Montag, 24. November 2003
Rund 800 Demonstranten haben am Wochenende an den Tod des Hausbesetzers Silvio Meier vor elf Jahren erinnert. Der damals 27-Jährige war 1992 von Neonazis auf dem U-Bahnhof Samariterstraße ermordet worden. Die Demonstration durch Friedrichshain und Lichtenberg verlief nach Angaben der Polizei überwiegend friedlich. Am Rande kam es jedoch zu kleineren Ausschreitungen einiger vermummter Teilnehmer gegen die Polizei. Sie bewarfen die eingesetzten Beamten mit Flaschen. 15 Teilnehmer wurden vorübergehend zur Feststellung ihrer Personalien festgesetzt. Die Veranstalter riefen vor allem junge Leute auf, sich gegen die zunehmenden Aktivitäten von Rechtsextremisten in den Stadtteilen Friedrichshain und Lichtenberg zu wehren und für eine linke Jugendkultur in den Bezirken einzutreten. DPA
Montag, 24. November 2003
BERLIN taz Fast könnte man meinen: Reizend, wie die beiden vierjährigen Kinder an der Spitze des Demonstrationszuges das mannshohe Bild der Jerusalemer Al-Aksa-Moschee vor sich her tragen und in die Fernsehkameras lächeln. Ebenfalls medienwirksam in Szene gesetzt: der Kinderwagenblock gleich dahinter.
Frauen und Kinder - sie bilden die Spitze des islamistischen Al-Quds-Aufmarsches. Fast 1.000 Menschen, zumeist Araber, Türken und Iraner, sind an diesem Samstag in die Westberliner City gekommen, um den Al-Quds-Tag (Jerusalem-Tag) zu begehen. Ajatollah Chomeini hatte diesen Kampftag 1979 ausgerufen, um für die "Befreiung Jerusalems" zu demonstrieren.
Doch anders als in den vergangenen Jahren setzen die Veranstalter nicht auf Gewalt verherrlichende Hass-Parolen gegen Israel und die USA, sondern auf friedliche und versöhnliche Bilder. Weder ein Vater, der wie im April vergangenen Jahres seinen Sohn mit Sprengstoffgürtel-Attrappe auf den Schultern trägt, noch sonst irgendwelche brennenden US- oder Israel-Fahnen. Kaum Transparente, nur wenige Palästina- oder Hisbullah-Fahnen. Vielleicht hier und da ein Pappschild mit der bärtigen Fratze des Ajatollahs.
Aus dem Lautsprecherwagen ruft ein Redner zum Widerstand gegen jegliche Form von Rassismus auf. "Wir beten für Juden, Moslems und Christen, für Freiheit und Frieden in Palästina." Dem gestürzten irakischen Diktator Saddam Hussein erteilt er eine Absage wie den Anschlägen in Istanbul. Selbst als proisraelische Gegendemonstranten, 100 an der Zahl und abgeschirmt von Dutzenden Polizisten, versuchen, den Islamisten-Aufzug zu blockieren - die Demonstranten bleiben friedlich. "Ich kann die Empörung nicht verstehen", sagt der 30-jährige Gürhan Özoguz aus Delmenhorst, der "nicht direkt" zu den Veranstaltern der Demo gezählt werden will. Seit acht Jahren gebe es die Demo - "und plötzlich stehen wir unter Beschuss".
Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) hatte im Vorfeld eine harte Gangart gegen Volksverhetzung angekündigt. "Keine Gewaltverherrlichung in Wort, Ton und Bild", lauteten die Auflagen. Polizeioberkommissar Jörg Nittmann berichtete, die Veranstalter seien sehr kooperativ gewesen. Er verschweigt aber auch nicht, dass es gleich zu Beginn des Aufmarsches doch zu einer Festnahme kam, weil ein Demonstrant ein Schild bei sich trug mit der Aufschrift "Juden sind Mörder". Weitere 30 bis 40 Schilder wurden einkassiert.
Fragt man die Demonstranten, ergehen sie sich in antisemitischen und gewaltbereiten Tiraden. "Selbstmordattentate sind die einzige Möglichkeit, sich gegen Israel zu wehren", sagt zum Beispiel ein Demonstrant, "die Israelis morden, wir morden zurück." Andere sprechen vom zionistischen Komplott gegen die islamische Welt. Ein Teilnehmer sagte, die Anschläge in Istanbul, bei denen Dutzende Menschen starben, seien von Bush, Blair und Scharon inszeniert worden. Er endet mit der Parole: "Tod allen Juden." " FELIX LEE
Montag, 24. November 2003
taz: Herr Rothschild, hätte man die Al-Quds-Demonstration verbieten sollen?"
Walther Rothschild: Was die Teilnehmer der Al-Quds-Demonstration vertreten, halte ich für gefährlich. Die Demonstration aber ganz zu verbieten wäre ein falscher Ansatz gewesen.
Es gab strenge Auflagen, nur wenige Transparente waren zu sehen. Können Sie mit dem Verlauf nicht zufrieden sein?
Eigentlich ja. Die Demonstration ist glimpflicher verlaufen, als ich erwartet habe.
Auf der pro-israelischen Gegenkundgebung waren nur 100 Leute. Wie erklären Sie sich die geringe Teilnahme?
Ich war sehr enttäuscht. Die Gegenkundgebung wurde vor allem von jungen Antifas organisiert. Es kann sein, dass einige Leute deswegen abgeschreckt wurden. So genau weiß ich das aber nicht.
Und? War diese Furcht berechtigt?
Nein. Zwar hatte ich zum Teil Probleme mit dem, was gesagt wurde. Ich persönlich bin aber dankbar, dass es überhaupt Leute gibt, die diese Gegenkundgebung organisiert haben.
Dort wurde in Reden der Islamismus mit dem Nationalsozialismus gleichgesetzt …
… einer sagte auch, Hass müsse man mit Hass begegnen.
Ist dieser Vergleich angemessen?
Ja und nein. Es gibt zwei Gruppen, die gegen westliche Werte und Juden wettern. Die eine Gruppe, das sind die Neonazis. Die andere Gruppe die Islamisten. In diesem Punkt sehe ich durchaus Gemeinsamkeiten. In anderen Punkten gibt es natürlich große Unterschiede. Die Gefahr, die vom Islamismus ausgeht, muss man aber genauso ernst nehmen.
Es sind ja nicht nur Islamisten, die die Politik Scharons verurteilen. Die Mehrheit in ganz Europa kritisiert Israel. Können Sie den Unmut gegenüber Israel nicht nachvollziehen?
Natürlich fühlen viele Palästinenser Schmerzen bei dem, was im Nahen Osten passiert. Aber auf der Al-Quds-Demo waren viele, die nicht nur gegen das sind, was in Israel gerade passiert. Sie stellen das Existenzrecht Israels insgesamt in Frage. Dafür habe ich kein Verständnis.
Nach den Anschlägen auf die Synagogen in Istanbul - wie bedroht fühlen Sie sich als Jude in Deutschland?
Nicht mehr als früher auch. Es gab Anschläge auf Synagogen in Djerba, in Casablanca. Istanbul ist deswegen nichts Neues. Das vielleicht einzig Neue an Istanbul: Endlich nehmen auch die Europäer die Terrorgefahr ernst.
Rechnen Sie mit Anschlägen auf jüdische Einrichtungen in Berlin?
Nicht konkret. Aber dass die Polizei überhaupt mit einem so schweren Geschütz vor jüdischen Einrichtungen stehen muss, ist schon traurig.
Nach den Anschlägen in Istanbul hat Innensenator Körting die Sicherheitsvorkehrungen vor jüdischen Einrichtungen erhöht. Reicht das?
Gegen eine Autobombe oder gegen Selbstmordattentäter kann man letztendlich nichts tun. Eine absolute Sicherheit gibt es nicht. Die deutschen Behörden tun aber ihr Bestes.
INTERVIEW: FELIX LEE
Montag, 24. November 2003
Meinungsfreiheit ist das eine, Rassismus und Terrorismus das andere. Die Schutzmaßnahmen vor den jüdischen, britischen und amerikanischen Einrichtungen in Berlin wurden seit den Anschlägen in Istanbul verstärkt. Dass die Bedrohung real ist, wird von Gegendemonstranten und Kennern der Migrantenszene bestätigt. Dass Sicherungsmaßnahmen nicht allein gegen Radikalisierung schützen, mahnen sie ebenso an.
KOMMENTAR VON
WALTRAUD SCHWAB
Es gibt Szenen in Berlin, wo radikal schick ist. Einige von ihnen lassen sich durchaus vor den islamisch-fundamentalistisch-terroristischen Karren spannen. Anfällig dafür seien vor allem die jungen, hier geborenen Migranten. In Berlin schließen 25 Prozent von ihnen die Schule nicht ab. Auf dem Arbeitsmarkt haben sie so gut wie keine Perspektive. Ihre Chance, in der deutschen Gesellschaft anzukommen, wird durch solche Voraussetzungen nicht gefördert - geschweige denn, sich als Gesellschaftsmitglieder zu verstehen, die sich verantwortlich auch gegenüber der BRD fühlen. Dass radikale Positionen da eine Leerstelle füllen können, ist bekannt. Hier sind Innensenator Körting, Bildungssenator Böger und Co. gefordert. Nicht nur als Hardliner, die sich Sicherheitskonzepte ausdenken, sondern auch als Psychostrategen des verletzten männlichen Egos.
Das immer wieder vorgebrachte Argument, dass Politiker Schulunwillige nicht in die Schule treiben und Arbeit nicht aus dem Ärmel schütteln können, reicht nicht. Vorschläge, wie mit dem Zukunftsproblem jugendlicher Migranten umgegangen werden könnte, gibt es. Sie umzusetzen müsste Teil der innenpolitischen Strategie zur Befriedung werden, damit Meinungsfreiheit niemals für Gehirnwäsche missbraucht wird.
Montag, 24. November 2003
AUS STOCKHOLM
REINHARD WOLFF
Schwedens rechtsextreme Szene formiert sich neu. Während die "Schweden-Demokraten" verstärkt aufs parlamentarische Pferd setzen, sich um mehr Seriosität bemühen und nach dem Einzug in 28 Stadt- und Gemeinderäte bei den letzten Kommunalwahlen nun offenbar ernsthaft die Parlamentswahlen 2006 im Visier haben, versucht die "Schwedische Widerstandsbewegung" (SMR) versprengte Rechtsradikale einzusammeln. Offensichtlich mit einigem Erfolg.
Diese derzeit aktivste neonazistische Gruppe im Lande unterhält nach Erkenntnissen der antirassistischen Publikation Expo enge Kontakte zum Hamburger Anwalt Jürgen Rieger, den "berüchtigten deutschen Rechtsextremisten und mehrfachen Millionär" (Expo). Auf das 650 Hektar große Gut "Sveneby Säteri", das Rieger 1995 in der Nähe der westschwedischen Stadt Skövde kaufte, bzw. in dessen unmittelbare Nähe, sind laut Expo in der letzten Zeit mindestens vier Personen aus dem SMR-Führungskreis gezogen.
Peter Jansson von der Polizei in Skövde bestätigt: "Es ist ganz offensichtlich, dass wir da einen neuen Sammelpunkt bekommen haben. Es gibt auf dem Gut eine Menge unbewohnte Häuser, und wir sehen diese Leute da einziehen." Und er befürchtet ein "neonazistisches Nest".
Regelmäßig werden seit einiger Zeit in den umliegenden Orten Flugblätter und SMR-Publikationen verteilt. Auch in Schulen sind die Werbeaktivitäten gestiegen. Die Organisation hat offenbar eine eigene Druckerei eingerichtet und bemüht sich, ihre Basis zu verbreitern. Am Samstag veranstaltete die "Widerstandsbewegung" eine Kundgebung in der nahe gelegenen Stadt Vänersborg. Thema: die "Bedrohung" Schwedens durch eine multikulturelle Gesellschaft. Vor zwei Wochen gab es eine ähnliche Veranstaltung in Göteborg, an der auch TeilnehmerInnen aus Norwegen von der dortigen "Norwegischen Widerstandsbewegung" auftraten. Die Botschaft der SMR-Auftritte: Die Regierung in Stockholm veranstalte mit ihrer Ausländerpolitik einen "geplanten Volksmord" am schwedischen Volk.
Während die SMR in den letzten Jahren eine eher geschlossene Gruppe darstellte, die öffentliche Aktivitäten selten ankündigte, fühlt sie sich nun offenbar stark genug dafür. Sie kündigt jetzt ihre Veranstaltungen vorher auf ihrer Internetseite an. Mit der Folge, dass jeweils sowohl Polizei, Medien wie GegendemonstrantInnen aktiviert werden. Die Neonazis vermochten zu den Veranstaltungen jeweils 50 bis 70 TeilnehmerInnen zu mobilisieren, was fast dem Publikum entspricht, das man zuletzt allenfalls einmal jährlich beim mittlerweile eingestellten nationalen Rudolf-Hess-Gedenkmarsch aufweisen konnte.
Die SMR und ihre Jugendorganisation "Nationale Jugend" (NU) wurde Ende der Neunzigerjahre vor allem von Personen mit einer Vergangenheit im "Weißen Arischen Widerstand" gegründet. Dies ist der offen antisemitischste Zweig der schwedischen Neonaziszene, die den Kampf gegen die "zionistische Weltverschwörung" zum Hauptziel hatte, und die Gruppe mit der zumindest verbal größten Terrorbereitschaft.
Die Verbindungen der SMR zu Jürgen Rieger sind unübersehbar. Magnus Söderman, einer der SMR-Frontfiguren, trat sowohl bei den Kundgebungen der letzten beiden Wochen in Schweden als Redner auf als auch an der Spitze einer SMR-Abordnung im Sommer beim letzten Rudolf-Hess-Marsch in Wunsiedel. Organisator und Hauptredner des Marsches war Rieger. Söderman trat als Fahnenträger mit der schwedischen Flagge auf und überbrachte ein Grußwort. Zumindest bis vor einigen Jahren sollen SMR und NU auch noch enge Kontakte mit der NPD unterhalten und an einigen ihrer Veranstaltungen teilgenommen haben.
Rieger und sein schlossähnlicher Gutshof "Sveneby Säteri" sind bereits wiederholt ins Visier schwedischer Medien und Behörden geraten.
Sonntag, 23. November 2003
Während die Islam-Demo wenige Hundert Meter entfernt vorbeizog, demonstrierte ein Bündnis linker Gruppierungen an der Ecke Wilmersdorfer Straße und Krumme Straße in Charlottenburg für mehr Solidarität mit Israel. "Kein Fußbreit den Islamisten" war die Parole der 100 Demonstranten, ebenso deutlich wurden sie während ihrer Ansprachen. "Der Islamismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen. Wir begegnen ihm mit Hass", sagte Sören Pünjer von der "Redaktion Bahamas". Rabbiner Walter Rothschild, der der Demo beiwohnte, wertete diese Worte kopfschüttelnd als "starken Tobak". Nicht mit Hass, nur mit Bildung und Toleranz lasse sich der Antisemitismus bekämpfen. Die Demo verlief ruhig, es kam nur zu einer Rangelei zwischen Teilnehmern und der Polizei, als ein paar Demonstranten sich dem Islamisten-Marsch mit einer israelischen Flagge in den Weg stellen wollten.
Montag, 24. November 2003
Andreas Kopietz
Auf einem
stillgelegten Industriegelände in Schöneweide hat die Polizei gestern früh einen
Treff jugendlicher Neonazis geschlossen. In den Kellerräumen des ehemaligen
"VEB Kühlautomat" am Johannistaler Segelfliegerdamm hatten sich
Jugendliche illegal einen Club eingerichtet. Den Tresen und die Wände bemalten
sie unter anderem mit zahlreichen Hakenkreuzen, SS-Runen, Ku-Klux-Klan-Kürzeln
und Werbung für die Terrorgruppe Combat 18. Auf der Eingangstür stand die
Aufschrift "Wolfsschanze".
Wie lange der Treff schon
existierte, ist unklar. Obwohl sich in unmittelbarer Nähe eine Polizeiwache
befindet, stießen die Beamten nur durch Zufall auf die Rechten. Wie ein
Sprecher auf Anfrage mitteilte, seien Polizisten einer Anzeige wegen
Stromdiebstahls und Hausfriedensbruchs nachgegangen. Unbekannte hatten auf
einem benachbarten Telekomgelände ein Stromkabel an einen Verteilerkasten
angeschlossen. Als die Beamten dem Kabel folgten, gelangten sie zu den
Kellerräumen, die sich unter einer Fabrikhalle befinden. Dort hätten sie fünf
Jugendliche im Alter von 15 und 20 Jahren angetroffen, die laute Musik von Nazi-Bands
hörten, so der Polizeisprecher. Die Polizisten beschlagnahmten CDs und
Kassetten und nahmen Anzeigen wegen des Verwendens verfassungswidriger
Kennzeichen auf. (kop.)
Montag, 24. November 2003
Marcel Gäding
Die Szenen
erinnern an den Nahen Osten. Doch die Frauen mit ihren Kopftüchern, die Männer
und Kinder mit Fahnen und Transparenten knien mitten in Berlin, auf drei
Fahrstreifen. Es ist Sonnabendnachmittag, als sich die Teilnehmer der
Al-Quds-Demonstration zum Gebet auf dem Savignyplatz treffen. Die Straßen
dorthin sind abgesperrt. Für einen Moment weicht der Krach der Großstadt dem
Sprechgesang des Mannes, dessen hohe Stimme bis zum Bahnhof Zoo zu hören ist.
"Bewahre unsere Einheit", ruft er den Islamisten zu.
Rund 1 000 Menschen haben
sich in der City West getroffen. Al-Quds-Demonstration nennt sich ihre
Veranstaltung. Al-Quds ist arabisch und heißt Jerusalem. Die, die den Verkehr
in der westlichen Innenstadt für zwei Stunden zum Erliegen bringen,
protestieren gegen "die militärische Besatzung Palästinas", gegen
"faschistisch-zionistische Banden". Nein, sie sind nicht
antisemitisch, hatten die Veranstalter schon im Vorfeld verlauten lassen. Wer
die Demonstranten jetzt sieht und hört, bekommt Zweifel an den Aussagen.
Verschwörungstheorien werden offen propagiert. Der israelische Geheimdienst
Mossad sei verantwortlich für die Anschläge in Istanbul vergangene Woche.
"Das ist eine Verschwörung gegen die islamische Sache", sagt der
Demonstrant Yilmaz Cevik aus Neukölln. Schnell wird klar: Der Protest richtet
sich nicht nur gegen Unterdrückung der Palästinenser, er richtet sich auch
gegen Juden.
Die Polizei - sie ist mit
mehreren Dutzend Beamten vor Ort - spricht am Ende von einer friedlichen
Veranstaltung. Deren Organisatoren hatten im Vorfeld verfassungsfeindliche oder
extremistische Symbole in Form von Fahnen oder Transparenten untersagt und
damit die Situation etwas entschärft. Doch das Bündnis gegen Antisemitismus,
das eine Gegendemonstration mit 100 Teilnehmern angeführt hatte, ist über die
jährlich wiederkehrenden Al-Quds-Demos besorgt. Von bedrohlichen Aufmärschen
spricht Bündnis-Mitglied Herman Bödicker. Und seine Mitstreiterin, die
Journalistin Claudia Dantschke, sagt, dass die Gesellschaft solche Meinungen
nicht dulden dürfe. "Wir müssen so etwas öffentlich thematisieren."
Montag, 24. November 2003
Anja
Wagner-Roth |
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Silvio-Meier-Demo |
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Flaschenwürfe auf
rechtes Lokal in Berlin |
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Rund 1500
Antifaschisten beteiligten sich am vergangenen Samstag unter dem Motto »Keine
Kneipen für Nazis! Antifa heißt Angriff« an der Silvio-Meier-Demonstration in
Berlin. Die meist jugendlichen Demonstranten zogen durch Friedrichshain und
Lichtenberg, vorbei an verschiedenen Lokalitäten, die als Treffpunkte von
Rechten genutzt werden. Vor dem Fan-Lokal des »BFC Dynamo« kam es zu
Auseinandersetzungen mit der Polizei, als Flaschen auf das Lokal geworfen
wurden. Nach Angaben der Antifaschistischen Linken Berlin wurden 15 Personen
festgenommen. Im »BFC-Lokal« sowie im dazugehörigen Tattoo-Studio
»Ost-Sektor« gehören Neonazis und Hooligans zur Stammkundschaft. Erst am 3.
Oktober diesen Jahres wurde im Lokal eine Feier von Rechten durch die Polizei
aufgelöst. |
Montag, 24. November 2003
Eisernes Schweigen und keine Hetz-Plakate
Muslime protestieren beim Al-Quds-Tag in Berlin
gegen Israel, vermeiden aber tunlichst antisemitische Parolen
Knapp 1000 Muslime aus verschiedenen Teilen Deutschlands
haben am Samstag in Berlin für die "Befreiung Palästinas und
Jerusalems" demonstriert. Die gegen die israelische "Besatzungspolitik"
gerichtete Demonstration verlief ohne Zwischenfälle.
VON AXEL VORNBÄUMEN
Berlin · 23. November · Sanft
dringt die Stimme von Yavuz Özoguz aus dem Lautsprecherwagen, eindringlich sind
die Parolen, scheinbar endlos der Mitteilungsdrang: "Weil wir als Bürger
dieses Landes das Ausmaß der Naziverbrechen kennen, richten wir uns von
vornherein gegen jede Form des Rassismus." - "Es gibt keine Freiheit
ohne Gerechtigkeit." - "Es gibt keinen Moslem, dem es erlaubt ist,
Rassismus gutzuheißen." Wer demonstriert hier, an diesem Einkaufssamstag
in der Berliner Innenstadt? Sektiererische Moslemsplittergruppen, angetreten,
wie in den Jahren zuvor am Al-Quds-Tag (Jerusalem-Tag), das Existenzrecht Israels
zu bestreiten? Klammheimliche und nicht so heimliche Anhänger jener
palästinensischen Selbstmordattentäter, die in ihrem fanatischen Drang nach
dem, was sie für Gerechtigkeit halten, die Grenzen jeglichen zivilen
Miteinanders missachten?
Yavuz Özoguz ist Betreiber eines Internet-Portals (www.muslimmarkt.de),
auf dem Israelhasser sich austoben. Den Schweigemarsch, den er diesmal in
Berlin organisiert hat, ist ein diszipliniertes Miteinander. Ohne "Tod-Israel"-Parolen,
ohne Fahnenverbrennung, weil die Öffentlichkeit im Umfeld des sich
internationalisierenden asymmetrischen Terrors erstmals ihre Wahrnehmung
geschärft hat, gegenüber dem seit Jahren traditionell am letzten
Ramadan-Wochenende stattfindenden Marsch. Und so marschieren sie durch Berlin,
so wie sie es immer getan haben: Erst die Frauen mit den Kinderwagen an der
Spitze, dann die Frauen ohne Kinder, dann der Lautsprecherwagen mit dem
dauertextenden Özuguz, dann die Männer, alles in allem knapp 1000 an der Zahl,
nur eben eisern schweigend und ohne jene Transparente hoch zu halten, die sie
zu Anfang noch dabeihatten: "Israel ist die größte Bedrohung für den
Weltfrieden."
Auch ohne jene Papptafel übrigens, auf der das Konterfei von
Israels Premier Ariel Scharon prangt: "Entweder ihr seid für mich oder ihr
seid Antisemit." Nein, Antisemiten seien sie nicht, sagen viele, bevor
sich der Marsch in Gang setzt. Aber bitte, wie sollen sie denn noch
Differenzierungen vornehmen angesichts solcher Sätze wie dem von Scharon? Auch
Özoguz achtet in seinem Lautsprecherwagen peinlich genau darauf, alles zu
vermeiden, was ihm als Antisemitismus ausgelegt werden könnte. Für ihn sollte
vielmehr das "rassistische Israel" von der Weltgemeinschaft so behandelt
werden wie einst der Apartheidstaat Südafrika. "Es ist ein Unrecht, was
Israel tut, und es wäre falsch zu behaupten, Juden würden das tun."
Die Demonstration geht friedlich zu Ende, wenn das der richtige Begriff für das
Ausbleiben von Krawall ist. Gleiches gilt für die Zusammenkunft eines kleinen
Häufchens von Gegendemonstranten. Alles ruhig, am letzten Ramadanwochenende in
Berlin. Doch niemand kann in die Seelen schauen.
1979
forderte Ayatollah Khomeiny die Islamisten in aller Welt auf, am Ende des
Ramadan gegen das Existenzrecht Israels zu demonstrieren. Der so genannte
Al-Quds-Tag (Jerusalem-Tag) wurde fortan zur Plattform von Fanatikern in aller
Welt, ihre Israel-feindlichen Parolen zu skandieren. In Berlin demonstrierte am
Samstag erstmals ein Gegenbündnis unter dem Motto "Kein Fußbreit den
Islamisten" - auch um weiter wachsendem Antisemitismus Paroli zu bieten.
Vbn
Montag, 24. November 2003
250 Rechte demonstrieren für SS-Ehrenmal
Marienfels · 23. November · dpa · Rund 250
Rechtsextremisten haben am Wochenende für die Erhaltung eines SS-Ehrenmals in
Marienfels im Rhein-Lahn-Kreis demonstriert. Die Zahl der Gegendemonstranten
einer "Allianz der Vernunft" belief sich laut Polizei auf etwa 500.
Mehrere hundert Polizeibeamte sorgten für die Sicherheit in dem
370-Einwohner-Dorf. Ursprünglich hatte die Polizei mit 200 bis 300
Rechtsextremisten und 800 bis 1000 Gegendemonstranten gerechnet.
Die Rechtsextremisten protestierten gegen die geplante Entfernung des
umstrittenen Ehrenmals zum Gedenken an gefallene SS-Soldaten vom Marienfelser
Friedhof. Laut Ortsbürgermeister Axel Harlos (SPD) soll es das einzige Denkmal
der Waffen-SS in Deutschland sein. Der Gemeinderat von Marienfels hatte
beschlossen, den ausgelaufenen Pachtvertrag für den Grund und Boden des
Ehrenmals nicht mehr zu verlängern und dieses nur noch vorläufig zu dulden. Der
Kameradschaftsverband der Soldaten zweier SS-Panzerdivisionen als Eigentümer des
1971 errichteten Ehrenmals hatte am Dienstag zwei verfassungsfeindliche Symbole
von dem Denkmal entfernen lassen. Sie waren der Polizei erst wenige Tage zuvor
aufgefallen.