Dienstag, 6. Januar 2004

Aktionsbündnis wählt Nachfolger Wischnaths

POTSDAM. Der evangelische Superintendent Heinz-Joachim Lohmann aus Wittstock soll neuer Vorsitzender des Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit werden. Die Wahl als Nachfolger des erkrankten Cottbuser Generalsuperintendenten Rolf Wischnath ist für den 20. Januar vorgesehen, teilte das Aktionsbündnis am Montag mit. Weitere Kandidaten seien bislang nicht vorgeschlagen worden. Der 41-jährige Theologe Lohmann vertritt seit mehreren Monaten für Wischnath die evangelische Kirche im Aktionsbündnis. Der 56-jährige Generalsuperintendent hatte den Vorsitz des Aktionsbündnisses im Sommer aus Gesundheitsgründen niedergelegt und soll wegen der anhaltenden Erkrankung im April auf eigenen Wunsch in den Ruhestand verabschiedet werden.

 

 

Dienstag, 6. Januar 2004

 

 

Antisemitismus-Vorwürfe schockieren EU
Von Birgit Jennen, Brüssel und Joachim Zepelin, Berlin

Die Europäische Kommission weist die Antisemitismus-Vorwürfe jüdischer Verbände kategorisch zurück. "Wir sind schockiert über die Vorwürfe", sagte der Sprecher von Kommissionspräsident Romano Prodi, Reijo Kemppinen.

Der Vorwurf des Antisemitismus sei "völlig ungerechtfertigt", so Kemppinen zur FTD. Aus Unmut über einen von der FTD und der Financial Times am Montag veröffentlichten Meinungsbeitrag der Präsidenten des World Jewish Congress (WJC) und des European Jewish Congress (EJC), Edgar Bronfman und Cobi Benatoff, erwägt die EU-Kommission nun ein für Februar geplantes Antisemitismus-Seminar abzusagen. "Wir müssen prüfen, wie wir auf die Vorwürfe reagieren", sagte Kemppinen. "Es ist noch nicht sicher, dass die Konferenz stattfinden wird."

Bronfman und Benatoff hatten in ihrem Beitrag der EU vorgeworfen, durch Untätigkeit sowie "durch direkte Schritte gegen Juden" den Antisemitismus in Europa gefördert zu haben. Sie bezogen sich dabei auf eine Umfrage der EU-Kommission, bei der 59 Prozent der befragten Europäer angekreuzt hatten, Israel stelle die größte Gefahr für den Weltfrieden dar. Es war dabei nicht gefragt worden, ob von den palästinensischen Gegnern Israels eine Gefahr für den Frieden ausgehe.

Die beiden Präsidenten der wichtigsten Dachverbände jüdischer Gemeinden wiesen außerdem auf eine Studie des Berliner Zentrums für Antisemitismusforschung hin. Die hatte ergeben, dass vor allem muslimische Immigranten für den Anstieg des Antisemitismus in Europa verantwortlich seien, und war daraufhin nicht veröffentlicht worden. Bronfman und Benatoff warfen der EU-Kommission in scharfen Formulierungen Zensur, mangelnden Anstand und moralischen Betrug vor.

"Das ist nicht nachvollziehbar"

"Ehrlich gesagt, die Kritik ist nicht nachvollziehbar", sagte Kemppinen der FTD. Die Kommission habe niemals die Veröffentlichung einer europäischen Antisemitismus-Studie verboten. Sie versuche auch nicht, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Die EU-Kommission weist auch den Vorwurf der jüdischen Verbände zurück, die Studie sei Indiz dafür, dass der Antisemitismus sich in Europa ausbreite. Es sei fraglich, "ob der Antisemitismus in Europa wachse", so Kemppinen.

Der deutsche Europaabgeordnete Elmar Brok bezeichnet die Kommissionsstudie als "ärgerlich", weil die Formulierung der Umfrage "äußerst ungeschickt" war. "Daraus allerdings das Motiv des Antisemitismus abzuleiten, halte ich für abwegig." Hinter der Studie stehe kein politischer Wille. Den Verantwortlichen - EU-Kommissar Chris Patten und Kommissionspräsident Prodi - könne man keinen Antisemitismus nachsagen.

In Kommissionskreisen heißt es, die Kommissionsstudie sei von Beamten auf der Arbeitsebene aufgesetzt worden. Weder Prodi noch Patten hätten den konkreten Inhalt der Umfrage gekannt. Die Umfrage deutet nach Ansicht von Brüsseler Beobachtern deshalb nicht auf einen Antisemitismus der Kommission hin, sondern auf eine mangelnde Koordination und Kontrolle in der EU-Behörde.

Seminar seit Dezember geplant

Der Generalsekretär des EJC in Paris, Serge Zweigenbaum, wollte die Überlegungen der EU-Kommission, dass gemeinsame Seminar abzusagen, am Montag noch nicht kommentieren. Erste Vorbereitungen zu diesem Treffen seien schon Mitte Dezember in Brüssel getroffen worden, sagte Zweigenbaum der FTD. Nach der bisherigen Planung sollen neben der EU und des EJC Vertreter der Konferenz der europäischen Rabbiner, die Vorsitzenden der nationalen jüdischen Gemeinden sowie bekannte jüdische und nicht -jüdische Persönlichkeiten teilnehmen. Neben dem Antisemitismus soll auf dem Seminar über eine mögliche Symbiose europäischer und jüdischer Werte sowie über die bilateralen Beziehungen der EU zu Staaten des Nahen Ostens, insbesondere zu Israel, gesprochen werden. Mit dieser Konferenz wolle man dem Antisemitismus in Europa auf einer gesamteuropäischen Ebene begegnen.

Neben dem für Februar geplanten Treffen in Brüssel hat die Bundesregierung die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für den 28. und 29. April zu einer Ministerkonferenz nach Berlin eingeladen. Dort wolle man "gemeinsam darüber nachdenken, wie wir den Antisemitismus erfolgreich bekämpfen können", sagte Außenminister Joschka Fischer beim OSZE-Treffen im Dezember in Maastricht. Die Vorbereitung dieser Konferenz liegt bei der Regierung von Bulgarien, die seit Jahresbeginn den Vorsitz der OSZE innehat. Auf einer ersten OSZE-Konferenz zum Thema im Juni 2003 in Wien waren erste konkrete Schritte gegen den Antisemitismus beschlossen worden. Deutschland hatte dort die Nachfolgekonferenz in Berlin vorgeschlagen, die im Dezember formell beschlossen worden ist.