Späte Verbote von Kreuzverbrennungen
Dr. Thomas Grumke
Am 7.April hat der US-amerikanische Supreme Court entschieden, dass Bundesstaaten ab sofort das vom Ku Klux Klan im 19. Jahrhundert eingeführte Verbrennen von Kreuzen unter Stafe stellen können, wenn dies eindeutig als Drohung und nicht als "Form freien symbolischen Ausdrucks" identifiziert werden kann. Bisher war auch das sog. "Cross Burning" vom nahezu zivilreligiös betrachteten ersten Verfassungszusatz, der die Freiheit der Rede und des Ausdrucks garantiert, geschützt.
In einem 6 zu 3 Mehrheitsvotum entschieden die Bundesrichter, dass das Verbrennen von Kreuzen eine vor allem im Lichte der einschlägigen Geschichte besonders virulente Form der Einschüchterung sei, die sich von dem Verbrennen eines Kreises oder eines Quadrats fundamental unterscheide und daher rechtlich anders zu bewerten sei.
Dreizehn Bundesstaaten haben zur Zeit Gesetze, die das Verbrennen von Kreuzen verbieten, wobei in diesem konkreten Fall über einen Einzelfall im Staat Virgina entschieden wurde. Die Abwägung zwischen sog. "Hassverbrechen" und der Freiheit der Rede hat den Supreme Court schon seit velen Jahren beschäftigt. Auch in diesem Fall votierten drei Bundesrichter wieder für den zumeist als absolutes Rechtsgut gesetzten Inhalt des ersten Verfassungszusatzes und erklärten, dass das Verbot von Kreuzverbrennungen oder auch bundesstaatliche Gesetze dagegen prinzipiell verfassungswidrig seien.
Vor allem der schwarze Bundesrichter Clarence Thomas sprach sich jedoch vehement für die Zulassung von Gesetzen gegen Kreuzverbrennungen aus. In einem emotionalen Statement stellte Thomas fest, dass er in diesem speziellen Fall auch keine Kollision mit dem ersten Verfassungszusatz sehe, da es sich hier nicht um eine Frage des freien Ausdrucks, sondern um eine Form des Terrors ginge: "Ebenso, wie niemand das Haus eines anderen niederbrennen darf, um sich politisch zu äußern um dann Schutz hinter dem ersten Verfassungszusatz zu suchen, so können auch diejenigen die hassen nicht andere als Meinungsäußerung terrorisieren und einschüchtern".
Noch im Jahre 1992 hatte das Oberste Gericht gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Verbotsverfügung der Stadt St. Paul, Minnesota, verfügt (R.A.V. v. St. Paul). In Bezugnahme hierauf spezifizierte das Gericht nun, dass ein Verbot einer Kreuzverbrennung nur gerechtfertigt sei, wenn eindeutig eine Absicht Einzuschüchtern oder zu Terrorisieren vorliege. Was für europäische und besonders deutsche Ohren als eine lange überfällige Selbstverständlichkeit klingen mag, ist in den USA das Resultat eines Drahtseilakts: die Abwägung des Kerns des ersten Verfassungszusatztes mit den Rechten der Opfer von Einschüchterungen und zum Teil traumatischen Erlebnissen eines brennenden Kreuzes vor ihrem Haus. Unterdessen äußerten sich verschiedene Klanführer und gaben bekannt, dass die höchstrichterliche Entscheidung auf ihre Praxis der Kreuzverbrennung keinerlei Auswirkungen haben werde, da diese ein Ausdruck ihres christlichen Glaubens sei und daher verfassungsrechtlich geschützt. Praktischerweise sprechen viele Klansmen schon seit Jahren deshalb von Kreuzerleuchtungen ("cross lightnings") und nicht mehr von Verbrennungen ("cross burnings").