Rechtsextreme Globalisierungsgegner global aktiv
Dr. Thomas Grumke

In den Wochen vor dem G8-Treffen im kanadischen Kananaskis, Alberta, im Juni kündigte ein bisher unbekanntes Grüppchen von Globalisierungsgegnern Gewalttaten bei den zu erwartenden Protesten im nahegelegenen Calgary an. Hinter dem hauptsächlich virtuell bestehenden Anti-Globalism Action Network (AGAN) scheint sich eine Vorfrontorganisation der umtriebigen US-amerikanischen National Alliance (NA) zu verbergen. Schon der Begriff "Globalismus", der vielfach im rechtsextremen Kontext für die Macht eines gesichtslosen (jüdisch dominierten) Großkapitals, für "amerikanischen Kulturimperialismus" und für einen "multirassischen Genozid", der "von Washington, Wall Street und Hollywood" angeblich angestrebt wird steht, läßt aufhorchen.

Listigerweise hat AGAN eine Internetpräsenz angemeldet, die bis auf die Länderkennung (.com statt .ca) identisch mit der Domain kanadischer Globalisierungskritiker ist. Doch schon ein Blick auf die AGAN-Homepage fördert eine engagierte Anpreisung der National Alliance zutage, die als "kontroverse Organisation weißer Nationalisten" beschrieben wird. In einer undatierten Presseerklärung wird der "mutige Schritt" verteidigt, einen Link zur National Alliance Kanada zu setzen und gleichzeit die Unabhängigkeit zu der Organisation betont. Gleichzeitig wurde jedoch unter der Überschrift "Die National Alliance. Bekämpft Globalismus und die Neue Weltordnung seit 1974" das Angebot um Downloads verschiedener Radiosendungen der National Alliance-Serie American Dissident Voices in MP3-Format erweitert. Die in Hillsboro, West Virginia, ansässige National Alliance wurde 1974 von dem kürzlich verstorbenen ehemaligen Physikprofessor und bekennenden Nationalsozialisten Dr. William Pierce gegründet und gilt heute als die bedeutendste rechtsextreme Organisation in den USA mit zahlreichen Untergruppen in den USA und Kanada.

Unterdessen beteuert AGAN, das sich als "ad-hoc Zusammenschluß von Anti-Globalismus Aktivisten" bezeichnet, seine Unabhängigkeit von der National Alliance, die laut der AGAN-Presseerklärung seit ihrer Gründung gegen "freien Handel" und "zionistische Aggression" kämpft. Ebenfalls wird auf die kürzlich von der NA organisierten Proteste "für palästinensische Selbstbestimmung" vor der israelischen Botschaft in Washington, DC, hingewiesen. "Während die meisten Leute in der Anti-Globalismus Bewegung zweifellos starke ideologische Differenzen mit der National Alliance haben, sind deren Verdienste um den Anti-Globalismus nicht zu leugnen", äußert sich ein Anthony Phillips auf der AGAN-Homepage.
Die beteuerte Unabhängigkeit von der NA wird auch dadurch unglaubwürdig, dass die AGAN-Domain auf die National Alliance Kanada zugelassen ist. In einem E-mail an eine kanadische Zeitung erklärte Phillips, dass der Hosting Provider Tripod.com die AGAN-Homepage am 27. Juni wegen Verstössen gegen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen (Terms of Service) vom Netz genommen hatte und sich darauf hin die NA bereit erklärt hatte, die Homepage auf ihrem Server unterzubringen.


2.
Schon bei den ersten gewalttätigen Antiglobalisierungsprotesten im Jahre 1999, beim sog "Battle in Seattle", hatten amerikanische Rechtsextremisten und insbesondere die National Alliance mobilisiert. NA-Mitgliederkoordinator Billy Roper zeigt sich folgerichtig auch sehr interessiert daran, globalisierungskritische Jugendliche für seine Organisation zu gewinnen: "Wir sehen, dass viele gutmeinende weiße Jugendliche von den kontrollierten Medien und dem Establishment einer Gehirnwäsche unterzogen werden und natürlicherweise rebellieren. [...] Wenn sie einmal entdeckt haben, dass weiße Nationalisten auch antikapitalistisch, anti-Establishment und pro-Umwelt sind, beginnen sie zu verstehen, dass wir die wahren Revolutionäre sind".

Auch Louis Beam, als Verfasser der Strategie des "führerlosen Widerstandes" (leaderless resistance) unter Rechtsextremisten nach wie vor sehr angesehen, hatte auf seiner Homepage die Proteste von Seattle verteidigt und dankte allen Teilnehmern dafür, "seinen Kampf zu kämpfen": "Während einige des sogenannten rechten Flügels zuhause sitzen und reden und darauf warten, dass sie der Polizeistaat holt, waren andere wirklich mutige Menschen draußen und haben sich dem Polizeistaat entgegengestellt. Anstatt Waffen zu horten, die nie benutzt werden, haben diese Menschen sich mutig den Gewehren der Neuen Weltordnung gestellt". Beam hebt hervor, dass es diese jungen Menschen sind, unbenommen ihrer politischen Überzeugung, die in seinem Sinne "gegen die schleimigen Unternehmensinteressen des freien Handels zu Lasten der freien Menschen" kämpfen. Auch der inzwischen wegen des Verdachts einen Mord an einer Richterin in Auftrag gegeben zu haben inhaftierte Pontifex Maximus der aggressiv rassistischen und antisemitischen World Church of the Creator (WCOTC), Matt Hale, zeigt großes Interesse an der Anti-Globalierungsbewegung und stellt klar, dass für ihn Organisationen wie die WTO oder die Weltbank nur verlängerte Arme der "Jew World Order" seinen. Der Anti-Defamation League (ADL) zufolge soll Hale sogar während der Unruhen in Seattle gesehen worden sein.


3.
Ebenso wie für ihre amerikanischen "Kameraden", ist für die mit der National Alliance freundschaftlich verbundene NPD Globalisierung zu einem Kampf- und Propagandabegriff ersten Ranges geworden. Der NPD- Parteivorsitzende Udo Voigt wartete in einer Presseerklärung vom 13. September 2001 mit der interessanten wie aufschlußreichen Aussage auf, die NPD werde "sich an die Spitze einer neuen deutschen Friedensbewegung und aller Globalisierungsgegner setzen".

Wie die Globalisierungsgegnerschaft von extrem rechts aussieht, veranschaulichte Voigt in seiner Ansprache am 1. Mai 2002 auf einer unter dem Motto "Arbeit statt Globalisierung" stehenden Demonstration in Dresden. Es gelte, "den Nationalstaat zu stärken, damit die Interessen des Volkes wieder Vorrang vor den Interessen des Kapitals und der Konzerne erhalten" um kurz danach klarzustellen: "Und wir verstehen unter dem Begriff "Volk" keine euro-afro-asiatische Mischbevölkerung der BRD, sondern alle Angehörigen des Deutschen Volkes!". Weiter führt Voigt in dieser Rede aus: "Unsere Antwort auf die Globalisierung heißt Re-Nationalisierung und Schaffung einer raumorientierten Volkswirtschaft, welche die sozialen und ökonomischen Belange mit den Bedingungen von Land, Volk und Ökologie in Übereinstimmung bringt und den Menschen einen sicheren Arbeitsplatz in seiner angestammten Heimat verschafft". Er appeliert an "alle, die Ihr noch Deutsche bleiben wollt": "Setzt ein Signal gegen die Vasallen fremder Mächte, die sich in die eigene Tasche wirtschaften, anstelle dem Wohl des deutschen Volkes zu dienen und anstatt Schaden von ihm abzuwenden!".

Das sich selbst als "Denkorgan des Deutschen Reiches" bezeichnende Deutsche Kolleg geht in einem von Oberideologe Dr. Reinhold Oberlercher im Sinne des Presserechts verantworteten Text mit dem Titel "Verurteilung der Menschenrechte" sogar soweit, die Menschenrechte gänzlich abschaffen zu wollen, da sie die "Ideologie des Globalismus" seien: "Alle großen und schamlosen Verbrechen der Gegenwart, allen voran jene der Vereinigten Staaten von Amerika, geschehen im Namen der Menschenrechte. Die Menschenrechte sind die Ideologie des Globalismus der USA und ihrer Helfershelfer. Jedes Volk und jeder Staat, der dieser Macht des Bösen nicht hörig ist, wird mit dem Menschenrechts-Ideologem angegriffen und mit Krieg überzogen".

Rechtsextremisten, die mittlerweile als schärfste Kritiker und Gegner des Prozesses der Globalisierung auftreten, globalisieren sich ihrerseits selbst. Internationale Vernetzung stärkt die rechtsextreme Infrastruktur, erleichtert die Produktion und den Vertrieb von Propaganda und wirkt nicht zuletzt positiv auf die Motivation der einzelnen Akteure, die sich als Teil einer sie und ihr Land weit übersteigenden "großen" Sache sehen können. In einem Interview mit dem in der deutschen Szene weit verbreiteten Zentralorgan (4/1998) bestätigte William Pierce, der dort als "besonderer Freund des deutschen Widerstandes" bezeichnet wird, im Hinblick auf die deutsch-amerikanische Kooperation diese Einschätzung: "Da beide Seiten von einem Zusammenwirken über die Grenzen hinweg nur profitieren können und sich die technischen und sonstigen logistischen Mittel dafür in den vergangenen Jahren erheblich vergrößert haben, steht einer Ausweitung der Zusammenarbeit nichts im Wege. Das ist in unser aller Sinn".

"Solidarität ist eine Waffe" hieß schon im November 1997 die Überschrift eines Berichts von Jürgen Distler zum "4. Europäischen Kongreß der Jugend" der Jungen Nationaldemokraten (JN) in der Deutschen Stimme, wo alle "anwesenden Abordnungen und Gäste aus dem In- und Ausland ihren Willen [betonten], sich den plutokratischen Strukturen der egalitären ‚One World'-Verfechter entschlossen entgegenstellen zu wollen". In diesem Sinne versteht heute ein großer Teil der extremen Rechten internationale Kooperation, die in Form von Finanzmitteln, Logistik, Personal oder auch - und nicht zu unterschätzen - Motivation vorkommen kann.

Während die deutsche rechtsextreme Szene notorisch zerstritten und organisatorisch fragmentiert ist, kristallisieren sich mehr und mehr so etwas wie "global players" heraus, die großen Wert auf lebendige Kontakte zu Gleichgesinnten in aller Welt legen. Hinzu kommt, dass Rechtsextremismus für eine kleine Anzahl von bestens vernetzten Aktivisten ein sehr einträgliches Geschäft ist, wo mit dem Verkauf von (nicht selten - zumindestens in Deutschland - illegalen) Tonträgern, Devotionalien oder auch Druckerzeugnissen beachtliche Profite erwirtschaftet werden. Dazu gehört an herausragender Stelle auch die National Alliance mit dem von der NA kontrollierten Goldesel Resistance Records. In ihrem E-mail Newsletter ruft Resistance Records u.a. amerikanische "Kameraden" zur Teilnahme am Rudolf-Hess-Gedenkmarsch im bayerischen Wunsiedel auf. Im gleichen Newsletter wird auch für die Veranstaltung "Rock Against Israel" in Washington, DC mobilisiert, zu der wiederum auch deutsche Rechtsextremisten erwartet werden.

Transatlantische Kooperation findet schon seit langer Zeit statt. Am 2. April 2001, als die National Alliance vor der deutschen Botschaft in Washington DC eine Demonstration gegen das Verbot der NPD, für die Freilassung von Hendrik Möbus und für "freie Meinungsäußerung" in Deutschland durchführte, waren auch zwei elustre Gäste aus Deutschland zugegen: Jürgen Distler, damals Chefredakteur des NPD-Blatts Deutsche Stimme und Jens Pühse, damals Mitglied des NPD-Parteivorstandes. Black-Metal-Neonazi Möbus, der im April 1993 mit zwei Komplizen einen Mitschüler brutal ermordet hatte, verstieß nach Verbüssen von zwei Drittel seiner Strafe gegen die Bewährungsauflagen (Verhöhnung seines Opfers und Zeigen des Hitlergrußes) und setzte sich im Dezember 1999 in die USA ab. Nach mehrwöchiger Observation des NA-Anwesens in Hillsoboro, West Virginia, wurde Möbus Ende August 2000 von US-Marshalls festgenommen und in Auslieferungshaft verbracht. Unmittelbar im Anschluss an die Verhaftung stellte Möbus einen Antrag auf politisches Asyl in den Vereinigten Staaten, der Anfang März 2001 abgewiesen wurde. Laut Pierce hat die NA $20.000 in einen Anwalt für Möbus investiert, um dessen Abschiebung nach Deutschland zu verhindern, die aber am 29. Juli 2001 erfolgte. Allein dieses Beispiel verdeutlicht, wie dicht das Geflecht der international agierenden extremen Rechten bereits ist. Es mag paradox erscheinen, aber der "Nationale Widerstand" muß nicht zwangsläufig vom eigenen Land aus geführt werden. Die rechtsextremen Antiglobalisierer "globalisieren" sich - und, um es noch komplexer zu machen: ein einigendes ideologisches Element ist dabei der Kampf gegen den "Globalismus".