Montag, 12. Januar 2004

Gericht verbot Musik bei Neonazi-Demo

1 000 Polizisten sicherten Aufmarsch der Rechten

Neonazis aus Berlin, Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Hamburg haben am Sonnabend in Lichtenberg gegen das Landser-Urteil des Kammergerichts demonstriert. Die aus Berlin stammende Kult-Band der Rechten war am 22. Dezember als kriminelle Vereinigung eingestuft worden. Die Musiker wurden zu Haft- und Bewährungsstrafen verurteilt. Die Musiker waren von der Bundesanwaltschaft angeklagt worden, weil sie in ihren Texten zu Gewalt gegen Ausländer und Juden aufgerufen hatten.

500 Neonazis trafen sich gegen 12 Uhr in der Siegfriedstraße, um über die Frankfurter Allee, Möllendorfstraße, Normannenstraße, Ruschestraße zurück zum Bahnhof Lichtenberg zu marschieren. Die kahl geschorenen und zumeist schwarz gekleideten jungen Männer und Frauen wurden von rund 1 000 Polizisten begleitet. Zuvor hatte der Hamburger Neonazi Christian Worch, der auch die Demonstration angemeldet hatte, strenge Auflagen der Polizei hinnehmen müssen.

So war das Abspielen von Landser-Titeln verboten worden. Auch das Rezitieren der Liedtexte sowie das Summen der Melodien der Landser-Lieder war untersagt worden. Neben dem Verbot verfassungsfeindliche Symbole zu zeigen, mussten die Rechten außerdem auf das Tragen von Bomberjacken verzichten. Deshalb mussten einige Teilnehmer ihre Jacken ausziehen und umdrehen, so dass das orangefarbene Futter der Jacke zu sehen war. Worch hatte zwar Widerspruch gegen diese Auflagen des Berliner Verwaltungsgerichts eingelegt. Doch das Oberverwaltungsgericht bestätigte am Sonnabend in einem Eilrechtsschutzverfahren die Entscheidung.

Der Aufzug unter dem Motto: "Musik ist nicht kriminell" verlief ohne größere Zwischenfälle. Die Polizei nahm insgesamt vier Rechte fest. Ihnen drohen nun Anzeigen wegen Zusammenrottung, Vermummung und Widerstands. Einer der Festgenommenen hatte kurz vor dem Ende des Aufzugs versucht, einen Polizisten zu schlagen. Etwa 200 Gegendemonstranten aus der linken Szene hatten vergeblich versucht, den Nazi-Aufmarsch zu stören. Die Polizei, die die angrenzenden Straßen abgeriegelt hatte, nahm zehn Jugendliche fest. Sie erhielten Anzeigen wegen Körperverletzung, Widerstands, Landfriedensbruchs und Sachbeschädigung.

Trotz des Großaufgebots der Polizei kam es eine halbe Stunde nach Ende des Aufmarsches zu einem Zwischenfall in einer S-Bahn. Mehr als zehn vermummte Täter waren auf den Bahnsteig des Bahnhofs Storkower Straße gestürmt und hatten acht Scheiben eines S-Bahn-Wagens, in dem Neonazis saßen, zertrümmert. Die Täter flüchteten unerkannt.

Montag, 12. Januar 2004

Eine Plattform für Rechte

Jugendamt versagt dem Verein "Brücke 7" den Status als freier Träger

NIEDERSCHÖNEWEIDE. Nein, aufgeben will Claus Bubolz nicht. Der Chef des Kulturvereins "Brücke 7" an der Brückenstraße geht jetzt gerichtlich gegen den Bezirk vor. Beim Verwaltungsgericht legte Bubolz Widerspruch gegen die Entscheidung des Jugendamtes ein, das seinem Verein die Anerkennung als freier Träger der Jugendhilfe verweigert hatte. Von einer solchen Anerkennung aber macht die Senatskulturverwaltung die Auszahlung von 114 000 Euro abhängig. Mit dem Geld will Bubolz in einem Anbau des Bürgeramtes an der Grünauer Straße, gegenüber dem Bahnhof Schöneweide, ein "Zentrum für Toleranz und gegen Gewalt" aufbauen. Der Verein hat sogar schon einen Mietvertrag vom Bezirk. Ob das Zentrum nun überhaupt gebaut werden kann, ist ungewiss.

"Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht und den Verein drei Jahre lang geprüft", sagt Jugendstadtrat Joachim Stahr (CDU). Schließlich arbeite ein freier Träger im Namen des Bezirksamtes und erhalte dafür finanzielle Unterstützung. Doch bei "Brücke 7" hätten weder das Konzept noch die Qualität des Personals überzeugt.

"Brücke 7" ist kein gewöhnlicher Verein. Sein Chef, der gelernte Mitropakellner Claus Bubolz, hat es sich zur Aufgabe gemacht, auch rechtsorientierte Jugendliche zu betreuen. Er nennt sie "national eingestellt" und ist überzeugt, dass für ihre Bekehrung zu Demokraten viel Zeit und Herz ausreichen: "Wir reden über die Arbeit, die Freundin und auch über Politik, das ist hochgradige Jugendarbeit, dafür braucht man kein Diplom", sagt er.

Im Café und im Keller es Vereins finden neben Ausstellungen und Hip-Hop-Veranstaltungen auch regelmäßige Diskussionsforen zwischen Rechten und Linken statt. Auch Innensenator Erhart Körting (SPD) nahm schon an einem solchen Forum teil. Im Kuratorium des Vereins finden sich Prominente wie Joachim Gauck, Walter Jens oder Günter Grass, das Engagement von Bubolz in der Jugend- und Kulturarbeit ist über Berlin hinaus bekannt. Doch der brisanten Arbeit mit den Rechten ist er nach Auffassung des Jugendamtes von Treptow-Köpenick nicht gewachsen. Stadtrat Stahr: "Er geht naiv und teilweise völlig dilettantisch vor und bietet so den Rechten eine Plattform." Ähnliche Bedenken äußert der Bewährungshelfer für straffällige Jugendliche im Bezirk, der grüne Bezirksverordnete Klaus Chinea Correa: "Die dort praktizierte distanzlose Jugendarbeit ist gefährlich, weil Rechte den Verein immer mehr vereinnahmen." Als problematisch sieht auch Bianca Klose vom Berliner Zentrum demokratischer Kultur (ZdK) die Zustände bei "Brücke 7". Die Sozialarbeiterin beobachtet die wachsende rechte Szene im Kiez seit zwei Jahren. "Die Veranstaltungen im Café wurden oft von rechtsextremen Kadern zur Selbstdarstellung genutzt, weil niemand ihren Argumentationen gewachsen war." Das hat wohl auch Bubolz gemerkt - seit zwei Monaten dürfen Kameradschaftsführer und andere rechte Kader nicht mehr an seinen Veranstaltungen teilnehmen.

Im Bezirksamt ist man mit der Situation gar nicht glücklich. Bürgermeister Klaus Ulbricht (SPD), der seinem Parteifreund Bubolz abgeraten hatte, sich mit einer solch schwierigen Materie zu befassen, will das "Zentrum für Toleranz und gegen Gewalt" und die damit verbundenen Fördermittel retten: "Möglich wäre es, dass der Verein gemeinsam mit einem freien Träger das neue Zentrum aufbaut", sagt er. Doch das lehnt Claus Bubolz ab: "Wir sind allein stark genug, ich klage notfalls durch alle Instanzen, um die Anerkennung für meine Arbeit zu erlangen."

Montag, 12. Januar 2004

Struck erhielt Morddrohungen

HAMBURG. Bundesverteidigungsminister Struck hat nach der Entlassung von KSK-General Reinhard Günzel Morddrohungen bekommen. Er würde aber noch einmal so handeln, sagte Struck der Bild am Sonntag. Struck hatte Brigadegeneral Günzel wegen dessen Lobs für eine antisemitische Rede des Abgeordneten Martin Hohmann (CDU) entlassen.