter im NS-Regime, fungiere zwar als
Ehrenpräsident, nehme aber "weder auf Programm noch auf Inhalte
Einfluss". Die Beisitzer, fügt Friedmann hinzu, seien "alles
ausgewiesene Demokraten".