Montag, 19. Januar 2004
Neele Illner 15 Jahre
Die Ergebnisse des
Wettbewerbs werden heute Abend im Berliner Abgeordnetenhaus präsentiert. Im
Rahmen der Kategorie "machmal" halfen Schüler der Knobelsdorff-Schule
bei der Restauration der Gedenkstätte Mauthausen, eine Klasse der
Königin-Luise-Stiftung führte Gespräche mit Zeitzeugen, andere forschten nach
Schicksalen der Opfer der NS-Zeit. Schüler der zehnten Klasse
der Gustav-Freytag-Oberschule pflegten das Rosenbeet des Mahnmals für die Opfer
von Gewaltherrschaft am Rathaus Reinickendorf. Es erinnert an die Vernichtung
von Lidice, eines tschechischen Dorfes, das die Schüler für ihr Projekt auch
besucht haben. Eine Gruppe Jugendlicher aus sieben Nationen realisierte unter
professioneller Leitung ein Theaterstück über die Lage der ehemaligen
Ost-Zwangsarbeiter. In der Kategorie
"schreibmal" verfassten Schüler zum großen Teil fiktive, aber auch
auf wahren Begebenheiten beruhende Texte und Gedichte, in denen sie die
Geschichte aufarbeiten und nach Gründen für den heutigen Fremdenhass
Rechtsextremer suchen. Die besten Texte werden kommende Woche auf dieser Seite
veröffentlicht. Sechs Gruppen haben sich in diesem Jahr im Bereich
"singmal" engagiert - mit Musik, Liedern und Hörspielen zum Thema. Heute ab 17 Uhr stehen die
Türen des Abgeordnetenhauses für alle Interessierten offen. In einer
Ausstellung können die Besucher die eingereichten Projektarbeiten sehen und mit
den Schüler diskutieren. Um 18 Uhr finden die Abschlussveranstaltung und die
Preisverleihung statt. Dort werden Projekte vorgestellt, Texte gelesen, Filme
gezeigt, es wird musiziert und gesungen. Gewonnen haben alle, die beim
Wettbewerb mitmachten. Henriette Hübner vom John-Lennon-Gymnasium und eine
Schülergruppe vom OSZ Druck- und Medientechnik haben mit ihren Textbeiträgen
außerdem einen Sonderpreis gewonnen - ein Praktikum in der Redaktion der
Berliner Zeitung. Montag, 19. Januar 2004
Zum Gedenktag für die Opfer
des Nationalsozialismus am 27. Januar erscheint kommenden Montag eine Jugend-und-Schule-Sonderseite
mit den Gewinnertexten aus der Wettbewerbskategorie "schreibmal". Heute findet im
Abgeornetenhaus ab 18 Uhr die Abschlussveranstaltung und Preisverleihung von
"denkmal" statt. Alle Projekte im Internet
unter: Montag, 19. Januar 2004 Uwe Aulich Wer
im Beusselkiez wohnt, muss hart im Nehmen sein. "Ich fühle mich oft
bedroht", sagt die Frau hinterm Tresen des Nachbarschaftstreffs in der
Rostocker Straße 32. Angst habe sie manchmal, denn seit dem Sommer wurde schon
vier Mal eingebrochen. Deshalb will sie ihren Namen nicht in der Zeitung lesen.
Zumal die Jugendlichen in dem Kiez sehr aggressiv seien, vor allem die
ausländischen. "Es gibt zwei Gangs - in der einen sind 9- bis 12-Jährige,
in der anderen 15- bis 17-Jährige", sagt die Frau. Immer wieder seien sie
in den Treff gekommen, hätten Gäste angepöbelt, die Einrichtung demoliert und
Geld gestohlen. "Am Besten, man lässt sie einfach tun, dann gehen sie
irgendwann wieder." Der Beusselkiez ist nicht
erst ein sozialer Brennpunkt, seit Innensenator Ehrhart Körting (SPD) ihn vor
einer Woche als Problemkiez eingestuft hat. Rund 12 500 Menschen leben dort,
gut 36 Prozent haben keinen deutschen Pass. Jeder vierte Bewohner ist ohne Job.
Die arabisch- oder türkischsprachigen Bewohner bleiben unter sich: Sie brauchen
mittlerweile kein Deutsch mehr für das Leben im Kiez. Längst haben sie eigene
Geschäfte - Supermärkte, Obst- und Gemüseläden und Reisebüros. Deshalb hat der
Senat im Beusselkiez schon vor fünf Jahren Quartiersmanager eingesetzt.
"Das Zusammenleben der Nationalitäten ist noch immer nicht so, wie wir uns
das wünschen", sagt Quartiersmanagerin Susanne Sander. Wie die Quartiersmanagerin
weiß auch Abdallah Hajjir vom deutsch-arabischen Verein "Haus der
Weisheit" angeblich nichts von Bandenkriminalität im Beusselkiez. Der
Verein gibt Deutschkurse für Araber, aber auch Deutsche informieren sich dort
über Kultur und Religion oder lernen Arabisch. "Natürlich gibt es
Streitereien zwischen Nachbarn, Auslöser sind meist Missverständnisse. Und
Disziplin, Ordnung und Sauberkeit sind für viele Fremdwörter", sagt
Hajjir. Freizeitstätten für Jugendliche würden fehlen - und Treffpunkte. Dabei
hat sich in dem Kiez schon viel getan: Drei Spielplätze sind neu entstanden,
nach den Wünschen von Kindern und Eltern. Kreuzungen wurden so umgebaut, dass
ältere Menschen besser über die Straße kommen. Bäume wurden gepflanzt, Bänke
aufgestellt. Alles nur Äußerlichkeiten. Die Probleme zwischen den Menschen aber
sind geblieben. "Auf den neuen Bänken
hat doch eine deutsche Oma gar keinen Platz, wenn sie vom Penny-Markt kommt und
sich ausruhen will. Entweder sitzen da die Alkoholiker oder die
Ausländer", sagt ein Mann, der an der Theke im Musik-Café sitzt. Zwar
betonen die Deutschen in der Kneipe, sie seien nicht ausländerfeindlich, aber
in vielen Worten ist die tiefe Abneigung gegen ihre türkischen und arabischen
Nachbarn zu spüren: "Die dürfen doch alles. Die Senatsheinis sollten hier
mal herziehen", sagt ein Mann. Sylvia Bänsch aus der
Ufnaustraße ist in dem Kiez aufgewachsen. "Früher gab es auch einen hohen
Ausländeranteil. Aber wir haben miteinander Fußball gespielt und man konnte in
Moabit richtig schick tanzen gehen", sagt sie. Heute sei das undenkbar.
"Die Kriminalität hier ist heftig, ständig Prügeleien. Und wenn man was
sagt, kriegt man ,Willst Du was auf die Schnauze als Antwort", sagt Sylvia
Bänsch. Im Beusselkiez fühlt sie sich nicht mehr zu Hause. Sogar die neuen
Spielplätze meidet sie mit ihrem kleinen Sohn. Denn oft liegen im Sand die
Scherben von Bierflaschen, "die die Penner einfach dort zertöppert
haben". Das stört auch Liane Kharroubi, "aber so schlimm ist die Ecke
hier gar nicht". Vor einigen Jahren zog sie aus Frankfurt (Oder) her, sie
ist mit einem Libanesen verheiratet. "Mittlerweile sieht es mein Mann aber
kritisch, wenn seine Landsleute den Müll einfach auf die Straße
schmeißen." Wenn es nur um Sauberkeit
und den Hundekot auf den Straßen ginge, wäre Susanne Sander froh. "Wir
wollen an die ausländischen Familien herankommen. Wir besuchen sie zu Hause, um
sie für Deutschkurse zu interessieren. Um ihnen zu sagen, welche Bedeutung eine
gute Schulbildung für ihre Kinder hat." Gelingt das nicht, das wissen die
Quartiersmanager, wächst eine Generation von Verlierern heran. Montag, 19. Januar 2004 Von Uta Keseling Wenn Ayla früher zu ihren Großeltern nach Westdeutschland
fuhr, dann wusste sie: Das wird jetzt wieder schwierig. Auf der einen Seite die
intensive Großelternliebe: Als einzige Enkelin stand Ayla natürlich im
Mittelpunkt. Auf der anderen Seite diese Feindseligkeit: "Ein Kuckuck
nimmt auch keine Dohle als Mann", hatte ihre Großmutter mal gesagt und
meinte damit Aylas Eltern - ihr Vater ist deutsch, ihre Mutter türkisch. Das
passte überhaupt nicht, meinten die deutschen Großeltern in Herne. Doch ihre
Enkelin Ayla lebte in Kreuzberg fand das ganz normal. Heute ist Ayla Gottschlich 21 Jahre alt, lebt immer noch in Kreuzberg und
ist Studentin mit dem Berufswunsch Regisseurin. Ihr erster Film hat ihre eigene
Geschichte zum Thema - Ausländerfeindlichkeit in der eigenen Familie. Damit
gehört sie zu den Preisträgern des Wettbewerbs "denk!MAL", den das
Abgeordnetenhaus Berlin ausgelobt hatte. Heute Abend werden die Teilnehmer mit
einer Veranstaltung im Preußischen Landtag geehrt, auf der auch die Sängerin
Marianne Rosenberg auftritt. Anlass des Wettbewerbs ist der Gedenktag für die Opfer des
Nationalsozialismus am 27. Januar. Bis zu diesem Tag sind die Arbeiten,
Projekte und Filme - darunter auch Aylas Video - im Abgeordnetenhaus zu sehen. Parlamentspräsident Walter Momper (SPD) hatte die Berliner Jugendlichen
aufgerufen, sich in Ausstellungen, Hör- und Theaterspielen, Gedichten und
Artikeln sowie musikalisch zu an dem Wettbewerb zu beteiligen. Damit sollten
neue und zeitgemäße Formen des Gedenkens entstehen, wie Schüler sich mit den
NS-Verbrechen sowie neonazistischen Vorfällen, Fremdenfeindlichkeit und
Ausgrenzung auseinander setzen können. Insgesamt haben rund 40 Teilnehmer und Jugendprojekte Beiträge eingereicht -
vom Gedicht bis zur Theaterinszenierung. So spürte ein Geschichtskurs der
Merian-Oberschule in Köpenick vergessene Gebäude und Plätze auf, wo sich
nationalsozialistische Verbrechen gegen jüdische Menschen abgespielt hatten.
Sie wandten sich an die Verantwortlichen, damit am ehemaligen jüdischen
Friedhof und am ehemaligen Altersheim Gedenktafeln angebracht werden - und
stießen auf wohlwollendes Interesse. Schüler der 12. Klasse des Marzahner Leonard-Bernstein-Gymnasiums
erforschten die Geschichte des ehemaligen Zigeunerlagers und befragten
Einwohner dazu. In Friedrichshain legten Schüler "Stolpersteine" zur Erinnerung an
14 jüdische Bewohner, die aus dem Gebäude des heutigen Erich-Fried-Gymnasium
deportiert wurden. Und an der Hector-Peterson-Oberschule ging ein Geschichtskurs der 10. Klasse
den Schicksalen deportierter jüdischer Schülerinnen und Schüler sowie Lehrern
nach und dokumentierte Kontakte mit deren Nachfahren. Die Präsentation der Arbeiten ist zu besichtigen zu erleben im
Abgeordnetenhaus, Niederkirchnerstraße 5, Berlin-Mitte, Eintritt frei. Eine
Kurzbeschreibung aller eingereichten Projekte findet sich auch im Internet. Denk!Mal Der Wettbewerb und seine Teilnehmer stellen sich hier vor: www.denkmal-berlin.de Sonntag, 18. Januar 2004 Ein 18-Jähriger ist am Freitag gegen 23.30 Uhr auf dem U-Bahnhof Hellersdorf
von zwei Unbekannten zusammengeschlagen worden. Der offenbar zur rechten Szene
gehörende Mann trug einen Schal mit der Aufschrift "Nahkampf" und
"Taten sprechen mehr als tausend Worte". Die beiden Unbekannten
raubten den Schal. Der 18-Jährige erlitt eine Zahnabsplitterung und
Schürfwunden im Gesicht. Montag, 19. Januar 2004 Am rechten Rand des Parteienspektrums läuft in Berlin weiter nichts
zusammen. Am Wochenende kam es auf dem Landesparteitag der als Schill-Partei
bekannten Partei Rechtsstaatliche Offensive (PRO) zu schweren Verwerfungen. Die
Landesvorsitzende Anke Soltkahn legte ihr Amt nieder. Soltkahn ist nicht
einverstanden mit dem Kurs des Bundesvorsitzenden Mario Mettbach: Es gehe um
"einen Reinigungsprozess, um die Schill-Getreuen aus der Partei zu
vertreiben und aus der Schill-Partei eine Mettbach-Partei zu machen",
klagte Soltkahn. Mario Mettbach ist Bau- und Verkehrssenator der CDU-FDP-Schill-Koalition
in Hamburg. Er hat sich mit dem Parteigründer und ehemaligen Innensenator
Ronald Schill überworfen und versucht, diesen aus der Partei zu drängen. Auch der Geschäftsführer des Berliner Landesverbandes, Dieter
Kreutz, legte sein Amt aus Protest gegen Mettbach nieder und trat sogar aus der
Partei aus. Laut seinen Angaben haben zehn Parteimitglieder demonstrativ den
Saal verlasse, als der Bundesvorsitzende eine Rede hielt. Kreutz: "Es ist
einfach nur noch eine Farce." Nach dem Abgang der Berliner Führung bestimmt Mettbach einen
kommissarischen Vorstand, der aus Michael Laschewski, Wolf-Dieter Zupke und
Olaf Busch besteht. Eine reguläre Sitzung dieses Gremiums soll im Februar
stattfinden. Die abgetretene Landesvorsitzende Soltkahn warf ihren Nachfolgern
vor, sie wollten die Partei nach rechts zu den Republikaner öffnen. Mettbach
bestritt dies und verteidigte die von ihm eingesetzten Funktionäre: Mehrere
Ortsverbände seien "massiv unzufrieden" mit Soltkahn gewesen. Es gebe
keinen Streit um eine Öffnung nach Rechts. In Berlin gründete sich erst 2002 ein Landesverband der
Schill-Partei, die 2001 bei der Wahl zur Hamburger Bürgerschaft spektakulär
erfolgreich war. Bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl im November 2001 war die
Schill-Partei nicht angetreten. Im vergangenen Jahr eröffnete die Partei eine
Geschäftsstelle in der Friedrichsruher Straße. Nach der Entlassung Schills aus dem Hamburger Senat übten sich die
Berliner in Solidarität mit dem Namensgeber ihrer Partei. Auch durch die
Verwerfungen an der Bundesspitze sahen sie ihren Erfolg nicht gefährdet:
"Ein mindestens zweistelliges Ergebnis einfahren", gab Soltkahn
damals in einer unfreiwillig komischen Formulierung als Ziel ihres
Landesverbandes an. ROBIN ALEXANDER Montag, 19. Januar 2004 Für seinen Opa kann keiner was, auch Friedrich Merz nicht. Was aber
einer über seine Vorfahren sagt, wie er sich zu ihnen und ihren Taten stellt,
das steht jedem Menschen frei, auch jedem Politiker. Der CDU/CSU-Fraktionsvize
hat sich mit seinen extremen Bemerkungen auf einer Parteiversammlung diese
Freiheit genommen. Nun muss er damit leben, dass man ihn danach beurteilt. Nicht über den Privatmann Josef Paul Sauvigny hat Merz gesprochen,
nicht über Kindheitserinnerungen an einen möglicherweise netten Opa. Der
Politiker Friedrich Merz hat über den Politiker Sauvigny gesprochen, hat ihn
als ein Vorbild angeführt - für sich und die CDU in seiner Heimatstadt Brilon
im Sauerland. Nicht skeptisch oder gar kritisch hat er an dessen Amtsjahre bis
zur Pensionierung auf dem Höhepunkt der Nazizeit 1937 erinnert, sondern
unbekümmert stolz. Was Lokalhistoriker über den Bürgermeister herausgefunden haben,
belegt, dass Sauvigny Täter war, nicht Mitläufer: Von Anbeginn der
Naziherrschaft hat er "den Führer" öffentlich gepriesen, kurz nach
der Machtergreifung ließ er kraft seines Amtes zwei Wege umbenennen in
"Adolf-Hitler-" und "Hermann-Göring-Straße", vier Jahre
lang regierte er seine Stadt zur Zufriedenheit der NSDAP. Seine erste
dokumentierte Rede von 1933 lässt kaum ein NS-Klischee über die frisch
zerschlagene Demokratie und die Weimarer Parteien aus. Ungeachtet dessen führt der Enkel im Jahr 2004 das Erbe des
Großvaters an, um gut gelaunt dazu aufzurufen, das angeblich "rote
Rathaus" der Stadt "zu stürmen". Merz stellt damit ohne Not
einen fatalen Zusammenhang zwischen dem heutigen Kommunalwahlkampf und der
NS-Zeit her. 1933 wurden tatsächlich und teilweise gewaltsam "rote
Rathäuser" gestürmt. Schon Merz Großvater pries diese "nationale
Revolution" der Nazis als "Sturm", der das Land von den
"giftigen Dünsten" einer "missverstandenen Freiheit" reinige.
Für die Verteidiger der Freiheit von Weimar war da gerade in Dachau das erste
KZ eröffnet worden. Ob Merz Haltung und Handeln seines Großvaters kennt? Von einem
Politiker seines Formats kann man das erwarten. Anders als Merz Parteifreund
Martin Hohmann - nun wegen Antisemitismus aus der Unionsfraktion ausgeschlossen
- ist der frühere Fraktionsvorsitzende nicht Hinterbänkler, sondern sitzt im
Reichstag und bei "Sabine Christiansen" stets ganz vorne. Für seinen Opa kann keiner was. Nicht die NS-Vergangenheit des
Großvaters ist darum das Problem, sondern die Haltung des Enkels. Der Fall Merz
zeigt, dass man selbst nach allen NS-Debatten der letzten Jahre noch
irritierend gleichgültig gegenüber der deutschen Geschichte sein kann. Dass
Merz sich mutmaßlich zu Unrecht kritisiert glaubt, dass er seine Verweise auf
die Erfolge des Großvaters für arglos hält, dass er im Treuebekenntnis zu
seinem Vorfahr gar eine Tugend sehen mag, glaubt man ihm sofort. Doch gerade
darin liegt begründet, was fassungslos machen kann: Da hat einer es bis zum
Oppositionsführer im Deutschen Bundestag gebracht, hat vermutlich mehr
Gedenkstunden für die Opfer des Nationalsozialismus mitgemacht als die meisten
Historiker und verhält sich doch so, als hätte er von der schuldhaften
Verstrickung der Funktionseliten im Dritten Reich noch nie etwas gehört. Mein
Bürgermeister wars nicht, Adolf Hitler ist es gewesen. Der Mann, der so gerne Nationalstolzdebatten anzettelt, trägt ein
Geschichts- und Familienbild in sich, auf das kein Deutscher stolz sein sollte.
Von Unbedachtheit kann bei Merz Einlassungen zu Josef Sauvigny jedenfalls keine
Rede sein. Nicht nur spontan, einmalig und zur Gaudi von 160 Parteifreunden
berief sich der CDU-Politiker auf den Dritte-Reichs-Funktionär. Auch in einem
persönlich autorisierten Interview mit einer Berliner Tageszeitung führte er im
letzten September stolz die Amtsjahre des Großvaters an. Vorsichtig formuliert
verrät Merz damit ein verblüffend ungebrochenes Traditionsbewusstsein, zumal
als Repräsentant einer Partei, die zu Recht für sich reklamiert, mit der antidemokratischen
Tradition der deutschen Rechten gebrochen zu haben. Gerade wenn einer wie Merz
von Leitkultur redet und einen Mangel an nationalem Bewusstsein nach 68
beklagt, dann muss die Abgrenzung zum Nationalsozialismus umso unzweideutiger
ausfallen. Tut sie das nicht - und Merz Einlassungen sprechen dagegen -, dann
ist der Redner eine Blamage für das Parlament, in dem er Sitz und Stimme hat. Für seinen Opa kann keiner was, aber gerade in Bezug auf das Dritte
Reich gilt, dass deutsche Geschichte immer auch Familiengeschichte ist. Wie man
sich zu ihr stellt - zumal öffentlich und als Verantwortungsträger - sagt mehr
als alle Gedenkreden darüber aus, wo ein Politiker in seiner inneren
Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit steht. Wenn man den Fall des Fraktionsvizes
wohlwollend bewertet, kann man sagen, Friedrich Merz steht noch ganz am Anfang.
Das Mindeste ist, dass er sich jetzt erklärt. " PATRIK
SCHWARZ Montag, 19. Januar 2004 buxtehude taz Man habe deeskalieren wollen, betont jetzt die Polizei. "Das
war keine Hilfe", kritisiert eine jungeTeilnehmerin der Ini. "Wir
hatten uns entschieden. Statt Unterstützung bekamen wir aber noch mehr
Stress." Auch können die Schüler nicht nachvollziehen, warum die Polizei
nur die VHS, nicht aber sie als Veranstalter vorab informierte. Die Grünen wollen nun unter anderem wissen, welche Erkenntnisse über
die rechte Szene im Landkreise Stade vorliegen. Auf ihrer Website feiern die Neonazis
derweil die Aktion und veröffentlichen die Namen von SchülerInnen. "as Montag, 19. Januar 2004 Der Zeitpunkt ist Zufall. Kurz nach der Ausstellung ihres
Erinnerungsprojekts "Bornstraße 22" vor zwei Jahren hat Karin Guth
begonnen, zu den Folgen zu recherchieren, die der nationalsozialistische
Rassismus für die in Hamburg lebenden Sinti und Roma gehabt hat. Damals konnte
sie nicht ahnen, dass pünktlich zur Präsentation der Ergebnisse ein
Spiegel-Dossier einmal mehr einen Streit zwischen den verschiedenen Opfergruppen
des NS herbeireden würde, ohne jeden äußeren Anlass. Deshalb passt der Termin
jetzt ganz gut. Denn mit einem Projekt wie diesem lässt sich ganz unprätentiös
zur Erinnerung anregen. Und statt einen Wettstreit der unterschiedlichen
verfolgten Gruppen im NS zu beschwören, wird einfach am Beispiel einer dieser
Gruppen ein Stück Geschichte rekonstruierbar gemacht. Karin Guth, Initiatorin und alleinige Organisatorin des Projekts,
setzt mit der Installation "Die nationalsozialistische Verfolgung Hamburger
Sinti und Roma" das künstlerisch-dokumentarische Verfahren fort, mit dem
sie bereits an diejenigen Hamburger Juden erinnert hat, die zwangsweise in dem
von den Nazis Judenhaus genannten Gebäude in der Bornstraße untergebracht
waren, bevor sie in die Lager des Ostens deportiert wurden. Ähnlich wie damals
hat Guth aus intensiven Interviews mit Überlebenden ein Stück Hamburger
Geschichte destilliert. Die Installation ist ausdrücklich zum Betreten und zum Anfassen
gedacht. Eine hohe Wand trennt die zweigliedrige Einrichtung. Auf ihrer einen
Seite hat Guth vor Blümchentapete zwei grüne Sitzmöbel um einen Tisch
gruppiert, auf ihm ein paar Fotoalben. In ihnen sind die biografischen
Geschichten einzelner Hamburger Sinti - damals lebten kaum Roma in Hamburg - zu
betrachten. Den Text hat sie zwischen erstaunlich vielen privaten Fotos aus
mehreren Jahrzehnten Lebenszeit aufs Transparentpapier der Alben gedruckt. Die
anheimelnde Atmosphäre wird nachhaltig gebrochen durch den Tapetenaufdruck:
Eintragungen aus den Deportationslisten. Bereits im Mai 1940, lange vor der ersten Deportation jüdischer
Hamburger, ging ein Transport mit dem Großteil norddeutscher Sinti und Roma
nach Polen. Den Seitenaufdrucken der Wand lassen sich die groben Fakten der
Verfolgung und Vernichtung entnehmen, aber auch Fälle einer fortgesetzten
Diskriminierung und Gängelung derjenigen, die aus den Lagern heimkehren
konnten, durch Hamburger Beamte und britische Besatzungsorgane. Auf der gegenüberliegenden Seite der Wand hat Guth einen
"Täterraum" reinszeniert. An einem Schreibtisch lassen sich in dicken
Ordnern die Erlasse, Behördenschreiben und Namenslisten einsehen, die für die
als "Zigeuner" stigmatisierten Menschen aus Hamburg so folgenschwer
gewesen sind. Hier zieren Fotos von Polizeikollegen und Schäferhunden die Wand.
Weil sie die zeitgenössischen Dokumente und ihre Sprache nicht unkommentiert
lassen wollte, hat Guth sie abschnittweise kritisch zusammengefasst. Diesmal hat Guth ihre Erinnerungsinstallation mit einer großen
Ausstellung gerahmt. Denn über die Deportationen, den Einsatz als
Zwangsarbeiter und die Ermordung von insgesamt 500.000 europäischen Roma und
Sinti ist - anders als über diejenige der Juden - bis heute wenig bekannt. Zur
Verfügung gestellt hat die Stellwände über den Völkermord das Dokumentations-
und Kulturzentrum Deutscher Roma und Sinti. Zu sehen ist beides seit dem
vergangenen Freitag im Leo-Lippmann-Saal der Finanzbehörde am Gänsemarkt. "JANA BABENDERERDE Ausstellung:
Mo-Fr 10-18 Uhr, Sa + So 12-18 Uhr, Leo-Lippmann-Saal, Finanzbehörde,
Gänsemarkt 36, bis 8.2.; Vortrag von Wolfgang Wippermann, "Die Sinti und
Roma im nationalsozialistischen Vernichtungskrieg": Sa, 17.1., 16 Uhr,
Ausstellungsraum; Film "Ein einzelner Mord" (über die Ermordung von
Anton Reinhardt): So, 18.1., 19 Uhr, Metropolis; weitere Filme und
Veranstaltungen siehe Flyer Montag, 19. Januar 2004 Hoher Besuch
und ein Lob Die 43. Kamenzer Lessingtage wurden am
Sonnabend im Ratssaal eröffnet, diesmal mit besonders vieler Prominenz.
Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) trug sich ins Goldene Buch der Stadt
ein und lobte in seiner viel beachteten Rede den Kamenzer Bürgermeister Arnold
Bock (PDS) für sein Engagement gegen intolerante Gewalt. Ausgezeichnete Projekte
Bänke, Bäume, Banden
Jugendliche werben für Toleranz und Verständigung
Angriff auf Rechtsextremisten
Landesverband der Schill-Partei zerlegt sich
Beim Parteitag von "PRO/Schill" tritt
die Landesvorsitzende Anke Soltkahn zurück, die mit dem Bundeschef Mario
Mettbach über Kreuz liegt. Sie fürchtet einen "Reinigungsprozess" und
die Öffnung der Chaostruppe für Republikaner
NICHT DER OPA IST DAS PROBLEM, SONDERN DIE HALTUNG DES ENKELS
Der seltsame Stolz des Friedrich Merz
Stress mit Neonazis
Grüne fragen nach Störung einer
Antifa-Veranstaltung
Das
Verhalten des Buxtehuder Staatsschutzes beschäftigt nun die niedersächsische
Landesregierung. Die Grünen-Landtagsabgeordneten Hans-Jürgen Klein und
Hans-Albert Lennartz haben wegen der Auseinandersetzungen um die
Begleitveranstaltungen zu der in der Halepaghen-Schule gezeigten Ausstellung
"Neofaschismus in der Bundesrepublik Deutschland" eine Anfrage an die
Landesregierung gestellt. In der vorigen Woche hatten Neonazis eine
Veranstaltung der Schülerinitiative in der Volkshochschule (VHS) gestört. Als
die SchülerInnen die Veranstaltung beenden wollten, um den "Kadern kein
Forum" zu geben, forderte ein Staatsschutzbeamter sie auf, die Debatte
doch zu führen (taz berichtete).
Jenseits ritualisierten Gedenkens
Unprätentiöser und nachhaltiger zur Erinnerung
anregen als Mahnmale: Eine Ausstellung und eine Installation von Karin Guth
dokumentieren den nationalsozialistischen Völkermord an den Hamburger Sinti und
Roma
Thierse trägt sich
ins Goldene Buch der Stadt ein
Von Frank Oehl
Einmal im Jahr schaut
Kamenz über den provinziellen Tellerrand besonders weit hinaus. Dann gibt sich
Prominenz ein Stelldichein im Ratssaal, wo die Lessing-Tage eröffnet werden.
Diesmal sind es die 43., die noch dazu auf ein Jubiläumsjahr fallen. Wohl auch
deshalb konnten die Organisatoren mit Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse
(SPD) ein besonders hohes Tier für die Eröffnungsrede gewinnen.
Und auch diesmal ging
es wieder um allzu Menschliches. Der Kulturwissenschaftler und Germanist
Thierse war am Sonnabend gegen 18.30 Uhr – leicht verspätet – in der Kreisstadt
eingetroffen und musste zunächst einen protokollarischen Sprint hinlegen. Zum
einen durch das Lessing-Museum und schließlich in das Bürgermeisterzimmer, wo
die Eintragung ins Goldene Buch der Stadt anstand. „Lessing verdient es nicht,
im Archiv zu verschwinden“, mahnte der Bundestagspräsident im
Blitzlichtgewitter und lobte die Stadt für die Anstrengung, im Verbund mit
anderen dieses Lessing-Jahr zu begehen. „Damit der Aufklärer immer wieder ins
Bewusstsein vor allem der jungen Leute gerückt wird.“
Denn: Gegen diffuse
Ängste vor einer vermeintlichen „Überfremdung“ helfe vor allem Aufklärung.
Diese Grundthese seiner Rede hat der gut informierte Staatsmann auch mit einem
Lob in Richtung Lessingstadt verbunden. Thierse erinnerte an die
Ausschreitungen vor einem Jahr, die in dem schweren körperlichen Angriff gegen
Seyfettin A. durch ausländerfeindliche Jugendliche gipfelten. In manchen Medien
sei Kamenz schon als Hochburg der Neonazis bezeichnet worden. „Sie, Herr
Bürgermeister, haben das Problem nicht geleugnet, verdrängt, heruntergespielt,
sondern haben couragiert gehandelt, Zeichen gesetzt.“
Thierse nannte den
ins Leben gerufenen Kriminalpräventivrat einen richtigen Weg, die Bürger zu mobilisieren.
Sich der Gefahr des Rechtsextremismus entgegenzustellen, sei nicht nur Sache
aller Bürger, sondern geradezu Pflicht. Dass die Schläger vom 3. Januar erst am
Mittwoch vom Landgericht verurteilt wurden, erwähnte Thierse nicht. Das
Beispiel passte trotzdem.
Um Zeitkritisches und
Allzumenschliches ging es nach Thierses Festvortrag auch im kulturellen Teil
der Eröffnungsveranstaltung. Genauer gesagt: Lessings Gedanken darüber wurden
in Musik und Tanz gestaltet. Gesungen von Bassbariton Florian Hartfiel – 1973
in Dresden geboren und Enkel von Theo Adam – erklangen unter anderem
musikalische Kostbarkeiten, die seit Jahrzehnten im Depot des Lessing-Museums
schlummern. Bei dem Liederzyklus „Wein und Liebe“ handelt es sich um
Lessing-Texte, die von August Harder (1774 - 1813) vertont wurden.
Im Kontrast zu diesen
romantischen Klängen – und etwas gewöhnungsbedürftig – stand dann der
Ausdruckstanz von Tadashi Endo, einem 1947 im Peking geborenen Japaner. Er ist
der Begründer des Butoh-Ma, einer Verbindung östlicher und westlicher Theater-
und Tanztradition, und interpretierte ein Lessingsches Gedicht über die
menschliche Glückseligkeit auf seine ganz besondere Ausdrucks-Weise.
Zeitgenössisch ging es dann auch noch einmal mit Florian Hartfiel weiter. Er brachte
mit Liana Bertok am Klavier kompositorische Arbeiten von Hubert Kross zu Gehör,
der unter dem Titel „Les-s(w)ing“ versucht, Fabeln und Sinngedichten in einer
vom Jazz beeinflussten musikalischen Sprache nahe zu kommen.
Ein interessanter
Auftakt der Lessing-Tage und damit des Lessing-Jahres. Bereits am Donnerstag
wird der Reigen der Veranstaltungen fortgesetzt. Anlässlich des 275.
Geburtstages des Dichters wird dann unter anderem 19 Uhr im sanierten Malzhaus
die 5. Jahresausstellung „LeidenschaftVernunft“ eröffnet.