Dienstag, 1. Juni 2004

CDU: Schulen versagen im Kampf gegen Rechtsextreme

Potsdam - Die brandenburgischen Schulen haben nach Ansicht des CDU-Innenexperten Sven Petke bei der Bekämpfung von Rechtsextremismus und Gewaltbereitschaft "komplett versagt". Anlass des direkt an Bildungsminister Steffen Reiche (SPD) gerichteten Vorwurfs ist der aktuelle Verfassungsschutzbericht, den Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) am Freitag vorgestellt hatte.

Trotz erheblichen personellen und materiellen Aufwands würden die Aktivitäten des Bildungs- und Jugendministeriums bei der eigentlichen Zielgruppe "offenbar total ins Leere laufen", kritisierte Petke gestern. Er forderte Reiche auf, "schnell neue Wege für die Auseinandersetzung mit den gefährdeten Jugendlichen zu suchen. Auch mit rituellen Lippenbekenntnissen über ein tolerantes Brandenburg kommt man jetzt nicht mehr weiter."

Petke nannte es eine ernüchternde Tatsache, dass im vergangenen Jahr 84,2 Prozent der Tatverdächtigen bei Gewaltstraftaten mit rechtsextremistischem Hintergrund Ersttäter waren. Da die Aufklärungsquote sehr hoch sei, müsse jetzt die gesellschaftliche Kontrolle jenseits von Polizei und Justiz völlig neu angegangen werden.

Bildungsstaatssekretär Martin Gorholt sagte dazu: "An den Schulen ist das Klima gegen Gewalt und Rechtsextremismus deutlich verbessert worden." Die Zahl rechtsextremistischer und ausländerfeindlicher Vorfälle sei dort seit 2000 von 257 auf jetzt 117 pro Schuljahr gesunken. dpa

 

 

 

Dienstag, 1. Juni 2004

Fußball und Aufklärung beim Anti-Gewalt-Cup

Neukölln

Der vierte Anti-Gewalt-Cup, ein Fußballturnier mit 24 Mannschaften, ist Pfingsten in Britz ausgespielt worden. Mit dem Cup wird gegen Gewalt und Ausschreitungen bei Fußballspielen protestiert. Organisiert haben das Turnier Schwarz-Weiss Neukölln, Polizei und Deutscher Fußballbund. "Dabei werden Probleme wie Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, häusliche Gewalt, Opferschutz und Jugendgruppengewalt angesprochen", sagt Ronny Frank von der Polizeidirektion 5. Den Siegerpokal gewann das Team des Lichtenrader BC.

 

 

 

Dienstag, 1. Juni 2004

Gedenkspiegel mit Zetteln beklebt

Unbekannte haben auf dem Wanderweg zur Murellenschlucht an der Glockenturmstraße in Charlottenburg insgesamt 18 der dort aufgestellten Gedenkspiegel mit NPD-Wahlwerbungszetteln beklebt. Die teilweise beschrifteten Spiegel sollen an Wehrmachtsangehörige erinnern, die dort hingerichtet worden waren. In der Schlucht waren zwischen August 1944 und April 1945 insgesamt 232 Männer als Deserteure oder "Wehrkraftzersetzer" erschossen worden. Eine Objektstreife hatte den Schaden am Sonnabend gegen 21.15 Uhr entdeckt. Der für politische Straftaten zuständige Polizeiliche Staatsschutz ermittelt.

 

 

 

Dienstag, 1. Juni 2004

Polizei nimmt betrunkene Randalierer in Wittstock fest

Jugendliche sollen "Heil Hitler" gegrölt haben

BLZ

WITTSTOCK. Die Polizei hat in Wittstock (Ostprignitz-Ruppin) mehrere randalierende und Naziparolen grölende Jugendliche festgenommen. Wie ein Sprecher am Wochenende mitteilte, ereignete sich der Vorfall bereits in der Nacht zu Sonnabend.

Demnach waren die Beamten gegen 23 Uhr von Zeugen in die Kirchgasse der Stadt gerufen worden. Dort hatten laut Polizei etwa zehn junge Leute an einer Pizzeria Aufsteller beschädigt. Zwei der Beschuldigten sollen den Angaben zufolge zudem "Heil Hitler" gegrölt und dabei den Hitler-Gruß gezeigt haben.

Stopp auf dem Marktplatz

Die Beamten konnten die mutmaßlichen Randalierer am Markplatz stoppen. Doch als sie die Personalien der Jugendlichen aufnehmen wollten, widersetzten sich diese den Beamten. Daraufhin seien acht alkoholisierte Personen im Alter zwischen 16 und 24 Jahren in Gewahrsam genommen worden, hieß es. Bei ihnen wurde später bei einem Atemalkoholtest Werte zwischen 0,98 und 2,3 Promille festgestellt. Bei den Vernehmungen bestritten die Festgenommenen jegliche Tatbeteiligung an der Randale vor der Pizzeria.

Kriminalpolizei ermittelt

Laut Polizei sind die meisten der festgenommenen jungen Leute für die Beamten nicht unbekannt. So sei gegen sie bereits unter anderem wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt worden.

Die acht Tatverdächtigen wurden nach ihrer polizeilichen Vernehmung auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Neuruppin aus dem Gewahrsam entlassen. Die weiteren Ermittlungen wegen Sachbeschädigung und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen führe die Kriminalpolizei in Wittstock, hieß es. Über den Schaden, den die mutmaßlichen Täter bei ihrer nächtlichen Randale angerichtet hatten, machte die Polizei keinerlei Angaben. (BLZ)

 

 

 

Dienstag, 1. Juni 2004

DENKZEICHENWEG

NPD-Zettel geklebt

Unbekannte haben die Gedenkstätte für hingerichtete Wehrmachtssoldaten in Berlin-Charlottenburg mit NPD-Wahlwerbung entwürdigt. Nach Polizeiangaben beklebten sie 18 Gedenkspiegel am Denkzeichenweg. In der Murellenschlucht wurden 1944/45 232 "Deserteure" und "Wehrkraftzersetzer" erschossen. (epd)

 

 

Dienstag, 1. Juni 2004

 

Pro & Contra zur Topographie: Klares Votum gegen Neubau

91 Prozent der Anrufer wollen kein NS-Dokumentationszentrum auf dem Gelände – auch in der Stiftung gibt es Stimmen dagegen

Braucht die Topographie des Terrors einen Neubau? So lautete die Frage in unserem Pro & Contra am Sonntag. Das Votum der Anrufer ist eindeutig: 90,7 Prozent sprachen sich gegen einen Neubau aus, nur 9,3 Prozent waren dafür.

„Die Grabenausstellung ist offensichtlich ausreichend.“ So wertet Christine Fischer-Defoy die deutliche Absage an einen Neubau. Die Zeithistorikerin ist Mitglied im Stiftungsrat der Topographie und Vorsitzende des Vereins Aktives Museum, der das Gelände an der Niederkirchnerstraße zuerst erschlossen hatte. Auch die Besucherzahlen sprechen dafür, das Gelände so zu belassen: 2002 waren es 300 000, 2003 kamen schon 350 000 Besucher, die den Ort des Schreckens besichtigten, an dem sich die zentralen Institutionen des NS-Verfolgungsapparates, Gestapo, SS und Reichssicherheitshauptamt, befunden hatten.


Stiftungsdirektor Andreas Nachama will kein architektonisch aufwändiges neues Projekt, sondern ein Gelände, das „mit den Besuchern spricht“. Er fordert die minimalistische Variante: den Besuchercontainer angemessen ersetzen und den Ausstellungsgraben besser überdachen. Die Bodendenkmäler, also die Zellenböden der Gestapo und der Küchentrakt, sollen offen gelegt und dauerhaft geschützt werden. Hinzu kommt, dass die Topographiestiftung Ende des Jahres von der Budapester Straße in die Nähe des Geländes zieht, nämlich in das DKV-Haus in die Stresemannstraße. Nachama bestätigte dem Tagesspiegel, dass es einen „langjährigen Mietvertrag“ gibt.

Warum sollte man die wenigen Meter vom Topographie-Gelände zum wissenschaftlichen Zentrum mit Bibliothek und Archiv nicht laufen können? „Ein Wissenschaftszentrum auf dem Gelände ist nicht notwendig“, sagt PDS-Kulturpolitiker Wolfgang Brauer. Ausreichend sei ein Besucher- und Begegnungszentrum. Auch in Senatskreisen hält man nichts mehr von einem Gebäude größeren Ausmaßes. Dass auf dem Gelände aber gar nichts gebaut wird, das würde „dem Gedenken nicht entsprechen“, sagt Senatssprecher Michael Donnermeyer und verweist auf den Beschluss von Bund und Land, einen neuen Wettbewerb auszuschreiben. In die Debatte um Neubau oder nicht ist also Bewegung gekommen: Für ein großes Symposium zu dem Thema haben sich inzwischen alle Verantwortlichen ausgesprochen. Sabine Beikler

 

 

 

Dienstag, 1. Juni 2004

 

Polizei spricht Samstag 26 Platzverweise aus

 

Betrifft beide Veranstaltungen in Saalfeld   Saalfeld (OTZ/PD). Am 29. Mai fand von 12 bis 22 Uhr auf dem Parkplatz "Schießteich" eine Versammlung der NPD anlässlich des "3. Thüringentages der Nationalen Jugend" zirka 300 Personen statt.

Zeitgleich führte die Stadt Saalfeld auf dem Marktplatz ein Pfingstfest mit regem Besucherverkehr durch.

"Durch ihren Einsatz gewährleistete die Polizeidirektion mit eigenen und unterstellten Kräften jederzeit die öffentliche Sicherheit und Ordnung", teilte die Polizei mit. Durch starke Präsenz und konsequentes Einschreiten an neuralgischen Punkten im Vorfeld und während der Versammlung seien Sicherheitsstörungen verhindert worden.

"Gegen 26 Personen des rechten und linken Spektrums wurden Platzverweise ausgesprochen. In Gewahrsam mussten 20 zum Teil stark alkoholisierte Personen genommen werden. Im Zusammenhang mit den Veranstaltungen wurden sechs Straftaten registriert. Es handelt sich hierbei um vier Sachbeschädigungen und einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Gegen eine Person wurde Anzeige wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen erstattet", so die Polizei weiter.

Die Polizei dankt den Bürgern für ihr Verständnis während der polizeilichen Maßnahmen.

 

 

 

Dienstag, 1. Juni 2004

Politik bagatellisiert rechte Gewalt
Beratungsteams registrieren Zunahme von Neonazi-Angriffen in Sachsen-Anhalt 
 
Die »Mobile Beratung für Opfer rechtsextremer Gewalt« unterhält Anlaufstellen in Halberstadt, Halle, Salzwedel und Magdeburg. Seit Jahresbeginn hat sie in Sachsen-Anhalt einen Anstieg neonazistischer Angriffe beobachtet. Mit Heike Kleffner, Projektleiterin der Initiative in Magdeburg, sprach Stefan Mentschel.

ND: Die Mobile Opferberatung hat dieser Tage eine Zunahme rechtsextrem motivierter Gewalttaten in Sachsen-Anhalt beklagt.

Das ist richtig. Seit Jahresbeginn haben wir 39 Angriffe mit rechtsextremem oder fremdenfeindlichem Hintergrund registriert. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Anzahl der bekannt gewordenen Gewalttaten um ein Viertel gestiegen.

Das Landeskriminalamt nennt für 2003 andere Zahlen.

Ein Vergleich der bei LKA und Opferberatung registrierten Angriffe ergab erhebliche Abweichungen. Von den 46 vom LKA vorgelegten Fällen waren uns 28 nicht bekannt. Umgekehrt fehlten auf der Liste des LKA 32 Gewalttaten, die wir als rechtsextrem motiviert eingestuft hatten, darunter auch zwei Angriffe, welche die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe als rechtsextrem gewertet hat. Beide Statistiken stellen also nur einen Ausschnitt des tatsächlichen Ausmaßes rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt dar. Zusammengezählt kommen wir im vergangenen Jahr auf über 70 Angriffe.

Wie lassen sich die Abweichungen erklären?

Das müssen Sie das LKA fragen. Uns gegenüber wurde angekündigt, die Ursachen prüfen zu wollen.

Die Landesregierung zeigt sich unbeeindruckt von den Zahlen.

Wenn man sich den Jahresbericht des Landesverfassungsschutzes anschaut, wird deutlich, das rechte Gewalttaten den Schwerpunkt politisch motivierter Gewalt in Sachsen-Anhalt ausmachen. Trotzdem wird ein Rückgang rechter Straftaten herbeigeredet.

Wird das Problem verharmlost?

Es wird bagatellisiert oder schlicht verschwiegen. Der Mord an Alberto Adriano im Dessauer Stadtpark jährt sich im Juni zum vierten Mal. Mitte der 90er Jahre wurden zwei junge Punks in Magdeburg von Neonazis getötet. Auch diese Vorfälle prägen natürlich das Image von Sachsen-Anhalt. Und so werden noch immer aus gezielten rechtsextremen Angriffen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Jugendbanden gemacht. Man will nicht erkennen, dass es hier ein strukturelles Problem gibt, sondern schiebt es immer auf Einzeltäter.

Wo tritt rechte Gewalt besonders häufig auf?

Dessau nimmt mit 15 Angriffen in diesem Jahr bislang die Spitzenposition in Sachsen-Anhalt ein. In Magdeburg gibt es immer wieder Angriffe auf Flüchtlinge und Migranten. Aber auch die Harzregion mit Städten wie Halberstadt, Quedlinburg und Wernigerode ist ein Schwerpunkt, in der es organisierte neonazistische Strukturen gibt. Erst im April wurde in der Kleinstadt Wegeleben ein junger Mann von Rechten überfahren und anschließend mit Eisenstangen verprügelt. Das Opfer musste mit multiplen Schädelbrüchen, einem Nasen- und Jochbeinbruch auf die Intensivstation eingewiesen werden.

Wurde Anzeige erstattet?

Bei den Angreifern handelt es sich um polizeibekannte Neonazis. Aber bislang befindet sich erst ein Täter in Untersuchungshaft. Doch schlimmer ist, dass die Polizeidirektion Halberstadt bei diesem Fall völlig entgrenzter rechtsextremer Gewalt lediglich davon spricht, dass ein Fußgänger »mit Absicht« angefahren worden sei.

Stoßen sie bei ihrer täglichen Arbeit auf Widerstände?

Wir haben unterschiedliche Erfahrungen gemacht. Einerseits werden Menschen, die rechte Gewalt beim Namen nennen, als Störenfriede angesehen. Ihnen wird unterstellt, das Image einer Kommune oder des ganzes Bundeslandes beschädigen zu wollen. Andererseits hört man uns zu. Wir stellen zudem immer fest, dass wir Menschen ermutigen können, sich öffentlich an die Seite der Opfer zu stellen. Es bleibt aber festzuhalten, dass die politisch Verantwortlichen das Thema am liebsten unter den Teppich kehren wollen.

 

Infos: www.miteinander-ev.de

 

 

Dienstag, 1. Juni 2004

 

GEBIRGSJÄGERTREFFEN IN OBERBAYERN

Mit dem Hakenkreuz zum Gedenken an die toten Soldaten

Trotz Proteste ehren Gebirgsjäger von Wehrmacht und Bundeswehr weiter gemeinsam ihre toten Kameraden - darunter auch einige Kriegsverbrecher.

VON J. TORNAU (MITTENWALD)

"Mörder" - in meterhohen Lettern haben Unbekannte dieses Wort auf die monumentalen Steinstelen des Ehrenmals der Gebirgstruppe im bayerischen Mittenwald gesprüht. Als Beleidigung und Provokation dürften dies die meisten Teilnehmer des alljährlichen Totengedenkens des Kameradenkreises der Gebirgstruppe empfunden haben. Am Pfingstsonntag kamen mehr als 2000 Wehrmachtsveteranen, Bundeswehrsoldaten und ihre Angehörigen nach Mittenwald.

Für Historiker ist die Sache hingegen klar: Gebirgsjäger der nationalsozialistischen Wehrmacht haben im Zweiten Weltkrieg dutzende Massaker begangen, tausende unschuldige Zivilisten und Kriegsgefangene ermordet und sich an der Deportation von Juden in Konzentrationslager beteiligt.

Jahrzehntelang ist davon bei den Pfingsttreffen der Gebirgssoldaten in Mittenwald nicht ein Wort zu hören gewesen. In diesem Jahr aber sah sich der Präsident des Kameradenkreises, Ernst Coqui, angesichts der zunehmenden Proteste gegen die größte soldatische Feier in Deutschland erstmals zu einer Stellungnahme genötigt: "Der Kameradenkreis ist sich in gleicher Weise der großen Leistungen der Gebirgstruppe im Zweiten Weltkrieg bewusst wie der leider auch von Gebirgsjägern begangenen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit", sagte der Brigadegeneral a. D. in seiner Begrüßungsansprache.

Konsequenzen zeitigt dieses Eingeständnis nicht. Kriegsverbrecher würden vom ehrenden Totengedenken nicht ausgeschlossen, sagte Coqui der FR. "Wir gedenken Toter und Menschen, nicht ihrer Handlungen." Und: Die Traditionskameradschaften der nachweislich an Massakern beteiligten Einheiten blieben selbstverständlich weiter im Kameradenkreis der Gebirgstruppe vertreten.

In der Organisation, der rund 6400 Wehrmachtsveteranen und Bundeswehr-Gebirgsjäger angehören, gebe es nicht einen einzigen Kriegsverbrecher, denn es sei bislang noch niemand gerichtlich verurteilt worden, sagte Coqui.

Gegen den Schulterschluss von alten und jungen Kameraden protestierten in diesem Jahr erneut etwa 600 Menschen, die einem Aufruf des Arbeitskreises "Angreifbare Traditionspflege" und der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN) folgten.

Dabei sahen sich die Aktivisten nicht nur einer rüde vorgehenden Polizei gegenüber, die mehrere Demonstranten wegen kleinerer Delikte festnahm und zum Teil über Nacht festhielt. Mit ihren Forderungen nach Bestrafung der Täter und Entschädigung der Opfer trafen sie bei der einheimischen Bevölkerung auf Feindseligkeit. Eine mitgebrachte Gedenktafel für die von deutschen Gebirgsjägern Ermordeten war schon nach wenigen Minuten wieder abgerissen und zerstört. Ein 59-jähriger Mittenwalder präsentierte demonstrativ einen Anstecker mit dem Hakenkreuz. Und Ernst Grube, jüdischer Überlebender des KZ Theresienstadt und Landessprecher der VVN in Bayern, musste sich von einem Ladenbesitzer gar übelst beleidigen lassen: "Euch haben sie vergessen zu vergasen", schleuderte ihm der Mann entgegen - und erhielt von Umstehenden Zuspruch.

Unterstützung für das Anliegen der Demonstranten war dagegen nur hinter vorgehaltener Hand zu hören. In Mittenwald, seit jeher Kasernenstandort, ist das Militär sakrosankt. "Ich würde ja was sagen", so ein Mann. "Aber dann müsste ich hier wegziehen."

 

 

 

29. Mai 2004

Kuschelkurs der Neonazis

Von Christiane Wolters

Dresden als Testfall: Unter dem Namen "Nationales Bündnis Dresden" will ein Konglomerat rechtsextremer Parteien bei den Kommunalwahlen in den Stadtrat einziehen. Verfassungsschützer fürchten, dass der neue Schmusekurs der zerstrittenen Rechten im Falle eines Wahlerfolgs Schule machen könnte.

Dresden - "Einigkeit macht stark! Gemeinsam Denken - Handeln - Siegen!" verkündet das Nationale Bündnis Dresden (NBD) die neue Strategie auf seiner Homepage. Vor über einem Jahr gegründet ist das NBD ein Sammelbecken für Anhänger verschiedener rechtsextremer Organisationen. Gemeinsam wollen sie das schaffen, was alleine nicht möglich scheint: bei den Kommunalwahlen am 13. Juni in den Stadtrat einziehen.

Die sonst zwischen den zerstrittenen Parteien bestehenden Eifersüchteleien und Meinungsverschiedenheiten werden für dieses Ziel offenbar zurückgestellt - stattdessen üben sich die Mitglieder von NPD, DVU, Republikanern und verschiedener Kameradschaften in deutschtümelnder Harmonie. In der sächsischen Landeshauptstadt sei das gelungen, was seit langem als "Gebot der Stunde" erkannt werde, heißt es etwa: "Die politische Einheit nationalgesinnter Deutscher bei gleichzeitiger Achtung unterschiedlicher Parteibücher." Dresden wird zum Testfall erklärt, in dem der "Funke zünden" und das "richtige Signal" gesetzt werden soll.

Im NBD federführend ist offenbar die NPD, die damit nach dem im März 2003 gescheiterten Verbotsantrag gegen sie erstmals wieder öffentlich von sich reden macht. Angeführt wird das NBD dann auch vom stellvertretenden NPD-Bundesvorsitzenden Holger Apfel, der selbst als Kandidat antritt. Da der Verlagskaufmann die Geschäfte des NPD-Verlags "Deutsche Stimme" in Riesa führt, kann der NBD auch von der Logistik der NPD-Parteipresse profitieren.

Symbolik ist ernstzunehmen

Die sächsischen Verfassungsschützer beobachten die neue rechtsextreme Allianz genau. "Wir nehmen das NBD durchaus ernst", sagt Olaf Vahrenhold vom Amt für Verfassungsschutz. Immerhin sei das von der NPD massiv gestützte Wahlbündnis mit dem erklärten Ziel gegründet worden, die zersplitterte rechtsextreme Szene zu bündeln. Während die Bundesvorstände von DVU und Republikanern dieses Experiment zwar eher ablehnten, sei auf lokaler und regionaler Ebene die Bereitschaft zum Zusammengehen ungleich größer. Wenn das rechte Bündnis tatsächlich einen oder mehrere Sitze im Stadtrat erringen würde, könnte das die beabsichtigte bundesweite Wirkung nach sich ziehen, etwa wenn sich die Parteien auch in anderen Regionen nach ähnlichem Muster zusammentun: "Die Szene schaut schon genau hin, was passieren wird."

Die demokratischen Parteien in Dresden zeigen sich unterdessen wenig beeindruckt von den markigen Parolen des NBD. "Das Bündnis spielt im Wahlkampf keine große Rolle", erklärt etwa Jürgen Eckoldt, Stadtrat der CDU-Fraktion, die derzeit die meisten Sitze hat. André Schollbach, der für die an zweiter Stelle liegende PDS-Fraktion im Stadtparlament sitzt, sieht das ähnlich: Bisher seien die Rechten in Dresden schließlich noch nie im Stadtrat vertreten gewesen. Auch das neue Bündnis werde mit seinen "platten Parolen" nicht mehr Wähler überzeugen als die jeweiligen Einzel-Parteien zuvor. Erst vor kurzem habe das NBD beispielsweise zu einer Demonstration aufgerufen, dabei aber "Schiffbruch erlitten", da nur einige wenige Anhänger erschienen seien. Doch auch Schollbach warnt davor, die symbolische Bedeutung des gemeinsamen Antritts zu unterschätzen.

Rechte Szene mit geringem Potenzial

Etwa hundert Mitglieder hat das NBD, das in allen Dresdner Wahlkreisen Kandidaten aufgestellt hat - die Zahl der Sympathisanten wird weitaus höher eingeschätzt. Da die Fünf-Prozent-Hürde bei Kommunalwahlen nicht gilt, sei derzeit nicht völlig auszuschließen, dass die Allianz die erforderlichen Stimmen für den Einzug in den Stadtrat erhält, so der Verfassungsschützer Vahrenhold. Abhängig von der Wahlbeteiligung seien etwa 1,5 Prozent der Stimmen nötig, um einen Sitz zu erringen.

Insgesamt schwindet die Bedeutung der in Parteien organisierten rechtsextremen Szene im Freistaat allerdings seit Jahren. So sind die Mitgliederzahlen von NPD, DVU und Republikanern laut Bericht des Landesamts für Verfassungsschutz auch 2003 weiter gesunken. Daher sei es auch im Falle eines Wahlerfolgs des NBD eher fraglich, dass sich das bisherige Potenzial der Rechtsextremen tatsächlich erhöhe, mutmaßt Vahrenhold. Und wenn der "Testfall Dresden" - wie von den meisten Beobachtern erwartet - scheitert, werde das ohnehin ein herber Rückschlag für die Szene sein: "Das wird sehr viel Frust geben."