"Arische Revolution" - Rechtsextreme in Deutschland und den USA rechtfertigen die Terror-Anschläge
Thomas Grumke (ZDK) aus "blick nach rechts", Nr. 19/2001

"Die Friedensmission der Arabischen Union wurde am 11.09.2001 erfolgreich zu Ende geführt" hieß es am 12. September in einem Eintrag von "Radio Neues Germanien" im Onlineforum des Nationalen Info-Telefons (NIT) in Reaktion auf die verheerende Terrorwelle, die tags zuvor New York und Washington heimgesucht hatte. Während alle Hinweise auf eine Täterschaft islamistischer Fundamentalisten hindeuten, solidarisieren sich Rechtsextremisten in den USA als auch in Deutschland mit den Attentätern beziehungsweise rechtfertigen deren mutmaßlichen Motive. So ließen es sich die Jungen Nationaldemokraten "Nordost" und die "Kameradschaft Tor" nicht nehmen, noch am Tag des Attentats in der Nähe der amerikanischen Botschaft in Berlin mit einem Transparent "Für die Freiheit aller Völker" zu agitieren. In einer offiziellen Stellungnahme der NPD vom 13. September heißt es: "Mit der Aktion sollte gleichsam gegen Staatsterrorismus und Imperialismus protestiert sowie an die Verletzung zahlreicher UNO-Resolutionen durch die USA erinnert werden. Zwei Tage später wird betont: "Im Gegensatz zum Betroffenheitskult der Medien stellen nationalistische Gruppen und Parteien die jüngste Eskalation der Gewalt in den Kontext einer durch die USA betriebenen verbrecherischen Außenpolitik".

Noch tiefer in die Abgründe antijüdischer Verschwörungstheorien führen Auslassungen auf den Webseiten des "Deutschen Kollegs", für die Horst Mahler verantwortlich zeichnet. Hier markieren die Anschläge "das Ende des Amerikanischen Jahrhunderts, das Ende des globalen Kapitalismus und damit das Ende des weltlichen Jahwe-Kultes, des Mammonismus". Weiter argumentiert der Text, der mittlerweile vom Netz genommen wurde, dass die Terrorakte nichts anderes als Akte der Selbstverteidigung von den Vereinigten Staaten unterdrückter Völker seien: "Dieser Kleinkrieg ist ein Befreiungskrieg und als solcher ein Weltkrieg, weil der Feind der Völker die Welt beherrscht".

Ähnlich äußern sich amerikanische Rechtsextremisten, die den Grund für die Anschläge in einer einseitigen pro-israelischen Außenpolitik der USA sehen. Matt Hale, Pontifex Maximus der World Church of the Creator (WCOTC) ließ in einer Presseerklärung verlauten: "Wir rufen alle Weißen auf, gegen die Außenpolitik dieser Regierung zu protestieren. Wir rufen alle Weißen auf, das Ende aller Hilfeleistungen für Israel zu fordern. Wir verlangen die Befreiung dieses Landes von der Manipulation der Juden, die solche schrecklichen Konsequenzen hatte". (Übersetzung aus dem Original.)

Die Ideologie der Delegitimation
Im Lichte dieser Äußerungen drängt sich die Frage auf, ob auch Rechtsextremisten in der Lage gewesen wären beziehungsweise sind, eine solche Terrorwelle zu entfachen. Wie der Bombenanschlag von Oklahoma City im April 1995 gezeigt hat, verfügen Rechtsextremisten in den USA sowohl über die Ideologie als auch über den Fanatismus, eine große Anzahl "ziviler" Opfer in Kauf zu nehmen. Hierzu ist es allerdings unerlässlich, einen Prozess der Delegitimation zu durchlaufen, an deren Ende eine totale Ideologisierung des Konfliktes mit der als tyrannisch empfundenen "Zionistisch Okkupierten Regierung" (Zionist Occupied Government; kurz: ZOG) stattfindet und diese absolute Gegnerschaft auf jedes dem "System" zugerechnete Individuum ausgeweitet wird. Dieser Prozess der Depersonalisierung und Dehumanisierung macht es möglich, sich an Gewalttaten gegen Individuen zu beteiligen, dies aber als notwendigen Schlag gegen ZOG vor sich selbst und vor anderen rechtfertigen zu können. Schlussendlich manifestiert sich diese Legitimitätskrise in systematischer Gewalt beziehungsweise Terrorismus. Es entwickelt sich mehr und mehr eine durch die rechtsextreme Ideologie forcierte und mit ihr verwobene Eigenlogik, in der Gewalt als das einzige Mittel des Widerstandes und zur Erreichung der eigenen Ziele angesehen wird. Hierbei "füttert" die Ideologie sozusagen die auf den Stufen der Radikalisierung aufsteigenden Personen ständig. In diesem Sinne ist es dann nicht mehr entscheidend, ob die USA als "zionistisch okkupiert" oder als "großer Satan" angesehen werden, das World Trade Center gilt in beiden Fällen als überragendes Symbol der "mammonistischen Weltherrschaft", wie es im Text des Deutschen Kollegs heißt: "Die militärischen Angriffe" auf diese Symbole sind, "weil sie vermittelt durch die Medien den Widerstandsgeist der Völker beleben und auf den Hauptfeind ausrichten – eminent wirksam und deshalb rechtens". Deutlicher kann die Ideologie der Delegitimation nicht ausgedrückt werden.

Aktionen, wie die von WCOTC-Mitglied Benjamin Smith, bei dessen Amoklauf im Juli 1999 zwei Menschen umkamen, oder die von Aryan Nations-Sicherheitschef Buford Furrow im August 1999, der einen jüdischen Kindergarten in Los Angeles stürmte und eine Person erschoss, setzen sich gerade wegen des mangelnden Erfolges organisierter rechtsterroristischer Gruppen innerhalb der amerikanischen extremen Rechten durch.

Welches Gewaltpotenzial dem amerikanischen Rechtsextremismus innewohnt, zeigen auch fehlgeschlagene Pläne zu Gewalttaten und Anschlägen. Im Jahre 1988 wurde ein Plan von dem Christian Identity-Umfeld zuzurechnenden Rechtsextremisten zur Vergiftung des Trinkwassers von New York und Washington, DC mit schon bereitstehenden 30 Gallonen Cyanid aufgedeckt. 1995 wurde die – in den USA völlig legale – Lieferung von Pest-Erregern (Yersinia pestis) an den Mikrobiologen Larry Wayne Harris, Ex-Mitglied der Aryan Nations, im letzten Moment gestoppt. Im Jahre 1996 erhielten als Militia-Mitglieder auftretende FBI-Agenten von zwei Litauern Flugabwehrraketen und taktische Nuklearwaffen aus dem Bestand der ehemaligen Sovietarmee zum Kauf angeboten.

Alle Mittel im Kampf erlaubt
In einschlägigen Publikationen wie dem Roman "The Turner Diaries" des National Alliance-Führers William Pierce wird die Sakralisierung der Gewalt besonders deutlich. In diesem zu Recht als "rechtsextreme Bibel" bezeichneten Roman nimmt die "arische Revolution" ihren Anfang in einem Bombenattentat auf das Hauptquartier des FBI und erlebt ihren Höhepunkt im so genannten "Day of the Rope", an dem zehntausende Menschen mit Schildern wie "Ich habe meine Rasse verraten" an Straßenrändern aufgehängt werden. Nach einem nuklearen Bürgerkrieg und einer "mopping-up period" (Tötung aller "nicht-Weißen"), ist die gesamte Welt am Ende des Romans "arisch", das Blutvergießen "hat sich gelohnt". Die kompromisslose Stellung zu Gewalt – als einzige Lösung des Problems der empfundenen fundamentalen Unterdrückung der "arischen Rasse" durch ZOG – ist der extremen amerikanischen Rechten inhärent. Gewalt wird als von außen aufoktroyierte letzte Ressource im Kampf ums Überleben gesehen.

Der inzwischen in Haft sitzende Herausgeber des "Nationalist Observers" Alex Curtis hat die Vision einer zweistufigen revolutionären Bewegung: Stufe eins ist legalistisch und damit betraut, "diversive und subversive" Propaganda zu verbreiten, die die Stufe zwei, den Untergrund, lenken soll. Diese Stufe zwei besteht aus so genannten "einsamen Wölfen" ("lone wolfs", vgl. BNR 21/00), rassistischen Kämpfern, die allein oder in Kleingruppen mit täglichen anonymen Gewalttaten langsam Infrastruktur und Autorität der verhassten Regierung untergraben. Curtis ist sich sicher, dass es zu Gewalt kommen wird, da "die Regierung, die uns und unsere Nation okkupiert, skrupellos und blutig unsere Rasse ermordet". Er sieht sich selbst als Propagandist, der die Saat der "arischen Revolution" aussäht, die eines Tages von "lone wolfs" geerntet werden wird. Erlaubt sind in diesem Kampf alle Mittel, einschließlich biologischer und chemischer Waffen: "Tausend Timothy McVeighs würden dieser rassisch korrupten Gesellschaft jede Stabilität entziehen", schreibt Curtis. Die Titelstory der Juni 2000-Ausgabe seines inzwischen vom Netz genommenen "Nationalist Observer" mit der Überschrift "Biologie für Arier" bot eine detaillierte Gebrauchsanweisung zur Herstellung und zum Einsatz von hochgiftigen Substanzen wie Milzbranderregern und Typhuskulturen an. Curtis weist auf das günstige "Preis-Leistungs-Verhältnis" hin, da mit relativ geringen Kosten relativ vielen "Feinden" der Garaus gemacht werden könne.

In der Zeitschrift "Media Bypass" verurteilte Timothy McVeigh im Mai 1998 während seiner Haftzeit die Doppelmoral der Bundesregierung wie auch der amerikanischen Öffentlichkeit, die dem Militäreinsatz gegen den Irak zustimmen, jedoch den Bombenanschlag in Oklahoma City verurteilen: "... wenn man der Bombardierung ausländischer Ziele durch das US-Militär moralisch zustimmt, dann stimmt man auch dem moralisch ähnlich gelagerten Bombenanschlag von Oklahoma City zu. Der einzige Unterschied ist, dass die Nation keine ausländischen Opfer auf der Titelseite von ‘Newsweek’ sehen wird".

Die Beispiele mögen verdeutlichen, dass der "Heilige Rassenkrieg" ("Racial Holy War"), wie der Schlachtruf der WCOTC lautet, Terrorakte von der Dimension der am 11. September verübten hervorbringen könnte. Im dem oben zitierten Text des Deutschen Kolleg heißt es: "Die Sache der Völker steht gut. Vor die Wahl gestellt, zu kämpfen oder unterzugehen, werden sie den Kampf wählen und siegen ...".