Was haben Rechtsextremisten, Islamisten und eine Supermachtarmee gemeinsam (außer einer Menge Waffen)? Computerspiele, wie es scheint!
Als das Spiel "Special Force" der Hizbollah im Februar im Nahen Osten in die Geschäfte kam, reihte diese sich mit der US-Armee und der rechtsextremen National Alliance (NA) in ene wachsende Anzahl von Organisationen ein, die Computerspiele zur Verbreitung von politischen Botschaften und zur Rekrutierung des Nachswuchses nutzen. Hier scheint sich ein Segment der ca. $10 Milliarden schweren Computerspieleindustrie stark zu verbreitern: "advergaming", d. h. die Nutzung von Computer- oder Videospielen zum Verkauf von Produkten oder Ideen.
"Wir wollen junge Menschen erreichen, und es ist dieses Medium, das uns dies ermöglicht", sagte der mittlerweile verstorbene NA-Führer William Pierce bei der Vorstellung des rassistischen Videospiels "Ethnic Cleansing" ("ethnische Säuberung") im vergangenen Jahr; "Solange [elektronische Spiele] erhältlich sind und solange sie viele Menschen ansprechen, solange haben wir die Pficht, sie für die Verbreitung unserer Botschaft zu nutzen".
Es sind vor allem Jungen und junge Männer, die durch diese Art von Unterhaltung angezogen werden. Laut ComScore Media Metrix, die den Gebrauch von Onlinespielen untersucht haben, gehen 60% von Jungen zwischen 13 bis 17 und 72% der jungen Mäner zwischen 18 und 24 hauptsächlich auf Gameseiten, wenn sie im Internet surfen. Auch wenn diese Zahlen Spitzenwerte sein mögen, wird hieraus das erhebliche Potential deutlich, dass Organisationen aller Art für ihre Zwecke sehen. In den ersten acht Monaten, in denen das Spiel "America's Army: Operations" auf den Webseiten der US-Armee greifbar war, haben ca. 1,3 Millionen Spieler über sieben Millionen Stunden lang dort online gespielt. Laut Armee-Rekrutierern war dieses Angebot sehr effektiv, um neue junge Soldaten anzuwerben.
Das nun auch Rechtsextremisten wie die National Alliance sich die Breitenwirkung von Computerspielen zunutze machen, gibt Anlass zur Sorge. "Ethnic Cleansing" beginnt damit, dass ein Spieler aus einem "Ghetto Crackhaus" kommt und dunkelhäutige Gegner abschießt, die bei einem Treffer wie Affen schreien. Der Protagonist - wahlweise ein maskiertes Ku-Klux-Klan Mitglied oder ein Nazi-Skinhead - können sich zehn mit rassistischen Postern und Symbolen gepflasterte Level hocharbeiten, wenn sie nur genug stereotyp dargestellte Juden, Schwarze und Latinos abknallen. Wie von der NA erhofft, erregte "Ethnic Cleansing" in den USA öffentliche Entrüstung, was auch dazu beitrug, dass das Spiel ca. 3100 mal für knapp $15 das Stück heruntergeladen wurde.
Auch der um keine Geschmacklosigkeit verlegene Neonazi Gary Lauck hat mit seiner veränderten Version des "Moorhuhn"-Spiels, bei dem statt auf Hühner Jagd auf Juden geamacht wird, vorletztes Jahr für Aufsehen gesorgt. Der "Mohrhuhn"-Hersteller Phenomedia klagte jedoch erfolgreich gegen Lauck wegen Urheberrechtsverletzung, der das Spiel dann von seiner Website entfernen mußte. Mehrere andere Spiele werden allerdings von Lauck weiterhin angeboten, wie "KZ-Rattenjagd" (deutsch und englisch), "Nazi-Doom" (verschiedene Sprachen) und "Die Säuberung".
"Special Force", das neue Spiel der Hizbollah und "Under Ash" des Syrers Dar al-Fikr haben noch stärkere Aufmerksamkeit erregt. Als erste arabischsprachige Spiele, die auch technologisch mit populären englischsprachigen Produkten mithalten können, stehen sich in beiden Palästinenser und israelische Soldaten im Kampf gegenüber. "Special Force" kam kürzlich in den Handel im Libanon, in Syrien, dem Iran, Bahrain und den Vereinigten Arabischen Emiraten und war bei einem Stückpreis von ca. $7 und einer Produktion von 100.000 Kopien binnen einer Woche ausverkauft.
In den USA beteiligen sich unterdessen ca. 35.000 Personen pro Tag an dem von der US-Armee kostenlos angebotenen "America's Army: Operations", das es den Spielern erlaubt, erst eine "Grundausbildung" mitzumachen, bevor es in einer exklusiv männlichen Armee gegen braunhäutige Feinde zu Felde gehen.
Es ist sicher nicht der Fall, dass Spieler gewalttätiger Computerspiele selbst durchweg gewalttätig werden, oder dass das Spielen von "Ethnic Cleansing" automatisch Rassisten hervorbringt. Vielmehr wird hier der extremen Rechten als auch anderen ein besonders effektives Rekrutierungsmittel an die Hand gegeben, Personenkreise, die für die übermittelte "Message" empfänglich sind, zu erreichen bzw. sogar zu begeistern. Und dies möglicherweise noch stärker, als per Film oder Fernsehen, denn Computerspiele sind interaktiv und beziehen den Spieler mit ein, der eigene Entscheidungen treffen kann. Die offene Frage ist, ob die Entscheidung, virtuell politische, ideologische oder militärische Feinde so schnell wie möglich zu vernichten, immer ohne Folgen in der Realität bleiben kann und wird.